Protokoll der Sitzung vom 10.05.2000

Meine Damen und Herren! Weitere Wortmeldungen liegen mir zu dieser Debatte nicht vor.

Ich komme zur Abstimmung. Wer möchte den Antrag beschließen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Dann ist der Antrag in seiner Neufassung mit großer Mehrheit abgelehnt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 29 auf: Bericht des Sozialausschusses zur Insolvenzordnung: Drucksache 16/4140.

[Bericht des Sozialausschusses über die Drucksachen 16/2002: Umsetzung der neuen Insolvenzordnung (GAL-Antrag) 16/3256: Umsetzung der Insolvenzordnung (Verbraucherinsolvenz) in Hamburg (Senatsvorlage) – Drucksache 16/4140 –]

Hierzu ist Ihnen als Drucksache 16/4223 ein gemeinsamer Antrag der SPD- und der GAL-Fraktion zugegangen.

[Antrag der Fraktionen der SPD und der GAL: Stärkung der Schuldnerberatung und Verbesserung des Verbraucherinsolvenzverfahrens – Drucksache 16/4223 –]

Wer möchte das Wort? – Herr Grund erhält das Wort.

Meine Damen und Herren! Es ist unverändert und unzweifelhaft eine gute Sache, daß es die private Verbraucherinsolvenz in dieser Republik gibt. Wir haben nun ein Jahr lang praktische Erfahrungen gesammelt.

Schon als das Gesetz vor zwei Jahren – Mitte Sommer 1998 – der Bürgerschaft vorgelegt wurde, waren wir uns alle gemeinsam unsicher, wie wir mit den Folgen dieses Bundesgesetzes in Hamburg umgehen würden. Diese Unsicherheit herrschte in der ganzen Republik, weil kein Mensch wußte, wie viele überschuldete Privathaushalte von den neuen rechtlichen Möglichkeiten Gebrauch machen werden. Wir wußten auch nicht, wie wir diese Beratung und die justitielle Bearbeitung dieses Themas am Ende werden bewältigen können.

Zunächst ging die Bürgerschaft davon aus – nachweislich unseres Beschlusses vom Sommer 1998 –, daß wir eine sehr hohe Anzahl von Verbraucherinsolvenzfällen bei der Justiz bekommen werden, weil wir davon ausgegangen sind, daß sich sehr schnell in den Beratungsverfahren herausstellen werde: Ein außergerichtlicher Vergleich in den Gläubiger- und Schuldverhältnisfragen wird sich nicht herstellen lassen, und wir werden am Ende vor Gericht Entscheidungen treffen müssen. Dieser Umstand ist nicht eingetreten.Die Zahl der Fälle, von denen wir vermutet haben, daß sie in Hamburg auftreten werden, ist sogar geringer als zunächst angenommen geworden.Wir hatten mit ungefähr 4000, vielleicht 5000 Fällen gerechnet, die pro Jahr auf die hamburgische Schuldnerberatung und auf das Insolvenzgericht zukommen werden. Das ist so nicht zutreffend. Die Zahlen sind geringer.

Es hat sich aber etwas ganz anderes herausgestellt, und zwar bundesweit. Das ist kein Hamburger Problem. Die Ar

beit der Beratung der verschuldeten Haushalte ist wesentlich aufwendiger, komplizierter und langwieriger, als wir alle vermutet haben. Das Ergebnis ist, daß sich in den Beratungseinrichtungen der Stadt und auch bei den privaten Schuldnerberatungseinrichtungen Wartelisten ergeben haben und sehr lange Wartezeiten auf die interessierte Bevölkerung und auf die betroffenen Haushalte zukommen.

Nachdem dies im Laufe des Jahres 1999 absehbar gewesen ist, hat der Senat gehandelt, indem er eine weitere – nämlich die achte – Beratungsstelle eingerichtet hat. Diese Beratungsstelle hat ihre Tätigkeit noch im vergangenen Jahr aufgenommen und war erfolgreich tätig.Es sind in dieser Beratungsstelle in den ersten Monaten überdurchschnittlich viele Beratungen und auch abgeschlossene Fälle zu verzeichnen. Das hat damit zu tun, daß wir in dieser Beratungsstelle speziell Personal aus dem Bereich der Justiz einsetzen konnten, also besonders erfahrenes und versiertes Personal.

