Eigentlich könnte man nach den Reden, die die beiden Männer und die Dame vor mir gehalten haben, ganz beruhigt sein.
Die CDU hat ihr soziales Herz entdeckt, zumindest Herr von Beust. Die SPD hatte es schon immer, da braucht man nichts Neues mehr zu machen, und die GAL hat ein grünes Herz, was immer irgendwie noch schlägt.Doch schauen wir uns einmal an, wie die Realität im Bereich der Kinder und Jugendlichen aussieht. Sicherlich würden das Sie alle sofort unterschreiben, wenn ich sage, wir fordern mehr Bildung, mehr Chancen, mehr soziale Gerechtigkeit für die Jugend. Da sagen Sie doch alle ja, oder? Herr von Beust, Sie nicken gar nicht?
Doch, sehr schön.– Kommen wir einmal zum Bereich der Kindertagesbetreuung. Kinder, die in den Kindergarten kommen, haben die erste Möglichkeit, Bildung vermittelt zu bekommen. Was sich da aber in den letzten ein, zwei Jahren abgespielt hat, ist genau das Gegenteil.Wir bekommen nämlich von vielen Kindergärten und Kindertagesstätten die Rückmeldung, hier werden Kinder abgemeldet, weil Eltern glauben, nicht mehr in der Lage zu sein, die Elternbeiträge zu zahlen. Kindergärten sortierten die Kinder schon aus, weil sie dachten, die Kita-Card komme und werde nur noch Ganztagesplätze für Kinder von Erwerbstätigen vorsehen. Das heißt, wir haben ganz viel Unruhe in dem Bereich, und die Kinder profitieren davon nicht.
Gleichzeitig sagen SPD und GAL zwar auch, uns ist der Bereich der Kinder sehr, sehr wichtig, wir wollen etwas für die Kinder tun. Deswegen wird dort weiter heftig konsolidiert werden, über 20 Millionen DM sind für das Jahr 2001 abgefordert. Wir sagen: So nicht, wir wollen kein Kürzen bei den Kurzen.
Aber, Herr von Beust, wo war denn die CDU, als es darum ging zu fordern, daß Kinder von Sozialhilfeempfängerinnen weiterhin per Nullschein die Kita besuchen können? Da hat die CDU überhaupt nicht geglänzt. Unseren Antrag, das wiederherzustellen, haben Sie abgelehnt. Ich messe Sie auch an Ihren Taten, und da fehlt sehr viel.
Wir wollen gerade für Kinder, daß ihre Bildungschancen – das fängt bei uns schon im Kindergarten an – unabhängig von Eltern sind und es nicht davon abhängt, ob die Eltern arbeiten oder nicht.
Aber auch im Schulbereich sieht es nicht besser aus, und daß dies nicht nur unsere Meinung ist, können wir gerade jetzt draußen auf dem Rathausmarkt sehr gut hören, dort ist mal wieder eine Demo gegen die rotgrüne Sparpolitik. Dort wird kritisiert, daß die Lernbedingungen in Hamburg nicht besser, sondern schlechter werden. Ich will zwei Beispiele nennen, wovon das eine gerade den Sozialdemokraten richtig weh tun muß, denn sie haben immerhin vor vielen Jahren etwas Gutes getan. Sie haben dafür gekämpft, daß die Gesamtschule eingeführt wird, und das war ein richtiger Schritt, um integratives Lernen umzusetzen und die Chancengleichheit für Kinder aus ärmeren
Familien zu erhöhen. Was machen Sie heute? Heute kürzen Sie im Gesamtschulbereich über 10 Millionen DM und nehmen wichtige Stunden weg; das ist keine soziale Politik.
Auch das zweite Beispiel ist aus dem Schulbereich.Die rotgrüne Koalition sagt, wir wollen, daß die Kurs-Frequenzen der Oberstufe angehoben werden, natürlich mit dem Gedanken im Hinterkopf, bei größeren Kursen brauchen wir weniger Lehrer.
Denn natürlich können sie die Schüler und Schülerinnen nicht teilen. Das heißt, wenn die Schüler in großen Kursen untergebracht sind, brauchen sie nicht mehr so viele andere Kurse anzubieten, und die von Ihnen gepriesene Vielfalt fällt völlig hinten herunter. Deswegen sind wir gemeinsam mit der Schülerinnenkammer, der GEW und den Eltern einer Meinung, daß die Lernbedingungen in Hamburg verbessert werden müssen.
Mich wundert, daß niemand der Vorredner davon gesprochen hat, daß in Hamburg die Kinderarmut immer stärker wird. Gerade die Schulpolitikerinnen und auch die Sozialpolitikerinnen müßten mitbekommen, daß immer mehr geklagt wird, es gebe Kinder, die ohne Frühstück in die Schule kommen, die kein Mittagessen bekommen. Es gibt Kinder, die kommen nach dem Wochenende fast ausgehungert in die Kindertagesstätte. Diesen Problemen müssen wir uns alle stellen. Deswegen hoffe ich doch sehr, daß Sie unseren Antrag unterstützen werden, flächendeckend für Hamburg Schulkantinen einzurichten, damit Schulkinder wenigstens einmal am Tag eine warme Mahlzeit bekommen.
