[Bericht des Gesundheitsausschusses über die Drucksachen 16/4236:Verordnung zum Schutz vor gefährlichen Hunden und über das Halten von Hunden (Hundeverordnung) vom 14. Dezember 1993, geändert am 14. März 2000 (CDU-Antrag) 16/4289: Schutz der Bevölkerung vor gefährlichen Hunden (SPD-Antrag) – Drucksache 16/4515 –]
[Bericht des Innenausschusses über das Thema Schutz vor gefährlichen Hunden (Selbstbefassung gemäß § 53 Absatz 2 GO) – Drucksache 16/4514 –]
Die Gruppe REGENBOGEN beantragt eine Überweisung von Ziffer 3 des Petitums aus dem Dringlichen Senats
antrag an den Gesundheitsausschuß. Wird das Wort gewünscht? – Das ist der Fall. Der Abgeordnete Dr. Christier hat das Wort.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Am 26. Juni wurde der kleine Türke Volkan beim Ballspielen auf dem Schulgelände von einem Pitbull auf bestialische Weise getötet.Dieser Vorfall ist der bei weitem schrecklichste einer längeren Reihe ähnlicher Vorkommnisse. Das Geschehen ist – ich glaube, da sind wir uns alle einig – an Grauenhaftigkeit kaum zu überbieten.Es hat viele Menschen, insbesondere Kinder, traumatisiert. Deshalb möchte ich sagen: Gerade angesichts einer schwankungsanfälligen öffentlichen Stimmung sollten wir die Bilder dauerhaft im Gedächtnis behalten.Das tote Kind, die entsetzten und hilflosen Ärzte und Helfer, der fassungslos weinende Polizeibeamte. Vergessen wir niemals diese Bilder. Der Tod des Jungen ist tragisch, weil die im Grundsatz unumstrittene Verschärfung der Kampfhundeverordnung zu spät kam, um sein Leben zu retten. Ich will aber auch deutlich sagen, daß es mir umgekehrt sehr billig und polemisch zu sein scheint zu sagen, Volkan würde noch leben, wenn man den einen oder anderen Antrag früher in den Ausschuß oder nicht überwiesen hätte. Das halte ich für sehr billig und geschmacklos.
Die Tatsache, daß am 26.Juni nur ein einziges Bundesland eine wirklich durchgreifende Kampfhundeverordnung hatte – das Land Bayern, wie wir wissen –, sollte deutlich machen, daß hier parteipolitische Profilierung fehl am Platze ist. Insofern will ich auch die Vergangenheitsbewältigung nur auf einen knappen Hinweis beschränken.
Es ist erst ein Jahr her – genau 13 Monate –, daß die SPD-Fraktion als erste dieses Thema aufgegriffen und einen Antrag „Hunde in der Großstadt“ in die Bürgerschaft eingebracht hat, einen Antrag, den man aus heutiger Sicht sicherlich nicht als weitreichend genug qualifizieren kann. Damals gab es für diesen Antrag keine Zustimmung der Opposition, und die öffentliche Kommentierung schwankte zwischen Spott und Ironie. Auch vor diesem Hintergrund sage ich, jeder kehre vor seiner eigenen Tür.
Wir stehen bei diesem Thema vor einer gemeinsamen politischen Aufgabe, gerade unter Hinweis auf schnell wandelnde Stimmungen.Wir haben es in den letzten Tagen erlebt. Es ist unsere Pflicht als Abgeordnete, aber vor allem auch jetzt der Exekutive, der Gefahr, die durch Kampfhunde entsteht, zu begegnen. Insofern bin ich dankbar, daß in den Beratungen der Ausschüsse, die sehr zügig stattgefunden haben, aber auch in den öffentlichen Kommentierungen, ein hohes Maß an Gemeinsamkeit hergestellt worden ist. Der Senat hat zügig gehandelt, andere Bundesländer folgen nach, teilweise in wörtlicher Übernahme unserer Hundeverordnung.
Mit dieser Verordnung und der Änderung des SOG sagen Regierung und Parlament der Stadt- und Landplage Kampfhund den entschiedenen Kampf an.Wir unterstützen dieses Vorhaben mit Nachdruck.
