In Ihrer Großen Anfrage wurde deutlich, daß im letzten Jahr acht Hauptverkehrsstraßen repariert worden sind und neun neu auf die Liste gekommen sind.Das deckt sich fast. Dieses Jahr sollen auch wieder acht repariert werden.Also: deckt sich fast.Insofern muß man sagen, ein Reparaturstau wächst kaum, wächst eigentlich nicht. Sie haben von kaputten Straßen gesprochen.Wenn ein Fernseher kaputt ist, funktioniert er nicht. Offensichtlich funktioniert unser Straßenwesen. Wir haben Schäden. Das stimmt. Kaputt kann man wirklich nicht sagen. Es gibt Löcher, aber trotzdem kann man zügig fahren. Insofern gibt es da Zwischenstufen.Das kann ich Ihnen auch an den Bezirkslisten nachweisen. Ich habe mir die Eimsbüttler Liste vorgenommen, weil ich die dortigen Straßen gut kenne, dort wohne ich. Dort gibt es diverse Straßen mit Kopfsteinpflaster. Das sind alles Nebenstraßen.Die Bewohnerschaft würde Ihnen vielfach etwas dagegensetzen, wenn jetzt auf einmal jemand kommt, der dort Asphalt hinkippt, denn dieses Kopfsteinpflaster ist total intakt. Dort gibt es eine Ästhetik, die ich nicht missen möchte. Ich habe bis vor kurzem auch an solch einer Straße gewohnt. Dort gibt es eine Rasterung durch die Straße, dort gibt es ein viel besser strukturiertes Bild als in Straßen, wo der nackte Asphalt nur abstößt. Insofern kann man sagen, diese Straßen sind nicht kaputt. Dort gibt es nur Kopfsteinpflaster.
Das ist also ganz unterschiedlich.Die Baubehörde schildert zutreffend und sagt, das ist überhaupt keine Prioritätenliste. Ich habe den Eindruck, das ist die Liste von manchen Tief
bauern, die Perfektionisten sind und überall alles schön und neu und glatt haben wollen. Das ist aber häufig gar nicht im Interesse der Bewohner.
Die Baubehörde hat deutlich gemacht, daß die Hauptverkehrsstraßen, in denen der Wirtschaftsverkehr und die Busse rollen, Vorrang haben und saniert werden.Die Listen haben Sie abgefordert und bekommen.Ansonsten müssen wir in dieser Stadt Prioritäten setzen.Sie sind mit einem Nebensatz auch darauf eingegangen.
Wir stellen folgendes fest:Der Betriebshaushalt des letzten Jahres war ausgeglichen, es gab sogar einen kleinen Überschuß. Die Sparpolitik des Senats, seit 1994 betrieben, hat den Haushalt dauerhaft mit über 2 Milliarden DM entlastet. Das ist gut und muß auch Ihren Beifall finden. Die Neuverschuldung muß reduziert werden. Die Behörden – die Normalbehörden, wie es so schön heißt – haben dazu 20 Prozent der Stellen einsparen müssen. Das ist ein harter Brocken. Dieses müssen Sie in einer Landschaft mit kaputten Straßen sehen.Wer im Bezirksamt arbeitet, dort erheblich belastet wird, produktiver sein muß, erheblich unter Streß steht und dann zu hören bekommt, er müsse noch mehr Streß haben, damit ein bißchen Asphalt auf die Straßen gekippt werden kann, der wird Ihnen kein Verständnis entgegenbringen können.
Die Schulen zum Beispiel mußten bis zum letzten Jahr keine einzige Stelle einsparen. Wir haben in der Bildung Prioritäten gesetzt, und sie wird auch weiterhin Vorrang haben.Die Investition in Humankapital ist für uns wichtiger als so manches Schlagloch.
Wir haben bei der Schaffung von Ausbildungsplätzen weiterhin Schwerpunkte gesetzt. Sie alle kennen die Zahlen: 640 Ausbildungsplätze bei der HAB. Dieses wird unterstützt, hier wird in Humankapital investiert. Wollen Sie da Plätze einsparen, wollen Sie mehr arbeitslose Jugendliche und dafür ein paar Schlaglöcher auffüllen?
