Protokoll der Sitzung vom 11.12.2000

Wenn von einem 18-Milliarden-Haushalt 1,5 Prozent ungefähr 280 Millionen DM ausmachen und man ganz konservativ davon ausgeht, daß die Preissteigerungsrate 1,5 Prozent beträgt, müssen Sie bei dem, was Sie hier aufstellen, einmal daran denken, daß die Konsolidierungsleistung dieses Senats auch immer die Preissteigerungsrate auffangen mußte und damit real und substantiell weniger Geld zur Verfügung stand. Diese Art der Berechnung stellen Sie jedoch nicht an. Sie führen die Leute in die Irre und suggerieren ihnen, daß ein für alle wahrnehmbares anstrengendes Sparprogramm anscheinend keines gewesen ist. Das zeichnet Sie nicht als eine Fraktion aus, die eine solide Einschätzung für Konsolidierungsprogramme vornehmen könnte.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Ich möchte im weiteren Zusammenhang auf die Situation der Städte eingehen. Herr Salchow hat hier viel Richtiges zur Entfernungspauschale gesagt.An dieser Stelle möchte ich jedoch deutlich machen, daß er, wie ich meine, in diesem Hause nichts über das gesagt hat, was uns stört und was wir alle laut gesagt haben, daß es nämlich bei einer Entfernungspauschale mit dieser Staffelung ein Problem der Zersiedelung gibt, die wir von Hamburger Seite nicht unterstützen dürfen. Insofern ist es gut, Herr Salchow, daß Sie das mittragen. Ich kann Ihnen aber hier nicht den Gegenpart liefern und werde das auch nicht aus partei- oder wahltaktischen Gründen tun. An der Stelle haben Sie recht und wir auch; das haben wir schon immer gesagt.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Des weiteren möchte ich auf das Thema A3XX eingehen. Von Herrn Professor Salchow und auch von Herrn von Beust wurde bereits gesagt, daß sie es für eine richtige Entscheidung halten. Ich möchte aber die CDU noch einmal dringlich darauf hinweisen, daß es der Gipfel der Naivität ist, Herr Salchow,

(Rolf Kruse CDU: Das ist falsch, Frau Hajduk, und das wissen Sie!)

wenn Sie sagen, der A3XX kommt von allein nach Hamburg.

(Rolf Kruse CDU: Ne!)

Ich finde es in Ordnung, wenn Sie uns nochmals deutlich machen – was wir allerdings alle wissen –, daß das keine rein staatlich finanzierte Maßnahme ist. Daß Sie aber glauben, Politik müsse dafür nichts tun

(Dr. Roland Salchow CDU: Das habe ich auch nicht gesagt!)

das haben sie hier sehr deutlich gesagt – und Sie müßten es nicht ernst nehmen und realisieren, daß dieses Parlament eine schwerwiegende Entscheidung trifft, damit der

(Anja Hajduk GAL)

A3XX nach Hamburg kommt, finde ich schon allerhand. Es gibt auch eine andere Opposition im Haus, die das sehr kritisch sieht. Sie haben hier einige Dinge in belustigender Form dargeboten, die aber einer ernsthaften Auseinandersetzung für eine relativ weitreichende politische Frage in dieser Stadt nicht standhielten.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Ferner möchte ich noch auf die Vorschläge eingehen, die im Leitantrag der CDU zu finden sind. In einem ersten großen Schritt geht es – der Bürgermeister hat es in einer Art Zeitraffergeschichte beschrieben –, bei den gesammelten Vorschläge, die uns jetzt zum Ende der Legislaturperiode noch einmal komprimiert als 10-Milliarden-DMProgramm dargeboten werden, um ein Thema, bei dem ich seit der letzten Haushaltsdiskussion mittlerweile den Eindruck habe, daß es auch für die CDU ein gewisses Drama ist.

(Dr. Hans-Peter de Lorent GAL: Ja, das stimmt!)

Die Vermögensmobilisierung, die Sie einerseits immer gegeißelt haben, indem Sie sagten, wir würden das Vermögen zum Fenster hinaus schmeißen,

(Dr.Michael Freytag CDU: Ja, weil Sie es falsch ver- wenden!)

ist die, die Sie richtiger verwenden wollen.Und jetzt möchte ich Ihnen Ihr Drama beschreiben.

Im Grunde hat dieser Senat teilweise nichts anderes gemacht – deshalb scheuen Sie wahrscheinlich gerade dieses Thema bei diesem Haushalt –, als Vermögen in einem hohen dreistelligen Millionenbetrag mobilisiert – dabei komme ich noch einmal zum A3XX –, um es für ein Investitionsprojekt einzusetzen. Das einzige, das Sie in dieser Situation dazu wahrscheinlich noch sagen können, wenn Sie auch noch realisieren müssen, daß der Konsolidierungskurs klappt, ist: mehr davon und schneller davon.

