Protokoll der Sitzung vom 05.09.2001

2002 und 2003 gelingt der Ausgleich des Betriebshaushaltes nur sehr knapp mit einem Plus von 2,5 Millionen beziehungsweise 4 Millionen Euro. Wir haben also in den nächsten beiden Jahren nicht mal eine Handbreit, sondern allenfalls einen Fingerbreit Wasser unter dem Kiel. In den Jahren 2004 beziehungsweise 2005 steigen die Überschüsse dann auf 200 beziehungsweise 215 Millionen Euro, und wir reduzieren die Neuverschuldung und begrenzen damit die Dynamik steigender Zinsausgaben. Wir haben bereits mit dem Haushaltsplan 2001 einen ersten Schritt getan. Die Neuverschuldung wurde gegenüber dem Vorjahr um 104 Millionen Euro reduziert. 2002 werden es weitere 66 Millionen Euro weniger Neuverschuldung sein, und bis zum Jahre 2005 wird dann die Nettokreditaufnahme jedes Jahr um weitere 50 Millionen Euro verringert werden.

Im Jahre 2005 werden somit insgesamt rund 320 Millionen Euro weniger Kredite aufgenommen als im Jahr 2000. Ebenso wie wir den Betriebshaushalt mit Beharrlichkeit und Realismus konsolidiert haben, orientieren wir uns auch bei dieser Aufgabe an realistischen umsetzbaren Schritten. Wir setzen zugleich ein deutliches Signal, daß wir die Verringerung der Neuverschuldung entschieden angehen.

Meine Damen und Herren! Nach der Mai-Steuerschätzung bin ich nach den Auswirkungen für den Haushalt gefragt worden. Es war klar, daß eine solche Verschlechterung nicht einfach weggesteckt werden kann und daß der Ausgleich des Betriebshaushaltes schwierig sein würde. Das, was ich nach der Steuerschätzung im Mai gesagt habe, ist eingetreten. Der Senat hält an seinen Konsolidierungszielen fest und erreicht seine Ziele. Er gleicht den Betriebshaushalt aus und reduziert die Neuverschuldung. Der Senat schafft dies, weil er strikte Ausgabendisziplin beweist. Vergleichen Sie einmal unsere Zuwachsraten mit denen anderer. Im Haushaltsjahr 2002 werden wir trotz Preis- und Tarifsteigerung gerade 0,4 Prozent mehr ausgeben als 1996. Wir haben konsolidiert, und wir haben die Existenzgrundlagen im föderativen Finanzsystem gesichert. Es ist von existentieller Bedeutung für Hamburg gewesen, daß die Stadt unter der Führung des Ersten Bürgermeisters den Angriff der Südländer auf den Länderfinanzausgleich und die Existenz der Stadtstaaten abgewehrt hat.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Der Erste Bürgermeister hat dazu in Hamburg eine Allianz für Hamburg geschmiedet. Darauf hat Herr von Beust hingewiesen und wollte auch seinen Beitrag dazu geleistet

haben. Insofern verwundert es mich, daß Sie jetzt so starr dasitzen. Auf Bundesebene wurden Koalitionen gebildet und in harten und langen Verhandlungen eine faire, sachlich vernünftige und langfristig tragfähige Lösung erreicht. Von allen hat er Regelungen, etwa die Beibehaltung der Einwohnerwertung, erreicht, die Hamburgs finanzielle Basis als Stadtstaat langfristig sichern. Dies für Hamburg erreicht zu haben, ist eine herausragende enorme Leistung.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Meine Damen und Herren! Für die Zukunft gibt es eine klare finanzpolitische Orientierung. Unsere Ziele, ausgeglichene Betriebshaushalte und Reduzierung der Neuverschuldung, erreichen wir, indem wir die Entwicklung der Ausgaben begrenzen. Das sichert die notwendigen Haushaltsverbesserungen. Wir werden auch in Zukunft eine stetige und verläßliche Aufgabenpolitik betreiben und nicht in Aktionismus verfallen. Das ist sowohl finanzpolitisch als auch konjunkturpolitisch vernünftig. Durch Ausgabendisziplin und Stetigkeit wird auch dafür vorgesorgt, daß der Haushaltsplan bei kurzfristigen Steuerausfällen nicht in eine Schieflage gerät. Ich habe verschiedentlich darauf hingewiesen, daß die Unsicherheiten bei der Steuerschätzung angesichts der erheblichen Rechtsveränderungen zugenommen haben. So haben wir bereits im Hinblick auf die Mindereinnahmen aus der Steuerreform vorausschauend und vorsorglich gehandelt. Wir haben die Ausgabenentwicklung deutlich reduziert, sparsam gewirtschaftet und konnten eine Rücklage bilden, die jetzt im Jahr 2001 zur Deckung des Finanzbedarfs im Betriebshaushalt eingesetzt werden kann. Anders als andere haben wir nicht zu einer Haushaltssperre greifen müssen. Wir setzen auf Verläßlichkeit und Planungssicherheit und fördern dadurch den verantwortlichen Umgang der Behörden und Ämter mit Steuergeldern. Wir werden auch in Zukunft, wie vom Finanzplanungsrat empfohlen, die Ausgaben nicht stärker als 2 Prozent jährlich steigen lassen. Im HaushaltsplanEntwurf 2002 sind es sogar nur plus 1,1 Prozent.

