Protokoll der Sitzung vom 30.11.2000

Meine Damen und Herren, der Bereich Hilfen zur Erziehung fehlt in unserem Antrag. Das bedeutet aber nicht, daß wir keinen Handlungsbedarf sehen. Anfang des nächsten Jahres werden wir dazu einen gesonderten Antrag vorlegen. Eine Änderung des bestehenden Verfahrens wird es aber schon jetzt im Bereich der sogenannten Bonusregelung geben. Bisher konnten die Bezirke ersteuerte Einsparungen bei den Hilfen zur Erziehung im Bereich der offenen Kinder- und Jugendarbeit einsetzen. In Zukunft dürfen auch bis zu 40 Prozent für den Ausgleich von Personalkonsolidierungen im allgemeinen sozialen Dienst eingesetzt werden.

Fazit: Schnelle und konsequente Reaktionen auf delinquentes Verhalten Jugendlicher und die Stärkung der Jugendhilfe als präventives Element sind die zentralen Ansätze im Leitantrag der Regierungsfraktionen. Daneben werden wir aber noch weitere wichtige Maßnahmen auf den Weg bringen. Wir wollen, daß die so wichtige Kooperation zwischen Jugendhilfe und Jugendpsychiatrie stärker gefördert wird. Um Kindern und Jugendlichen in seelischen Notlagen und krisenhaften Situationen angemessen helfen zu können, soll sichergestellt werden, daß die geschlossene Unterbringung von psychisch kranken Kindern und Jugendlichen, bei denen eine Fremd- und Eigengefährdung besteht, nur auf geeigneten Stationen der Kinder- und Jugendpsychiatrie innerhalb Hamburgs erfolgt. Hierfür sollen an zwei Standorten jeweils fünf Krisenplätze geschaffen werden.

Es ist uns durchaus klar, daß es hierzu sehr unterschiedliche Einschätzungen gibt. Die größte Befürchtung ist, daß Kinder und Jugendliche zu schnell in die Psychiatrie abgeschoben werden. Gleichwohl sehen wir es jedoch als unbefriedigend an, daß Kinder und Jugendliche in besonderen Krisensituationen auf geschlossenen Stationen der Erwachsenenpsychiatrie oder außerhalb Hamburgs untergebracht werden. Darum fordern wir in unserem Antrag, daß in Hamburg einige wenige kind- und jugendgerechte

Betten in der geschlossenen Psychiatrie geschaffen werden. Wir erwarten aber selbstverständlich auch, daß eine Einweisung sehr genau geprüft wird, damit kein Abschiebeeffekt eintreten kann.

Die zentralen Leitziele der beiden Regierungsfraktionen habe ich hier nun skizziert. Bei genauerer Lektüre des Leitantrags werden Sie sicher feststellen können, daß wir die zentralen Forderungen und Empfehlungen der EnqueteKommission aufgegriffen haben und zur Umsetzung bringen.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Zum Schluß möchte ich aber noch einmal hervorheben, daß für den Anstieg der Gewalt unter Jugendlichen und der Raubtaten eine kleine Gruppe Jugendlicher verantwortlich ist. 95 Prozent aller Jugendlichen treten weiterhin nicht durch delinquentes Verhalten in Erscheinung. Für die kleine Gruppe der auffälligen Jugendlichen ist es aber unabdingbar, schnell und konsequent auf ihr kriminelles Verhalten zu reagieren. Mit der Umsetzung unseres Antrags kommen wir einen entscheidenden Schritt voran. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Das Wort erhält der Abgeordnete Hesse.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Rogalski, auf den ersten Blick erscheint Ihre Rede und auch Ihr Antrag ganz vernünftig, und man ist als Opposition sogar geneigt, dem zuzustimmen.

(Barbara Duden SPD: Das ist auch vernünftig!)

(Zurufe von der SPD: Aber!)

lehnen Sie sich zurück, entspannen und genießen Sie, Sie werden es gleich hören, und vielleicht ziehen Sie anschließend sogar Ihren Antrag zurück – bei näherer Betrachtung stellt man fest, daß es sich hier wieder einmal um eine rotgrüne Mogelpackung handelt.

