In der ambulanten Pflege geht es um den Ausgleich für die seit 1995 erhöhten Kosten, die seitdem um 8,5 Prozent gestiegen, während die Beträge in der Pflegeversicherung gedeckelt sind. Diesen Ausgleich kann man nur über eine Er
höhung der Punktwerte erreichen, wobei der Wert pro Punkt von 7,0 auf 7,6 Pfennig ansteigen würde. Das wäre dringend notwendig.
Herr Grund, ich fordere Sie hier zum wiederholten Male auf: Wenn Sie auf der einen Seite Tarifsteigerungen fordern, dann sorgen Sie auch dafür, daß auf der anderen Seite solche Erhöhungen bezahlbar werden.
Meine Damen und Herren! In Wahrheit ist es so, daß die Fraktionen in diesem Hause in sehr vielen Fällen durchaus einer Meinung sind, was in der Sache notwendig und sinnvoll ist. Deswegen halte ich es für völlig überflüssig – ich werde mich daran auch nicht beteiligen –, einen Parteienstreit zu inszenieren, um erneut in den Medien lesen zu können:Politik redet, und es geschieht nichts.
Ich möchte die Ernsthaftigkeit, mit der sich dieses Parlament mit dem Thema auseinandergesetzt hat, noch einmal deutlich unterstreichen. Selbstverständlich widerspreche ich Frau Rudolph in der Sache.Unser Antrag, der sich in 21 Punkten mit sehr wichtigen Details der Qualitätssicherung der Pflege befaßt,
ist in vielen Positionen deckungsgleich mit den Überlegungen fast aller Fraktionen in diesem Hause, auch denen von der CDU.
Es hat sich wirklich ernsthaft etwas getan. Ich verweise auf die Anstrengungen, dem Problem Dekubitus nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ nachzugehen. Es wird Geld dafür ausgegeben, um zu untersuchen, was getan werden kann, um dieses Problem zu vermeiden. Das ist eine gute und richtige Investition.Das eingerichtete Pflegetelefon wird lebhaft genutzt. Die kompetenten Berater nehmen Beschwerden entgegen, die bearbeitet werden und denen nachgegangen wird.
Nachweisbar ist es so, daß sich die Pflegebetriebe und Pflegeheime mit großem Engagement dem Thema Qualitätssicherung und Verbesserung der Pflegestruktur widmen, so daß sich die Dinge dort nach vorne bewegen. Das alles ist außergewöhnlich. Die CDU kritisiert – für mich völlig unverständlich – das Dementenprogramm, das der Senat aufgelegt hat. Dieses Programm ist in der Republik einmalig, Sie finden diese Qualität außer in Hamburg in keiner anderen Stadt dieses Landes wieder.
Ich möchte an die erhebliche Lücke im Gesetz erinnern, daß Demenzerkrankte nicht ausreichend in der Pflegeversicherung abgedeckt sind. Sie von der CDU sind aber die Gestalter des Gesetzes gewesen. Ihre Bundesregierung hat maßgeblich dieses Gesetz zur Pflegeversicherung gestaltet. Wir möchten es reformieren. Lassen Sie uns doch gemeinsam die Kraft darauf verwenden, daß die Reformschritte nun auch wirklich gegangen werden. Meine Fraktion ist der festen Überzeugung, daß es nicht sein kann, daß die Leistungen der Pflegeversicherung auf die Sätze eingefroren werden, wie sie gegenwärtig sind. Das ist schon deshalb nicht zulässig, weil sich die Beitragseinnah
men dynamisieren, sie entwickeln sich mit den Lohn- und Gehaltskosten in den Betrieben.Von daher muß unbedingt ein weiterer Schritt erfolgen.
Ich halte es für notwendig – das darf man bei der Diskussion nicht vergessen –, deutlich darauf hinzuweisen, daß diejenigen, die sich zu dem Thema öffentlich äußern, in der Regel knallharte wirtschaftliche Interessen verfolgen.Es ist schwierig, wenn ein Parlament versucht, der Exekutive, die in freien Verhandlungen mit den Einrichtungen klarkommen muß, den Bleistift oder den Füller zu führen.Das kann nicht gutgehen. Hier muß es klare Aufgabentrennungen geben.
Ich habe zu meiner Überraschung gehört, daß die CDU notfalls auch eine Anhebung der Versicherungsbeiträge zur Pflegeversicherung akzeptiert. Das bedeutet eine Steigerung der Lohnnebenkosten. Wer will das heute in der Öffentlichkeit verantworten? Ich möchte gern wissen, ob die CDU wirklich bundesweit dafür eintritt, daß wir mit der Anhebung der Beiträge zur Pflegeversicherung die Lohnnebenkosten weiter erhöhen. Diese Frage möchte ich gern beantwortet wissen.