Diese Tiere müssen weg von unseren Schulhöfen, sie müssen runter von unseren Straßen, sie müssen raus aus unseren Parks. Das Ziel ist ganz klar, diese Gefahr für Mensch, aber auch für manch andere Tiere zu beseitigen. Kampfhunde müssen aus dem öffentlichen Leben verschwinden. Es geht dabei um den Schutz der Kinder, älterer Menschen, aber auch der übrigen Bevölkerung.
Die Frage, die man sich an dieser Stelle stellen muß, ist doch, ob eigentlich jemand eine solche Killermaschine, eine solche Kampfmaschine mit zwei Tonnen Beißkraft wirklich als Kuscheltier braucht. Die Antwort ist doch wohl klar: Nein, so etwas braucht niemand.
Das Recht der Bürgerinnen und Bürger auf körperliche Unversehrtheit muß Vorrang vor der Freiheit von Kampfhundebesitzern und entsprechend auch vor dem Eigentumsrecht haben. Deshalb sagen wir, im Konflikt geht Menschenschutz vor Tierschutz.
Eines will ich ganz deutlich feststellen:Tierschutz ist ein hohes Gut, und es sollte auch aus diesem Anlaß nicht runtergeredet werden. Aber an diesem Thema macht sich für mich an manchen Äußerungen etwas deutlich, was ich als fehlgeleitete Tierschutzmentalität begreife, und die unterstützen wir keinesfalls. Wenn es beispielsweise vereinzelt kluge Ratschläge gegeben hat, nach dem Motto, wenn das Kind schon gebissen wurde, soll es zumindest nicht den Kopf in Richtung des Hundes drehen, dann wird das deutlich, was wir auch alle wissen und erfahren haben, nämlich daß das Problem an beiden Enden der Leine besteht. Deshalb geht es einmal um das Thema Hunde und Hunderassen, aber es geht auch um die Halter, die im Einzelfall nicht nur strafrechtlich, sondern mit Bußgeldern und hohen Auflagen versehen werden müssen. Es muß alles getan werden, daß diese Menschen, die so offenkundig Persönlichkeitsprobleme haben, nie wieder in dieser Stadt Menschenleben gefährden.
Entscheidend ist jetzt die konsequente Umsetzung.Die getroffenen Maßnahmen ermöglichen ein klares und konsequentes Durchgreifen ohne Wenn und Aber. Ich hoffe, daß gewisse Anlaufprobleme und die Dinge, die sich heute im Zusammenhang mit der Äußerung von Herrn Poggendorf aufgetan haben, schnell bereinigt und beseitigt werden können und daß die Verwaltung in der Lage ist, die Hundeverordnung dann auch konsequent umzusetzen. Es sollten sich auch alle ermutigt fühlen, denn die Wirkung, die wir uns erhofft haben, ist größtenteils bereits eingetreten. Diese Stadt hat sich über Nacht schlagartig verändert. Es ist doch positiv, wenn Menschen jetzt einige Parks für sich stärker zurückgewinnen und sie sich dort wieder hintrauen, wo sie vorher wegen der Kampfhunde nicht hingegangen sind, und das muß auch so bleiben.
Lassen Sie mich zum Schluß zwei Bemerkungen machen. Es hat leider in diesem Zusammenhang auch Übergriffe gegen Hundehalter gegeben. Ich glaube, hier sollten wir alle einen Beitrag leisten und zur Besonnenheit aufrufen. Es kann nicht angehen, daß eine allgemeine Stimmung gegen alle Hundehalter und alle Hunde geschürt wird. Allerdings sage ich ebenso deutlich, daß die beste Sicherheit für die Halter ungefährlicher Hunde zweifellos ist, wenn nach einer gewissen Übergangszeit die gefährlichen Hunde verschwunden sind. So beseitigt man am besten alle Zweifel.
