Protokoll der Sitzung vom 16.02.2000

Es ist zwar keine Frage, aber ich antworte trotzdem. Frau Rudolph, wir haben das Problem erkannt und prüfen das. Im Moment haben wir für diese Jugendlichen in der Tat nur die Möglichkeit, sie in den Erwachsenenstationen unterzubringen. Und weil wir sehen, daß das ein Defizit ist, wollen wir das im Zusammenhang mit dem Krankenhausplan 2005 prüfen. Wir haben das nicht nur auf dem Zettel, sondern sehen den Bedarf und werden gemeinsam zu einer Lösung kommen, um eine vernünftige medizinische Behandlung von Kindern und Jugendlichen im Bereich der Psychiatrie in Hamburg zu erreichen.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Wort hat Frau Dr. Freudenberg.

Ich habe mich auch noch einmal gemeldet, weil ich wirklich nicht verstehen kann, wie Sie in einem Satz ein Wort einfügen, das nicht dasteht. Dort steht:

„Nach Auskunft von pflegen & wohnen verfügt jede der in Frage stehenden Stationen, die sich über zwei Etagen erstrecken, über eine eigene Nachtwache.“

Und Sie haben ein je eingefügt; das zeigt unser Problem. Die Formulierung im Protokoll „über zwei Stationen erstreckend“ ist so kompliziert und mißverständlich, daß man, wenn man sich nicht so auskennt, es nicht verstehen soll; das ist der Punkt. Wir müssen hier endlich eine Offenheit erreichen und klare Aussagen erhalten, und es darf nicht irgendwie herumgeredet werden, damit wir nicht merken, wie schlimm manche Verhältnisse sind. Ich bin froh, daß dies erkannt ist und besser wird.

Ich wollte vorhin nicht darauf herumreiten, aber ich kenne diesen Bereich. Ich wurde von Angehörigen informiert, die ganz entsetzt und voller Sorge waren, daß dort wahrscheinlich seit eineinhalb Jahren nur eine Nachtwache für zwei Stockwerke war. Die Leute konnten nachts selbst kaum schlafen in Sorge um ihre Angehörigen, sie waren wirklich voller Unruhe. Ihnen wurde das, als sie darauf aufmerksam machten, damit begründet, am Tag mehr Personal zu haben, wenn nachts Personal abgezogen würde, und am Tag eine bessere Betreuung zu machen und vielleicht auch einmal die Türen aufzuschließen, damit die Leute hinauskönnen – und das in einer geschlossenen Unterbringung, wo klar festgelegt ist, daß der Zugang zum Gartenbereich offen sein muß und die Leute so betreut werden müssen, daß sie anständig versorgt sind.

Da haben wir noch viel zu machen, das ist heute klargeworden, und ich bin ganz zuversichtlich, daß wir weiterkommen.

(Beifall bei der GAL)

Das Wort hat Frau Brinkmann.

Frau Präsidentin, ich möchte noch einmal auf Frau Rudolph eingehen, weil ich auf meiner Fraktion die Unterstellung, was die geschlossenen Heime anbetrifft, nicht sitzenlassen möchte. Es geht um zwei unterschiedliche Dinge; Frau Senatorin Roth hat versucht, das deutlich zu machen.

Erstens: In meinem Bericht Kinder- und Jugendpsychiatrie habe ich genau die Betten und genau die Patienten gemeint, von denen Sie auch gesprochen haben. Ich habe es nur nicht weiter ausgeführt, aber es ist für mich selbstverständlich, daß psychisch kranke Jugendliche und Kinder untergebracht werden müssen. Dafür haben wir zum Teil Betten im UKE, aber zu wenige. Wir werden zehn Betten im Wilhelmstift bekommen, und ich habe Ihnen auch gesagt, daß wir damit einverstanden sind, daß das ausgebaut wird.

