Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich gebe zu, daß es mir etwas wie Herrn Waldhelm geht. Man könnte dies auch den Regierungs-Tronc oder so ähnlich nennen.
Die Projekte sind mit Sicherheit gar nicht schlecht. Die Frage ist nur, wo eigentlich der Ort ist, darüber zu diskutieren, was man mit diesem Geld macht,
denn es ist im Parlament nur noch sehr schwer möglich, wenn es Vorlagen gibt, die man in dieser Konkretion gar nicht ablehnen kann, weil es gegen die Projekte nichts einzuwenden gibt. Die Frage ist nur, was man vielleicht noch gerne fördern würde.
Eine Sache beispielsweise, die im Bereich schwul-lesbischer Politik liegt, die heute auch noch auf der Tagesordnung steht, werden Sie ablehnen, die aber auch etwas von diesem Geld hätte gebrauchen können, das ist die Einrichtung eines Mahnmals für lesbische und schwule Opfer des Nationalsozialismus. Diesen Antrag werden Sie nach dem, was wir bisher erfahren haben, heute ablehnen. Wie gesagt, auch dies hätte gut in den Regierungs-Tronc gepaßt; vielleicht beachten Sie nächstes Mal ein anderes Verfahren.
Nur zur Klarstellung: Vielleicht hat der REGENBOGEN das noch nicht mitbekommen, aber es gibt ein Mahnmal in Neuengamme, das an die Schwulen und Lesben erinnert.
Das muß nur belebt werden. Ich gehe seit einigen Jahren mit Freunden, mit Regierungsvertretern dieser Stadt dorthin, um das Gedenken an die Schwulen und Lesben in Erinnerung zu halten. Vielleicht sollten Sie einmal mitkommen, dann können wir das gemeinsam machen, und dann kommen vielleicht mehr Leute dorthin, das wäre doch ganz gut.
Herr Kretschmann, so gerne ich es auch sehen würde, daß wesentlich mehr Leute nach Neuengamme fahren, ist dies aber leider nicht der Fall. Gerade auch Hamburgerinnen und Hamburger finden nicht sehr oft den Weg nach Neuengamme. Deswegen wollen wir ein zentral gelegenes Mahnmal haben, das Sie ja auch selbst mit den Tronc-Anträgen unterstützen, um ein besseres Bewußtsein in der
Öffentlichkeit zu schaffen, wie früher mit Schwulen und Lesben umgegangen wurde und wie schlecht teilweise auch heute noch der Umgang ist.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Daß der Weg zum Mahnmal manchmal weiter und insgesamt mühsam ist, ist kein Grund, das eine Mahnmal gegen das andere aufzuwerten. Der Weg nach Neuengamme ist weit, aber man sollte ihn trotzdem gehen.
Ich wollte noch zwei Sätze zur CDU-Kritik loswerden. Ich habe angedeutet, daß die Auseinandersetzung darüber, ob und wie Troncmittel – das ist in dieser Legislaturperiode ja beschlossen worden – von der Bürgerschaft verteilt werden können, eine Auswahl im wahrsten Sinne des Wortes bedeutet. Je nach Interesse, je nach politischer Couleur kann gesagt werden, das ist willkürlich, das war eine Entscheidung, die wir hier und da nicht nachvollziehen können, aber nichtsdestotrotz werden diese Mittel über die Bürgerschaft vergeben. Daß das Geld niemals für alle Projekte und Wünsche reichen wird, ist klar, aber es ist richtig, die Mittel zu vergeben und damit Projekte zu fördern, so wie wir es in diesem Jahr auch gemacht haben, die schlicht und einfach außerhalb der Tagespolitik sind; das ist die Idee dabei.
Wer den Antrag aus der Drucksache 16/6117 annehmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke schön. Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Der Antrag ist mit Mehrheit angenommen.
Das ist der Fall. Gibt es Widerspruch aus dem Hause? – Das ist nicht der Fall. Wer will den soeben in erster Lesung gefaßten Beschluß in zweiter Lesung fassen? – Danke schön. Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Der Antrag ist mit Mehrheit und damit auch in zweiter Lesung und somit endgültig beschlossen worden.
Wer stimmt dem Antrag aus der Drucksache 16/6118 zu? – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Der Antrag ist mit Mehrheit angenommen.
Das tut er. Gibt es Widerspruch aus dem Hause? – Das ist nicht der Fall. Wer will den soeben in erster Lesung gefaß
ten Beschluß in zweiter Lesung fassen? – Danke schön. Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist damit auch in zweiter Lesung mit Mehrheit und somit endgültig beschlossen worden.
