Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Wrocklage, Ihre minutenlangen Unverschämtheiten gegenüber der CDU
waren in Ihrer Plattheit und Dummheit sogar unter Ihrem Niveau. Das war unmöglich. Wir müssen uns so etwas nicht gefallen lassen. Hier wird die Möglichkeit des Senats, sich auszubreiten, exzessiv ausgenutzt. Die Abgeordneten haben nur fünf Minuten Redezeit. Wir müssen uns hier beschimpfen lassen; das ist eine Unverschämtheit ohnegleichen.
Sie haben mit Ihrer Rede ja nicht einmal den offenkundig angestrebten Effekt erzielt, Ihre eigenen Kollegen zu begeistern. Das spricht für die Sozialdemokraten!
Vor einem knappen Jahr lag dem Parlament ein CDU-Antrag mit dem Ziel vor, rechtsstaatliche Verhältnisse in der Roten Flora herzustellen.Die Ergebnisse der Diskussionen sollten bis November 1999 vorliegen, liegen aber bis heute nicht vor. Es gibt lediglich deprimierende Ergebnisse. Frau Möller hat damals am 7. Juli und heute gesagt, die CDU
könne die Vielfalt, Buntheit und die individuelle Lebensart nicht aushalten. Frau Möller, das ist keinesfalls unser Problem. Wir können es nur nicht aushalten, daß es in dieser Stadt einen Ort gibt, an dem das Recht nicht gilt, Polizisten mit Molotowcocktails und Steinen beworfen und auf heimtückische Art und Weise in die Falle gelockt werden
und der regelmäßig die Funktion hat, Ausgangspunkt von Straftaten und Rückzugsraum für Straftäter zu sein. Das können wir nicht aushalten.
Es gibt keine Wende zum Besseren, im Gegenteil: In der letzten Woche fanden die schwersten Krawalle seit Jahren statt. Herr Dr. Schäfer hat in der genannten Debatte am 7. Juli gesagt, der begonnene Dialog habe Chancen, das Ziel – nämlich rechtmäßige Zustände – in absehbarer Zeit zu erreichen. Herr Dr. Schäfer, die Chance mag seinerzeit bestanden haben; aus unserer Sicht besteht diese Chance nicht mehr.
Wir sind über unseren Schatten gesprungen und wollten Verhandlungen. Aber wir wollten keine Verhandlungen bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag, sondern sie sollten in einem überschaubaren Zeitraum, und zwar bis zum November 1999, abgeschlossen sein. Dieser Zeitpunkt ist seit einem halben Jahr verstrichen, die Chance ist vertan.
Von der CDU – Herr von Beust hat das gesagt – kam der ausgestreckte Arm; die Rote Flora zeigte den ausgestreckten Mittelfinger beziehungsweise die geballte Faust. Das ist eine Antwort, die wir uns nicht bieten lassen.
Wir haben zu der eben gehörten Abwiegelung à la Wrocklage keine Lust mehr, wenn uns seit Jahren verkauft wird, die Rote Flora sei in Wahrheit eine Mopedreparaturwerkstatt oder ein Workshop für Bauchtanz oder ähnliches. Es wurde uns immer wieder gesagt, es gäbe in dieser Stadt keine rechtsfreien Räume. Herr Wrocklage, das haben Sie heute wiederholt, es ist jedoch widerlegt. Wenn Herr Dr. Christier am 7. Juli 1999 sagte, daß vielleicht ein bißchen an der Theorie der rechtsfreien Räume dran sei, dann ist das falsch.Da ist nicht nur ein bißchen, sondern eine ganze Menge dran. Das ist jetzt deutlich geworden.
Noch einige wenige Worte zum Einsatz selbst.Hier sind offenkundig erhebliche handwerkliche Fehler gemacht worden. Es ist nicht zur Kenntnis genommen worden, daß sich dort etwas zusammenballt.Herr Wrocklage, Sie sind der Innensenator und haben dafür keine persönliche, aber die politische Verantwortung; davor können Sie sich nicht drücken.
Es gab – das werden wir natürlich in eineinhalb Wochen im Innenausschuß diskutieren – Hinweise auf Zusammenballungen rund um die Hafenstraße, das Aufkommen fremder Autos und eine vermehrte Ansammlung von Menschen,
(Lachen bei der GAL und bei REGENBOGEN – für eine neue Linke – Dr. Martin Schmidt GAL: Don- nerwetter!)
Es gab weiterhin handwerkliche Fehler. Die Situation war bereits um 23 Uhr eskaliert, aber nach den vorliegenden Informationen wurden die beiden nach Berlin ausgeliehenen Hundertschaften erst um 2 Uhr zurückbeordert.
Mit handwerklichen Fehlern gefährdet man die Gesundheit und das Leben der Beamten; wir werden das ausführlich diskutieren und untersuchen.
