Unser Innenministerium arbeitet schnell und ist fleißig. Unsere Polizei im Bund und im Land arbeitet schnell und ist fleißig. Ich traue ihnen viel zu, aber eine solche Abschiebung organisiert man nicht über Nacht, ganz unabhängig von Schnelligkeit und Fleiß.
Auch der Bund führt und führte Abschiebungen durch. Auch vom Bund wurden Straftäter abgeschoben. Bei allem Willen, das zu tun, weil das gut und richtig ist und Recht und Gesetz entspricht: Zur Wahrheit gehört, dass wir Menschen nur dann abschieben können, wenn ein Land bereit ist, diese Menschen aufzunehmen.
Ob die im Antrag geforderten Busse das bringen, was man sich von ihrem Einsatz verspricht, bezweifle ich stark. Wenn man nämlich in Ruhe mit Menschen spricht, die Abschiebungen fordern, dann wird ganz schnell klar, dass sie nicht den Fußballtrainer aus dem Nachbarort meinen, das sie nicht die Pflegekraft aus dem Hospiz meinen, die den Opa liebevoll gepflegt hat, dass sie nicht den Kollegen aus dem Betrieb, nicht die Schulkameradin der Tochter, nicht den Azubi aus dem Gartenbaubetrieb meinen, der im Winter die Straße geräumt hat. Nein, sie meinen die Straftäter, die uns allen Sorgen machen und für die wir kluge Lösungen suchen müssen bzw. schon haben.
Straftäter und Gefährder sollen abgeschoben werden, und zwar am besten vor einer Tat. Ob das gelingt, entscheidet aber sicher nicht die Zahl der Flugzeuge, mit denen Menschen abgeschoben werden, nicht die Zahl der Busse, nicht die Quantität der eingesetzten Mittel. Es geht vielmehr darum, die Richtigen abzuschieben. Ob das gelingt, hängt wiederum von guter Polizeiarbeit und von funktionierender Justiz ab. Beides stärken wir weiter – wir haben es in diesen Tagen gehört –, um Straftäter und Gefährder unter den Asylsuchenden festsetzen und abschieben zu können und um, was man in dieser ganzen Debatte nicht vergessen sollte, Kriminalität zu bekämpfen, egal wer die Delikte begeht.
Wir brauchen den vorliegenden Antrag nicht. Wir brauchen eine zielführende Debatte, Sachlichkeit und Respekt.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Abgeordnete! Noch 2023 war das Wort „Remigration“ das Unwort des Jahres. Zu Recht war es das; denn es ist menschenverachtend, es wertet alle Menschen mit Migrations- und Einwanderungsgeschichte ab. Das bedeutet nichts anderes als die Abschiebung aller Menschen mit Migrations- und Einwanderungsgeschichte und aller geflüchteten Menschen.
(Dr. Frank Grobe (AfD): Das ist doch Quatsch! – Robert Lambrou (AfD): Völliger Quatsch! – Dr. Frank Grobe (AfD): Es geht um illegale Migration! Wer lesen kann, ist klar im Vorteil!)
Was ist jetzt? In allen Talkshows und Interviews während des Wahlkampfs konnte Alice Weidel, ohne Anführungsstriche anzudeuten, über das Programm zur Remigration referieren,
und alle haben so getan und entsprechende Fragen gestellt, als wäre das sozusagen der Status quo der politischen Debatte in Deutschland. Das war nur eineinhalb Jahre später. Da hat sich doch enorm etwas verschoben.
Es hat sich etwas verschoben, wenn wir nur noch über „abschieben, abschieben, abschieben“ sprechen. Um es noch einmal zu verdeutlichen, da ich das Gefühl habe, dass es immer wieder vergessen wird, über wen wir in dieser Debatte eigentlich sprechen: Wir sprechen über Menschen. Menschen sind keine Naturkatastrophen, sie sind keine Tiere, und sie sind auch keine Krankheitserreger oder Parasiten.