Zweitens: Sie haben uns unterstellt, wir hätten ein Problem mit geschlossenen Heimen. Da können wir uns ganz ruhig zurücklehnen. Das mag es in der Vergangenheit gegeben haben, aber dieses Problem gibt es bei uns zur Zeit in der SPD nicht. Es war gerade Ihr Fraktionsvorsitzender, der uns in den letzten Tagen bestätigt hat, daß wir unseren ideologischen Ballast abgeworfen haben, und von daher würde ich es auch hierauf beziehen wollen.

(Beifall bei der SPD)

Wird das Wort zu diesem Thema gewünscht? – Das sehe ich nicht. Dann stelle ich fest, daß die Bürgerschaft Kenntnis genommen hat.

(Senatorin Karin Roth)

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 17 auf: Antrag der SPD und der GAL über Spielplätze und Bewegungsräume für Mädchen.

[Antrag der Fraktionen der SPD und der GAL: Spielplätze und Bewegungsräume für Mädchen – Drucksache 16/3781 –]

Wer wünscht das Wort? – Das Wort hat Frau Dr. Urbanski.

Liebe Frau Präsidentin, liebe Kollegen! Gleichberechtigt und dennoch unterschiedlich, so sollen Mädchen und Jungen sich ihre Stadt erobern. Doch wie sieht die Präsenz von Mädchen und Jungen im öffentlichen Raum und insbesondere auf den Spielplätzen aus? Sehr unterschiedlich. Es gibt in dieser Stadt 167 Bolzplätze. Dort spielen überwiegend Jungen. Wenn ich ehrlich bin, habe ich dort noch nie eine Mädchengruppe spielen gesehen. Auf Kinderspielplätzen trifft man kleine Mädchen mit Müttern. Doch ab dem Alter von zehn Jahren verschwinden die Mädchen aus dem öffentlichen Raum, dann ist nämlich das Zimmer der Freundin als Spielraum angesagt und bestimmt auch noch der Mädchentreff. Nur 19 Prozent der zwölfjährigen Nutzerinnen und Nutzer von Spielplätzen sind Mädchen. Warum? Traditionelle Spielplätze bevorzugen in ihrem Angebot tendenziell die Jungen.

In dieser riesigen Stadt gibt es bisher nur zwei Spielplatzangebote für Mädchen: die „Mädchenarena“ und die „Mädchenoase“. Die „Mädchenoase“ ist neu, sie begann ihre Arbeit 1999. Es handelt sich um einen betreuten Naturerfahrungsspielplatz. Modellcharakter hingegen hat die „Mädchenarena“, die mit Förderung des Senatsamts für die Gleichstellung in der letzten Legislaturperiode gebaut wurde. Das Herz dieser Anlage ist eine inzwischen hochbeliebte, forumartige, grasbewachsene Sitzgelegenheit zum Klönen. Weiterhin gibt es Tischtennisplätze und einen Beachballplatz. Hier sind Jungen geduldet, die Mädchen erwünscht, und die Regeln der Mädchen gelten. Dennoch müssen sie um ihre Regeln kämpfen, denn die „Mädchenarena“ ist kein Ghetto, sondern sie ist weiterhin öffentlicher Raum, und die Jungen wollen Ball spielen, und zwar überall.

In der Auseinandersetzung mit ihnen finden die Mädchen Kooperation und zeitweilig Betreuung. Beide Angebote ermuntern Mädchen, sich früh den öffentlichen Raum selbstbewußt anzueignen. Das ist ein essentielles Ziel von Gleichstellungspolitik. Sie erfordert, dafür zu sorgen, daß Mädchen und Jungen unter Beachtung aller Unterschiedlichkeiten der Zugang zu ihrer Lebenswelt gleich einfach, gleich leicht und gleich natürlich gemacht wird. Viele Mädchen wünschen sich Bewegung, viele mögen Fußball, Streetball und Beachball, aber nur, wenn Jungen nicht nerven. Aber ganz aussperren soll man die Jungen auch nicht, denn schließlich sind sie interessant, ganz besonders, wenn man ein Mädchen im Alter von ungefähr zehn Jahren ist.

(Beifall bei Dr. Monika Schaal SPD)

Ich habe die Schülerinnen meiner sechsten Klasse befragt. Die sind gerade zwölf Jahre alt und wissen darüber Bescheid.