(Zurufe von der GAL: Ah!)

Viele Punkte und Formulierungen in diesem Antrag machen es uns einfach unmöglich, dem zuzustimmen, und ich will Ihnen auch gern darstellen warum: Dieser Antrag umfaßt tatsächlich nur Teilaspekte des Berichts der Enquete-Kommission zur Untersuchung der Jugendkriminalität und ihrer gesellschaftlichen Ursachen.

Sie schreiben beispielsweise, daß die Jugend-EnqueteKommission im Bericht einvernehmlich eine gründliche Ausbildung der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Jugendarrestvollzugs verlangt; so steht es auf Seite 155 des Enquete-Kommissionsberichts.

In Ihrem Antrag wird daraus:

„Die Bürgerschaft erkennt an, daß die von ihr geforderte zusätzliche pädagogische Qualifizierung des Jugendarrestes aufgrund der Konsolidierungsverpflichtung“

(Thomas Böwer SPD: Können Sie das noch einmal sagen?)

„schwer leistbar ist.“

Ihr Antrag Seite 4 III.

(Karin Rogalski-Beeck SPD)

(Michael Neumann SPD: Das ist die Wahrheit!)

Ein weiteres Beispiel aus Ihrem Antrag. Im Bericht der Enquete-Kommission steht: Die Kommission hält eine pädagogisch beziehungsweise therapeutische Ausgestaltung der Jugenduntersuchungshaft für erforderlich. Das ist auf Seite 155 zu lesen und wurde übrigens in der Enquete-Kommission von allen gemeinschaftlich beschlossen. Und was wird in Ihrem Antrag daraus?

„In Anlehnung an die Empfehlungen der Enquete-Kommission wird der Senat ersucht,“

noch nicht einmal aufgefordert –

„der Bürgerschaft zu berichten, wie eine intensivierte pädagogische und sozialtherapeutische Betreuung realisiert werden kann.“

Das steht in Ihrem Antrag auf Seite 4 III.3.

Meine Damen und Herren, in der Schule würde man sagen, man hat Sie beim Abschreiben erwischt; und Sie haben auch noch falsch und unvollständig abgeschrieben und Unsachliches hinzugefügt. Das ist für mich eine glatte Sechs.

(Michael Neumann SPD: Das reißt nicht mal Ihre ei- gene Fraktion von den Sitzen! – Dr. Andrea Hilgers SPD: Das ist schwach, Herr Hesse!)

Es gibt noch weitere Gründe, warum man diesem Antrag nicht zustimmen kann. Sie loben und begrüßen in absolut unangemessener Weise die angeblichen Bemühungen und Anstrengungen des Senats, Verbesserungen in der Jugendpolitik zu erzielen, und dies, obwohl wir alle wissen, daß dieser Senat und die SPD durch jahrzehntelange Versäumnisse in der Jugendpolitik für diese Mißstände verantwortlich sind. Wir als Opposition sehen keinerlei Anlaß, dem Senat bei dieser jugendpolitischen Arbeit auch noch zu schmeicheln.

(Jan Peter Riecken SPD: Das mußte ja mal gesagt werden!)

Frau Rogalski, Sie haben vorhin ein Beispiel angeführt, auf das ich noch einmal eingehen möchte. In Ihrem Antrag werden Anstrengungen des Senats begrüßt und unterstützt, die Arrestanstalt wieder durchgängig in Bereitschaft zu setzen.

(Michael Neumann SPD: Das ist richtig!)

Natürlich, Herr Neumann. Es ist aber eine Selbstverständlichkeit, daß diese Arrestanstalt durchgängig in Bereitschaft ist, so daß Jugendliche auch am Wochenende untergebracht werden können. Das ist doch wahrlich keine lobenswerte Anstrengung, sondern eine überfällige Beseitigung eines katastrophalen Mißstandes, den wir haben, und der besteht mittlerweile seit 1997.

(Beifall bei der CDU)

Das hat die Enquete-Kommission auch festgestellt und in ihrem Bericht auf Seite 151 deutlich gemacht. Wir werden diesen Senat nicht bauchpinseln für irgendwelche Bemühungen oder Anstrengungen.

