Dagegen steht die Front der CDU-regierten Länder. Und man darf die Frage stellen, wofür diese Front steht: für die Unternehmer, die Arbeitnehmer oder wen auch immer. Für die Unternehmer offensichtlich nicht, für die Arbeitnehmer offensichtlich auch nicht, wofür also dann?
Die gegenwärtigen Vorschläge berücksichtigen in vieler Hinsicht die Kritik der Opposition. Es ist vorgehalten worden, der Spitzensteuersatz würde nicht weit genug sinken. Inzwischen sieht der Vorschlag einen Spitzensteuersatz von 43 Prozent vor. Es ist kritisiert worden, die Progression verlaufe zu steil. Inzwischen greift der Spitzensteuersatz bei einem Einkommen von 102 000 DM, und die Entlastungen der Progression betragen insgesamt 12 Milliarden DM. Es ist kritisiert worden, das Entlastungsvolumen sei zu gering. Das Entlastungsvolumen ist um 5 Milliarden DM nachgebessert worden und beträgt bei diesem Steuerentlastungsgesetz 50 Milliarden DM. Zieht man die vorherigen Gesetze hinzu, dann reden wir über die größte Steuerreform der Republik mit über 70 Milliarden DM.
Es ist vorgehalten worden, der Mittelstand würde nicht oder zu wenig entlastet. Der Mittelstand wird um 20 Milliarden DM entlastet. Auch hier ist nachgebessert worden. Es gibt Ansparabschreibung und den sogenannten Mitunternehmererlaß.
Lassen Sie mich also erneut die Frage stellen, worum es eigentlich geht, wenn 95 Prozent aller Artikel einer Steuerreform unstrittig sind. Rechtfertigen die 5 Prozent etwa ein Scheitern in dieser Woche im Bundesrat? Welche Interessen vertritt die Opposition in der Steuerreform?
Meine Damen und Herren von der CDU! Es geht um Opposition, es geht nicht um Blockade. Es geht um Meinungsstreit für die bessere Reform, es geht nicht um Verhinderung. Sie werden sich vorhalten lassen müssen, daß es unter allen Experten unstrittig ist, daß Ihre Steuerreformvorschläge – ich würde lieber sagen, die der CSU – mit einem Spitzensteuersatz von 35 Prozent weder finanzierbar noch machbar sind; das wissen Sie alle.Weder Hessen noch Bayern oder Baden-Württemberg könnten diese Vorschläge finanzieren.
Die jetzt vorliegenden Vorschläge im Vermittlungsverfahren bedeuten für unsere eigene Stadt einen Steuerausfall von 3 Milliarden DM bis zum Jahr 2005. Die Freie und Hansestadt Hamburg trägt das mit bis an die Grenze dessen, was sie überhaupt leisten kann, und – wir können das offen sagen – sie trägt weit mehr mit, als sie ursprünglich mittragen wollte. Berlin, Bremen und das Saarland sind längst über die Grenze des Verantwortbaren hinaus. Sie können selbst diese Reformvorschläge nicht mittragen, geschweige denn die der CDU.
Wir alle wissen, daß es so nicht weitergehen kann. Trotzdem müssen Sie sich hier vorhalten lassen, daß die CDU geschlossen die bayerische Lederhose angezogen hat und, von Stoiber dirigiert, irgendwohin marschiert. Die Frage ist nur: Wohin?
Was soll denn, wenn diese Reform scheitert und es zu einem zweiten Vermittlungsverfahren kommt, aus diesem zweiten Vermittlungsverfahren an Verbesserungen für unsere Stadt herauskommen? Wären Sie eine hanseatische Opposition, müßten Sie uns auffordern, ein zweites Vermittlungsverfahren zu verhindern, weil es diese Stadt in den Ruin treiben würde.
Deshalb fordern wir Sie auf, sich mit konstruktiven Vorschlägen aus Hamburg an dieser Debatte zu beteiligen und aus dem Geleitzug der Verantwortungslosigkeit unter der Führung von Stoiber und Merz sobald wie möglich auszuscheren.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich halte das, was Sie hier veranstalten, für den untauglichen Versuch, von Ihren eigenen Mängeln bei der rotgrünen Steuerreform abzulenken,
dies ist nichts anderes als vorauseilendes Wahlkampfgetöse. Wir haben erst 2001 die nächste Wahl, insofern verstehe ich Ihre Erregungskurve nicht.
Ich finde es auch unfair, wenn nicht dreist, daß ausgerechnet Sie von der SPD dieses Thema hier anmelden, denn diese Bundesrepublik Deutschland hätte schon längst eine erhebliche Entlastung der Steuern für die Bürger, hätten Sie nicht jahrelang systematisch unsere Ansätze im Bundesrat blockiert.
So verwundert ja auch nicht, daß Sie bei den Bürgern offensichtlich mit Ihrer jetzigen rotgrünen Steuerreform Schiffbruch erleiden. Infratest dimap hat in der letzten Woche die letzte Umfrage zur Steuerreform durchgeführt. Danach halten 47 Prozent der Menschen in Deutschland diese Steuerreform für den falschen Weg; nur ganze 34 Prozent begrüßen sie. Das Münchner Ifo-Institut hat ganz aktuell ermittelt, daß die Vorschläge der CDU/CSU bessere Auswirkungen als die Vorschläge der Regierungsfraktionen haben, und das sind immerhin Experten, die sich in der Materie auskennen.