Alles in allem ist das Thema Rote Flora ein echtes Trauerspiel und muß so schnell wie möglich beendet werden. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich bin kein Mensch, der sich mit Innenpolitik beschäftigt, sondern ich befasse mich in diesem Parlament mit Stadtentwicklungspolitik. In diesem Zusammenhang liegt uns zum Thema Rote Flora seit gut einem Jahr ein CDU-Antrag vor.
Herr von Beust, bei Ihrem Debattenvortrag stört mich folgendes: Bei diesem Thema ist der Konjunkturverlauf Ihrer inhaltlichen Position,
gemessen am Konjunktur- und Kursverlauf der Kurse am Nasdaq und am Neuen Markt, instabil. Ich habe es bisher bei keinem anderen politischen Thema wie diesem erlebt, wie Sie als Person die Seiten gewechselt haben. Je nachdem, wie die Situation vor Ort war, haben Sie sich auf die Seite der angeblich herrschenden Meinung geschlagen. Das ist für jemanden, der in dieser Stadt Bürgermeister werden will, ein absolut unmögliches Verhalten.
Uns liegt seit einem Jahr der CDU-Antrag vor, der von uns äußerst seriös bearbeitet wird.Im November letzten Jahres haben wir in Ihrer Anwesenheit, Herr Vahldieck – ich habe das sehr begrüßt, obwohl Sie diesem Ausschuß nicht angehören –, darüber ausführlich debattiert.
Ich möchte Ihnen die Ausführungen der Innenbehörde aus dem Protokoll vorlesen, weil Ihre Behauptungen unrichtig sind:
„Der Vertreter der Polizei fährt fort, im Schanzenviertel geschähen, aber gleichermaßen wie in anderen Stadtteilen, Straftaten, die jedoch nicht im vorhinein dem Umfeld der Roten Flora zugeordnet werden könnten.“
Das ist die klare Aussage der Innenbehörde. Sie haben in der gesamten Ausschußsitzung nicht einen Beweis erbracht, daß diese Straftaten vor Ort der Roten Flora wirklich zugeordnet werden können. Wenn Sie in einem Rechtsstaat über die Geschehnisse der letzten zwei, drei Jahre keine Beweise haben, dann dürfen Sie im Parlament nicht immer wieder solche Äußerungen machen; das ist nicht erlaubt.
Die SPD hat in dieser Frage eine klare Position.Wir möchten das realisieren, was zwei bedeutende Tageszeitungen noch im April dieses Jahres als Liebeserklärung über das Schanzenviertel geschrieben haben: Dieses Quartier gewinnt man nur, wenn man sich einen zweiten Blick gönnt. Es ist ein Stadtteil im Umbruch. Geschäftsführer, Unternehmer und Eigentümer wollen das Schanzenviertel gemeinsam attraktiv machen. Menschen, die sich 20 Jahre nicht kannten, reden miteinander, die Straße Schulterblatt wird umgebaut, und es erfolgten zwischenzeitlich 112 Unternehmensansiedlungen. Diese Vorgänge sprechen für die „Schanze“; sie hat es daher nicht verdient, daß man über dieses Viertel in den Debatten so schamlos herzieht.
Die Nutzer der Roten Flora müssen wissen – insofern begrüße ich außerordentlich die Aussagen des Ersten Bürgermeisters –: Wer sich dauerhaft dem Stadtteil und damit auch der Politik und dem Staat als Vertragspartner entzieht, verliert natürlich seine Rolle bei der Gestaltung dessen, was die Mehrheit der Nutzer der Roten Flora möchte.
In diesem Punkt gibt es einen wichtigen Unterschied.In der Roten Flora findet im Gegensatz zur Hafenstraße im Jahre 1988 zu 80 Prozent Kultur und zu 20 Prozent Politik statt.
Diese Personen in der Roten Flora müssen wissen, daß sie dabei sind, die Inhalte ihrer Kulturarbeit zu gefährden, die im übrigen viel etablierter ist als das, was die politisch Kreativen sich vorstellen. Ich sollte das eigentlich nicht sagen, denn dann könnten diese sauer werden.
Es kann nicht das Ziel sein, die Rote Flora zu räumen.Aber natürlich bedeutet dies nicht, daß es nicht auch Situationen gibt, in denen geräumt werden muß. Keiner sollte glauben, daß der Staat nicht doch in bestimmten Situationen genau dieses machen muß.
Zum Schluß. Herr von Beust, Sie haben gesagt, daß der politische Konsens dahin sei. Ich fordere Sie ausdrücklich auf: Kommen Sie in diesem Jahr, in dem die autonome Szene die EXPO nutzen will, um den Staat vorzuführen, in den Konsens zurück. Das ist auch Ihre Aufgabe als politische Opposition. – Danke.