Protokoll der Sitzung vom 15.11.2000

auch die Organisation der offenen Anfangs- und Schlußphase festgelegt. Hier sind die Erfahrungen übrigens sehr unterschiedlich. Darum ist es gut, daß jede Schule für sich entscheiden kann, wie sie dieses handhaben will.

Aber nicht nur ein kindgerechter Zeitrhythmus kommt den Bedürfnissen der Kinder nach einem Wechsel von Konzentration und Entspannung, von Ruhe und aktiver Bewegung entgegen. Auch die Räumlichkeiten müssen entsprechend gegeben sein.

(Dr. Hans-Peter de Lorent GAL: Das könnten wir hier auch gebrauchen!)

Darum wurden alle Schulen, die dies ursprünglich nicht hätten leisten können, mit erheblichem finanziellen Aufwand, nämlich für 38 Millionen DM, umgestaltet und ausgebaut. Hier hat Hamburg richtig Geld in die Hand genommen.Wie man sieht, hat es sich gelohnt. Allerdings kenne ich eine Maßnahme, die noch nicht beendet wurde, auf die die Schule dringend wartet.

Die Zufriedenheit der Familie – der Eltern und der Kinder – mit der VHGS spiegelt sich auch in der Auswertung des Holtappels-Gutachtens wider. Sie zeigt, daß der weit überwiegende Teil der Befragten, nämlich 85 Prozent der Eltern, mit der VHGS zufrieden ist. Sie schätzen dies für ihre Kinder auch so ein.

Die Befürchtung, die Kinder würden müde und aggressiv nach Hause kommen, hat sich nicht bestätigt. Auch die Befragung der Lehrkräfte und Schulleitungen nach den Erfahrungen im Schulalltag der VHGS hat zu überwiegend positiven Einschätzungen geführt. So wird von den Pädagogen vor allem die hinzugewonnene Zeit und der flexible Umgang damit positiv bewertet.

Die Lehrerinnen und Lehrer haben die Erfahrung gemacht, daß das großzügigere Zeitbudget bei den Kindern zu mehr Lernfreude und gutem Arbeitsverhalten führt. Im Bereich Freie Gestaltung wurden die klassischen Unterrichtsfächer um einige Aufgabengebiete ergänzt. Sie eröffnen damit neue Gestaltungsmöglichkeiten für die Pädagoginnen und Pädagogen.

Für die Kinder bedeutet dies, daß sie sich ohne Zeitdruck beispielsweise Themen wie Umwelt, Gesundheit, Neue Medien widmen können, die bisher in der „alten“ Grundschule – wenn überhaupt – nur gestreift werden konnten.

Viele Eltern erhoffen sich von dem größeren Zeitvolumen auch, daß für ihre Kinder neben dem Erlernen des Umgangs mit einem Computer nun mehr Zeit und Ruhe für die Einübung der Kulturtechniken zur Verfügung steht.

Die Beteiligung der Elternvertreter an der Entwicklung der neuen pädagogischen Konzepte hat leider nicht in dem Maße stattgefunden, wie es wünschenswert gewesen wäre.Vor allem vor dem Hintergrund, daß das Schulgesetz eine stärkere Elternbeteiligung einfordert, ist dies sehr bedauerlich. Hier gibt es für die Zukunft noch einiges zu tun.

Ein weiterer Punkt, den ich ansprechen möchte, ist die Gewährleistung der Verläßlichkeit. Das ist vor allem aus Sicht der Eltern ein sehr wichtiges Kriterium. Denn eines ist sicher:Die Einführung der VHGS ist ein gelungener Beitrag zur Vereinbarung von Familie und Beruf. Für viele Frauen eröffnet sich die Chance, wieder einer Berufstätigkeit nachzugehen.

Mehr als 75 Prozent der Eltern haben angegeben, daß sie eine tägliche verläßliche Betreuung für ihre Kinder brauchen. Diese war auch in den vergangenen vier Jahren zu

(Präsidentin Dr. Dorothee Stapelfeldt)

99,9 Prozent gewährleistet. Dafür wurden in den Schulen die Vertretungskapazitäten erweitert und Vertretungsregelungen festgelegt. Dennoch kann es passieren, daß beispielsweise in Zeiten von Grippewellen Teilungen von Gruppen oder auch Doppelbesetzungen kurzfristig aufgehoben werden müssen.

Das ist natürlich bedauerlich, wird allerdings – wenn möglich – dadurch ausgeglichen, daß in Zeiten ohne Grippewelle die dann nicht gebrauchten Vertretungsstunden für zusätzliche Förder- und Teilungsstunden genutzt werden können, die den Kindern dann wieder zugute kommen.