Bezeichnend ist, daß Sie Ihrem eigenen Senat in Ihrem Antrag in seinem Zeugnis schreiben: Er hat sich bemüht, er strengt sich an.

(Michael Neumann SPD: Das ist mehr, als Sie hier vorne machen!)

Jeder, der so etwas in einem Zeugnis liest, weiß, was das heißt. Warum wird der Senat in Ihrem Antrag denn nicht für konkrete Handlungen gelobt? Wahrscheinlich sind Ihnen keine konkreten Handlungen eingefallen. Es gibt nämlich nichts Konkretes, was dieser Senat getan hat. Und wer trotz dieser genannten Punkte erwartet, daß die CDU so einem Antrag zustimmt, der ist blauäugig.

Man kann auch nicht von der Opposition erwarten, daß sie Stellenstreichungen in mehreren jugendpolitisch relevanten Bereichen hinnimmt, auch – das wird mehrfach in Ihrem Antrag deutlich – wenn das über drei Jahre gestreckt wird. Man kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß Streichungen im personellen Bereich erfolgen werden, und dieses steht nicht nur an einer Stelle Ihres Antrags, sondern mehrfach. Der Senat wird in zahlreichen Punkten lediglich zur Prüfung bestimmter Sachverhalte aufgefordert. In Ihrem Antrag steht allein sechsmal prüfen, viermal berichten, zweimal erproben und viele weitere laue Ersuchen. Das ist das Ergebnis, was Sie, meine Damen und Herren von der SPD und von den Grünen, aus der Enquete-Kommission ziehen, und das ist zu dürftig.

(Michael Neumann SPD: Dürftig ist das richtige Stichwort! – Präsidentin Dr. Dorothee Stapelfeldt übernimmt den Vorsitz.)

Bemühungen, Anstrengungen, Prüfungen oder Modellversuche reichen uns nicht. Wir wollen Taten sehen, wir wollen Handlungen sehen und konkrete Veränderungen. Hierzu hat die CDU in den letzten Jahren ausreichend Vorschläge gemacht, allein in den letzten zwei Jahren ein knappes Dutzend. So hat die CDU-Fraktion bereits im April 1999 – Herr Mahr, da werden Sie auch nichts anderes berichten können – die Durchführung normverdeutlichender Gespräche durch die Polizei im Hinblick auf eine Verfahrenseinstellung nach Paragraph 45 Absatz 2 JGG gefordert. Heute finden wir dies in Ihrem Antrag auf Seite 3 unter II.3 wieder. Ich freue mich, daß unser Antrag hier recycelt erscheint, aber die Einsicht kommt leider zu spät.

Meine Damen und Herren! An die Umsetzung der Empfehlungen der Enquete-Kommission glaube ich im übrigen erst dann, wenn sie tatsächlich passiert. Unsere Erfahrungen mit der Jugendpolitik in Hamburg sind eher die, daß Sie zum größten Teil Strohfeuer verbreiten und Ihr Antrag wahrscheinlich auch wieder nur eine Alibi-Funktion haben wird in einem Bereich, in dem Sie in den letzten Jahren versagt haben.

(Michael Neumann SPD: Wann geht es denn hier mal los?)

Da wir als CDU-Fraktion – Herr Neumann, hören Sie zu – schon immer die besseren Konzepte in diesen Bereichen hatten und haben

(Lachen bei der SPD – Michael Neumann SPD: Wir handeln und ihr vertagt!)

und auch der Auffassung sind, daß Ihre Ersuchen in diesem Antrag nicht weitreichend genug gehen und schon gar nicht den gemeinsamen Empfehlungen gerecht werden – ich betone es noch einmal, es waren in der Enquete-Kommission gemeinsame Empfehlungen –, werden wir natürlich einer Überweisung an den Ausschuß zustimmen, den Antrag aber so, wie er von Ihnen hier eingebracht wurde, natürlich ablehnen. Weisen Sie, meine Damen und Herren von der SPD und von den Grünen, den Bürgerinnen und Bürgern und insbesondere den in der Jugendpolitik tätigen Trägern und Verbänden endlich nach, daß Sie handeln, und

(Klaus-Peter Hesse CDU)