Auch in den nächsten Jahren wird das Prinzip der Bestandsfinanzierung gelten. Neue Maßnahmen können nur durch Umschichtung und Prioritätensetzung finanziert werden. Auch nach Ende des Konsolidierungsprogramms wird Ausgabendisziplin großgeschrieben.

Meine Damen und Herren! Ausgabendisziplin bedeutet, daß man aus dem Kanon des Guten und Wünschenswerten Prioritäten und Posterioritäten bilden und dann Entscheidungen treffen muß. Wer alles mehr oder weniger Wünschenswerte einfach aufsummiert und obendrauf legt, wird den Haushalt zum Absturz bringen. Im Wahlkampf mag es dem einen oder anderen noch erfolgversprechend erscheinen, eine seriöse, verantwortliche Politik ist das nicht, und sie wird auch von den Bürgerinnen und Bürgern durchschaut.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Ende der Bescheidenheit wäre auch das Ende finanzpolitischer Vernunft.

Meine Damen und Herren! Der Haushaltsplan-Entwurf 2002 und die mittelfristige Finanzplanung setzen den finanziellen Rahmen und geben die notwendige Orientierung für die nächsten vier Jahre. Damit sind die Grundlagen für Hamburgs Weg in die Zukunft gelegt. Die finanzielle Lage ist durch einen entschiedenen Konsolidierungskurs verbessert worden. Der Betriebshaushalt ist ausgeglichen, die Neuverschuldung wird reduziert. Haushalt und Verwaltung werden modernisiert und die Effizienz von

(Senatorin Dr. Ingrid Nümann-Seidewinkel)

A C

B D

Verwaltung und öffentlichen Unternehmen gesteigert. Für die Zukunft Hamburgs sind in zentralen Aufgabenfeldern Weichenstellungen und beträchtliche Investitionen vorgenommen worden. Dieser Haushalt und diese Finanzplanung bieten damit eine solide Grundlage für die nächsten Jahre. Ausgabendisziplin und Zukunftsgestaltung werden auch zukünftig Markenzeichen dieser Politik sein. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Meine Damen und Herren! Ich eröffne hiermit die Aussprache. Wer wünscht hierzu das Wort? – Das Wort hat Herr Dr. Freytag.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau Senatorin, Sie sagen, der Bürger habe das durchschaut. Wenn alles wirklich so toll ist, wie Sie hier vorgetragen haben, dann frage ich mich, warum Sie da stehen, wo Sie stehen,

(Anja Hajduk GAL: Wo stehen Sie denn?)

denn wenn der Bürger alles durchschaut hat, müßten Sie nach Ihrer Logik ganz woanders stehen.

(Dr. Martin Schmidt GAL: Im Glashaus!)

Die Wahrheit ist natürlich eine andere. Ich fürchte, das Büfett, zu dem Sie uns hier einladen, fällt aus.

(Beifall bei der CDU)

Wenn der Wähler es will, werden Sie mit diesem Haushaltsplan ein Schicksal erleiden, das in den USA „dead on arrival“, tot bei Ankunft, genannt wird. Was Sie hier dokumentiert haben, Frau Senatorin Nümann-Seidewinkel, erinnert mich sehr stark an historische Figuren. Man hat gelegentlich den Eindruck, daß Sie sich einen berühmten Quasi-Ministerkollegen zum Vorbild genommen haben, nämlich Grigorij Potemkin. Der hat vor 200 Jahren Katharina der Großen gedient und sich dadurch ausgezeichnet, weil er dasselbe Problem hatte wie Sie, übersichtliche Leistungen in große Erfolge aufzubauschen.