Was ist also zu tun? Beim politischen Handeln helfen Erfahrungen mit der „Mädchenarena“. Die besagen folgendes: Mädchen wollen Räume, in denen ihre Regeln gelten, und sie brauchen Unterstützung bei der Durchsetzung dieser Regeln. Mädchen brauchen Räume, in denen man sich gemütlich zum Klönen hinsetzen kann, wie das kleine Am

phitheater, das dem ersten Projekt seinen Namen gab. Außerdem mögen sie Natur; sie wollen sie beobachten und erforschen. Sie mögen Spielgeräte, die Schwung haben, wie Schiffsschaukeln. Sie mögen Spielgeräte, mit denen man sich sportlich betätigen kann. Viele von ihnen sagen, daß sie sich in der Bewegung ausprobieren wollen, ohne gefährliche, konkurrenzorientierte Spiele spielen zu müssen. All dies kann gute Spielplatzplanung gewährleisten. Die ausreichende Anpassung von Spielplätzen an die Bedürfnisse der Mädchen ist eine nachhaltige, langfristige, verantwortungsvolle und im Sinne der Gleichstellung absolut notwendige Maßnahme. Diese Anpassung nicht zu wollen, bedeutet zu fordern, daß sich Mädchen in ihren Wünschen den Bedürfnissen der Jungen anpassen müssen. Das ist falsch. Mädchen sind nur dann gleichberechtigt, wenn man ihre Bedürfnisse, so wie sie sie äußern, ernst nimmt und ihnen nicht politisch-pädagogisch oder weltanschaulich erklärt, was sie sich wünschen sollen.

(Beifall bei Dr. Monika Schaal SPDund bei Karen Koop CDU)

Mädchen unterscheiden sich in ihren Wünschen und Bedürfnissen von Jungen. Dies muß man akzeptieren und danach handeln. Das wollen wir.

Was Mädchen vor allem brauchen, sind Raumplaner und Spielplatzarchitekten, die sich um ihre Bedürfnisse und um ihre Wünsche kümmern. Das gilt für die Spielplätze der Bezirke und auch für die Spielplätze, die im Rahmen des Wohnungsbaus entstehen.

Wenn wir heute diesen Antrag beschließen, wird sich an der Spielplatzkultur in Hamburg etwas ändern. Die Aufgabe, die wir damit dem Senat und über ihn den Spielplatzbauern geben, ist eine sensible Aufgabe, die Klugheit erfordert: Nämlich vor jedem Spielplatzbau oder -umbau herauszufinden, was die Bedürfnisse der anwohnenden Mädchen sind. Das bedeutet nicht, ambitionierte Studien in Auftrag zu geben. Das bedeutet einfach, die Mädchen in Schulen und Kindergärten zu fragen, welche Spielplatzgestaltung ihnen gefällt. Das bedeutet, auf die Erfahrungen des grandiosen Pilotprojekts „Mädchenarena“ zurückzugreifen. Wenn das geschieht, so hoffe ich, daß sich bald die Mädchen diese Stadt erobern wollen, zuallererst die Spielplätze.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Wort hat Frau Koop.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau Urbanski, es war alles gut gedrängt, und ich kann Ihnen auch in vielen Bereichen zustimmen, nur weiß ich nicht, ob das eine administrativ ausgeweitete Sache sein muß. Lassen Sie mich aus der Praxis berichten.

Ich habe vor einigen Jahren ein Projekt zum Thema „Wie möchte ich meinen Spielplatz gestaltet haben?“ durchgeführt. Es entstanden eine Jungen- und eine Mädchengruppe sowie eine gemischte Gruppe. Die Ergebnisse waren zwar sehr unterschiedlich, was bei verschiedenen Gruppen nicht außergewöhnlich ist, aber ganz deutlich. Alle Gruppen hatten den gleichen Raum und die gleichen Materialien zur Verfügung. Die Jungen legten das Ganze sehr großräumig an. Das haben Sie auch von den Spielplätzen berichtet. Es war alles sehr bewegungsorientiert: Fußballplätze, Drehscheiben, Klettergerüste, Abenteuerspielplatz in der Art, wie wir ihn kennen.

