Protokoll der Sitzung vom 20.09.2000

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Die Veröffentlichung der Firmengeschichte Hamburger öffentlicher Unternehmen, die Entschädigung von Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern in der Landwirtschaft, die in Hamburg und Umgebung im Einsatz waren, die Bereitstellung von Finanzmitteln zur Beschleunigung der Beantwortung von Anfragen ehemaliger Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter beim Staatsarchiv und die öffentliche Nennung privater Hamburger Unternehmen, die Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter einsetzten und der Stiftungsinitiative noch immer nicht beigetreten sind, sind aus unserer Sicht die nächsten notwendigen Schritte.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Professor Dr. Kopitzsch.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Koppke hat sicher recht, daß politischer Druck hilfreich sein kann.Wir setzen aber nach wie vor in genau dem gleichen oder vielleicht in höherem Maße auf die geduldige Information und vor allem auf die Gesprächskultur. Ich bin sicher, daß sich viele Hamburger Fir

men und Unternehmen beteiligt haben, weil wir versuchen, diesen zweiten Weg weiter auszubauen und zu pflegen. Der Bürgermeister wird versuchen, im Gespräch mit den Organisationen der Wirtschaft – ich denke, er sollte es auch mit einzelnen Firmen tun – weitere Beteiligungen am Stiftungsfonds zu erreichen.

Es ist gesagt worden, daß es nach wie vor möglicherweise Probleme geben könnte, was die Öffnungsklausel und die Partnerorganisationen betrifft, also den Paragraphen 11 im Gesetz über die Bundesstiftung.Wir sollten hier dem in der Antwort sehr differenziert vorgetragenen Vorschlag folgen, abzuwarten, wie sich das darstellt;es ist immerhin auch ein Vorbehalt darin. Hamburg schließt nicht aus, möglicherweise in Grenzfällen, die nicht erfaßt werden können, noch einmal darüber nachzudenken. Ich glaube, das ist der richtige Weg.

Es ist im Augenblick zu früh, Sonderwege einzuschlagen. Wir müssen versuchen, daß die Bundesstiftung in der jetzt beschlossenen Zusammenarbeit mit den Partnerorganisationen in den betreffenden Ländern so schnell wie möglich arbeiten kann. Dazu sind erhebliche Vorarbeiten geleistet worden. Es gibt eine Arbeitsgruppe der hamburgischen Institutionen, die über Archivmaterial verfügt und dies auch koordiniert.Die zentrale Datei im Staatsarchiv ist im Aufbau und schreitet wirklich gut voran. Es ist also alles getan, damit dieses weitergeführt wird. Natürlich wäre es wünschenswert, daß dies möglichst schnell digitalisiert zur Verfügung steht.

Es werden – ich habe mich da noch einmal informiert – im Staatsarchiv schon beachtliche Anfragen verzeichnet, und es wird alles getan, wenn sie in anderen Sprachen kommen, diese so zügig wie möglich zu übersetzen und Auskunft zu geben. Hier arbeitet das Staatsarchiv im Rahmen seiner Möglichkeiten wirklich sehr gut. Wir werden zu beobachten haben, ob es Unterstützung braucht, wenn, was zu erwarten ist, die Anfragen deutlich steigen sollten.

(Julia Koppke REGENBOGEN – für eine neue Linke: Die Antragsfrist läuft!)

Angesichts der von Frau Koppke genannten Fristen ist dies eine Aufgabe, die der Senat sorgsam beobachten muß. Und dann muß auch Hilfe aus anderen Teilen der Verwaltung gegeben werden, damit hier nichts verstellt wird.

Die Entscheidung, daß die Hamburger öffentlichen Unternehmen sich beteiligen, begrüßen wir natürlich mit Nachdruck, und wir sehen darin ein Vorbild für noch beiseite stehende private Firmen. Es wäre sicher schön gewesen, wenn die Anfrage etwas konkreter auf diese bevorstehende Entscheidung hingewiesen hätte. Das wäre auch ein Zeichen in der Außenwirkung dieser Anfrage gewesen. Aber gut, die Entscheidung der Senatskommission ist wenige Tage später bekanntgegeben worden.

Ich möchte unterstreichen, was Frau Koppke zur Forschung gesagt hat. Es gibt einige positive Beispiele, daß Hamburger öffentliche Unternehmen ihre Geschichte in der NS-Zeit aufbereiten oder aufbereitet haben. Ich weiß zum Beispiel, daß die Feuerkasse das im Blick auf ihr Jubiläum im kommenden Jahr tun wird. Wir können nur alle Hamburger Unternehmen auffordern, solche Untersuchungen zu ermöglichen oder selber zu initiieren. Dies wird gerade im Ausland als wichtiger Beitrag zur Selbstvergewisserung und zur Übernahme historischer Verantwortung verstanden.

