Protokoll der Sitzung vom 27.02.2025

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die CDU spricht Herr Abgeordneter Hering.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Frau Kollegin Klaes, wir müssen uns das zahlenmäßige Verhältnis zwischen den illegalen Einreisen und den Abschiebungen immer wieder einmal vor Augen halten und darauf achten, dass wir nicht zu oft das Wort „Migrationspanik“ verwenden. Ich bediene mich auch keiner Narrative der AfD, wenn ich gleich in meine Rede einsteige. Das weise ich von mir.

(Beifall CDU)

Vielmehr bleibe ich meiner Linie treu, weil mich meine Erfahrungen im Polizeidienst gelehrt haben, dass der Rechtsstaat konsequent und nachvollziehbar auftreten muss. Wenn Sie sagen, es könnte eine regelrechte Abschiebewut geben, dann weise ich auf Folgendes hin: Es gab einen Flug, aber aus der umgekehrten Richtung, nämlich von Pakistan nach Deutschland. An Bord waren 155 Afghanen. Man hat anscheinend jetzt das gemacht, was wohl vor der Wahl nicht möglich gewesen ist.

(Zuruf Klaus Gagel (AfD))

Ich denke, das war auch nicht das richtige Signal. Wir müssen hier mehr Klarheit schaffen für die Menschen, die auch Erwartungen an uns haben.

(Zuruf Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN))

Auch ich sehe, wie unter Punkt 3 im Antrag der FDP-Fraktion geäußert, Versäumnisse seitens der Bundespolitik, was die Dublin-Taskforce betrifft. Von den GRÜNEN hätte ich mir gewünscht, dass sie den Antrag zum GEAS annehmen. Das hätte uns Vereinfachungen gebracht, bei Flughafenverfahren, Abschiebebeschleunigungen und der Anerkennung von mehr sicheren Herkunftsstaaten, die wir nun einmal brauchen. Frau Klaes, Sie hatten es gesagt, dazu stehen wir in Verhandlungen.

Von daher stimme ich Ihnen zu, Herr Lambrou: Wir haben in der Tat noch Aufgaben vor uns. Die Lösungen lassen sich aber nicht einfach so von der Bank herüberrufen. Dazu stehen noch Verhandlungen, sehr viele Abgleiche und sehr viele gesetzliche Maßgaben an.

(Robert Lambrou (AfD): Das stimmt, aber Bayern hat das seit 2021!)

Ich bitte Sie, auch zu sehen, was getan wurde. Wenn Sie jetzt den von Hessen organisierten Charterflug wieder zerlegen wollen, indem Sie auf die Zahlen hinweisen, habe

ich fast den Eindruck, Sie ärgern sich über diesen Charterflug, weil er Ihnen ein Stück weit Ihr Geschäftsmodell kaputt machen könnte.

(Beifall CDU – Robert Lambrou (AfD): Wie wurde das in der Presse verkauft?)

Bei der FDP stört mich ein bisschen, dass sie den Fokus auf erschütternde Gewalttaten legt und zum Schluss die psychosoziale Betreuung von Gewalttätern in den Fokus rückt. Rückführungen sollen eigentlich nicht, wie von Ihnen gefordert, vornehmlich die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger gewährleisten. Das ist selbstverständlich, das ist die vornehmliche und vornehmste Aufgabe des Staates.

Nein, Rückführungen sollen folgerichtige Maßnahmen nach aufwendigen Prozessen und Rechtswegen sein, um die begrenzten Ressourcen für die wirklich Schutzbedürftigen vorzuhalten, und sie sollen unabhängig von Straftaten erfolgen, beim Vorliegen von Straftaten aber umso dringlicher. Sie begründen es damit, dass das Vertrauen in die staatlichen Institutionen nachhaltig Schaden nimmt, sofern diese Taten regelmäßig geschehen. Nein, bereits vor solchen Taten verlieren die Menschen das Vertrauen in ihren Staat, wenn sie bemerken müssen, dass Rechtsentscheidungen nicht umgesetzt werden. Schließlich erwartet der Staat von seinen Bürgern auch, dass sie sich an Recht und Gesetz halten.

Was die noch schwereren Gewalttaten betrifft, hätten Sie mit dieser Zielsetzung eigentlich schon früher kommen müssen. Das gilt vielleicht für uns alle; denn das beschäftigt uns ja nicht erst die letzten Monate: Mannheim, Solingen, Magdeburg, Aschaffenburg. Ja, diese Anschläge haben uns entsetzt und aufgerüttelt. Aber was ist mit den zahlreichen Toten und Verletzten der letzten zehn Jahre aufgrund von Anschlägen, Attacken und Gewalttaten im Namen der Ehre? Bisher gab es keine Anträge in diese Richtung. Für diese Opfer gibt es übrigens auch keine Denkmäler.