Ich rufe jetzt Tagesordnungspunkt 51, Drucksache 16/6038, auf, Antrag der Gruppe REGENBOGEN: Kindertagesbetreuung ausbauen.
[Antrag der Gruppe REGENBOGEN – für eine neue Linke: Kindertagesbetreuung ausbauen – Drucksache 16/6038 –]
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! In den vergangenen Wochen haben wir eine Inflation an Lippenbekenntnissen aller hier anwesenden Parteien im Bund und im Land erlebt, die verkündet haben, die Kindertagesbetreuung müsse ausgebaut und besser werden, sie müsse billiger werden. Man merkt, es ist Wahlkampf.
Und wenn die SPD in Hamburg, Herr Böwer, die seit Jahren auch im Kita-Bereich massiv gespart hat, die Betreuungszeiten verkürzt und pädagogische Standards noch nicht einmal diskutiert, aber erst einmal locker verringert und gleichzeitig die Elternbeiträge für etliche Eltern angehoben hat, wenn diese SPD nun sagt, sie habe ihr Herz für Kitas entdeckt, dann ist das höchst unglaubwürdig und wirklich leicht als Wahlkampfgetöse zu erkennen.
Die SPD hat lange genug Zeit gehabt, nicht genau das Gegenteil von dem zu praktizieren, was sie uns jetzt alles nach der Wahl verspricht. Herr Böwer und auch der Rest der SPD, wer immer das ausgeheckt hat, das Versprechen, zusätzliche Kita-Plätze nur für die Kinder berufstätiger Eltern schaffen zu wollen, geht eindeutig zu Lasten anderer Kinder, und das hat mit sozialer Gerechtigkeit überhaupt nichts zu tun.
Aber auch Sie, Herr Petersen, werden nicht bestreiten wollen, daß Bildung für Kinder wirklich mit dem ersten Lebenstag anfängt, daß gerade bis zum sechsten Lebensjahr der wichtigste Grundstein fürs Lernen gelegt wird. Doch die Startchancen, das werden Sie aus Ihrer Praxis wissen, sind für viele Kinder schlecht. Der Streß der Eltern wird oft an den Kindern ausgelassen, die Zeit für Kinder fehlt, oft fehlt auch einfach das Geld, um die Entwicklung der Kinder zum Beispiel über Bücher oder Besuche in Museen anzuregen.
Gerade in solchen Situationen, in denen Kinder zu Hause in den Familien schlechtere Chancen haben und benachteiligt werden, sind die Kitas als ein Bildungssystem wichtig, und um diesem Bildungsangebot gerecht zu werden, müssen die Kitas ausgebaut werden. Es muß ein ausreichendes Platzangebot geben, es muß eine gesicherte Qualität geben, und es muß vor allem eine für alle zugängliche Kindertagesbetreuung geben. Der Senat ist bisher nicht willens, den Kindern und Eltern in Hamburg diesen Mindeststandard zu bieten, und das finden wir schlecht.
Wie sieht es denn in Hamburg zum Beispiel mit dem Platzangebot aus? Gerade für die ersten drei Lebensjahre gibt es nur für knapp 12 Prozent, also fast jedes zehnte Kind dieser Stadt in diesem Alter, ein Betreuungsangebot in der Krippe. Bei den Drei- bis Sechsjährigen sind zwar knapp 90 Prozent der Kinder betreut, aber eine Ganztagsbetreuung gibt es noch nicht einmal für die Hälfte der Kinder. Dabei ist Deutschland nach dem von der Europäischen Union eingesetzten Netzwerk Kindertagesbetreuung verpflichtet, für mindestens 90 Prozent der drei- bis sechsjährigen Kinder ein Vollzeitangebot zu machen. Hamburg liegt in Deutschland, also gilt diese Verpflichtung auch für Deutschland; da muß nachgearbeitet werden.
In den Hortbereichen, wo Kinder zwischen sechs und zwölf Jahren betreut werden, gibt es für 86 Prozent der Kinder keinerlei Angebote. Selbst die offizielle Behörden-Studie, die ISKA-Studie, hat schon festgestellt, daß über 15 000 Plätze in der Kindertagesbetreuung fehlen, und dabei wurden dort nur die Bedarfe von Kindern berufstätiger Eltern oder Kinder in besonders schwierigen Familiensituationen berücksichtigt; es sind also noch wesentlich mehr Plätze notwendig.