Ich möchte an dieser Stelle noch einmal darauf aufmerksam machen, daß wir nach wie vor davon ausgehen, daß

(Julia Koppke REGENBOGEN – für eine neue Linke)

uns noch in diesem Jahr konkrete Auskünfte über das Besuchsprogramm für die Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter gegeben werden.Wir haben hier mehrfach und einvernehmlich unterstrichen, daß wir dieses erwarten. Der Senat ist bei der Arbeit, und es wäre sehr gut, wenn uns das noch im Laufe der Haushaltsberatungen im Dezember erreichen würde.

Was die Stadt Hamburg tun kann, ist getan. Es ist wichtig, daß die Erarbeitung der Datei zügig vorangeht und auch über das bisher bereits in Gang Gesetzte hinaus vor allem die öffentlichen Unternehmen ermutigt werden, die Forschung tatkräftig zu unterstützen beziehungsweise sich selbst daran zu beteiligen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Schira.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte zuerst, weil ich mich in der letzten Zeit ein bißchen geärgert habe, etwas über die vielfältigen Aktivitäten der REGENBOGEN-Gruppe sagen. Wer Ihre Presseverlautbarungen liest – heute war das ja recht moderat –, die sich in den letzten Tagen mit dieser Thematik beschäftigt haben, und wer sich mit der Thematik nicht so beschäftigt hat, muß den Eindruck bekommen, daß Sie geradezu die Speerspitze im Kampf für die Rechte der ehemaligen Zwangsarbeiter sind. Mit dieser Avantgarde-Attitüde agieren Sie hier auch im Parlament: Nur durch Ihren immensen Druck, den Sie als Gruppierung in dieser Stadt ausüben, sei es gelungen, daß öffentliche Unternehmen in den Fonds einzahlen, nur durch Ihre Politik des Drucks kämen private Unternehmen ihren Zahlungsverpflichtungen nach. Das ist nicht nur Unsinn, das ist geltungssüchtig.

(Beifall bei der CDU)

Diese Art von Sucht ist an sich schon schwer erträglich, aber bei diesem Thema gänzlich unangebracht.

Wenn man Ihnen so zuhört, wiederholen Sie recht häufig Begriffe wie „immenser Druck“, „beschämende Antworten“, „von uns geoutete Unternehmen“.Das ist eine Sprache, die nicht verbindet oder gar Brücken schlägt, es ist eine Sprache, die abschreckt, die ausgrenzt und die letzten Endes offenbar macht, daß Sie als Gruppierung nicht bereit sind, in großen gesellschaftlichen, konsensualen Zusammenhängen zu denken.

(Beifall bei der CDU)

Ihre Reaktion auf die Zahlung oder die demnächst erfolgten Zahlungen der Hamburger öffentlichen Unternehmen bestätigt dies eindrucksvoll. Sie beinhaltet mehr als nur Anklänge von Beleidigtsein und Besserwisserei.

(Heike Sudmann REGENBOGEN – für eine neue Linke: Ich weiß nicht, was Sie da gelesen haben!)

Hamburgs öffentliche Unternehmen zahlen insgesamt circa 10 Millionen DM in die Stiftungsinitiative. Daß dieser Entscheidung, wie der Kollege Dr. Schmidt es auch ausdrückte, in Einzelpunkten Gesprächsbedarf vorausgeht, halte ich für ganz natürlich. Die CDU-Fraktion begrüßt jedenfalls diese wichtige und richtige Entscheidung.

Wenn ich vorhin von Beispielen sprach, die der Sache an sich eher abträglich sind, möchte ich noch einmal deutlich machen, welchen Weg wir für den richtigen halten. Wir un

terstützen die Initiative der Bürgerschaftspräsidentin und des Präses der Handelskammer, weitere Hamburger Unternehmen durch Gespräche und direkte Ansprache für die Stiftungsinitiative zu gewinnen. Durch den Beschluß der Bürgerschaft im Dezember des vergangenen Jahres und die eben genannten Initiativen beschreiten wir den richtigen Weg.

Und noch ein Wort zum Druck: Es kommt auf die Art des Druckes an. Wenn zum Beispiel junge Unternehmer aus der Informationstechnologiebranche der Stiftungsinitiative beitreten – von den Hamburger Beispielen konnten wir lesen –, wenn also diese jungen Firmen, deren Unternehmensgeschichte in der Regel nicht mehr als einige Jahre alt ist, sich der Gesamtverantwortung stellen, dann ist es nicht nur lobenswert, sondern es erhöht auch den moralischen Druck auf die Unternehmen, die eigentlich schon längst hätten dabei sein müssen.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der GAL)

Das Reden über dieses Engagement gerade durch die Politik bewirkt mehr, als mit dem Finger auf andere zu zeigen.