Im Sozialausschuß ist das Thema erneut und mehrfach diskutiert worden. Wir haben uns gemeinsam vorgenommen, wir warten bis Ende März ab und beobachten, wie die Zugänge sein werden. Wenn wir erkennen, es ist nur eine Bugwelle und die Fälle normalisieren sich, dann werden wir mit den Problemen klarkommen.

Nun hat sich aber im Frühjahr erwiesen – tatsächlich erst im Februar und März –, daß die Zahl der Neueingänge nicht rückläufig ist, sondern sich weiter auf sehr hohem Niveau fortsetzt. Somit war für uns alle klar, mit den vorhandenen Ressourcen werden wir es nicht schaffen.„So geht es nicht weiter“, war das Fazit im Sozialausschuß bei allen anwesenden Fraktionen und bei der Gruppe.

Wir haben die Diskussion im Sozialausschuß beendet und reichen heute der Bürgerschaft einen Antrag der GAL- und der SPD-Fraktion ein mit der klaren Zielsetzung, nicht nur die Beratungsstellen zur Verbraucherinsolvenz, die es in der Stadt gibt, personell durch weitere Stellen zu verstärken, die durch entsprechende Veränderung des Haushaltsplans des Jahres 2000 genehmigt werden sollen, sondern wir wollen das über einen längeren Zeitraum hinweg tun.

Wir wollen darüber hinaus auch die privaten Einrichtungen – die Verbraucher-Zentrale insbesondere, die jetzt bereits behördliche Anerkennung hat, und das Diakonische Werk – unterstützen, damit sie ihre Beratungsleistungen aufstocken können. Dies ist zunächst einmal der Weg, um sicherzustellen, daß wir den hohen Anforderungen, die auf uns zukommen, auch weiter gerecht werden können.

Damit aber nicht genug, meine Damen und Herren:Es geht nicht nur um Löcherstopfen, die nun aufgetreten sind, sondern wir wollen den Problemen auch grundsätzlich Herr werden. Dazu bedarf es vor allem Veränderungen auf Bundesebene. Ein Thema haben wir hier bereits mehrfach diskutiert. Es geht um Prozeßkostenhilfe. Sie wissen, daß wir in Hamburg damit sehr großzügig verfahren. Im Bundesgebiet ist das Problem nicht gelöst, es muß aber gelöst werden. Im Sozialausschuß wurde berichtet, daß es eine Arbeitsgruppe der zuständigen Länderreferenten gibt. Unter Hamburgs Federführung wurde ein Maßnahmenkatalog erarbeitet, der dazu führen soll, daß die Beratungsaktivitäten vereinfacht und erleichtert werden sollen und vor allem weniger Problemfälle bei den Beratungsstellen ankommen.

Ein besonders wichtiger Punkt dabei ist, daß zum Beispiel auch die Kleingewerbetreibenden in das private Insolvenzverfahren einbezogen sind. Die Erfahrung hat gezeigt, daß

gerade die Insolvenzverfahren bei Kleingewerbetreibenden mit sehr, sehr vielen Gläubigern zu tun haben und sehr, sehr aufwendig sind, so daß man künftig beabsichtigt, diese Verfahren aus der Beratungsleistung herauszunehmen und sie direkt wieder in die Justizverwaltung und in die justitielle Bearbeitung zu geben. Das ist ein richtiger Weg.

Wer glaubt, mit einer „Verfahrensvereinfachung“ sei es getan, den will ich an dieser Stelle warnen. Es wird kein Weg daran vorbeiführen, daß Schuldner am Ende benennen, welche Gläubiger sie haben, und daß sie auch sagen, wie hoch die Schulden sind, die sie bei diesen Gläubigern haben. Sie müssen dafür die Belege und Unterlagen besorgen, weil das zwingende Voraussetzung ist, wenn man überhaupt eine außergerichtliche Schuldenbereinigung und -regulierung sowie einen Schuldenvergleich herstellen will.

Die Probleme, daß die Schuldner umfangreiche Informationen und Unterlagen beschaffen müssen, um überhaupt in das Verfahren hineinkommen zu können, um nach einer längeren Zeit schuldenfrei aus dem Verfahren herauszugehen, werden uns erhalten bleiben. Ich befürchte, daran werden wir bei den Beratungseinrichtungen in der ganzen Stadt weiter sehr stark zu beißen haben.

