Protokoll der Sitzung vom 29.11.2000

Als 1953 der Hamburg-Block den Senat bildete, hatte die CDU nichts Eiligeres zu tun,

(Ole von Beust CDU: Mein Gott, das ist 40 Jahre her!)

als Sozialdemokraten sofort aus ihren Ämtern zu verjagen – nicht aus Senatsämtern, das ist bei Ihnen, wie wir hörten, auch schon Filz –, sondern zum Beispiel einen so qualifizierten Mann wie Herrn Birckholtz, der kein politischer, sondern ein leitender Beamter war. Helmut Schmidt holte ihn später ins Verteidigungsministerium.

(Rolf Kruse CDU: Das ist auch ein Stück Lüge!)

Auch 1980 hat die CDU in diesem Haus eine Filzdebatte angezettelt. Es handelt sich also um ein uraltes Thema,

(Ole von Beust CDU: Da haben Sie recht!)

das allerdings durch ständige Wiederholung nicht richtiger wird.

(Karl-Heinz Warnholz CDU: Zur Sache kommen!)

Ein Hamburger Politiker soll gesagt haben – ich zitiere –:

„In den Ämtern denken, handeln und träumen alle sozialdemokratisch, auch wenn sie gar nicht in der SPD sind.“

(Wolfgang Baar SPD: So ist es!)

Das ist ein vernichtender Satz; er ist so unausweichlich wie ein Gottesurteil.

Zuweilen wird es sogar als Filz denunziert, wenn Regierungsmitglieder der SPD angehören und als Sozialdemokraten gewählt sind, um öffentliche Ämter zu übernehmen; das gilt auch für die Bezirksamtsleiter.

Auf welches kurze Gedächtnis der Wählerschaft setzen Sie? Sie nahmen vor einiger Zeit Ihre Position zum Bezirksverwaltungsgesetz ein und beklagten anschließend, daß Bezirksamtsleiter nach den Mehrheitsverhältnissen in den Bezirken gewählt werden. Das erstaunt mich wirklich auf das höchste.

(Beifall bei der SPD)

Es wird deutlich – wenn man an mein zuvor genanntes Zitat denkt –, daß uns das Thema nicht verlassen wird. Bei 14 500 Sozialdemokraten in der Stadt läßt sich, so absurd dies auch sein mag, täglich ein Anknüpfungspunkt konstruieren; das erleben wir in diesen Tagen auch wieder.

Meine Damen und Herren von der Opposition, dabei wissen Sie sehr gut, wie die Realität in Hamburg aussieht.

(Ole von Beust CDU: Das ist das Tragische!)

Es gibt bei allen Personalentscheidungen – sowohl bei Einstellungen als auch bei Beförderungen – eine hohe Transparenz und strenge Kriterien, was Eignung und Leistung angeht.

Frau Blumenthal, ich weiß nicht, woher Sie die Daten

(Erster Bürgermeister Ortwin Runde)

(Antje Blumenthal CDU: Aus dem Handbuch!)

über meine Biographie gefunden haben.Sie hätten einfach das Handbuch lesen sollen,

(Beifall bei der SPD – Antje Blumenthal CDU: Da habe ich sie her!)

das in Hamburg sehr transparent ist.

Es gibt zum Beispiel in Hamburg den sogenannten Gabeltest, den Max Brauer gleich nach dem Krieg als Instrument zur Vermeidung von Nepotismus bei der Besetzung öffentlicher Ämter aus dem Exil mit nach Hamburg gebracht hat, und gewissermaßen eine institutionelle Garantie gegen Ämterpatronage in Form der Deputation. In den Spitzen aller Fachbehörden sind Deputationen vorhanden, die unter anderem über die Besetzung der Leitungsstellen im höheren Dienst entscheiden.

Daß in den Deputationen auch die Opposition immer dabei ist, muß ich Ihnen nicht erläutern.Vielleicht ist aber der Kontakt zu Ihren Deputationssprechern inzwischen so abgerissen, daß Sie nicht mehr wahrnehmen, was da stattfindet. Ich habe manchmal den Eindruck.

(Beifall bei der SPD)

Die Deputation kann wach und kritisch mitgestalten, bis hin zum Recht auf Einsicht in die Personalunterlagen. Transparent sind diese Verfahren auf jeden Fall. Daß Hamburger Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten regelmäßig auch in hohe Staatsämter anderer Länder oder des Bundes berufen werden, und zwar aufgrund ihrer persönlichen Kompetenz, spricht doch eine deutliche Sprache. Ich kann Ihnen all diejenigen nennen, die aus dem Bereich der BAGS als Staatssekretäre oder

(Dietrich Wersich CDU: Wohin geht denn Herr Riez?)

Ministerinnen in anderen Ländern eingesetzt worden sind und das wohl nicht wegen mangelnder Kompetenz und Leistungsfähigkeit.

Auch bei anderen wichtigen Fragen ist doch hier in Hamburg die Opposition beteiligt. Wenn zum Beispiel in der Kommission für Bodenordnung über Grundstücksangelegenheiten aller Art entschieden wird, sitzt die Opposition stets mit am Tisch. Das hat uns auch davor bewahrt, daß wir Skandale haben, wie es in anderen Regionen durchaus der Fall ist.

