Protokoll der Sitzung vom 13.06.2001

(Heiterkeit bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Mit Verlaub, Herr Kollege Beuß und meine Damen und Herren von der CDU, es war schon interessant, daß Sie

(Günter Frank SPD)

hier einen Brandantrag für Priorität Bildung auf den Tisch legen, eine Brandrede dazu bei acht anwesenden CDUAbgeordneten halten, während Sie geredet haben, von denen dann fünf geklatscht haben. Wenn das die Verve ist, mit der die CDU im Wahlkampf für Priorität Bildung eintreten will, dann sagt uns das einiges.

(Beifall bei der GAL, der SPD und bei REGEN- BOGEN – für eine neue Linke)

Es wird Sie nicht wundern, daß wir diesem Antrag

(Zuruf von Hartmut Engels CDU)

warten Sie mal ab, ich komme noch zu einigen Punkten, die Sie begeistern werden, Herr Engels –, der ein bißchen eine Mischung aus GEW und Deutscher Lehrerverband, Wortgeklingel und halbgaren Maßnahmen ist, wenn man das einmal zusammenfaßt, nicht zustimmen. Was mich in der Tat zunehmend aufregt – in dem Punkt stimme ich dem Kollegen Frank zu, ich stimme ihm in einem wesentlichen Punkt nachher nicht zu –, ist dieses Gejammere über bestimmte Belastungen von Lehrern. Wenn Sie als ein Beispiel anführen, daß Lehrer jetzt Schulprogramme entwickeln, und das als das große Drama hinstellen, dann kann ich das ernsthaft nicht verstehen. Ich finde, das ist geradezu eine Errungenschaft,

(Dr. Holger Christier SPD: Genau! Macht Spaß!)

daß sich Schulen und Kollegien gemeinsam darüber Gedanken machen, was sie eigentlich wollen, wohin sie wollen, und das mit Eltern und Schülern besprechen.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Natürlich macht das Arbeit, aber die ist notwendig. Es ist viel zu lange – auch an Hamburger Schulen – vor sich hingewurschtelt und -gewerkelt worden, und das ist in dieser Frage und auch in der Frage der Grundschularbeit beendet. Da muß man Kraft und Arbeit investieren, und darüber kann man nicht jammern.

(Hartmut Engels CDU: Der Mehrarbeitsspezialist der GEW sagt das!)

Ich lese meine alten Artikel mit Begeisterung, und ich werde gleich noch daraus zitieren.

(Oh-Rufe bei der CDU)

Warten Sie es ab.

(Hartmut Engels CDU: Jede Kleinigkeit haben Sie als Mehrarbeit gegeißelt!)

Da war ich aber GEW-Vorsitzender und hatte noch nicht die Weisheit eines Parlamentariers in diesem Hause.

(Heiterkeit und Beifall bei der GAL und der SPD)

Ich komme noch auf meine alte Position, die auch heute noch meine ist, zurück.

Lassen Sie mich kurz mit Ihrem Antrag beschäftigen, denn darum geht es eigentlich und nicht so sehr um die Artikel, die ich in der Vergangenheit geschrieben habe und zu einem großen Teil immer noch interessant und lesenswert finde.

Der Kollege Frank hat schon zu einigen Maßnahmen etwas gesagt. Ich finde, insgesamt ist es wirklich ein Potpourri von relativ untauglichen Dingen, zum Beispiel eine Rückholaktion ehemaliger Referendare, die in anderen Bundesländern sind. Wie will man eine Altbewerberkartei der Leute herstellen, die hier einmal ausgebildet worden sind?

Der Wiedereinstieg ausgeschiedener Kolleginnen, die im Erziehungsurlaub sind, ist eine ausgereizte Angelegenheit. Besonders problematisch

(Wolfgang Beuß CDU: Ja, ja!)

finde ich Ihren Vorschlag – darüber haben wir noch nie diskutiert –, Zulagen an Referendare an Berufsschulen zu bezahlen. Auf welcher Grundlage soll das möglich sein? Und Beförderungsämter im GHR-Bereich? Ich denke, man könnte insgesamt darüber reden, ob es Sinn macht, alle Lehrer immer von Anfang an nach A13 zu besolden

(Heiterkeit bei der CDU)

und sie lebenslang darin zu belassen.

(Hartmut Engels CDU: Das sage ich Frau Ahrons!)