Die vorliegende Reform, die Sie hier durchpeitschen wollen, hat gravierende Mängel, und zwar, was ich besonders schwerwiegend finde, Gerechtigkeitsmängel. Ich will Beispiele nennen: Während Kapitalgesellschaften künftig nur noch 25 Prozent Steuern auf ihre Gewinne zahlen müssen, müssen Personengesellschaften einen wesentlich höheren Spitzensteuersatz zahlen. Das ist insofern gravierend, als von den deutschen Firmen 85 Prozent der Unternehmen Personengesellschaften sind, also den Mittelstand repräsentieren. Und genau die werden bestraft, und das halten wir für falsch und ungerecht.
Zweites Beispiel: Gewinne aus der Veräußerung von Beteiligungen, die eine Kapitalgesellschaft an einer anderen hält, sollen ab 2002 steuerfrei sein, während Veräußerungsgewinne von Personengesellschaften, also der überwiegenden Zahl der Firmen, oberhalb des Freibetrags voll besteuert werden. Auch diese Ungleichbehandlung ist falsch und ungerecht.
Die Steuerprogressionssätze und Schwellenwerte sind zu hoch.Die Schwellenwerte für den Spitzensteuersatz sollen auf circa 100 000 DM gesenkt werden. Sie erreichen damit Menschen, die nicht unbedingt zu den Spitzenverdienern gehören und sich auf einmal mit dem Spitzensteuersatz konfrontiert sehen. Das beanstandet übrigens auch das Hamburgische Welt-Wirtschafts-Archiv;es hat noch einmal ausdrücklich darauf hingewiesen, daß dies ein Mangel ist.
Beispiel Facharbeiter mit 75 000 DM Jahresgehalt: Wir haben einmal ganz konkret ausgerechnet, was das Regierungsmodell und was das Modell der CDU/CSU bedeuten würde. Ergebnis: Nach der CDU/CSU-Variante würde ein Facharbeiter mit 75 000 DM Jahresgehalt eine höhere Entlastung haben, nämlich 2568 DM im Jahr. Auch hier halten wir unser Modell für gerechter als Ihr Modell.
Eine richtige und durchgreifende Steuerreform – da besteht Einigkeit bei uns allen – ist wichtig und erforderlich für den Bürger, aber auch für den Staat, und sie rechnet sich auch für den Staat. Man kann durch nachhaltige Steuerentlastung nämlich fiskalisch besser dastehen als zuvor. Dafür gibt es international Beispiele in Großbritannien, in den Niederlanden und in den USA. Aber auch in Deutschland
belegen die Zahlen aus der Vergangenheit, daß die Sorge um dauerhafte Steuerausfälle, die den Staat in seinem fiskalischen Bewegungsspielraum einengen, unbegründet ist. Nehmen wir einmal als Beispiel die dreistufige Steuerreform aus den Jahren 1986 bis 1990, die die Bürger seinerzeit um insgesamt 50 Milliarden DM entlastet hat. Diese Entlastung hat Wachstumskräfte freigesetzt, die zu mehr Arbeitsplätzen und höherem Steueraufkommen führten. Das gesamte Steueraufkommen erhöhte sich in Deutschland von 437 Milliarden DM im Jahre 1985 auf 550 Milliarden DM im Jahre 1990, durchschnittlich also um knapp 5 Prozent pro Jahr trotz massiver Steuerentlastung bei Unternehmen und Arbeitnehmern.
Auch das Aufkommen an Einkommen- und Körperschaftsteuer wuchs in diesem Zeitraum um durchschnittlich 3,5 Prozent pro Jahr. Das heißt, trotz massiver Entlastung der Bürger ging das Steueraufkommen nicht zurück, sondern es wuchs, und damit hatte der Staat die Vorteile einer richtigen Steuerreform erreicht.
Deutschland braucht diese Steuerreform. Mit zu hohen nomimalen Steuersätzen, einem komplizierten Steuerrecht, bei dem viele nicht mehr durchblicken, einer zu hohen effektiven Steuerbelastung, die die wirtschaftliche Dynamik behindert und die Spielräume einengt, muß Schluß sein. Wir brauchen dringend eine Steuerreform aus einem Guß, wir brauchen in der Tat jetzt den großen Wurf, und deshalb sollten SPD und CDU aufeinander zugehen.Wir haben die Möglichkeit, noch in dieser Woche eine Lösung herbeizuführen.
Ich entziehe Ihnen das Wort. – Meine Damen und Herren! Das ist jetzt das zweite Mal, daß ich bei Rednern dreimal klingeln muß. Wenn ich Sie zehn Sekunden vor Ende Ihrer Redezeit darauf aufmerksam mache und dann klingele, müßte es reichen. Bei den nächsten Rednern werde ich anders verfahren und ihnen einfach das Wort entziehen.