Wir sind außerdem etwas überrascht davon, daß in den Bezirken die Bearbeitung der Beratungsaktivitäten unterschiedlich schnell und offensichtlich auch von unterschiedlicher Qualität ist. Wir haben den Senat in unserem Antrag aufgefordert, hier ein Controlling- und Steuerungsverfahren einzuleiten, das sicherstellen soll, daß genau dies in den Bezirken korrekt dargestellt wird. Es muß geklärt werden, wie man die Verfahrensabläufe noch verbessern kann. Vor allem liegt bei uns immer im Blick, meine Damen und Herren, daß wir es erreichen können, daß am Ende nicht die Menschen abgeschreckt werden, dieses langwierige schwierige Verfahren und diesen bitteren Weg der Schuldenbereinigung zu gehen. Es gibt nichts Schlimmeres für uns alle – übrigens auch nicht für die Gläubiger –, als wenn die Menschen am Ende resignieren, sich ihre Schulden weiter durch die Zinslasten vergrößern. Damit ist niemandem ernsthaft geholfen.

Wir haben im letzten Jahr erkannt, die Mittel waren nicht ausreichend. Es wurde aufgestockt, und wir tun einen weiteren Schritt in die richtige Richtung. – Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Wort hat Frau Blumenthal.

(Anja Hajduk GAL: Jetzt finden wir Ihren Beifall!)

Warten Sie doch erst einmal ab.

Herr Grund, wir waren uns selten so einig, und ich kann Ihren Antrag nur begrüßen.Aber es ist eine schallende Ohrfeige für die beiden zuständigen Senatorinnen. Wenn Sie den Antrag lesen, beschreibt dieser die Defizite und fordert keine Lösungen mehr ein.

(Anja Hajduk GAL: Sehr initiativ!)

Sie als Fraktion bieten die Lösung an. Und – was noch viel schlimmer ist – Sie machen die Schularbeiten für die zuständigen Behörden, wie wir aus dem Antrag deutlich ersehen können. Sie benennen die Aufstockung, alles das, was wir schon vor vergangener Zeit gefordert haben, Frau Hajduk. Auch dieses müssen Sie zugeben. Die CDU-Fraktion hat bereits zum Haushalt 1999 Aufstockung eingefor

(Uwe Grund SPD)

dert. Aber es stand auf dem Antrag „CDU“, und deswegen konnte dem nicht zugestimmt werden.

Die personelle Aufstockung ist in der Vergangenheit erfolgt. Wir sind froh darüber, und wir stehen auch zu Ihrem Antrag. Keine Sorge. Aber es ist uns auch gestattet, noch einmal auf die Defizite hinzuweisen, die in den vergangenen zwei Jahren immer wieder geschildert worden sind.Sehen Sie sich an, wie oft wir in der Bürgerschaft zur Schuldnerberatung, zur Insolvenz debattiert haben. Es ist von Ihnen oft zurückgewiesen worden. Lediglich im Sozialausschuß hatten wir immer wieder die Gelegenheit, die Probleme zu benennen. Wenn Sie sehen, wie wir es auch erkannt haben, in welchen Bereichen es einen Überhang gibt, haben Sie genau diesen Weg gewählt, daß Sie aus dem Einzelplan 2 die finanziellen Umschichtungen für die notwendigen Verstärkungen gewählt haben.

Herr Grund, auch wir haben schon 1998 gefordert, die Verbraucher-Zentrale und das Diakonische Werk stärker mit einzubeziehen. Das ist von Ihnen damals immer abgelehnt worden.Sie wissen um die krampfhaften Bemühungen dieser beiden Träger, die Schuldnerberatung aus eigener Kraft und mit finanzieller Unterstützung von Förderern durchzuziehen. Dieses ist gelungen, und ich hoffe nunmehr außerordentlich, daß es uns mit diesem Antrag, den wir als CDU-Fraktion unterstützen, gelingt, die Arbeit der Verbraucher-Zentrale und des Diakonischen Werkes weiter fortzusetzen.