(Dr. Monika Schaal SPD: Das ist doch wohl ein dickes Ei, was Sie da erzählen!)

Er hat seine sogenannten Potemkinschen Dörfer gebaut, hübsche, bunte Kulissen, hinter denen aber nichts war. Genauso ist es mit dem Hamburger Haushalt.

(Beifall bei der CDU)

Dieser Haushalt ist die hamburgische Ausgabe der Potemkinschen Dörfer, und warum ist das so? Hamburg ist wirklich Spitze, allerdings da, wo es den Bürgern weh tut, nämlich in der Verschuldung dieser Stadt. Sie haben es geschafft, diese Stadt aus einem geordneten Gemeinwesen nach 44 Jahren sozialdemokratischer Regierung in die höchste Verschuldung der Geschichte zu führen.

(Beifall bei der CDU)

35,8 Milliarden DM umfaßt ja nur die offizielle Verschuldung im Haupthaushalt, zu den Nebenhaushalten, in denen die versteckte Verschuldung enthalten ist, kommen wir später. Diese Verschuldungsspirale setzen Sie ungemindert bis zum Jahre 2005 auf 39 Milliarden DM fort. Die Pro-KopfVerschuldung in Hamburg ist auch bundesweit Spitze. Sie steigt von 21 000 DM auf 23 000 DM. Hamburg hat im Vergleich zum Durchschnitt aller anderen Länder dramatische Zahlen. Die Schulden pro Einwohner, die Zinsbelastung

pro Einwohner sind mehr als doppelt so hoch als die der anderen Länder, die Personalkosten pro Einwohner mehr als 50 Prozent höher. Da ist Hamburg wirklich Spitze, aber das ist eine Spitze, auf die wir verzichten wollen.

(Beifall bei der CDU – Dr. Hans-Peter de Lorent GAL: Sagen Sie doch einmal, wo Sie Spitze sind!)

Seit 1977, seit 25 Jahren, gibt es keinen ausgeglichenen Gesamthaushalt mehr. Der Haushalt ist nur dann ausgeglichen, wenn Vermögenshaushalt und Betriebshaushalt ausgeglichen sind, sonst nicht.

Wie sieht es denn im laufenden Haushaltsjahr 2001 aus? Sie versprechen, zumindest den Betriebshaushalt auszugleichen. 1999 und 2000 hatten wir das Glück als Stadt – das begrüße ich auch –, per anno insgesamt 2 Milliarden DM zusätzliche Steuereinnahmen zu haben. Dadurch ist der Betriebshaushalt ausgeglichen worden, aber doch nicht durch Ihr Verdienst, sondern durch den Verdienst und die Leistungskraft der Wirtschaft und der Bürger dieser Stadt. Und für das Jahr 2001 haben Sie versprochen, den Haushalt auszugleichen. Im Finanzbericht 2002, Seite 14, wird ein Verlust im Vermögenshaushalt von 1,4 Milliarden DM und im Betriebshaushalt von 600 Millionen DM ausgewiesen. Das heißt, Sie haben Ihr Versprechen gebrochen; nicht einmal der Betriebshaushalt 2001 ist ausgeglichen.

Personalkosten, Zinsen und Sozialhilfeausgaben fressen 80 Prozent aller Steuereinnahmen auf. Sie frisieren die Bilanzen; die hier eben genannte Verschuldung ist wesentlich höher. Sie haben große Teile der Hamburger Verwaltung in Anstalten des öffentlichen Rechts ausgegliedert und die Schulden und Personalkosten mitgenommen. Über 11 Milliarden DM Schulden, die eigentlich im Staatshaushalt ausgewiesen wären, sind in den Anstalten des öffentlichen Rechts versteckt. Über 3,2 Milliarden DM zusätzliche Personalkosten, die eigentlich im Haupthaushalt ausgewiesen werden müßten, sind in den Nebenhaushalten versteckt. Sie haben das Finanzfundament dieser Stadt marode gemacht.

(Beifall bei der CDU)

Ich finde es schon ein starkes Stück, wenn Sie sagen, Hamburg sei Spitze bei der Kriminalitätsbekämpfung und der Justiz. Das sieht die Polizei völlig anders, das sehen die Richter völlig anders, und das sehen die Menschen in dieser Stadt völlig anders. Sie haben 800 Polizisten, 40 Richter und 30 Staatsanwälte eingespart, Sie haben das Funktionssystem der Justiz an den Rand des Bankrotts gebracht. Das sagen Richter und nicht die CDU, und dafür ist Ihre Finanzpolitik verantwortlich.