(Präsidentin Ute Pape)

Bei den Mädchenbereichen war es deutlich kleinteiliger mit Bereichen zum Hüpfen und zum Balancieren. Es gab auch eine Abenteuerfläche – das war gar nicht das Gegenteilige –, wichtig waren aber kleine Bereiche, in denen man miteinander kommunizieren konnte, wo Bänke und kleine Häuschen standen. Diese beiden Bereiche sehe ich wertfrei nebeneinander. Was allerdings sehr interessant war,

(Farid Müller GAL:... die gemischte Gruppe!)

war die gemischte Gruppe.

(Beifall bei der CDU und Heiterkeit im ganzen Hause)

So sehr bei den beiden Gruppen die unterschiedlichen Bedürfnisse deutlich wurden, war die gemischte Gruppe nach langwierigen Überlegungen zu einer eher konventionellen und nüchternen Einrichtung gekommen. Sie hatte als etwas Besonderes einen Mädchentag eingeführt; keinen Jungentag und Mädchentag im Wechsel, sondern ganz klar einen Mädchentag, an dem die Mädchen allein auf dem Spielplatz sein sollten.

(Michael Fuchs CDU:Das ist klar! Das wußten wir!)

Das zeigt, daß im Normalfall die Jungen die Plätze nutzen. Hier kam aber das soziale Empfinden durch, es müßte auch etwas für die Mädchen getan werden. Das zeigt aber auch deutlich, daß die Planung, wie sie heute verläuft, sich eher an den Bedürfnissen der Jungen als an denen der Mädchen orientiert. Deswegen ist es wichtig, daß die Mädchen und Mädchengruppen beteiligt werden und man auf ihre Bedürfnisse hört.

Ich habe im Sommer einen Mädchentag in einer Einrichtung mitgemacht. Dort erlebte ich eine sehr fröhliche, lebhafte und frische Veranstaltung. Auf die Frage, ob man sie wiederholen sollte oder warum sie überhaupt grundsätzlich eingeführt worden sei, kam merkwürdigerweise nicht generell die Verteufelung „die Jungen ärgern uns immer“. Sie antworteten ganz schlicht, sie wollten einmal unter sich sein und das tun, was sie wollten, und die Geräte und das Gelände nach ihren Bedürfnissen nutzen.

(Beifall bei Elke Thomas CDU)

Sie wollten selber bestimmen, was sonst nicht der Fall ist. Das hat gar nichts damit zu tun, daß man sagt, die bösen Jungen, die den Mädchen keinen Platz lassen. Es wurde das Beispiel Sport angeführt. Die Mädchen sagten, die Jungen erobern sich das Areal in der Weise, daß sie sich gar nicht beteiligen können und eher am Rande bleiben. Die Jungen sind nicht unwichtig, sie sollen nicht verschwinden. Eines der Mädchen hat es nett als Hahnenkämpfe vor der Hühnerstange beschrieben. Das ist natürlich für die Mädchen weniger befriedigend. Sie wollen nicht alleine unter sich bleiben, sie wollen auch Konflikte und Aggressionen austragen, aber es besteht der Wunsch, einmal für sich alleine zu sein und den Raum so zu nutzen, wie sie es wollen. Das ist übrigens eine alte Frauenforderung. Ich weiß nicht, ob Sie von Virginia Wolf den Satz kennen:

„Raum für meine Füße, Raum für mein Selbst möchte ich erreichen.“

Insofern ist hier sogar ein feministischer Ansatz zu finden.

Ihr Antrag rennt bei mir offene Türen ein. Aber wenn Sie sich so sensibel für die Mädchenbelange zeigen, dann würde ich das auch gern außerhalb der Freizeit und nicht nur beim Spielen, sondern auch in anderen Bereichen sehen. Ich habe noch Frau Woisins Bemerkung zu meinem