Zum Schluß möchte ich an dieser Stelle noch einmal hervorheben: Hamburg ist das einzige Bundesland, das flächendeckend die Verläßliche Halbtagsgrundschule von 8 bis 13 Uhr in dieser qualitativ hochwertigen Form erfolgreich eingeführt hat.

(Beifall bei Dr. Barbara Brüning SPD)

Mit durchgehend 27 Unterrichtsstunden in der Woche von Klasse 1 bis 4 ist Hamburg im Ländervergleich einsame Spitze. Das muß nun auch die Opposition zur Kenntnis nehmen. Ich denke sogar, daß die CDU inzwischen dazugelernt und erkannt hat, daß eine tägliche längere Schulzeit viele Vorteile hat. Herr Beuß hat – er ist leider nicht da – im Juni dieses Jahres – man höre und staune – den zügigen Ausbau von Ganztagsschulen gefordert.

Noch einmal kurz zurück zur VHGS. Auch wenn es sicher das eine oder andere zu verbessern gibt – das gibt es immer –, ist eines erwiesen: Für die Kinder ist die VHGS ein großer Gewinn und bedeutet mehr Zeit zum Lernen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Das Wort bekommt die Abgeordnete Machaczek.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es war natürlich klar, daß Sie heute eine Lobeshymne auf die Verläßliche Halbtagsgrundschule singen würden. Mich verwundert es aber schon, daß Sie auch noch stolz darauf sind, wenn die Presse – wie ich finde – relativ unkritisch die Verlautbarungen der Schulbehörde zur VHGS übernimmt. Sie basieren sicherlich nicht auf eigener Recherche, sondern waren abgeschrieben. Das kann man ja auch so sehen.

Sie haben auch der Presse entnehmen dürfen, daß wir durchaus kritische Anmerkungen haben. Ich möchte aber auch sagen, daß niemand zum alten System zurückkehren will,

(Wolf-Dieter Scheurell SPD: Sie sind ja überhaupt nicht vorwärts gegangen!)

weil sich die Menschen daran gewöhnt haben.Wir müssen aber – Frau Woisin, das haben Sie zu wenig getan, was aus Ihrer Sicht verständlich ist – den kritischen Blick auf die Wirklichkeit lenken.

Ich bin auf einer Kreis-Elternratssitzung gewesen;und auch Sie haben sicherlich mit Eltern gesprochen. Dort bestand ein ganz anderer Eindruck.

Dort wurde die Frage gestellt: Zu welchem Preis wurde diese Schule eingeführt? Wir sind der Ansicht, daß zugunsten der Verläßlichkeit die pädagogische Qualität eben doch leidet. Genau das Ziel, das Sie sich selbst gesetzt haben, wird nicht erfüllt.

Zum einen fallen tatsächlich Stunden aus.Was mich dabei besonders stört, ist, daß alles nur unter einem statistischen, aber unter keinem inhaltlichen Aspekt gesehen wird. Denn wo Stunden ausfallen, fallen auch inhaltliche Arbeiten aus.

Es ist immer wieder beklagt worden, daß zu viele Förderund Teilungsstunden, die nicht nur freundliches Beiwerk sind, für die Verläßlichkeit herhalten müssen. Das heißt, Unterrichtsstunden, die gegeben werden, um lernschwachen oder lernstarken Kindern mehr Förderung angedeihen zu lassen, müssen ausfallen, wenn nicht genug Lehrer vorhanden sind.

(Unruhe im ganzen Hause – Glocke)

Ich möchte die Antwort des Senats auf die Anfrage zitieren:

„Insgesamt hat sich gezeigt, daß die Ausstattung der Schulen mit zusätzlichen Vertretungsmitteln bei durchschnittlichen Ausfallquoten zur Aufrechterhaltung der Grundstunden und zur Gewährleistung der Verläßlichkeit ausreicht. Damit könnten die pädagogischen Zielsetzungen erfüllt werden.“

Wir bezweifeln, daß nur die Erteilung der Grundstunden tatsächlich den pädagogischen Anforderungen gerecht wird. Genau da ist die Mogelpackung bei der VHGS.