Ich will eine letzte Bemerkung zu Wilhelmsburg machen. Der „Spiegel“ hat Wilhelmsburg als Bronx des Nordens bezeichnet. Das Image Wilhelmsburgs hat sich in den letzten Jahren – so habe ich es jedenfalls durch eigene Beobachtung, aber auch durch entsprechende Kommentierungen wahrgenommen – schrittweise verbessert. Es hat viele
Bemühungen über Bürgerbeteiligung gegeben. Es ist auch viel Geld in die Hand genommen worden. Es besteht überhaupt kein Zweifel, daß diese Bemühungen einen schweren Rückschlag erlitten haben. Ich glaube, es muß unsere Aufgabe sein, dafür zu sorgen, daß dieser Stadtteil in seinen Bemühungen unterstützt wird, daß er nicht dauerhaft negativ abgestempelt wird.
Durch konsequentes Handeln haben wir jetzt eine große Chance. Darüber hinaus haben wir die Pflicht, ein Stück weniger Gefahr und ein Stück mehr Lebensqualität in dieser Stadt zu gewinnen. Diese Chance muß durchgreifend genutzt werden. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Umgang mit gefährlichen Hunden in Hamburg war über beinahe ein Jahrzehnt eine anscheinend unendliche Geschichte des Versagens und des Desinteresses. Am Ende gab es einen Vorfall von unglaublicher Tragik.Herr Christier hat das, wie ich finde, richtig ausgeführt.Man muß nicht, wie ich selbst, Vater eines sechsjährigen Kindes sein, um fassungslos zu sein, daß es in diesem Umfeld, dem geschützten Umfeld Schule, zu einem solchen Vorfall kommen kann. Das hat mir – und nicht nur mir – schlicht den Atem verschlagen. Wir hatten Anfang der neunziger Jahre einen ersten Versuch einer Hundeverordnung. Diese Hundeverordnung wurde dann vom Verwaltungsgericht als nicht rechtmäßig aufgehoben, und was dann geschah, war nicht überzeugend. Ich weiß nicht, ob mit einem Seufzer der Erleichterung oder nach dem Motto, damit ist das Thema durch. Zumindest passierte dann auf dem Gebiet der Normensetzung sechs bis sieben Jahre praktisch nichts. Es geschah allerdings sehr viel auf unseren Straßen, Plätzen und Parks, nämlich eine geradezu explosionsartige Zunahme der Zahl dieser Hunde. Wir wissen nicht, wie viele es sind.Es gibt Schätzungen von über 2000, 3000 oder 4000. Ich weiß es natürlich auch nicht. Aber diejenigen, die ihrerseits regelmäßig Hunde ausführen, berichten mir, es sei in den letzten Jahren eine wahnsinnige Zunahme zu beobachten gewesen, und die eigene Wahrnehmung ist ähnlich.
Es geschah also sechs bis sieben Jahre nichts. Dann kam es zu dem Antrag der SPD im Sommer letzten Jahres. Im März dieses Jahres kam eine neue Hundeverordnung – im Licht der heutigen Ereignisse sicherlich auch nicht ausreichend –, dann gab es im Mai einen Beschluß der Innenministerkonferenz. Gleichzeitig gab es hier einen Antrag der CDU, der dann überwiesen wurde. Ob das so klug war, lassen wir. Im Ergebnis war es sicherlich nicht gut. Dann kam es zu den Ereignissen Ende Juni dieses Jahres.
Überall auf der Straße – das werden Sie auch feststellen – werden Sie angesprochen, wenn Sie sich als Politiker zu erkennen gegeben haben, nach dem Motto: Wie ist das eigentlich möglich? Jetzt überschlagt ihr euch, jahrelang tut ihr nichts, dann fällt das Kind in den Brunnen,
ein Kind wird Opfer, und dann überschlagt ihr euch, jetzt, wo es zu spät ist, und so seid ihr, die Politiker. Da werden
wir von der Opposition genauso in die Haftung genommen wie Sie. Das müssen wir uns offenbar gefallen lassen.