(Beifall bei der CDU)

Ist Ihnen entgangen, wie die Parteienlandschaft in Hamburg aussieht? Ist Ihnen entgangen, wer sich alles um die Wahl in Hamburg bewirbt? Ist Ihnen entgangen, wie sich bestimmte Gruppierungen kometenhaft nach oben entwickeln und welche Prozentzahlen die haben? Das ist die Verantwortung Ihres Senats und das Ergebnis dieser Finanzpolitik.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Wir werden von Ihnen immer wieder mit der Frage der öffentlichen Unternehmen konfrontiert. Wir haben eine Reihe von öffentlichen Unternehmen, die gut sind, darauf sind wir auch stolz, das ist auch gut so. Wir haben auch eine ganze Reihe von Unternehmen, die negative Zahlen ausweisen, wo man dran arbei

(Senatorin Dr. Ingrid Nümann-Seidewinkel)

ten muß. Darüber reden Sie nicht so gerne, ich komme aber gleich noch darauf zurück. Wir haben jedenfalls eine ständige Ausweitung von öffentlichen Unternehmensbeteiligungen. Innerhalb von zehn Jahren sind diese von 200 auf 400 angestiegen, und die öffentlichen Unternehmen Hamburgs belasten den Haushalt insgesamt mit 582 Millionen DM.

Sie haben eben nur die halbe Wahrheit erzählt, als Sie von der HGV geredet haben. Das ist auch schön und gut, die HGV ist ein Teil der öffentlichen Unternehmen. Es gibt in einigen Unternehmen eine positive Entwicklung, die wir begrüßen. Aber die Gesamtentwicklung ist so, daß im Finanzplan, Seite 94, deutlich ausgewiesen ist, daß 548 Millionen DM an Verlustübernahme übernommen werden müssen. Das sind sogar 24 Millionen DM mehr als im Jahr 2001.

Zum Teil sind die öffentlichen Unternehmen eine Erfolgsstory, zum Teil aber auch nicht, und deshalb müssen wir uns ganz sorgfältig überlegen, was man machen kann, um das zu ändern. Es gibt ein öffentliches Unternehmen, das in der Tat den Haushalt deutlich weniger belastet als früher, die Hamburger Hochbahn Aktiengesellschaft. Die Hamburger Hochbahn Aktiengesellschaft hat noch Mitte der neunziger Jahre den Haushalt jährlich mit über 300 Millionen DM belastet; dies ist jetzt halbiert worden. Das ist ja großartig, Frau Senatorin,

(Senatorin Dr. Ingrid Nümann-Seidewinkel: Ja, ist es auch!)

denn es dokumentiert eindeutig, daß, wenn man eine ernsthafte Konsolidierung in defizitären öffentlichen Unternehmen betreibt, viel Geld eingespart wird und man nicht zu Lasten des Steuerzahlers lebt. Der Umkehrschluß ist, daß sich das Management der Hamburger Hochbahn jahrelang in Kumpanei mit dem Senat zu Lasten des Hamburger Haushalts kräftig bedient hat. Wer innerhalb von wenigen Jahren die Verlustzuweisung halbieren kann, der zeigt, welche Potentiale ungenutzt geblieben sind. Und warum sind diese Potentiale jetzt genutzt worden? Weil Wettbewerb droht, Frau Senatorin, das wissen Sie ganz genau. In Brüssel ist die Liberalisierung des ÖPNV eingeleitet worden. Um sich für den Markt, für den Wettbewerb fit zu machen, hat man rationalisiert, hat sich auf das Wesentliche konzentriert und dabei Erfolg gehabt. Ich finde es gut, daß Herr Elste diese Sanierung vorangetrieben hat. Ich würde mir wünschen, in allen öffentlichen Unternehmen, insbesondere auch in den verlustreichen öffentlichen Unternehmen, viele Günter Elstes zu haben, viele Ver.di-Kollegen, die das mittragen.

(Lachen bei der SPD und der GAL)

Sie können sich darauf verlassen, daß wir die öffentlichen Unternehmen genauso durchleuchten werden, wie es Herrn Elste bei der Hamburger Hochbahn gelungen ist. Wir müssen es schaffen, diese Unternehmensverluste aus dem Haushalt herauszubekommen, damit die öffentlichen Unternehmen insgesamt eine Erfolgsstory sind.