Wenn für ein lernschwaches Kind die Teilungs- und Förderstunden über einen längeren Zeitraum ausfallen, dann hilft es auch nichts, daß im statistischen Mittel das Kind über seine ganze Schulzeit fast keinen Ausfall dieser Stunden hat. Das gleiche gilt übrigens auch für ein lernstarkes Kind, das in einer für sich wichtigen Zeit darauf verzichten mußte, in einen binnendifferenzierten Unterricht zu kommen, weil es vielleicht in einen anderen Jahrgang gesetzt worden ist. Denn die Schule muß eben verläßlich sein, und darum darf das Kind nicht früher nach Haus geschickt werden. Es wird zudem auch inhaltliche Arbeit vernachlässigt.

Insofern möchte ich darauf eingehen – um denen zu verdeutlichen, die sich damit nicht befaßt haben –, daß Teilungsstunden bedeuten, an den unterschiedlichen Lehrausgangslagen zu arbeiten, soziale Integration, Prävention von Lehrversagen, Sprachunterricht und anderes zu fördern, das Sie auch erwähnt haben.

Diese Förder- und Teilungsstunden – das ist unser Ansatz und unsere Bitte an den Senat – machen es erforderlich, sie in den Rechtsanspruch zu bringen. Sie müssen mit in die Grundstunden eingerechnet werden. Dann können Eltern auch verlangen, daß ihre Kinder genau den Unterricht bekommen, der ihnen vorgeschrieben wurde und der im Prinzip in der Stundentafel auch enthalten ist. Er darf nicht zur Verschiebemasse werden, um Unterrichtsausfällen zuvorzukommen.

Nach unseren Berechnungen fehlen für die Sicherstellung dieses Unterrichts 120 Lehrer. Genau das haben Eltern erwartet, als das Gutachten der Schulbehörde kam.Es wurde in Schulkreisen auch darüber gesprochen. Es ist keine Erhöhung der Vertretungsreserve erfolgt, so daß sich Enttäuschung bei den Eltern breitgemacht hat.

Unser Fazit: Die statistische Auswertung der VHGS fragt nicht im Sinne des Bildungsgedankens nach dem Erhalt von Unterrichtsqualität, sondern nur nach der Organisation des äußeren Rahmens der Verläßlichkeit. Deswegen werden Schulprogramme und Bildungsziele zur Farce.

Unsere nochmalige Forderung: Stocken Sie die Vertretungsreserve nennenswert auf, damit alle Kinder den Un

(Erika Woisin SPD)

terricht erhalten, den sie so dringend brauchen.Dann bleibt die VHGS keine Mogelpackung mehr. – Danke.

(Beifall bei der CDU)

Ich gebe das Wort der Abgeordneten Goetsch.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Am Montag habe ich eine Kollegin aus der Grundschule gefragt, was sie mir für diese Debatte mitgeben wolle. Diese Kollegin gehörte 1995 zu einer der schärfsten Gegnerinnen der VHGS und zur gut organisierten Altonaer Initiative gegen die Käfighaltung. Ihr Resümee war eindeutig: Die VHGS ist inzwischen bei den Lehrerinnen und bei den Eltern akzeptiert; das Konzept ist richtig.

Ich kann an dieser Stelle nur meine Hochachtung darüber zollen, zu welchem Zeitpunkt, in welcher Qualität und in welcher Konsequenz dieses Mammutprojekt flächendeckend eingeführt wurde.Das war vielleicht eine Zwangsbeglückung, aber im Endeffekt war es im Ergebnis mehr eine Beglückung.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Allen Protesten zum Trotz gibt es am Rahmenkonzept nichts zu rütteln, weder am verläßlichen pädagogischen Angebot noch an den längeren Lernzeiten für die Kinder. Es gibt kaum ein anderes Bundesland – das ist schon erwähnt worden –, das Hamburg nicht nacheifert, schon gar nicht bei den Standards, die Hamburg vorgibt.Die hohe Akzeptanz in den Schulen und die Zufriedenheit der Eltern ist – wie schon von Frau Woisin gesagt – überwältigend in dem Bericht von Professor Holtappels dokumentiert. Die Daten und Fakten sind schon ausführlich genannt;ich möchte das nicht wiederholen.

Auch für Nichtschulmeisterinnen und -meister ist das Lesen dieses Berichts empfehlenswert. In der Großen Anfrage wird das auch sehr deutlich dargestellt.

Lassen Sie mich trotzdem zu den Schlußfolgerungen und Konsequenzen für zukünftige Entwicklungen aus den Begleituntersuchungen kommen, denn was gut ist, kann auch noch besser werden. Die Schulentwicklung muß ja weitergehen. Hier muß man deutlich machen, welche Perspektiven vorhanden und notwendige Verbesserungen anzustreben sind: