Protocol of the Session on September 20, 2000

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Gibt beispielsweise ein Ladengeschäft in der Innenstadt auf und will sich dort eine Gaststätte etablieren, so ist nach heutigem Stand davon auszugehen, daß der Gaststättenbetreiber je nach Anzahl seiner Sitzplätze im Lokal eine Ablösegebühr von circa 120 000 DM bis 200 000 DM zu zahlen hat. Das ist eine Strafsteuer, die dem Betreiber dieser Gaststätte außer einer großen finanziellen Belastung überhaupt nichts bringt und daher nur zentrumsfeindlich wirkt.

Zentrumsfeindlich und investitionshemmend wirkt diese Abgabe auch für andere Investoren, weil der Grund und Boden in der City ohnehin schon teuer genug ist. Wenn dann auch noch diese teure Stellplatzabgabe hinzu kommt, wird mancher Investor von vornherein abgeschreckt. Um das Gesagte noch einmal zu untermauern, nenne ich die aktuellen Zahlen: In den Abminderungsgebieten innerhalb des Wallringes muß für jeden nicht gebauten Stellplatz 32 300 DM bezahlt werden. Außerhalb des Wallringes sind es immerhin noch 17600 DM Ablösegebühr. Damit nimmt Hamburg hinsichtlich der Ablösesummen bundesweit eine traurige Spitzenposition ein.

Die Stadt Berlin ist mit gutem Beispiel vorangegangen und hat die Stellplatzablöse abgeschafft.Der Hamburger Senat sollte diesem guten Beispiel folgen. Er sollte den Investoren aus den genannten Gründen nicht einerseits vorschreiben, wieviel Stellplätze sie zu bauen haben, ihnen andererseits aber gleichzeitig verbieten, sie zu bauen, und als Strafe anschließend auch noch bei ihnen abkassieren. Das kann so nicht richtig sein, und daher gilt es, diese Regelung abzuschaffen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat Herr Polle.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Der Vorwahlkampf naht, und die CDU wiederholt ihre Anträge.

(Dr. Stefan Schulz CDU: Weil sie gut sind!)

Im Dezember 1998 haben wir haargenau das gleiche Thema diskutiert; es ist aber interessant, wie sich die Anträge verändern. 1998 hieß es noch relativ moderat – ich zitiere –:

„Die Abminderungsgebiete werden stärker differenziert und in ihrem Umfang reduziert. Die geltenden Abminderungssätze werden halbiert.“

Jetzt heißt es knapp und radikal: „Die Abminderungsgebiete entfallen.“

Innerhalb von eineinhalb oder fast zwei Jahren hat sich die CDU radikalisiert, und das Übel wird an der Wurzel gepackt: Weg mit den Abminderungsgebieten.

Interessant ist das Aussehen des zweiten Punktes. Er wurde stilistisch überarbeitet, gekürzt, sprachlich eleganter gemacht – wahrscheinlich, damit nicht auffällt, daß es eine Wiederholung ist –, aber ansonsten bleibt er gleich.

Punkt 3 ist neu. Darin steht: Die Ablösebeträge sind ausschließlich für die Erstellung von Stellplätzen zu verwenden; das hat Herr Roock eben auch noch einmal betont. Darauf hatte er damals auch hingewiesen, es aber nicht in den Antrag geschrieben.Das war auch gut so, denn nun regiert in Hessen beispielsweise die CDU und trotzdem sieht die hessische Bauordnung weiterhin „investive Maßnahmen in den ÖPNV und den Fahrradverkehr“ vor; das wird in Hessen weiter praktiziert. Vielleicht hat aber die dortige CDU-Regierung im Moment andere Probleme zu lösen, als daß sie sich solchen Angelegenheiten widmet.

Des weiteren sehen wir auf die sächsische Bauordnung; auch dort gibt es schon seit langem eine CDU-Regierung.

(Volker Okun CDU: Gott sei Dank!)

In der sächsischen Bauordnung wird weiterhin der Fahrradverkehr wie auch der öffentliche Nahverkehr gefördert.

(Wolfhard Ploog CDU: Was haben Sie dagegen?)