Moment, Moment. Bevor das „Hamburger Abendblatt“ und die CDU mich morgen zitieren, daß ich für eine Eingangsbesoldung bei A 9 bin. Das ist nicht das Problem. Ich habe mit Herrn Meyer schon häufig darüber geredet. Der versteht mich nicht falsch, aber bevor Sie es falsch zitieren – das ist nicht das Problem –, aber ein Problem ist es in der Tat, daß man mit 27 Beamter auf Lebenszeit wird, in einer Besoldungsgruppe bleibt und das bis ans Ende seiner beruflichen Zeit. Darüber nachzudenken, das lohnte sich schon, aber das in diesen Zusammenhang zu bringen, halte ich wirklich nicht für sinnvoll.

(Beifall bei der SPD)

Aber, meine Damen und Herren von der SPD, bevor Sie jetzt zu sehr klatschen, möchte ich doch wenigstens in einem Punkt mir und alten Artikeln und Positionen treu bleiben. Die Frage der Lehrerversorgung und der Einstellungspolitik in Hamburg ist aus meiner Sicht in den letzten zehn Jahren in der Tat kein Ruhmesblatt. Was mir damals fehlte und heute fehlt, ist eine vernünftige, valide, langfristige Lehrer-Bedarfsprognose. Es gibt einen klugen Mann hier in diesem Hause, der heute nicht da ist. Das ist der Staatsrat in der Schulbehörde. Der war dummerweise 1995 in die Wissenschaftsbehörde übergewechselt. In dieser Zeit und in der Zeit danach ist meiner Meinung nach auf diesem Gebiet etwas nicht sinnvoll weitergemacht worden, was eigentlich gemacht werden sollte, denn 1995 wußten wir schon in Hamburg ziemlich genau, wieviel Kinder 2001 in den Schulen sind. Zu dem Zeitpunkt hätte man eine ziemlich exakte Prognose über den Lehrer-Bedarf machen können. Heute, 2001, weiß man ziemlich genau, wieviel Lehrer wir 2007 brauchen. Ich denke, daß hier in der Tat Fehler gemacht worden sind. Ich will Ihnen das an einem Beispiel noch einmal sagen. Darüber haben wir lange diskutiert, lieber Herr Günter Frank. Es ist aus heutiger Sicht nahezu nicht nachzuvollziehen, wieso man 1997 in Hamburg eine Einstellungspolitik mit Zwangsteilzeit auf Dreiviertelstellen, mit soviel Ärger und soviel Diskussionsbedarf gemacht hat, wenn man weiß, daß man ab 2001 jeden Lehrer in Hamburg mit einer Dreiviertelstelle darum bitten wird, auf eine volle Stelle zu gehen, damit wir den Bedarf überhaupt decken können. Das hat uns soviel Ärger und Diskussionen eingebracht und ist ein Zeichen dafür, daß es eine

(Dr. Holger Christier SPD: Wir haben sie doch jetzt!)

konsequente und vernünftige und perspektivische Einstellungspolitik in manchen Zeiten wirklich nicht gegeben hat.

(Ingrid Cords SPD: Zu spät!)

Ich weiß, es gibt Widerspruch, auch aus den eigenen Reihen. Aber ich denke, wenn man darüber ernsthaft und

(Dr. Hans-Peter de Lorent GAL)

ruhig nachdenkt und diskutiert, läßt sich diese Position nicht anders beschreiben.

(Zuruf von der GAL und Heiterkeit)

Meinst du, es liegt daran? Ich halte es, ehrlich gesagt, nicht für eine FDP-Position, die ich hier vertrete, wenn der Hinweis auf mein gelbes Sacko damit gemeint ist.

Lassen Sie mich noch drei Punkte nennen. Der Kollege Beuß hat angemahnt, daß keine Vorschläge gemacht werden. Ich denke, nötig wäre im Schulbereich auch eine noch stärkere Verläßlichkeit über das Personalvolumen, am besten mindestens über eine Legislaturperiode, ähnlich wie im Hochschulbereich. Ein Segen für die Hochschulen, die über einen längeren Zeitraum disponieren können.

Ich halte es auch für notwendig – das ist auch ein Kritikpunkt der letzten Jahre gewesen, und dazu stehe ich nach wie vor –, in diesen Fragen stärker in einen Dialog mit Sachverständigen, Gewerkschaften und Personalräten zu kommen. Ich weiß, wovon ich spreche und wie kompliziert es gewesen ist, mit der Schulbehörde vor ein paar Jahren über die Einführung des Sabbatjahres zu diskutieren. Das wurde nicht für sinnvoll gehalten. Das hat ein bißchen gedauert. Das ist auch in Ordnung. Manche guten Sachen dauern länger. Personalwirtschaftliche Maßnahmen im Schulbereich wären wirklich sinnvoll, also darüber nachzudenken, daß es Zeiten gibt, wo man mehr arbeiten muß, um schwierige Zeiten zu überbrücken, und vertraglich geregelt ist, daß man ein paar Jahre später als Lehrer weniger arbeiten kann.