Was ist geschehen? Am Montag mittag, dem 26. Juni, kam es zu diesem entsetzlichen Unglück, und zwei Tage später hatte der Senat, weil er diese drei Tage – Montag, Dienstag, Mittwoch – zufällig tagte, schon eine Verordnung aus dem Computer, aus der Schublade gezogen, zumindest war sie da. Schon am selben Tag, möglicherweise sogar schon vorher, am 27. Juni, war das Stadtbild in der Tat anders. Ich hatte vorher über Jahre keinen einzigen Hund mit einem Maulkorb gesehen. Daß es jetzt dieses Phänomen zu beobachten gibt, finde ich persönlich erfreulich.Ich hoffe nur, und das ist wirklich das Entscheidende, daß sich daran auch in Zukunft nichts ändert.
Sie haben völlig recht. Die Meinungslage in der Stadt ist schwankend. Wenn die Anspannung erst einmal weg ist, kann ich auch nicht ausschließen, daß dann die Sensibilität dieses Thema betreffend zurückgeht. Ich hoffe sehr, daß das nicht der Fall sein wird, sondern daß das, was derzeit zu beobachten ist, auch anhält, daß nämlich gefährliche Hunde angeleint sind und einen Maulkorb tragen.
Die Verordnung, meine Damen und Herren, wurde naturgemäß mit heißer oder glühender Nadel genäht. Sie wird sicherlich ihre Schwachpunkte haben. Wir haben auch schon einige in den Ausschußberatungen angesprochen. Gleichwohl ist es gut, daß es sie gibt, und es ist auch nichts dagegen einzuwenden, daß die Rechtsgrundlage, die als zu wackelig galt, nunmehr geschaffen werden soll. Um es vorwegzunehmen, wir werden deshalb dem Antrag auf Änderung des SOG zustimmen, denn diese Verordnung – sie mag ihre Schwächen haben, aber sie ist mit Sicherheit erheblich besser als nichts – hat auch einige positive Aspekte. Es ist zunächst einmal eine Definition vorgenommen worden, was überhaupt gefährliche Hunde sind. Nebenbei bemerkt, in der Diskussion heißt es immer, daß man natürlich auch andere Hunde, die derzeit nicht in den Kanon der sogenannten gefährlichen Hunde fallen, anschärfen, sozusagen spitzmachen kann: Dobermänner, Schäferhunde und andere, theoretisch vielleicht sogar einen Chihuahua. Das ist völlig klar. Aber eines ist der entscheidende Punkt: Es gibt eben auch Hunde, die von ihrer genetischen Anlage her aggressiv sind. Insofern ist es richtig, daß man diese Hunde auch als gefährliche Hunde definiert. Es werden hohe Anforderungen sowohl an die Hunde als auch an die Halter gestellt – das ist positiv –, es besteht ein sofortiger Leinen- und Maulkorbzwang – das ist richtig –, und es ist eine vernünftige Übergangsfrist, nämlich bis Ende, ich glaube, November vorgesehen. Das ist auch okay.
Aber, meine Damen und Herren, der Text der Verordnung ist Papier, und Papier ist bekanntlich geduldig. Das einzig Entscheidende ist, daß diese Verordnung nicht auf dem Papier steht, sondern daß sie in der Praxis in dieser Stadt konsequent angewendet wird.
Der adäquate Vollzug von Gesetzen ist häufig sehr viel schwerer als das Schaffen von Gesetzen und Verordnungen. Das machen wir hier, indem wir die Hand heben, oder das macht der Senat, indem dort die Hand gehoben wird. Aber es muß Tag für Tag das, was in den Gesetzen und Verordnungen steht, auch umgesetzt werden. Das ist ungleich schwerer. Dieser tragische Fall Volkan hat es ja bewiesen. Nicht zufälligerweise bestand gerade für diesen konkreten
Hund, der so gehandelt hat, ein Maulkorbzwang. Nur, meine Damen und Herren, was nützt der schönste Verwaltungsakt, wenn kein Mensch daran denkt, auch dafür zu sorgen, daß er umgesetzt wird? Der Halter ist ganz offenkundig ein Mensch, der völlig verantwortungslos ist.
Meine Damen und Herren! Ich darf Sie bitten, Meinungsäußerungen von der Zuhörertribüne zu unterlassen.