Hamburg hat es ihm überlassen, die Ergebnisse eines Gutachtens zu verkünden, das das Papier kaum wert ist, auf dem es steht, nach Erkenntnissen, die wir aus Nachfragen gewonnen haben.
Ich möchte im übrigen noch ein Wort zu der „Gutachteritis“ sagen, die immer dann einsetzt, wenn Politik entscheidungsunfähig ist.
Ich kann gut verstehen, daß man sich über die Frage, ob wir einen solchen Tiefwasserhafen benötigen, gutachterlich beraten läßt. Aber daß die Frage, als Standort Cuxhaven oder Wilhelmshaven vorzusehen, durch einen Gutachter entschieden wird, glaubt von uns doch keiner. Hier sind politische Argumente und Überzeugungen gefragt.Es werden die Gutachten so angefertigt, wie man politische Überzeugungen in die Welt setzt und wie man sie benötigt.
Angesichts der Tatsache – das wird in dem Berger-Gutachten sehr deutlich –, daß der ehemalige Oberstadtdirektor von Hannover und Bezirksamtsleiter von Harburg, Jobst Fiedler, bei der Erstellung dieses Gutachtens mitverantwortlich war und daß die Landesregierung von Niedersachsen schon mehrfach die gutachterliche Unterstützung von Roland Berger in Anspruch genommen hat, ist man geneigt zu vermuten, daß die Ergebnisse nicht völlig politisch unbeeinflußt sind. Die nötige gutachterliche Unabhängigkeit und Objektivität des Freundes von Gerhard Schröder, Roland Berger, bezweifele ich in diesem Zusammenhang ausdrücklich.
Das Gutachten wurde gemeinsam von den Landesregierungen Hamburg, Bremen und Niedersachsen in Auftrag gegeben. Von daher war es schon interessant zu beobachten, daß eine halbe Stunde nach der Übergabe des Gutachtens ausgerechnet Herr Gabriel als erster die Ergebnisse öffentlich bekanntgegeben und damit gleichzeitig auch die Wortführerschaft in dieser Frage übernommen hat.Die Hamburger und Bremer Vertreter standen daneben und taten so, als wenn dies Gutachten nicht vorgelegt worden wäre.
So übereifrig und vorschnell, wie sich Herr Gabriel für Wilhelmshaven – wofür denn sonst – ausgesprochen hat, mußte man fast annehmen, daß er noch in diesem Jahr den ersten Spatenstich machen will. Aber Hamburg muß als bedeutendes deutsches Logistikzentrum in dieser wichtigen Frage die Federführung übernehmen.
Statt dessen wurde von Hamburg kaum mehr als die Notbremse gezogen.So begrüßenswert die Allianz mit Bremen ist, sie wirkt in diesem Zusammenhang eher als der verzweifelte Versuch einer Korrektur, um Verbündete zu gewinnen.
Bremen wird sich mit beiden Händen in der Tasche auf die andere Straßenseite zurückziehen und in aller Ruhe abwarten, wie Hamburg und Niedersachsen in dieser Frage zurechtkommen.Bremen wird sich auf die Seite derjenigen
(Dr. Holger Christier SPD: Das ändern wir doch ge- rade! Jetzt beginnt doch eine wunderbare Freund- schaft!)
Hier ist Bremen genau in der optimalen Position. Ob die Entscheidung nun für die Anbindung Hamburgs an Cuxhaven oder Hannovers an Wilhelmshaven fällt: Wir Bremer werden jedenfalls dabei schon unser Schnäppchen zu machen wissen. Ich kann diese Haltung verstehen. Um so wichtiger wäre es aber gewesen, sich in dieser Frage rechtzeitig mit den Bremern zu verständigen.
Das Gutachten wurde darüber hinaus im übrigen auf völlig zweifelhaften Basisdaten erstellt.Es kann aufgrund der kurzen Erarbeitungszeit von einem halben Jahr keine solide Entscheidungsgrundlage sein und schon gar nicht die Standortentscheidung für Wilhelmshaven präjudizieren.Ich hätte erwartet, daß der Senat all dies sagt. Er hat es nicht getan.