(Beifall bei Anja Hajduk und Andrea Franken, beide GAL)

Insofern gibt es dort überhaupt gar keinen Dissens, auch aufzustocken.Sie müssen dann aber auch einmal zugeben können, daß dieses von uns vorher angemahnt worden ist. Wenn Sie dieses früher erkannt hätten, wären wir heute schon ein Stückchen weiter.

(Beifall bei der CDU)

Zum Inhalt Ihres Antrags stimmen wir Ihnen in allen Punkten zu. Meine Fraktion hat lediglich das Problem, daß Sie zwar die Punkte 1 und 2 terminlich genau eingrenzen, aber zu den übrigen Punkten keine zeitliche Aussage treffen. Das wäre vielleicht ganz hilfreich gewesen.

Ein weiterer Punkt, zu dem ich die beiden Koalitionsfraktionen bitte, noch einmal darüber nachzudenken.Wir haben alle gemeinsam erkannt, wie es den Menschen geht, die tief in Schulden verstrickt sind und die häufig gar nicht wissen, wie sie sich selbst helfen können.Wenn sie sich dann an eine bezirkliche Schuldnerberatungsstelle wenden – ich beziehe mich jetzt auf diesen Teil –, dann ist dieses ein erster Schritt, weil sie zeigen, daß sie willens sind, sich aus diesem Schuldenwust zu befreien.Was passiert dann? Wir haben auf Anregung der CDU diesen Fragebogen bekommen. Lesen Sie sich ihn einmal durch. Ein Mensch, der die Post normalerweise nicht mehr öffnet, der die Rechnungen nicht mehr nachsieht, der sich keine Mahnbescheide ansieht, der bekommt einen Brief, in dem freundlich formuliert ist:

„Sie haben um einen Beratungstermin in der Schuldnerberatung nachgefragt. Aufgrund der hohen Nachfrage müssen wir Ihnen leider mitteilen, daß es einige Zeit dauern wird, bis wir Ihnen einen Beratungstermin anbieten können.“

Dann kommt noch etwas Erläuterndes, und dann heißt es fettgedruckt:

„In jedem Fall bitten wir Sie, das beigefügte Antwortschreiben an uns zurückzusenden. Nach Eingang des Antwortschreibens nehmen wir Sie auf unsere Warteliste.Sobald wie möglich, werden wir Ihnen einen Termin mitteilen. Bis dahin bitten wir Sie, von Rückfragen abzusehen.“

Nun stellen Sie sich die Menschen vor, die ohnehin nicht mehr weiterwissen, dieses als letzten Strohhalm gesehen haben. Da ist meine Bitte an Sie, hier ein Stückchen die Behörden auf dem Weg zu begleiten, daß hier ein anderes Verfahren gewählt wird, denn wir schieben die Probleme nur weiter vor uns her.

Wir haben im Ausschuß bereits über die langen Wartelisten debattiert, über die hohe „Abbrecherquote“ derjenigen, die sich aufgrund einer telefonischen Anfrage nicht erneut melden und die dann erst einmal wieder in der Versenkung verschwinden. Die Schulden werden nicht weniger, aber irgendwann kommen diese Menschen wieder, und dann hat man diese Bugwelle auch nur wieder vor sich hergeschoben. Hier ist dringender Handlungsbedarf, daß man sich Wege überlegt, wie man die Personen, die sich telefonisch melden, in irgendeiner Art und Weise zu erfassen versucht, damit nicht wieder ein längerer Zeitraum aufläuft. Insofern bitte ich Sie, noch einmal darüber nachzudenken, wie wir mit diesen Menschen weiter werden umgehen können.

Nach wie vor gibt es Probleme mit den langen Bearbeitungszeiten, und auch das von Ihnen zu Recht eingeforderte Controlling ist sehr wichtig. Selbst in den Ausschußsitzungen konnte uns vom Senat noch nicht einmal benannt werden, warum es diese unterschiedlich langen Bearbeitungszeiten und die unterschiedlich langen Anwärterlisten gibt. Hier hätte auch der Senat schon lange handeln müssen. Insofern begrüßen wir Ihren Antrag ausdrücklich, daß dem Senat vielleicht auf diese Art und Weise ein bißchen Beine gemacht werden. – Danke.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat Frau Franken.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Umsetzung des Insolvenzverfahrens brachte in allen Bundesländern – so auch in Hamburg – eine Menge Probleme mit sich, die wir in der Bürgerschaft schon öfters benannt haben.