(Anja Hajduk GAL: Muß oder kann?)

Das müßte vertraglich geregelt werden. Man muß sozusagen das Vertrauen haben, daß das auch geregelt wird. So etwas geht aber nur im Dialog. Ich weiß, daß es manchmal mit Gewerkschaften schwierig ist, aber man muß Gewerkschaften auch dazu zwingen, mit Positionen umzugehen und Positionen dazu zu finden. Die Lehrergewerkschaften sind meiner Meinung nach in diesen Fragen viel zuwenig zum Dialog gezwungen worden.

Das Wort Quereinsteiger ist genannt worden. Im Lehrerberuf gibt es diese schon. Das muß aber konzeptionell noch weiter ausgearbeitet und vorbereitet werden. Dafür muß Werbung gemacht werden, und es muß begleitende Maßnahmen geben, um Leute zu qualifizieren. Das ist ein Punkt, in dem ich völlig mit Ihnen übereinstimme. Es gibt auch Punkte, die von der CDU vorgeschlagen werden, die sinnvoll und diskussionswürdig sind. Ich will das nicht zu einer Schwarzweißdiskussion machen und sagen, es ist alles Quatsch.

(Beifall bei Wolfgang Beuß CDU und Christa Goetsch GAL)

Ein letztes Beispiel. Günter Frank hat gesagt, es werden jetzt 100 zusätzliche Referendare in Grund-, Haupt- und Realschulen ausgebildet.

(Günter Frank SPD: Habe ich gar nicht gesagt!)

Das ist eine sinnvolle Maßnahme, aber man kann natürlich auch die Frage stellen, ob es wirklich schlau ist, das jetzt zu entscheiden, wo man einen knappen Monat Zeit hat, das so qualifiziert umzusetzen, daß es auch wirklich eine Maßnahme ist, die greift. Okay, besser als überhaupt nicht. Da bin ich mit Ihnen einer Meinung. Ich denke, es gibt ein paar Dinge mit einem längeren Vorlauf, mit vernünftigen Perspektiven, die dann sinnvoll sind und auch greifen.

Lassen Sie mich zum Schluß noch einmal zu dem Punkt mehr Investitionen in die Bildung etwas sagen. Die Forderung kommt mir bekannt vor. Ich persönlich habe grundsätzlich Sympathie dafür. Nur, das muß man Ihnen ernsthaft sagen – und das ist auch mir als Bildungspolitiker, der sozusagen ein Herz für die Bildung hat, in diesen vier Jahren Parlament und insbesondere im letzten Jahr deutlich geworden –: Die CDU kann diese Forderung ernsthaft nicht glaubwürdig vertreten, weil sie in jeder Debatte Stellen in allen Bereichen des öffentlichen Dienstes fordert. Ich wüßte im Moment keinen Bereich, der ausgeklammert ist. Sie stellen Forderungen, die immer auch die Erhöhung des Personalbestandes betrifft, und das kann ernsthaft keine seriöse Politik sein. Eine Sache wird dadurch verhindert, nämlich die Frage und die Diskussion, einmal ernsthaft darüber nachzudenken, wofür wir tatsächlich das Geld ausgeben und ob wir es richtig ausgeben, denn der Hinweis von Günter Frank ist völlig berechtigt. Günter Frank hat darauf hingewiesen, daß Hamburg die höchsten Pro-Kopf-Ausgaben für Schüler in der ganzen Republik hat. Das ist eindeutig richtig. Wenn wir sagen, wir wollen mehr Investitionen für den Bildungs- und Schulbereich, dann müssen wir uns Gedanken darüber machen, wo wir denn das Geld, das wir jetzt schon haben, ausgeben. Da vermisse ich im ganzen Hause – und da kann sich jeder an die eigene Brust fassen – eine ernsthafte und transparente Diskussion, die zum Beispiel beinhalten würde, die ProKopf-Ausgaben für Schüler in Hamburg sind so teuer, weil wir uns bestimmte Sachen leisten, wie zum Beispiel Integration. Ich persönlich finde Integration in jeder Beziehung richtig, aber wir müssen wissen, daß das die Sache insgesamt teuer macht, und wenn wir das wollen, wenn wir dazu stehen, stehen wir auch dazu, daß wir viel Geld ausgeben und benötigen.