Wir alle wissen, daß keine Entschädigung verübtes Unrecht aufwiegen kann.Die Stiftungsinitiative muß ein Erfolg werden, damit die Zahlungen die Lebenden und nicht die Friedhöfe erreichen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der GAL)

Das Wort erhält der Abgeordnete Zamory.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Unsere Recherchen bei der Handelskammer haben ergeben, daß mit dem heutigen Tage 240 Hamburger Firmen der Stiftungsinitiative beigetreten sind. Als wir uns vor der Sommerpause im Juli über dasselbe Thema hier unterhalten haben, waren es 153. Ich will damit sagen, daß es sicher interessant und erfolgreich gewesen ist, was der REGENBOGEN im Hinblick auf zwei Firmen bewirkt hat. Die restlichen Firmen sind durch die Initiative der Handelskammer und der Bürgerschaftspräsidentin dazu bewogen worden, der Stiftung beizutreten.Deswegen ist – das an die Adresse des REGENBOGEN gerichtet – vielleicht etwas mehr Bescheidenheit in dem Punkt nicht verkehrt.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Das gemeinsame Ziel ist, so viele Unternehmen wie möglich zu bewegen, der Stiftung beizutreten. Man muß unterscheiden zwischen den Firmen, die selbst Zwangsarbeiter beschäftigt haben und bis heute nicht beigetreten sind, und jenen, die auch Herr Schira erwähnt hat, die aus einer historischen Gesamtverantwortung der Stiftung beigetreten sind. Die Betriebe, die selbst Zwangsarbeiter beschäftigt haben und noch existieren – 1944 waren es in Hamburg 4000 Betriebe, die 80 000 Zwangsarbeiter beschäftigt haben, wovon viele heute nicht mehr existieren –, müssen allerdings immer wieder durch uns, durch die Presse und auch durch den Senat gefragt werden, warum sie noch nicht beigetreten sind.

Die „Financial Times Deutschland“ hat am 31. August getitelt „Großfirmen verweigern Beitrag zu Zwangsarbeiterfonds“ und eine Liste veröffentlicht, in der auch der Betrieb A.C.Toepfer mit einem Jahresumsatz von 9 Milliarden DM und viele Handelsunternehmen wie die REWE-Gruppe, Edeka, Spar stehen, die bisher nicht eingezahlt haben.

(Dr. Franklin Kopitzsch SPD)

Ich möchte an ein Beispiel einer Firma erinnern, die dem Fonds beigetreten ist und ihrem Geschäftspartner geschrieben hat, daß sie ihre Geschäftsbeziehungen überdenken müsse, weil sie gehört habe, daß er noch nicht beigetreten sei. Solche Beispiele gibt es auch, und es gibt das Beispiel aus München, wo einer Brauerei vom Stadtrat angedroht wurde, die Schankerlaubnis auf dem Oktoberfest zu entziehen, wenn sie nicht beitrete. Auch das hatte seine Wirkung in die richtige Richtung.

Ich denke, daß es verschiedene Wege geben muß, weil die Zeit knapper wird, die Unternehmen, die in einer besonderen Bringeschuld sind, noch einmal deutlich daran zu erinnern, daß sie sie einlösen müssen.

Was die öffentlichen Unternehmen anbelangt, so ist es wirklich der Beschluß der Bürgerschaft und des Senats gewesen, daß die öffentlichen Unternehmen Hamburgs dazu beitragen. Dazu bedurfte es nicht der Extraaufforderung des REGENBOGEN. Daß jetzt 0,1 Promille des Jahresumsatzes

(Zurufe: Prozent!)

Entschuldigung, 0,1 Prozent des Jahresumsatzes – eingezahlt werden, ist okay.An die CDU gerichtet ist zu fragen, welches andere Bundesland diesen Weg bisher gegangen ist. Mir ist keines bekannt. Insbesondere denke ich, daß Thüringen, Sachsen und Bayern da auch noch einen Nachholbedarf haben. Daran darf hier auch erinnert werden. Grundsätzlich ist es so, daß zum Jahresende die fehlende Summe von 1,8 Milliarden DM wirklich erbracht sein muß. Deswegen noch einmal der Appell an die Unternehmen und auch an die Kirchen, ihren Beitrag zu leisten.

Außerdem schließe ich mich dem Wunsch von Professor Kopitzsch an, daß wir hoffen, bald die ersten Zwangsarbeiter in ihrem Besuchsprogramm in Hamburg begrüßen zu können.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Das Wort bekommt Senatorin Roth.