Frage: Warum machen die das eigentlich?

Baden-Württemberg – mit einer absoluten CDU-Mehrheit – will den Bedarf an Parkeinrichtungen durch die Finanzierung von Einrichtungen des ÖPNV und des Fahrradverkehrs verringern; so steht es in der dortigen Bauordnung. Vielleicht sollte die CDU erst einmal dort die Bauordnung ändern, wo sie regiert, und nicht fordern, daß wir voranlaufen.Oder tut man so etwas nur, wenn man in der Opposition ist? Dann ist das aber irgendwie eine doppelte Moral.

(Hans-Detlef Roock CDU)

(Dr. Hans-Peter de Lorent GAL: Genau!)

Die Grundlage für unsere Stellplatzabgabe ist – und daran sei noch einmal erinnert –, daß neu errichtete Gebäude zusätzlichen Verkehr erzeugen. Deswegen müssen Stellplätze gebaut werden, um die Stadt von ruhendem Verkehr zu entlasten.Das kann aber auch dadurch geschehen, daß man potentiellen Autoverkehr vermeidet, indem man umweltfreundliche Verkehrsmittel attraktiver macht, und das ist in erster Linie der öffentliche Personennahverkehr, aber auch der Fahrradverkehr.

(Beifall bei der GAL)

Deswegen wird die SPD-Fraktion weiterhin an der jetzigen Regelung der Hamburgischen Bauordnung festhalten, damit diese Maßnahmen unterstützt werden könne.Das, sehr geehrter Herr Roock, ist eben keine Steuer, sondern eine Abgabe, die zweckgebunden ist. Die Zwecke sind in der Hamburgischen Bauordnung definiert, die hier im Hause beschlossen wurde.

In der Großen Anfrage der CDU steht einiges, wofür ich dem Senat ausdrücklich dankbar bin, nämlich welche Maßnahmen in der letzten Zeit gefördert wurden.Es ist eine eindrucksvolle Leistungsbilanz dessen, was in der Verkehrspolitik hinsichtlich ruhendem und umweltfreundlichem Verkehr gemacht wurde.Es sind viele P + R-Anlagen gefördert worden – das können Sie dort nachlesen –, um den innerstädtischen ruhenden Verkehr zu entlasten. Zwei Haltestellen wurden behindertenfreundlich ausgebaut. Quartiersgaragen sind aufgeführt, wo die Bewohner der Stadtteile ihre Autos abstellen können, um dann bevorzugt mit dem Nahverkehr oder dem Fahrrad in die Stadt zu fahren. Tiefgaragen sind gebaut worden oder werden geplant, zum Beispiel in Hamburg-Nord, Hamburg-Mitte und in Altona. Ich erhoffe mir, daß viele weitere Tiefgaragen in den Stadtteilen in nächster Zeit finanziert werden können. Dafür ist dieses Geld zurückgelegt. Es sind nicht mehr 133 Millionen DM oder ähnlich, sondern wir haben vor kurzem eine Drucksache beschlossen, wodurch 65 Millionen DM schon ausgegeben sind.

(Bernd Reiner CDU:Und wieviel geht davon in Stell- plätze?)

In Hamburg-Nord und in Eimsbüttel planen die SPD-Bezirksfraktionen eifrig daran, Flächen für weitere Quartiersgaragen zu finden.

Ich begrüße ausdrücklich, daß Radverkehrsanlagen gefördert werden, zum Beispiel Velo-Routen. Im Bau- und Verkehrsausschuß war es gerade das Thema, daß der Senat den Fahrradverkehr nachdrücklich fördert. Das ist gut so. Dadurch werden unsere Straßen und die Umwelt entlastet. Die Fahrradfahrer trifft im Moment die Erhöhung der Mineralölpreise nicht.

Im Dezember ist vom „Hamburger Abendblatt“ eine Untersuchung in Auftrag gegeben worden, um repräsentativ zu erfahren, was die hamburgische Bevölkerung von der Verkehrspolitik dieses Senats, speziell des Bausenators hält. Darin wurde deutlich, daß 62 Prozent der Hamburger für den weiteren Ausbau eines Netzes von Radwegen sind. Diese 62 Prozent bedienen Sie mit Ihrer Politik überhaupt nicht. Die CDU wird hoffentlich bei der nächsten Wahl von diesen Leuten die Quittung kriegen.