Die große Mehrheit der Geflüchteten besteht nicht aus Straftätern oder bösen Menschen. Wenn wir es mit Straftätern zu tun haben, stellen wir fest, dass es überall Menschen gibt, die böse sind. Das hat nichts mit der Herkunft oder der Nationalität zu tun.
(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und verein- zelt SPD – Dr. Frank Grobe (AfD): Es geht um das Asylrecht!)
Wie kann man sich nach diesen Wahlergebnissen ernsthaft hierhin stellen und eine noch härtere Abschiebepolitik fordern? Es ist doch kein Wettbewerb, bei dem es darum geht, wer am schnellsten und besten abschiebt. Erst streitet sich Innenminister Poseck mit der Bundesinnenministerin Faeser, und dann steigt auch noch die FDP mit ein.
(Dr. Frank Grobe (AfD): Weil es nicht umgesetzt wurde! Weil die Deutschen das wollen! – Wiebke Knell (Freie Demokraten): Weil die Probleme nicht gelöst werden!)
Das kann doch nicht unser Ernst sein, und schon gar nicht ist das eine kluge Politik. Wer Charterflüge als die Lösung verkauft, bekämpft nicht die Ursache, sondern nur die Symptome.
Die Forderung, die deutschen Grenzen dicht zu machen, ist nicht nur europarechtswidrig, sondern auch nicht umsetzbar.
Wir hören es: Wer profitiert denn am meisten von all diesen Debatten? Das ist die Rechtsaußenpartei. Das merken wir doch selbst. Es ist wirklich fatal, zu denken: Wenn wir jetzt alle immer weiter eine härtere Abschiebepolitik fordern, gewinnen wir damit AfD-Wähler zurück oder machen die AfD klein. – Das ist doch ein Irrglaube. Wir müssen endlich aufhören, den Narrativen der AfD hinterherzulaufen. Das ist doch genau die Strategie, auf die diese Partei setzt, und sie hat damit auch Erfolg.
Es wird doch abgeschoben, und zwar nicht wenig. Erst gestern gab es eine Pressemitteilung aus dem Innenministerium: Abschiebeflug per Charter nach Pakistan, sechs Personen aus Hessen.
(Dr. Frank Grobe (AfD): Wie bitte? Sechs Personen, das ist wirklich sehr viel! Jeden Tag ein paar Hundert!)
Aber wie viel schneller soll denn bitte noch abgeschoben werden? Wir haben in den letzten drei Jahren in der Asylpolitik immer wieder Maßnahmen verschärft. Man kann uns nicht vorwerfen, dass wir hier nicht gehandelt haben. Das Gegenteil ist der Fall.
Es liegt aber an den fehlenden Strukturen und an den personellen Mitteln auf allen Ebenen der Behörden, dass alle diese Maßnahmen zur Umsetzung nicht schneller funktionieren.
Und ja, selbstverständlich müssen wir Gefährder und Straftäter viel schneller abschieben. Aber es werden auch Menschen abgeschoben, die sich ein Leben aufgebaut haben, die hier in Ausbildung sind, die hier in Sicherheit leben wollen. Gerade mit Blick auf den steigenden Fachkräftemangel sollten wir wirklich aufpassen, wen wir abschieben.
Ich möchte damit überhaupt nichts relativieren oder schönreden. Das wird uns GRÜNEN immer gern vorgeworfen.
Wir verurteilen das aufs Schärfste. Diese Anschläge sind furchtbar; denn immer werden unschuldige Menschen getötet. Das lässt doch keinen kalt. Aber wir sind trotzdem der Meinung, wir brauchen eine differenzierte Debatte, bei der nicht ständig alles in einen Topf geworfen wird. Das wird doch den ganzen Herausforderungen nicht gerecht. Die schnellen Scheinlösungen, von denen ständig geredet wird, bringen uns doch nicht weiter. Das spaltet vielmehr die Gesellschaft.