(Zuruf Klaus Gagel (AfD))

Was haben wir denn aus den Geschehnissen in Köln in der Silvesternacht 2015 gelernt? Ich habe aus polizeilicher Sicht in Erinnerung, dass die Hauptkritik sich darauf konzentrierte, dass die Polizei bei Kontrollen das Wort „Nafri“ verwendet. Es gab also mehr Kritik an Interna der Polizei als gesamtgesellschaftliche Betrachtungen.

Ohne vermeintliche politische Korrektheit müssen wir handeln und auch klar benennen, was manche nicht hören wollen: Humanität und Ordnung erfordern Solidarität und Mitmenschlichkeit, aber eben auch die so unbequemen Konsequenzen; sonst schwindet der Rückhalt in der Gesellschaft,

(Beifall CDU)

nämlich dann, wenn kein Schutzstatus, kein Bleiberecht festgestellt wird und Konsequenzen ausbleiben, wenn durch Schutz Suchende perverserweise Schutzmaßnahmen für die aufnehmende Gesellschaft notwendig werden. Noch schlimmer ist es, wenn trotz Hinweisen auf Gewalttätigkeit – die übrigens gegen jeglichen Integrationswillen spricht – die Ausreisepflicht nicht durchgesetzt wird.

Im zweiten Teil Ihres Antrags stellen Sie auf Traumatisierungen ab. Aber wir müssen sehen, dass wir es hier wirklich mit staats- und menschenfeindlichen Gewalttaten zu tun haben. Diese sollten wir nicht zu sehr relativieren.

Denken wir an den traumatisierenden Jugoslawienkrieg – pure Unmenschlichkeit, eine Zäsur –, der aber bei uns nicht zu vergleichbaren Zahlen von Gewalttaten durch diese Flüchtlinge führte.

Ich sehe schon eine Häufung an Gewalttaten – da müssen wir uns ehrlich machen – bei archaisch und martialisch geprägten Kreisen, die in Teilen die westliche Lebensweise verachten oder vielleicht sogar für den Kampf gegen diese Lebensweise hierherkommen. Mir ist noch ein Fall aus Pakistan in Erinnerung, wo eine Katholikin vom Vorwurf der Gotteslästerung freigesprochen wurde. Da war nicht das Regime maßgeblich, sondern die Bevölkerung ist da mit Steinen in der Hand auf die Straße gegangen und hat die Bestrafung gefordert. Oder wie sieht das aus, wenn Fastnachtsumzüge aus gewissen Gründen abgesagt werden? Drohungen gegen unsere Werte, gegen unsere Festlichkeiten: Sind das alles Traumatisierte?

Ich spreche auch aus polizeilichen Erfahrungen. Diesen Menschen aus diesen Regionen müssen wir mehr unsere Werte und einen konsequenten Rechtsstaat vermitteln.

(Beifall CDU und Wiebke Knell (Freie Demokra- ten))

Denn – und das kann ich Ihnen anhand von vielen Gesprächen auch mit Betroffenen belegen – alles andere würde gerade in diesen Kreisen als schwacher Staat wahrgenommen, mit der Gefahr, dass sich gegen diesen aufgelehnt und versucht wird, eigene Rechtsvorstellungen durchzusetzen.

Aber egal ob islamistisch oder anderweitig extremistisch motiviert oder traumatisiert, solche Gefährder begegnen uns immer mehr, auch im Internet und in sozialen Medien, und dort müssen sie aufgespürt werden. Viele vereitelte Anschläge – vereitelt auch dank Hinweisen aus dem Ausland – sollten spätestens mit Ihrem Antrag, liebe FDP, ein Umdenken bringen, auch bei der Datenschutzeuphorie Ihrer Partei.

(Beifall CDU und Dirk Gaw (fraktionslos))

Sie fordern intensivierte Kontrollen von Menschen mit Gewaltpotenzial. Selbstverständlich müssen wir diese in den Fokus rücken. Wir müssen sie aber auch als Gewalttäter identifizieren, und zwar im Vorfeld solcher Taten. Gerne lasse ich mich da auf Ihren Katalog an Durchleuchtungsmaßnahmen ein, der aber nur dann aus dem Schaufenster heraustritt, wenn sich die FDP für polizeirechtliche Analyse- und Überprüfungswerkzeuge öffnet. Dazu gehören gerade in diesem Kontext unweigerlich Vorratsdatenspeicherung, Onlinedurchsuchungen, Analyse-Software und weitere KI-gesteuerte Instrumente.

