Und ich sage zu, daß wir uns selbstverständlich auch im Hinblick auf den Haushalt 2002 genau angucken werden, wo berechtigte Bedarfe sind und wie die genauen Zahlen aussehen. Dann werden wir das im einzelnen politisch bewerten; das ist selbstverständlich unsere Aufgabe.
Vor diesem Hintergrund wundert mich allerdings der Zeitpunkt des Vorstoßes. Er ist in der Tat auffällig und hätte eigentlich vor die Haushaltsberatungen dieses Jahres gehört.
Die Frage ist also nicht, ob es eine höhere Belastung gibt, die Frage ist vielmehr, ob es zusätzliche Belastungen nur in diesem Bereich oder nicht auch in anderen Bereichen gegeben hat. Aber das ist eindeutig nicht der Fall, im Gegenteil. Der Justizbereich hat eine deutlich geringere Sparrate zu erfüllen, Herr von Beust. Wir haben den Justizbereich niemals nur fiskalisch beachtet, sondern gemäß seinem verfassungsmäßigen Auftrag, und das wird so bleiben.
Justiz war und ist für uns ein Prioritätenbereich. Das zeigt sich zum Beispiel am vorbildlichen Stand der Modernisierung, wo wir bundesweit führend sind. Wenn man sich da den gemütlichen Kurs und das Modernisierungstempo der CDU anguckt, dann säßen wir heute noch unter der großen Dorflinde und blätterten in den Zehn Geboten; das ist aber nicht unsere Politik.
Wir haben gute Plätze im Ländervergleich, was die Verfahrensdauer angeht, und wir werden alles tun, damit diese guten Plazierungen erhalten bleiben.
Auch Ihre Einzelfallbetrachtungen zur Haftentlassung haben sehr viele Ursachen. Für mich gibt es gar keinen Zweifel, daß die Leistungsfähigkeit der Justiz in den letzten Jahren eher gestiegen ist, und das ist das Ergebnis einer erfolgreichen Politik des Senats in diesem Punkt.
Von Zusammenbruch der Justiz kann also keine Rede sein, aber man muß sich sehr genau die wirklichen Zahlen angucken. Es gibt keinen Zusammenbruch der Justiz, aber was wir bei diesem Beispiel erleben, ist der Zusammenbruch der letzten haushaltspolitischen Schamgrenze der CDU. Wir lassen uns von denen, die jede beliebige Stellenforderung in dieser Stadt sofort unbesehen aufgreifen, nicht vorwerfen, einen Bereich kaputtzusparen; Ihnen steht diese Kritik nicht zu.
Was die CDU vorführt, ist schlicht chaotisch. Einerseits kommen aus Ihrem Bereich Forderungen nach einer Haushaltssperre, dann werden neue Stellen gefordert, und wieviel Rechtsstaatlichkeit, wieviel Rechtsfrieden, wieviel Rechtsgeschwindigkeit ein bankrottgewirtschaftetes Gemeinwesen am Ende garantiert, dafür werden Sie die politische Verantwortung in Berlin noch übernehmen müssen.
Ich fordere Sie zu einem anderen wichtigen Punkt auf: Treten Sie mit Ihrer Argumentation vor diejenigen, die in den letzten Jahren solidarisch die volle Konsolidierung mitgetragen haben,
vor die Sachbearbeiter in den Sozialabteilungen, vor die Mitarbeiter in den Jugendämtern, vor diejenigen, die die Elternbeiträge ausrechnen. Ihre Argumentation ist eine glatte Verhöhnung all dieser Mitarbeiter.
Dieser Vorgang zeigt erstens, daß Modernisierung und Qualität der Justiz ein wichtiger Ansatzpunkt unserer Politik bleibt. Wir werden die Justiz bei ihrer Aufgabe weiterhin nachhaltig unterstützen. Und er zeigt zweitens, was wir eigentlich schon wissen: Die Schwarzen können nicht mit Geld umgehen, und ich glaube, das wissen auch die Wählerinnen und Wähler.
