Protokoll der Sitzung vom 29.11.2000

Selbst wenn ich vermute, daß die schwachen Konsequenzen der Opposition in erster Linie auf mangelnde politische Phantasie zurückzuführen sind, habe ich aber in dem Untersuchungsausschuß doch die Bestätigung gefunden, daß dieses mit dem Status der Abgeordneten zu tun hat. Es ist eine schlichte Rechnung. Wer viel Zeit hat und viel Zeit investieren kann, kann fundierter arbeiten. Nur wer wirklich viel Zeit hat, hat eine realistische Chance, einer machtbewußten Verwaltung, die immer einen Wissens-und einen Informationsvorsprung hat, und zwar einen riesig großen, eine eigene Vorstellung entgegensetzen oder auch konstruktiv mit ihr zusammenarbeiten. Das kann ja auch vorkommen.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Das gilt natürlich im Untersuchungsausschuß ganz besonders. Aber wir dürfen nicht vergessen, daß in einem Untersuchungsausschuß praktisch nur die normale parlamentarische Tätigkeit verdichtet stattfindet. Deswegen gilt natürlich die Erkenntnis, daß wir in dem PUA die gesamten Akten nur lesen konnten, wenn wir ausreichend Zeit hatten, für die ganz normale politische Arbeit ebenso.

Die Verwaltung kontrollieren und ihr eigene Vorstellungen entgegensetzen kann nur, wer überhaupt Zugang zu den Informationen hat, wer nicht darauf angewiesen ist, daß es erst einen Untersuchungsausschuß geben muß, um festzustellen, daß der Senat gelegentlich auf ganz wichtige Fragen in Kleinen Anfragen schlicht die Unwahrheit schreibt.

So sind wir zu der Erkenntnis gekommen, daß unsere alte Forderung nach einem allgemeinen Akteneinsichtsrecht auch eine Konsequenz sein muß, denn ein allgemeines Akteneinsichtsrecht stärkt letztlich auch die Abgeordneten. Gerade im Bereich Altonaer Jugendarbeit war nicht nur die parlamentarische, sondern auch die öffentliche Aufmerksamkeit für die Mißstände sehr hoch. Aber das geht mitunter Hand in Hand.

Wir gehen davon aus, daß die äußerst verzögerten Konsequenzen in diesem Fall mit Sicherheit früher gezogen worden wären, wenn die Abgeordneten oder auch die Bürgerinnen und Bürger die Akten hätten einsehen und das Gelesene auch öffentlich verwerten können.

Ausschlaggebend, diese alte Forderung von uns noch einmal zu thematisieren, war aber auch der verheerende Zustand der behördlichen Akten. Fehlende Originale waren praktisch der Normalfall, und damit war auch der Normalfall, daß nicht mehr nachvollzogen werden konnte, wer welche Entscheidung getroffen hatte und wer welche Entscheidungen kannte und/oder sie zu verantworten hatte. In Handakten, die es eigentlich nach der Aktenordnung gar nicht geben durfte, fanden sich brisante Informationen, so auch beispielsweise das sogenannte Non-Paper. Dort fanden sich mitunter auch die Originalakten, die wir in den Hauptakten vermißt hatten.

Wir sind sicherlich nicht so naiv zu glauben, daß ein allgemeines Akteneinsichtsrecht solche Vorgänge mit einem

(Dr. Bettina Kähler GAL)

Mal quasi wegzaubern könnte. Wir setzen darauf aber die berechtigte Hoffnung, daß durch die Möglichkeit einer verbesserten öffentlichen Kontrolle die Verwaltung zu sorgfältigerer Arbeit gezwungen ist und Mißstände rechtzeitiger aufgedeckt werden können. Wenn eine Behörde damit rechnen muß, daß einmal jemand ihre Akten einsehen will – und das jederzeit und nicht nur zu einem Zeitpunkt, der irgendwann drei Monate vorher angemeldet wird –, dann muß sie ihre Akten so organisieren, daß das Gewünschte auch zu finden ist und nicht erst auf dem Dachboden, in Kellern oder in abgelegenen Räumen gesucht werden muß.

Zu alledem, was wir dort in den Konsequenzen unter dem Stichwort „Verbesserung des Status der Abgeordneten, Verbesserung der Stellung des Parlaments“ beschlossen haben, ist natürlich der Wille zur Gestaltung nötig. Es ist sicherlich bequemer, wie die CDU im Schmollwinkel zu verharren und die bösen, bösen Filzverhältnisse zu beklagen. Es ist sicherlich auch bequemer, sich, wie die SPD es bisweilen tut, auf den Standpunkt zurückzuziehen, der Senat will einen solchen Bericht nicht, also wollen wir Abgeordnete ihn auch nicht; so gehört neulich in einem Ausschuß. Spannender ist es aber allemal, die Probleme anzupacken. Wir sollten den Rest der Legislaturperiode dazu nutzen.Ein bißchen Zeit haben wir noch. – Danke.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Hackbusch.

Meine Damen und Herren! Wir haben nur sehr wenig Redezeit, deswegen kann ich jetzt leider nur kurz reden.

(Barbara Duden SPD: Schade!)