(Beifall CDU und Dirk Gaw (fraktionslos))

Zur Rettung von Menschenleben müssen Internetstreifen möglich sein. Verdächtige Kommunikation, auch im Internet, darf uns nicht erst dann auffallen, wenn es Tote gegeben hat.

Abschließend noch mein Dank an die FDP für einen Antrag, der Gelegenheit bietet, die hessischen Leistungen herauszustellen. Was in der Länderkompetenz liegt, gerade bei den Rückführungen, gehen wir konsequent an – bei Bedarf auch mit erfolgreichen Bundesratsinitiativen. Ich will einige Maßnahmen nennen: Abschiebehaftanstalt Eberstadt, 80 Plätze auch für andere Bundesländer; verlängerter Ausreisegewahrsam; die Bezahlkarte mit allem, was dranhängt – darüber haben wir gerade diskutiert –; erweiterte Betre

tungsrechte von Sammelunterkünften; Zuweisungen in die Kommunen erst bei Bleiberecht; weitere Maßnahmen zur Leistungsbegrenzung – sehr gerne über das Sozialministerium, jetzt noch ambitionierter.

Sie kennen unseren Koalitionsvertrag. In Rekordzeit haben wir viele Vorhaben umgesetzt. Das geschah sogar vor Ihrem Antrag. Im Januar wurden 159 Personen abgeschoben. Der Minister hat auch schon gezeigt, dass es in dieser Größenordnung weitergehen soll. Von Hessen organisierte Rückführungsmaßnahmen – egal in welcher Zusammensetzung – sind die Praxis und zeigen die Anstrengungen unseres Landes.

Wir setzen hier Maßstäbe, und wir beweisen – übrigens nicht nur vor den Wahlen, sondern auch nach den Wahlen –: Hessen wirkt.

Deshalb bräuchten wir diesen Antrag der FDP eigentlich nicht, aber wir freuen uns über die ausgestreckte Hand der FDP für die konsequente Rechtsanwendung und Handlungsfähigkeit unseres Staates. Zwischen den Zeilen: Das ist ein Antrag, den die FDP vielleicht sogar ein bisschen an sich selbst adressiert haben könnte; denn, während Hessen große und erfolgreiche Anstrengungen in Sachen Rückführung unternimmt, sehe ich bei der FDP gerade in Zeiten moderner Technologien, in Zeiten von Internet und KI noch Luft nach oben, was die Akzeptanz von Fahndungs- und Ermittlungsinstrumenten betrifft, einschließlich der so entscheidenden IP-Adressen-Speicherung. Auf gute Zusammenarbeit. – Danke.

(Beifall CDU und vereinzelt SPD)

Zu einer Kurzintervention hat sich der Abgeordnete AlWazir von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gemeldet.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Kollege Hering, ja, natürlich gibt es Probleme in diesem Land, die wir lösen müssen. Aber wir müssen trotzdem auf unsere Sprache achten. Die Begriffe, die Sie hier teilweise benutzt haben – auch das, was Sie hier insinuiert haben, ich muss es leider so sagen –, war die Sprache der AfD – leider.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf CDU: Unverschämtheit! – Weitere Zurufe CDU und AfD – Glockenzeichen)

Ich will Ihnen das ausdrücklich sagen, weil ich Sie auch schon sehr lange kenne und weiß, dass Sie eigentlich ganz anders denken. Ich habe wirklich den großen Wunsch, dass wir als Demokratinnen und Demokraten gemeinsam aufpassen, dass wir uns nicht treiben lassen und am Ende Bilder stellen, die mit der Wirklichkeit nichts zu tun haben.

(Zuruf Lara Klaes (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – Zurufe CDU – Glockenzeichen)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die CSU in Bayern hat 2018 ja einmal eine ähnliche Erfahrung gemacht wie jetzt die Union insgesamt am letzten Sonntag. Der damalige CSU-Generalsekretär – ich glaube, er ist es immer noch – hat gesagt: „Wir lernen aus diesem Wahlkampf: Man kann ein Stinktier nicht überstinken.“

(Zuruf AfD)

Deswegen bitte ich: Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, dass Probleme gelöst werden, aber passen wir auf, dass wir nicht die Sprache von denen übernehmen, die eben nicht Problemlösung im Sinne haben, sondern Spaltung.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf AfD: Unfassbar!)

Herr Hering, Sie haben die Möglichkeit, zu erwidern. Bitte sehr.

Herr Al-Wazir, jetzt hätte ich gerne einmal konkret die Begrifflichkeiten von Ihnen gehört, weil ich zu jedem Wort stehe, was ich eben gesagt habe.

(Beifall CDU, AfD und Freie Demokraten)