(Bernd Reinert CDU: Nächster Punkt: Länder- finanzausgleich! – Carsten Lüdemann CDU: Die Regierungserklärung hält der Bürgermeister!)
Sie wollen die Stadt nur aus der Windschutzscheibenperspektive begucken.Wir haben unseren Blick geschärft und sehen die Interessen aller Hamburger in allen Situationen. Das machen wir auch weiter.
(Vereinzelter Beifall bei der SPD – Dr. Roland Sal- chow CDU: Diese Rede war ein Schlagloch! – Bernd Reinert CDU:Sehr verhaltener Beifall bei der SPD!)
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich habe hier mein Redemanuskript von 1997 zu dem Thema hochgeholt, und das hat ungefähr denselben Level wie das von Herrn Reinert.
Es könnte sein, daß in Deutschland die Standards der siebziger Jahre in verschiedenen Lebensbereichen nicht mehr zu halten sind.Ich habe immer gehört, daß zum Beispiel die CDU und mittlerweile auch viele andere uns mitteilen, daß die soziale Betreuung und Versorgung der Menschen auf dem augenblicklichen Niveau nicht zu halten sei und renoviert werden müsse. Darüber kann man streiten.
In den siebziger Jahren gingen bekanntlich die Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst so aus, daß – unter anderem durch Herrn Kluncker – zweistellige Lohnerhöhungen zustande kamen.
Das läßt sich nicht halten. Beispielsweise sind in Hamburg die Löhne der Hochbahnfahrer mittlerweile ganz bestimmt nicht mehr auf dem Niveau, das damals erreicht worden ist. Darüber kann man auch reden.Aber über einen Punkt kann man offenbar überhaupt nicht reden, und zwar daß das Weltniveau beim Straßenbelag, das in Deutschland in den frühen siebziger Jahren erreicht worden ist, unbedingt beibehalten werden muß.Wir sind Weltmeister im Straßenbau gewesen, und das wollen wir bis in alle Ewigkeit bleiben.
Wenn Sie in irgendein Land Europas fahren, werden Sie, außer den kleinen skandinavischen Ländern, keines finden, in dem die Straßen so gut sind wie in Deutschland. Aber dann kommt vielleicht noch dazu, daß es kaum ein Land gibt, in dem so viele Lkws fahren. Damit wird die Sache etwas brisant. Aber über die Frage, was eigentlich mit den Straßen passiert, reden Sie nicht. Selbst Ihr Leib- und Magenblättchen, die „Bild“-Zeitung, teilte am 15. Mai 2000 als Ursache, warum die Straßen so löcherig werden, mit, daß das am Schwerverkehr liege, denn ein einziger Lastwagen nutze eine Straße genauso stark ab wie 50 000 Pkws.
Nach meiner Kenntnis stimmt diese Zahl nicht, sondern es sind 160 000 Pkws. Da Sie die 60 Millionen DM jährlich auch nicht zaubern können, müßten wir uns vielleicht gemeinsam überlegen, was wir in Zukunft wirklich machen. Daß Sie nur das Geld fordern, macht man, solange man in der Opposition ist, und dann hört das sofort auf.Lassen Sie uns darüber reden, wie man in Hamburg den Straßenverkehr besser organisiert und wie man dafür sorgt, daß die Lkws die Straßen nicht gar so schnell kaputt machen. Ich nehme nur ein Beispiel: Zu Zeiten, als die CDU in Bonn regiert hat, wurde sehr viel Geld in den Straßenbau investiert. Aber selbst damals litt diese Ausgabe darunter, daß das meiste für die Straßeninstandsetzung der Autobahnen ausgegeben werden mußte. Das ist heute auch noch so, und das liegt auch wieder an den Lkws.Sorgen wir vielleicht gemeinsam dafür, daß weniger Lkws durchs Land fahren. Dann brauchen wir weniger Geld für die Straßeninstandsetzung.