(Dietrich Wersich CDU: Es war doch im Bundesrat! Das ist doch nichts Neues! Da liegen klare Aussa- gen vor!)
Die CDU dreht sich, wenn es um diese Fragen geht, wie eine Fahne im Wind. Die Haushaltspolitiker der CDU jammern über die hohen Staatsausgaben und beschweren sich insbesondere über zu hohe Sozialhilfeleistungen. Die Sozialpolitiker wiederum erklären uns ständig, daß das mit der Einführung der Pflegeversicherung eingesparte Geld an anderer Stelle ausgegeben werden müsse. Wie hätten Sie es denn gern?
Ihre Argumente verändern sich so wie die Fahne im Wind und wie Sie sie gern in den Medien sehen würden. Das ist eine unredliche Politik;
sie ist unseriös und auch nicht zu verantworten. Sie erwecken hier den Eindruck, als wenn die Stadt im Geld schwimmen würde. Die Sozialhilfeleistungen aus der Pflegeversicherung haben Hamburg und viele andere Gemeinden an die Grenze der Zahlungsfähigkeit gebracht; das ist die Realität. Damit es Ihnen klar ist: Im Jahre 1999 haben wir für die Pflege einschließlich der dazugehörenden Sozialhilfeleistungen tatsächlich 282 Millionen DM ausgegeben.Das ist die Obergrenze dessen, was machbar ist. Wer mehr verlangt, handelt unverantwortlich.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die GAL-Fraktion begrüßt, daß die Pflegekräfte die Mißstände in der Pflege und ihre Arbeitsüberlastung endlich offensiv benennen.Die Situation in der Pflege hat sich im letzten Jahr weiter verschlechtert. Es ist nicht übertrieben, angesichts der Personalknappheit von Pflegenotstand zu sprechen, der – legt man die Ansprüche einer sachgerechten Pflege zugrunde, die wir an die Pflegekräfte und Pflegebetriebe stellen und die sie auch an sich selbst haben – durchaus treffend bezeichnet ist. Frau Rudolph und Herr Grund haben schon ausgeführt, daß die letztjährigen Tarifsteigerungen in Höhe von 3,5 Prozent nicht durch eine entsprechende Erhöhung der Pflegesätze
kompensiert wurden. Das hat unweigerlich zu einem weiterhin verstärkten Druck auf das Personal, in Einzelfällen sogar zum Personalabbau geführt. Im ambulanten Bereich scheint der Punktwert eingefroren zu sein; das verschärft auch dort die Situation.
Es muß finanziell nachgebessert werden. Wir müssen gemeinsam überlegen, wie wir dies erreichen können.Ich betone jedoch, daß es nicht allein ein Hamburger, sondern ein bundesweites Problem ist.
Die Arbeitsbedingungen in der Pflege sind miserabel; das wissen wir. Die Pflegekräfte leisten sehr viel für sehr wenig Geld und sehr wenig Anerkennung. Der Druck auf sie wird besonders im stationären Bereich dadurch weiter verstärkt, daß sich – das haben wir hier auch schon mehrfach diskutiert – die Situation in den Heimen zunehmend verschärft, weil die Menschen erst dann in ein Pflegeheim kommen, wenn die Pflege ambulant nicht mehr geleistet werden kann. Die Verweildauer in den Heimen wird immer kürzer; die Menschen kommen oft nur noch zum Sterben. Über die Hälfte der Heimbewohner sind demenzkrank, ein Drittel leidet an schweren Depressionen. Hier brauchen wir wirklich mehr Personal.
Wie wollen wir das finanziell hinkriegen? Die Bundes-Grünen in Berlin und auch die GAL-Fraktion in Hamburg sind der Meinung, daß wir eine weitere Steigerung der Lohnnebenkosten nicht hinnehmen können. Wir müssen hier eine Beitragsstabilität einhalten. Wir werden wohl nicht umhinkommen, darüber nachzudenken, inwieweit wir durch zusätzliche Leistungen aus Steuermitteln zu Verbesserungen kommen. Ich kann der CDU nicht zustimmen, die Einsparungen umlegen will. So einfach kann es nicht gehen.
Wir sehen, daß wir die Grenze schon erreicht haben.Wenn die Versicherungsgelder nicht ausreichen, um eine adäquate Pflege zu finanzieren, muß auch aus eigenem Vermögen nachgebessert werden. Meine klare Absage geht an den Vorschlag der CDU.Wir halten es für falsch, daß die Investitionskosten in den Heimen generell aus Steuermitteln gezahlt werden sollen.Es geht nicht anders, als daß bei Pflegebedürftigkeit auch zusätzlich zu den Versicherungsleistungen, die für viele Menschen und ihre Familien ein Segen sind, weiterhin eigenes Vermögen soweit vorhanden eingesetzt wird.Die Menschen, die kein eigenes Vermögen haben, haben einen Anspruch auf zusätzliche Sozialhilfeleistungen.