Ich möchte aber noch eine kurze Bilanz zu den hier gehaltenen Redebeiträgen ziehen. Besonders dramatisch finde ich, was Herr Christier hier aufgeführt hat.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Sie haben die Probleme noch nicht einmal benannt, Sie haben sie ignoriert.

(Dr. Holger Christier SPD: Das stimmt nicht!)

Das ist Arroganz der Macht.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Sie sagen, wir können uns das erlauben, wir werden doch jedes Mal wieder gewählt. Das ist unverschämt.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke – Zurufe von der SPD)

Das ändert auch nichts daran. Selbst wenn man immer die Mehrheit hat, ist es keine Begründung dafür, so arrogant aufzutreten und zu sagen, das ist mir doch scheißegal, was ihr denkt.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Herr Runde, auch Ihr Auftreten war nicht klar und deutlich. Wir haben einzelne Verfahrensweisen kritisiert, und Sie haben wie ein verwundetes Tier reagiert nach dem Motto, aber ich habe doch auch viel Gutes getan, ich habe vielleicht auch Fehler gemacht, weil alles so schnell ging.

(Dr. Holger Christier SPD: Stimmt doch!)

Stimmt, Sie haben auch viel Gutes getan, ich habe Sie immer gerne einmal gelobt.Das weiß jeder, der mir hier zugehört hat. Aber in diesem Punkt ging es darum, daß man Selbstkritik üben und sagen muß, wo die Fehler lagen. Wir haben festgestellt, daß Sie im Rahmen des PUA nicht gewagt haben, das zuzugeben. So kann man nicht reagieren.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke und der CDU)

Ich möchte von keinem Sozialdemokraten noch einmal etwas über die arme Geschichte der verfolgten Sozialdemokraten in Hamburg hören. Es stimmt, das ist in der Vergangenheit vorgekommen, aber in den letzten 50 Jahren, Herr Frank und Herr Christier, wurden Sie nicht verfolgt.Die Sozialdemokraten haben es nicht schlecht in Hamburg.Sie werden aufgrund ihres Parteibuches nicht schlechter gestellt, und alle anderen Geschichten sind dumm.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke und vereinzelt bei der CDU)

Das Wort erhält der Abgeordnete Wersich.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Christier, Sie hätten bei Ihrer Rede – von hier aus gesehen links – in die versteinerten Gesichter der GAL-Fraktion gucken müssen.

(Heiterkeit bei der GAL – Antje Möller GAL: Das in- teressiert die doch sonst auch nicht!)

Ihr Beitrag hat gezeigt, daß die GAL nicht den Mut hatte, Roß und Reiter zu benennen. Sie hat gebrüllt, aber sie hat nicht gebissen. Das, was Sie hier gemacht haben, Herr Christier, hat gezeigt, daß die SPD beim Thema Filz unbelehrbar und starrsinnig ist.

(Günter Frank SPD: Kommen Sie zur Sache!)

Das grenzt an Altersstarrsinn durch lange Regierungszeit. Man muß einfach sagen, Einsicht ist der erste Schritt zur Besserung, und Sie haben nicht einmal die Kraft zu dieser Einsicht.

(Beifall bei der CDU)

Frau Dr. Kähler hat tatsächlich einen Kern berührt, nämlich die Frage der parteipolitischen Ziele durch Senatoren.

(Dr.Holger Christier SPD: Sind Sie im Schuldienst? – Günter Frank SPD: Wollten Sie eigentlich Lehrer werden?)

Ich glaube, der Präsident nimmt noch Meldungen an.

Sie hat gesagt, parteipolitische Ziele sind durch Senatoren durchzusetzen. Das ist die Kontrolle der Demokratie der Verwaltung. Aber es ist nicht so, daß die parteipolitischen Ziele durchgesetzt werden, indem die Senatoren bis tief hinein in die Sachbearbeiterebene der Verwaltung die ihr genehmen Personen gleichen Parteibuchs setzen und so ihre Politik durchsetzen wollen. Das tun sie in Hamburg.

(Beifall bei der CDU)

Das ist das Wesen der Herrschaftspatronage. Darüber gibt es nicht erst seit Max Weber eine Diskussion in der Bundesrepublik. Anstatt klare Zielvorgaben zu machen, Controllinginstrumente einzuführen, werden an die entscheidenden Positionen Menschen des eigenen politischen Vertrauens und durch die Beförderung Abhängige gesetzt.

(Holger Kahlbohm SPD: Wo steht das im Bericht?)

(Dr. Bettina Kähler GAL)

Genau das haben wir in Hamburg. Wie anders würden Sie das bezeichnen, wenn Ortwin Runde selbst als Senator bei der Gründung der HAB bei seinem Parteikollegen Riez aus dem Kreisvorstand SPD Nord anruft und sagt, du mußt das machen.

(Günter Frank SPD: Soll er bei Ihnen anrufen? Das war ein Auswahlverfahren!)

Ein reguläres Besetzungsverfahren von Herrn Riez zum Geschäftsführer der Hamburger Arbeit ist nicht nachweisbar, aber es gibt diesen Anruf des Bürgermeisters. Das ist das, was wir mit Herrschaftspatronage meinen.