Ihr Beispiel mit der Grundinstandsetzung und dem Hineinregnen in die Wohnungen ist natürlich etwas unsinnig. Herr Polle hat schon darauf hingewiesen, was die Straßenliste bedeutet.Ich könnte Ihnen jetzt auch ein paar Straßen nennen, die ich ganz genau kenne. Da ist eine Straße im Bezirk Altona angegeben, durch die ich sehr häufig mit dem Fahrrad fahre. Da sollen 2 200 000 DM für die Reparatur von 1000 Metern auf der Straße Bockhorst ausgegeben werden. Ja, das kann man machen, wenn man nichts Bes
seres zu tun hat. Auf dieser Straße können Sie zur Zeit ohne die geringsten Schwierigkeiten fahren, obwohl es dort in der Tat ein paar Schlaglöcher gibt. Sie wird natürlich, wie es sich gehört und wie es die Pflicht des Bezirksamts ist, auf eine Liste gesetzt, damit sie eines Tages repariert wird. Aber zu behaupten, daß die Straße in einem Zustand sei wie eine SAGA-Wohnung, in die es hineinregnet, ist nicht richtig. Ich vermute – wir könnten ja vielleicht eine gemeinsame Begehung all dieser Straßen machen –, wir würden uns sehr schnell darauf einigen, daß die Hälfte der Straßen erst in vier, fünf Jahren repariert werden müßte. Deswegen bin ich etwas vorsichtig und sage noch einmal, das geht nicht so leicht.
Dann komme ich noch einmal zum Thema Geld. Sie haben in der letzten Sitzung einer Tariferhöhung des HVV nicht zugestimmt. Entweder wollten Sie weniger HVV-Verkehr oder einen höheren Staatszuschuß. Ein höherer Staatszuschuß hieße ganz bestimmt: Weniger Geld für die Reparatur von Straßen.Und weniger HVV-Verkehr hieß:Mehr Autoverkehr und schnellerer Verschleiß der Straßen. Ich schlage ihnen vor, Sie überlegen, was Sie wirklich wollen.
Meine Damen, meine Herren! Wer den Aussagen der CDU lauscht, bekommt unweigerlich den Eindruck, daß etliche Straßen in Hamburg regelrecht unpassierbar seien. Keine Frage, es gibt Schlaglöcher, es gibt Spurrillen in den Straßen.
Herr Reinert, am meisten haben darunter diejenigen zu leiden, die weder vier Räder noch Stoßdämpfer haben, wie zum Beispiel die Radfahrerinnen oder die motorisierten Zweiradfahrerinnen. Für die können Sie sich gerne einsetzen, da würden Sie auch etwas zum Vermindern des Unfallrisikos beitragen.
Ein Großteil der Straßenschäden wird, wie wir schon gehört haben, durch den schweren Lkw-Verkehr verursacht. Deshalb sind wir nicht nur aus ökologischen, sondern auch aus ökonomischen Gründen der Meinung, daß der Lkw-Verkehr nach dem Motto „so wenig wie möglich, soviel wie nötig“ reduziert wird. Im Verkehrsausschuß haben wir über verschiedene Modelle zu Logistik und Telematik diskutiert, die vielleicht helfen können, den Verkehr besser zu organisieren.
Natürlich tragen auch Pkws zur Straßenabnutzung und zu Straßenschäden bei. Deswegen gilt hier ebenfalls die Devise: Weniger ist mehr. Weniger Autoverkehr ist mehr Umwelt und Lebensqualität, weniger Autoverkehr, Herr Reinert, erfordert weniger bauliche Maßnahmen und läßt somit mehr öffentliche Gelder für einen sinnvolleren Einsatz frei werden, etwa für die Verbesserung sozialer Hilfeleistungen.
Herr Reinert, Sie sind vorhin auf das Beispiel Karies eingegangen.Ihr Zahnarzt oder Ihre Zahnärztin hat Ihnen hoffentlich auch gesagt, daß Prävention das Maß der Dinge in der Zahnheilkunde ist.Prävention im Straßenverkehr würde weniger Autoverkehr und weniger Geschwindigkeit bedeuten.Weniger Autoverkehr macht weniger Schäden, weniger Geschwindigkeit auf den Straßen gibt mehr Sicherheit für alle Verkehrsteilnehmerinnen, egal ob Schlaglöcher in der Straße sind oder nicht. Also, noch ein Grund mehr, endlich flächendeckend auf den Stadtstraßen in Hamburg Tempo 30 einzuführen.