Ich weiß nicht, ob Ihnen allen bekannt ist, daß in Hamburg mittlerweile fast jedes fünfte Kind Sozialhilfe bekommt. Ich will gar nicht auf die ganzen Einsparungen in der Sozialhilfe zu sprechen kommen, aber das heißt auch, diese Kinder haben viel mehr Schwierigkeiten in der Schule.Wenn Klassenreisen anstehen, können die nicht sagen, klar, wir fahren mit, die müssen das beim Sozialamt beantragen. Sie bekommen teilweise die Einschulungspauschalen nicht ausgezahlt. Deswegen wollen wir – da hoffe ich auch auf die Unterstützung der sozialen Herzen hier vor Ort –, daß im Sozialhilfebereich eine Pauschale für die Schulkinder eingeführt wird, die höher ist als die jetzige und die auch vorsieht, daß diese Schulkinder nicht stigmatisiert werden, weil sie sich zum Beispiel nicht die Kleidung kaufen können, die andere haben, weil sie sich keine zusätzlichen Bücher kaufen können. Da können Sie zeigen, daß Sie mit uns gemeinsam gegen Ausgrenzung von Kindern kämpfen wollen.
Ich sage aber gerne noch etwas zum Thema Sozialhilfe.Da ist auch Herr von Beust nicht derjenige, der sich vehement gegen die Kürzung im Sozialhilfebereich ausspricht. Wir wollen, daß die Einsparungen zurückgenommen werden. Wir können nicht sehen, daß der Antrag von Rotgrün, der
auf einmal eine ganz neue Errungenschaft preist, nämlich wesentlich mehr Pauschalierungen in der Sozialhilfe einzuführen, zum Erfolg führt, denn Ihre Begründung, wenn es mehr Pauschalen gäbe, dann hätten die Sachbearbeiterinnen mehr Zeit zum Beraten, ist ziemlich absurd.
Es ist nicht schwer, angesichts der Möglichkeiten, die Sozialhilfe bewirken kann, eine gute Beratung zu machen. Aber richtig unanständig ist das, was Rotgrün beantragt. Sie stellen fest:Wir sehen, daß die Arbeitsbedingungen im Sozialamt schlecht sind und es zu wenig Personal gibt.Und wie sieht Ihr Vorschlag aus? Liebe Sachbearbeiter im Sozialamt, wir sind bereit, eure Arbeitsbedingungen zu verbessern, aber das heißt: Wenn ihr es schafft, weniger Sozialhilfe auszuzahlen, wird das eingesparte Geld für die Verbesserung eurer Arbeitsbedingungen genommen. Das ist eine Riesenschweinerei.
(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke – Andrea Franken GAL: Das steht nicht im Antrag! – Petra Brinkmann SPD: Da steht nichts drin!)
Das steht in dem Antrag. Da werden Menschen gegeneinander ausgespielt. Wie soll eine Sachbearbeiterin eine vernünftige Beratung machen können, wenn es gleichzeitig heißt, sie muß weniger Geld auszahlen, wenn sie bessere Arbeitsbedingungen haben will?
Ich habe das sehr gut gelesen.Wir werden das mit Ihnen morgen in der Beratung zum Einzelplan 4 Wort für Wort durchgehen. Dann werden Sie feststellen, daß es stimmt, was ich sage.
Herr von Beust, ich würde Sie gern auf der richtigen Seite wissen und von Ihnen hören, daß Sie gegen diese Kürzungen sind. Sie haben zwar vorhin wunderbare Worte gesagt, aber bei den Taten fehlt es. Ich habe nicht in Erinnerung, daß Sie im letzten Jahr unserem Antrag, in dem wir uns gegen Kürzungen bei den Hamburger Öffentlichen Bücherhallen aussprachen, zugestimmt haben. Es ist schön, wenn Sie sagen, Sie finden die Entscheidung schlecht, aber Sie sollten dann auch die richtigen Maßnahmen ergreifen.
Wir vom REGENBOGEN werden weiterhin dafür einstehen, daß es für alle Hamburgerinnen und Hamburger mehr soziale Sicherheit gibt.Mit uns wird es keine Kürzungen auf dem Rücken der Kinder, der Jugendlichen und der Schwachen geben.
Herr Christier sprach von „Sozialromantik“. Sie haben sich darauf bezogen, aber er hat sogar gute Sachen gesagt. Er setzt sie zwar nicht um, aber wenn Sie es als Sozialromantik bezeichnen, daß sich Leute für Schwache einsetzen, ist das nicht richtig. Es ist wichtig, Kinder und die Jugend zu stärken, ihnen Perspektiven zu bieten, anstatt sie zu kriminalisieren.
Kommen wir zum Bereich der Wirtschaftspolitik.In der Wirtschaftspolitik – das habe ich im Laufe der Jahre festgestellt – gibt es bei allen drei Fraktionen einen einfachen Lehrsatz, der heißt: „Große Projekte gleich viel gut“.Was groß ist, ist immer gut. Das schafft viele Arbeitsplätze.
(Dr. Holger Christier SPD: Aber der Tuborg-Stand liegt uns auch am Herzen! Das hat uns erschüttert!)
Beginnen wir mit einem Großprojekt, das mittlerweile gut überprüfbar ist. Sie – seit 18 Jahren Parlamentarier – werden bestimmt wissen, daß immer gesagt wurde, Altenwerder wird uns 4000 neue Arbeitsplätze bringen. Nun ist Altenwerder schon relativ weit fortgeschritten, es gibt auch neue Zahlen. Sie finden gerade noch zwei Nullen, es wird maximal 300 neue Arbeitsplätze bringen. Das sollte Sie stutzig machen. Erstaunlicherweise kommt die Zahl 4000 noch einmal bei der DASA vor. Da soll uns der Bau des A3XX 4000 neue Arbeitsplätze bringen. Nun sind Sie zwar schon ein bißchen schlauer geworden, haben differenziert und diese Zahl mit 2000 echten und 2000 unechten Arbeitsplätzen etwas einfacher ausgedrückt.
Wir haben aber auf einem sehr kleinen Feld feststellen können, wie das eigentlich mit diesen Versprechungen geht.