Wir müssen eventuell auch in Hamburg darüber nachdenken, ob wir den Paragraphen 12 des Hamburgischen Landespflegegesetzes aufrechterhalten können, der vorsieht, daß die Investitionskosten für die Einrichtungen aus Steuermitteln finanziert werden. Es würde nämlich in den Fällen, die man aus eigenen Mitteln bezahlen müßte, Sozialhilfebedürftigkeit eintreten. Das kostet uns im Jahr 35 Millionen DM. Wir müssen darüber nachdenken, ob wir eventuell einen Teil dieses Geldes dafür einsetzen, einen Sockelbetrag für Personal im Pflegebereich zu finanzieren.
Die Personalsituation in den Heimen scheint sich so zugespitzt zu haben, daß inzwischen daran gedacht wird, Technik statt Menschen einzusetzen.Ich habe von Angehörigen schwerstdemenzkranker Menschen in geschlossenen Stationen gehört, daß Videokameras installiert werden, um Stationen nachts durch diese Kameras zu überwachen, den Bereich abzuschließen und die Menschen sich selbst
zu überlassen. Wenn gesehen wird, daß sich dort irgendwas ereignet, wird eine Pflegekraft hingeschickt. Das läuft dann ähnlich wie auf einem unbewachten S-Bahnhof ab. Das ist nicht akzeptabel. Hier ist die Grenze erreicht. Wir müssen uns den Problemen stellen. – Danke schön.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau Rudolph, es ist schön, daß eine Zustandsbeschreibung durch die CDU in diesen Tagen korrekt sein kann. Sie haben natürlich recht, denn immer mehr Menschen werden älter und brauchen intensive Hilfe bei ihrer Pflege. Das ist nicht neu. Neu ist, daß immer weniger die notwendigen Hilfen bekommen können. Beklagenswert sind oftmals auch die Umstände, mit denen die Menschen konfrontiert werden, wenn sie auf Hilfeleistungen angewiesen sind. Den Beschreibungen meiner Vorrednerinnen hierzu brauche ich nichts hinzuzufügen.
Ich sehe nicht, daß die genannten Umstände eine besondere Situation nicht nur für Hamburg darstellen, sondern auch in Städten wie Berlin, Bremen und in Städten in Baden-Württemberg ist es nicht anders. Alle Kommunen sind von den gleichen Rahmenbedingungen betroffen. Diese Richtlinien, meine Damen und Herren von der CDU, sind maßgeblich von einer CDU/F.D.P.-Regierung entwickelt worden. Sie stellen sich hier hin und zeigen in großer Geste mit den Fingern auf Rotgrün; Sie sollten aber nicht vergessen, daß drei Finger auf den eigentlichen Urheber dieser Mißstände zurückdeuten.
(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke – Eleonore Rudolph CDU: Auch für Rotgrün hier in Hamburg ist noch eine Menge zu tun!)
Es macht zwar die Probleme nicht kleiner, aber es würde der Debatte dienen, wenn Sie sich dabei nicht so unmöglich aus dem selbst geöffneten Fenster lehnten. Ihr vor kurzem in einer Pressekonferenz vorgelegtes Bündel an Lösungsvorschlägen, das sich zufällig mit den Forderungen von Verbänden und sogar von Gewerkschaften deckt, ist nicht so schlecht. Aber Sie müssen dabei nicht solche Verrenkungen machen. Die Frage der notwendigen Veränderung der Leistungskomplexe, die zunehmende Bürokratisierung im ambulanten und stationären Bereich betreffen nicht immer Landeskompetenzen. Hier ist es notwendig, daß die Personalschlüssel den tatsächlichen Notwendigkeiten angepaßt werden, damit sich die Schere zwischen Bedarf und Möglichkeiten der Einrichtungen nicht weiter öffnet. Diese Forderungen sind immer richtig. Die Mißstände sind bei Menschen mit einer zusätzlichen Demenzerkrankung besonders deutlich geworden. Hier widerspricht niemand, wenn eine Ausweitung auch der Landesprogramme gefordert wird.
Solange das Demenzprogramm in diesem Land so langsam vorangeht, wird deutlich, daß sich an der tatsächlichen Situation vieler Menschen nichts ändert. Die Veränderungen können noch nicht einmal die zusätzlich entstandenen Probleme ausreichend lösen.
Es gibt viele Anforderungen von CDU und SPD an den Bund, die eine grundsätzliche Debatte über die Pflegeversicherung notwendig machen. Aber bis tatsächlich die notwendigen Verbesserungen gegen die schwerfällige Pflegeversicherung durchgesetzt werden können, liegt es an der Stadt Hamburg und anderen Gemeinden dieses Landes, die miesen Rahmenbedingungen so zu verändern, daß sie für eine Linderung der betroffenen Menschen sorgen.