(Beifall bei der SPD und der GAL – Oh-Rufe bei der CDU – Antje Blumenthal CDU: Wo ist Herr Pumm denn?)
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Aus Sicht meiner Fraktion gibt es mehrere Einwände gegen diese Erklärungen der Richterinnen und Richter des Landgerichts. Wenn wir lesen – ich zitiere –,
„Dies hat in allen Bereichen unseres Gerichts zu einer Pro-Kopf-Belastung geführt, die nicht mehr nach rechtsstaatlichen Regeln zu bewältigen ist.“
dann frage ich mich, nach welchen Regeln denn am Landgericht gearbeitet wird, wenn nicht nach rechtsstaatlichen.
Und wenn ich unterstelle, daß das richtig ist, dann wäre das ein Grund für die Richterinnen und Richter, in den Generalstreik zu treten und nicht nur Erklärungen zu verfassen. Wenn mir eine Amtsrichterin sagt, die hätten auch schon vor fast 20 Jahren gesagt, daß keine rechtsstaatlichen Verfahren mehr garantiert werden können, dann drängt sich mir der Eindruck auf, daß sich mit dieser Erklärung der lange aufgestaute Frust über die zweifellos schwierigen Verhältnisse etwas unüberlegt Bahn gebrochen hat.
Interessant ist auch die Aussage der Beteiligten an den Amtsgerichten, wo ich öfter zu tun habe als am Landgericht,
aber die Verhältnisse sind durchaus vergleichbar. Interessant ist dort die allgemeine Aussage, daß es nicht so sehr am richterlichen Personal fehle, sondern vielmehr am nichtrichterlichen. So gab es beispielsweise am Amtsgericht Harburg früher fünf Geschäftsstellen mit fünf Leitern, jetzt sind es bei gleichgebliebener Arbeit nur noch zwei. Die Rationalisierung durch EDV konnte das nicht wirklich auffangen, da die Leute schlecht geschult sind und mit der neuen Technik nur begrenzt gut umgehen können. Ein Amtsrichter sagte mir, ich könnte manchmal um 14 Uhr nach Hause gehen, weil ich keine Akten mehr vorgelegt bekomme, dafür kommen dann am nächsten Tag gleich 70 auf einmal. Sein Fazit war: Es macht im Moment nicht sehr viel Spaß, aber es ist auch nicht Land unter, das kann wirklich niemand behaupten.
Wenn man sich das einmal anhört, sieht man, daß die ganze Diskussion differenzierter zu betrachten ist und sie viel zu kurz greift, wenn sie nur auf den Aspekt der Mehr-Stellen verengt ist. Es ist wirklich witzig, Herr von Beust, zu sagen, fiskalische Argumente seien unzulässig, und dann der SPD ein gestörtes Verhältnis zu Recht und Ordnung vorzuwerfen.
(Beifall bei der GAL und der SPD – Dr. Holger Chri- stier SPD: Er hat ja nur solche Bereiche, wo es keine Rolle spielt!)
Dann müssen Sie sich fragen, was Sie für ein Verhältnis zum Geld und zur Politik im allgemeinen haben.
Aus unserer Sicht gilt es nicht nur, über die Stellen und das Geld zu diskutieren, sondern auch darüber nachzudenken, welche Aufgaben Justiz eigentlich erfüllen soll und ob sie im Moment die Aufgaben erfüllt, die vielleicht anderswo besser geregelt werden können; das könnte ja auch ein Teil des Problems sein.
Beispiel Verkehrsunfälle: Es werden riesige Ressourcen bei der Polizei und auch bei der Justiz durch die Folgen von Autounfällen gebunden, größtenteils mehr oder weniger Bagatell- und Blechschäden, und die Justiz wird in erster Linie eingeschaltet, um die Ansprüche gegenüber den Versicherungen zu wahren.