In wieder anderen Bereichen haben wir durch Gremiengestaltung ein Höchstmaß an Entscheidungstransparenz, beispielsweise bei den Senatskommissionen. Sie entscheiden zum Beispiel über Geschäftsführerpositionen in öffentlichen Unternehmen. Auch bei solchen Entscheidungen liegt also ein Begründungszwang vor. Personalentscheidungen für öffentliche Ämter sind also dem Dunstkreis einer geheimen Kabinettspolitik entzogen. Darum, meine Damen und Herren von der CDU, hören Sie doch auf, ständig die alte Platte vom Filz aufzulegen.

(Beifall bei der SPD)

Herr Hackbusch, genau diese Institutionen führt man ein, um – wenn man lange regiert – exakt den Gefahren vorzubeugen, von denen Sie immer reden. Genau diese Institutionen sind die Vorkehrungen und die geeigneten Instrumente. Hier muß jeder seine Rolle entsprechend wahrnehmen.

Meine Damen und Herren, ich möchte auf einen Aspekt der Ausschußarbeit eingehen, der eine erhebliche Tragweite

für die Verwaltungspraxis hat und mit dem wir leicht in einen rechtlichen und strukturellen Konflikt staatlichen Handelns geraten können. Auf der einen Seite erfordert die Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben durch Unternehmen in staatlicher Hand oder mit staatlicher Beteiligung Steuerung und Kontrolle. Das verlangt nicht nur das Haushaltsrecht, sondern wird auch aus Verantwortung gegenüber dem Parlament geschuldet. Dieses soll möglichst durch Personal in den Leitungsgremien erfolgen.

Auf der anderen Seite enthält das Verwaltungsverfahrensrecht ein Mitwirkungsverbot für Behördenbedienstete. Angesichts der Tatsache, daß öffentliche Unternehmen sich mehr und mehr dem Wettbewerb stellen müssen, ist das eine paradoxe Situation. Denn aufgrund der Qualifikation kommen oft nur die Personen für die Unternehmensgremien in Frage, die auch in ihrer behördlichen Arbeit mit dem Unternehmensgegenstand zu tun haben. Dieses Dilemma gilt auch für Senatsmitglieder in ihrer jeweiligen Gesamtverantwortung.Der Ausschuß konstatiert zwar im Ergebnis eine Vereinbarkeit der unterschiedlichen Rechtsanforderungen, verweist aber auf erhebliche tatsächliche Probleme. Es ist nun einmal die Praxis, die die Tauglichkeit oder auch Untauglichkeit von Gesetzen erweist. Hamburg steht mit diesem Problem keineswegs allein da. In anderen Ländern ist die Mitgliedschaft von Ministern, Staatssekretären oder Ministerialbeamten in entsprechenden Aufsichtsräten die Regel.

Ich begrüße daher die Empfehlung des Ausschusses, zu prüfen, ob die Rechtslage beim Mitwirkungsverbot von öffentlich Bediensteten im Hinblick auf die gebotene Einflußnahme und Steuerung öffentlicher Unternehmen präzisiert werden kann. Der Ausschuß verweist dabei auf SchleswigHolstein, wo Personen vom Mitwirkungsverbot ausgenommen sind, die in amtlicher Eigenschaft tätig sind.

Meine Damen und Herren, daß es sich hinter eigenen Stadtmauern am schönsten klagen läßt, ist bekannt. Die CDU hat es zu einer Meisterschaft gebracht, die ihresgleichen sucht; sie hatte dazu auch elfmal hintereinander eine volle Legislaturperiode die Gelegenheit. Dabei wird das Hamburger Funktionsmodell, das Zusammenwirken von Finanz- und Fachbehörde in der Beteiligungssteuerung, bundesweit als vorbildlich anerkannt. In einem kürzlich vorgelegten Stadtstaatenvergleich aus Bremen wurde Hamburg eine sehr gute Steuerung ausgegliederter Unternehmen bescheinigt.Wir erhalten also von auswärts Bestnoten in Sachen Verwaltungsmodernisierung.Warum, meine Damen und Herren von der CDU, nehmen Sie das nicht einmal zur Kenntnis?

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Ein weiteres Problem in diesem Kontext möchte ich nur am Rande andeuten. Die Verlagerung öffentlicher Aufgaben auf privatrechtlich organisierte ausgegliederte Unternehmen kann auch zu Reibungen und Verhedderungen zwischen dem Zuwendungsrecht und den unternehmensrelevanten Vorgaben des Handelsrechts führen;

(Dr. Michael Freytag CDU: Deshalb muß man sie privatisieren!)

es ist ein Konflikt, der sich bei den untersuchten Problemen der Beschäftigungsgesellschaften zeigte. Hier besteht noch Klärungsbedarf.

Sie sehen, meine Damen und Herren, daß es hinsichtlich des Abschlusses des Untersuchungsausschusses nicht nur um Fehler oder Versäumnisse der Vergangenheit geht,

(Erster Bürgermeister Ortwin Runde)

A C

B D

sondern auch um Fragen, die für die Zukunft der Stadt von entscheidender Bedeutung sind. Es stände der Opposition gut zu Gesicht, daß sie diesen Fragen ebenso viel Aufmerksamkeit widmet wie den übrigen Aspekten des Berichts.

(Rolf Kruse CDU: Das trieft ja vor Selbstkritik, das ist ja schrecklich!)