Aus der Presse war zu entnehmen – wir kennen das Gutachten nicht in allen Einzelheiten –, daß das Gutachten erhebliche Mängel hat. Die Hauptakteure, nämlich zum Beispiel die Firmen Evergreen, Danzas, Hapag, Stinnes, P& O, wurden nicht mit einbezogen. Der Senat möchte – so Bürgermeister Runde –75 Prozent, mindestens aber 50 Prozent dieses Hafens privatwirtschaftlich finanzieren lassen, wobei diejenigen, die diesen finanzieren sollen, in die gutachtliche Beurteilung nicht mit einbezogen wurden. Das ist so, als wenn Sie ein Stadion bauen würden, aber den HSV als einzigen Verein, der darin spielen kann und Eigentümer werden soll, dazu nicht befragen. Das kann es doch nicht sein, Herr Senator Mirow.
Während ein Wachstum im Containerumschlag angenommen wurde, ist die weitere technische Entwicklung in der Lösch- und Beladetechnik bei den Umschlaganlagen nicht berücksichtigt worden. Im Gutachten steht, daß Wilhelmshaven 24, Cuxhaven aber möglicherweise nur zehn Liegeplätze hat.Das kann doch nur auf dem Status quo beruhen. Man muß doch mit einbeziehen, daß es technische Weiterentwicklungen gibt, so daß möglicherweise die Zahl der Liegeplätze für eine Standortentscheidung nicht mehr als vorrangiges Argument angesehen werden kann. Wenn die Güter besser und in kürzerer Zeit umgeschlagen werden können, werden weniger Plätze gebraucht. Hamburg ist nicht auf die Idee gekommen, darauf deutlich hinzuweisen.
Noch ein Argument, was die geographische Lage angeht: Schauen Sie einmal auf die Landkarte, wohin die Verkehre führen sollen. Sie sollen nach Nord- und Osteuropa gehen. Hier kann nur der auf die Idee kommen, Wilhelmshaven zu favorisieren, der ansonsten von Logistik nicht besonders viel Ahnung hat. Nicht nur die seeseitige Zufahrt ist relevant, sondern auch die Hinterlandanbindung. Die seeseitige Anbindung kann über den Nord-Ostsee-Kanal in die Ostsee hinein erfolgen. Hierzu werden von Wilhelmshaven fünf bis sechs Stunden und von Cuxhaven 90 Minuten benötigt.
Auch die Schienen- und die Straßenanbindung sind wichtig.Es wird sich bitter rächen, daß der Senat die A 26 in dieser Stadt noch nicht gebaut hat.
Was die Standortvorteile von Cuxhaven angeht, muß hinzugefügt werden, daß auch die Schienenanbindung zwischen Hamburg und Cuxhaven zweispurig ausgebaut ist. Wilhelmshaven hat diese Anbindung nicht. Was die Zusage von Herrn Mehdorn wert ist, daß er dies schon schaffen würde, muß ich angesichts der letzten Entwicklungen der Bahn AG nicht mehr deutlich machen. Herr Mehdorn hat alles andere im Kopf, als sich darum zu kümmern, hier eine zusätzliche Schienenverbindung zu schaffen. Er muß erst einmal sehen, daß er die Pünktlichkeit bei seinem Personenbeförderungssystem hinbekommt und dort die Strecken auf Vordermann bringt.
Aufgrund des Zuwachses des Containerumschlages von 7 bis 8 Prozent in den nächsten Jahren und der anzunehmenden Schiffsgrößenentwicklung ist nach unserer Meinung der Bedarf für einen Tiefwasserhafens hochgradig anzunehmen. Dies bestätigt das zweite Gutachten, das über die Frage „ob“ eine deutliche Entscheidung trifft.
Der Schnellschuß von Berger ist kein seriöses Gutachten und kann nicht als Entscheidungsgrundlage dienen.Es beweist, daß Bürgermeister Runde und Senator Mirow die Bedeutung des Hafens für die Stadt vernachlässigen und unterschätzen; man muß an die internationale Entwicklung Anschluß halten.
Es bedeutet auch, daß man sich nicht auf dem ersten Schritt ausruhen kann, indem man die Elbe ausbaggert. Hier wird deutlich: Wenn wir die nächsten Schritte, uns an den Überlegungen für einen Tiefwasserhafen zu beteiligen, nicht mit vollziehen, holt uns der Grundsatz, Stillstand bedeutet Rückschritt, sehr schnell ein.
Wir haben, Herr Senator Mirow, den Startschuß offenbar verschlafen. Aber die Strecke ist nicht nur 100 Meter kurz, sondern sie ist eher 10 000 Meter lang oder hat sogar die Länge eines Marathonlaufs.Das heißt, daß Sie schnell versuchen müssen, die Initiative und die Gestaltungsführerschaft in dieser Frage, wie auch immer sie letztendlich ausgeht – ich denke, sie wird positiv für den Tiefwasserhafen ausgehen –, wieder nach Hamburg zu holen. Das ist Ihre Aufgabe. Ich fürchte, Sie drohen sie zu verschlafen.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Ehlers, Sie haben meines Erachtens zwar einige Dinge völlig richtig, aber Sie haben viele Dinge spekulativ dargestellt.
Ich bin davon überzeugt, daß der Fachmann sicherlich eine andere Große Anfrage zu einem anderen Zeitpunkt formuliert hätte.
Zwei kurze Fragen mit zwei noch kürzeren Antworten des Senats sind zwischenzeitlich von den Ereignissen überholt worden.Das Gutachten liegt jetzt vor, so daß auch gewisse Antworten auf die Fragen gegeben werden können.
Selbstverständlich muß dieses Gutachten im einzelnen geprüft werden, da es Basis der künftigen Diskussionen sein wird. Herr Ehlers, die Entscheidung ist mit dem Gutachten noch längst nicht gefallen.
Lassen Sie mich auf einige wesentliche Punkte eingehen. Auch wenn Wilhelmshaven auf den ersten Blick der geeignetere Standort zu sein scheint,
So sind die Investitionen zur Schaffung der nötigen Infrastruktur in Cuxhaven erheblich geringer als in Wilhelmshaven.Für die ersten vier Liegeplätze müßten zum Beispiel in Cuxhaven 365 Millionen DM weniger ausgegeben werden.
Weitere nicht zu unterschätzende Kostenvorteile für Cuxhaven ergeben sich bei den Transportkosten im Hinterlandverkehr: Ein durchschnittlicher Kostenvorteil beim Transport auf der Schiene pro TEU von 10 DM beziehungsweise 20 DM auf der Straße. Das spricht vor dem Hintergrund, daß die Kosten für die Hinterlandverkehre erheblich an Bedeutung gewinnen, deutlich für Cuxhaven, da die Reeder durch die größeren Kapazitäten der neuen Megacarrier eine Kostenersparnis bis zu 60 Dollar pro TEU haben. Hier hat Cuxhaven ein Pfund, mit dem es wuchern kann.
Nicht nur die vorgenannten Gründe, sondern vor allem die Lage gegenüber dem Eingang zum Nord-Ostsee-Kanal sprechen für Cuxhaven. Die Vorhafenposition und das Binnenschiffahrtspotential zu Hamburg und Bremerhaven begünstigt Cuxhaven, das sich durch den weiteren Ausbau der Elbe noch steigern läßt.
(Karl-Heinz Ehlers CDU: Mir müssen Sie das nicht sagen! Ich habe doch für Cuxhaven plädiert! Das haben Sie wohl gar nicht gehört!)
Ein Vorteil, den Wilhelmshaven vorweisen kann, ist der gegenüber Cuxhaven doppelt so große Flächenvorrat. Mit dem Jade-Weser-Port könnten dort in der maximalen Ausbaustufe 24 Liegeplätze mit einer Kaimauerlänge von 10,5 Kilometern geschaffen werden. Demgegenüber stünden in Cuxhaven „nur“ zehn Liegeplätze mit einer Kaimauerlänge von 4,4 Kilometern zur Verfügung.