Wer erinnert sich an das kleine Mädchen, das nach dem furchtbaren Anschlag in Aschaffenburg auf einer Bühne stand und sich für alle Afghaninnen und Afghanen entschuldigt hat? Sie sagte: Wir sind nicht alle böse. Manche denken, dass ich, weil ich Afghanin bin, böse bin. – Das macht es mit ihnen. Wie sehr ist das Klima durch all diese Debatten schon vergiftet? Eine Instrumentalisierung dieser Taten schafft nicht mehr, sondern weniger Sicherheit und gefährdet den Zusammenhalt in unserem Land.
Es ist wirklich widerlich, dass die Angehörigen der Opfer immer wieder benutzt werden, um weitere Abschiebedebatten zu führen. So etwas macht man nicht. Dass jetzt auch ständig Afghanen und Syrer unter Generalverdacht gestellt werden, ist grundlegend falsch. Die meisten sind vor allem vor Islamisten geflohen.
Deswegen gebe ich hier ein paar Antworten, wie wir, anstatt eine panische Migrationsdebatte zu führen, die keine Sicherheit schafft, im Sinne von mehr Humanität und Ordnung vorgehen können: eine umfassende Sicherheitsoffensive, null Toleranz gegenüber Gefährdern, konsequente Abschiebung nicht deutscher Straftäter. Abschiebungen müssen konsequent durchgeführt werden, und bestehende Hindernisse, wie fehlende Rücknahmevereinbarungen mit den Herkunftsländern, müssen aus dem Weg geräumt werden. Aber zur Wahrheit gehört auch, so einfach, wie man es sich vorstellt, ist es nicht, mit Islamisten zu verhandeln.
Was die Stärkung der Rechtsdurchsetzung in der EU und also auch in Deutschland betrifft: Wir haben GEAS beschlossen. Wir alle müssen die Verantwortung dafür übernehmen, dass GEAS umgesetzt wird. Wenn sich Länder, wie etwa Ungarn, nicht daran halten und Menschen weder aufnehmen noch zurücknehmen, muss das eben sanktioniert werden. Nur in einem Europa mit einem gemeinsamen Europarecht können wir die Herausforderungen bewältigen.
Es braucht eine echte Fluchtursachenbekämpfung und humanitäre Hilfe. Die Gefährderüberwachung muss ausgeweitet werden. Es braucht Frühwarnsysteme gegen Islamismus, es braucht eine ausreichende Finanzierung psychosozialer Zentren, und es braucht gezielte Maßnahmen zur Prävention von Gewalttaten durch Asylbewerber. Es braucht eine bessere Ausstattung der Behörden durch mehr Personal und Digitalisierung. Die Kommunikation zwischen unseren Sicherheitsbehörden auf der Bundes- und auf der Landesebene muss stetig ausgebaut werden. Es braucht eine schnellere Anerkennung von ausländischen Abschlüssen, und es braucht schnellere Zugänge zu Integration und Teilhabe.
Und ja, wir müssen über die Probleme, die wir haben, auch über die Migration, sprechen. Das streitet hier keiner ab. Aber wir dürfen doch bitte nicht so tun, als ob dies das Hauptproblem wäre. Dem ist nicht so. Damit machen wir es uns zu einfach, und es auch nicht ehrlich. Wenn wir keine ehrliche und faktenbasierte Debatte mehr führen können, haben die Rechtsaußenparteien gewonnen.
Kommen wir also in die Mitte der Gesellschaft zurück, und führen wir eine Migrationspolitik zwischen Humanismus und Realismus. Die rassistische Debatte auf dem Rücken Schutz suchender Menschen muss endlich aufhören.
Ich möchte meine Rede mit einem Satz des Politikwissenschaftlers Wolfgang Schroeder beenden. Ich zitiere:
Was meint er damit? Migration darf nicht länger als Sündenbock für sämtliche Probleme in unserem Land herhalten. – Vielen Dank.