(Heike Sudmann REGENBOGEN – für eine neue Linke: Die bedienen Sie auch nicht, Herr Polle!)

Meine Damen und Herren, die CDU will mit ihrem Antrag erreichen, daß speziell auch in der inneren Stadt mehr

Stellplätze gebaut werden. Das wurde eben noch einmal in den Ausführungen von Herrn Roock deutlich.Das würde allerdings bewirken, daß weiterer Autoverkehr in die Innenstadt fließt und damit die jetzt schon belasteten Straßen weiter belastet. Es könnte dann tatsächlich zu Staus kommen.

(Hans-Detlef Roock CDU: Die sind doch schon da!)

Vielleicht will die CDU das auch. Im „Hamburger Abendblatt“ vom 12. September war zu lesen, Überschrift eines Kommentars: „Vergebliche Suche nach dem Stau“. Darunter steht: „Die CDU hat ein Verkehrsproblem, es gibt zu wenig Staus in Hamburg.“ Deswegen wollen Sie wahrscheinlich Parkplätze in der inneren Stadt bauen lassen, damit Sie diese Staus, die Sie bisher schmerzlich vermissen, in Ihrer Wahlkampagne verwenden können. Diesen Gefallen tun wir Ihnen nicht.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Herr Dr. Schmidt, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Roock hat davon gesprochen, daß es zweckfremde Bestimmungen sind, für die derzeit das Geld aus den Ablösesummen ausgegeben wird. Herr Polle hat schon darauf hingewiesen, daß das entsprechend den Regeln der Hamburgischen Bauordnung geschieht. Er hat auch darauf hingewiesen, daß alle deutschen Bundesländer – er hat sie nicht alle aufgezählt, aber ich sage das dazu – dieselben Regelungen haben. Es wird nämlich überall in den Bauordnungen längst die Förderung des öffentlichen Personennahverkehrs und fast überall auch des Fahrradverkehrs als Zweck für die Ausgleichssummen angegeben.

Ich gebe Ihnen aber recht, die CDU ist sich treu geblieben. Bei der Verabschiedung der Hamburgischen Bauordnung im September 1995 hat die CDU damals auch schon erklärt, das, was da stattfände, sei verfassungswidrig. Es hat sich aber bisher kein Gericht gefunden, das das als verfassungswidrig erklärt hat, und da es in allen deutschen Ländern so passiert, wird es auch wahrscheinlich nicht verfassungswidrig sein.

Dann haben Sie einen wunderschönen Satz gesagt:Die Innenstadt droht wegen der fehlenden Parkplätze zu veröden. Das ist das lustigste Argument, das ich hinsichtlich der Innenstadt jemals gehört habe.

(Beifall bei Andrea Franken GAL)

In der gesamten Innenstadt befinden sich viele Parkplätze, und zwar auf den schönsten Plätzen, die wir in Hamburg haben: Auf dem Domplatz und dem Hachmannplatz. Und da sagen Sie, die Innenstadt drohe zu veröden. Meinetwegen wäre es notwendig, daß diese Plätze durch den Bau von Tiefgaragen von den Autos befreit und von mehr Menschen genutzt würden. Wenn Sie das beantragen würden, wäre ich zufrieden.Wir können doch einmal gemeinsam einen Spaziergang durch die Innenstadt machen, um Ihre Behauptung zu überprüfen, sie sei wegen mangelnder Parkplätze verödet.

Wahr ist, daß die Innenstadt verödet ist, weil in Hamburg seit 100 Jahren eine Politik betrieben wurde, die zustande gebracht hat, daß in der Innenstadt nicht mehr gewohnt werden kann. Wenn es gelänge, zwischen der Mönckebergstraße und dem Deichtorplatz wieder 10 000 Menschen wohnen zu lassen, wäre es vielleicht notwendig,

(Rolf Polle SPD)

noch einige Parkplätze zu bauen. Jedenfalls wäre dann die Innenstadt nicht mehr verödet.