Sie tun das auch auf der umgekehrten Seite. Dieser Senat hat gesagt, daß er das Konsolidierungsprogramm in einer strengen Weise durchgeführt habe und es auch noch im Jahr 2001 – das werden wir unterstützen – tun wird.Im Jahr 2002 wird er aber im Personalhaushalt kein Konsolidierungsprogramm auflegen.

(Rolf Kruse CDU: 2002 haben Sie überhaupt nichts mehr zu sagen!)

Das finden Sie wahrscheinlich auch richtig, und deswegen sagen Sie, daß Sie es vorziehen wollen und bereits in diesem Jahr 600 Stellen brauchen. Ihr Drama besteht darin, daß Sie von den Instrumentarien her nichts anderes vorzuschlagen haben, außer einer nicht glaubhaft dargestellten Verkaufsstrategie und einer wiederum widersprüchlichen und vermutlich wahlgeschenkorientierten Personaleinsatzstrategie.Es ist schwierig für Sie, wenn Sie über vier Jahre eine erfolgreiche Regierungspolitik in Sachen Haushalt angucken und sich immer dahinter verstecken müssen, wie es vor 23 Jahren war; wie es anderen Großstädten im Lande geht, kann ich nicht wissen, aber daß die statistischen Zahlen schlecht sind, wissen wir ja alle. Das reicht Ihnen schon.

(Rolf Kruse CDU: Dem Bürgermeister reicht der „Focus“! Ich erkenne das mittlerweile daran, daß Sie gar nichts an- deres vorschlagen, sondern es den Menschen in dieser Stadt in einem absurden Ausmaß ernsthaft verkaufen wol- len. (Dr. Michael Freytag CDU: Wir haben doch Vor- schläge gemacht!)

Ich will jetzt auch auf Ihre Vorschläge eingehen; denn ein Vorschlag ist es wert, auf ihn einzugehen.Sie schreiben davon, man solle teilweise privatisieren, Sperrminoritäten halten oder Public-private-partnership eingehen.All das macht dieser Senat, und es ist bekannt.

(Dr. Michael Freytag CDU: In Minimalform!)

Sie machen daraus nur einen Haufen, um sich noch ein bißchen obendrauf zu setzen.

Am Beispiel der Hamburger Wasserwerke möchte ich auf Ihren Vorschlag eingehen. Die Hamburger Wasserwerke arbeiten vielleicht lukrativ – nicht jeder bringt es auf 10 Milliarden DM –, aber daß Sie die HWW wählen, muß eine bewußte Entscheidung sein.Wenn Sie den Verkaufsvorschlag auf die Hamburger Wasserwerke beziehen, sollten Sie auch einmal darlegen, ob Sie es wirklich wollen, was Sie damit riskieren würden.

Man kann kurz und in einem Satz sagen, daß wir Daseinsvorsorge grundsätzlich nicht verkaufen. Das würde ich für falsch halten. Denn man muß bei der Aufgabe des Unternehmens auf die Einzelheiten gucken.Wir haben zum Beispiel die Aufgabe, den Bürgern einen anständigen Preis zu machen. Dabei läßt sich damit argumentieren, daß sich auch der Strommarkt seit der Privatisierung verbessert hat und man es beim Wasser genauso machen wolle.

Beim Wasser haben wir aber auch noch die Qualität des Trinkwassers und den besonders schonenden Umgang mit dieser Ressource zu berücksichtigen. Wenn Sie beispielsweise die Situation der Nordheide kennen, wissen Sie, daß es sehr viel Sinn macht, wenn die Hamburger Wasserwerke darauf ökologisch sensibel Rücksicht nehmen. Sie wissen dann auch – und das leisten die Hamburger Wasserwerke auch seit 1986 –, daß die HWW deswegen ihre Fördermengen um 22 Prozent gesenkt haben und daß der Wasserverlust durch Löcher im Rohrnetz weitgehend gering gehalten wird;er ist beispielsweise geringer als bei Privatisierungen, die es in England und Frankreich gibt.

Daher würde es mich interessieren, mit welchem Argument Sie die Hamburger Wasserwerke privatisieren wollen, wenn der Private, der auch an seinen Profit denkt, diese Maßnahmen, wie Rohrnetzverluste verringern und Rücksichtnahme auf Fördermengen vor ökologischem Hintergrund, die ich gerade beschrieben habe, berücksichtigen muß. Damit landen Sie nicht bei einem für das Gemeinwohl besseren Ergebnis.

(Dr. Michael Freytag CDU: Das stimmt nicht!)

Deswegen möchte ich Sie ausdrücklich bitten, bei Ihrem Verkaufsvorschlag der Hamburger Wasserwerke zu sagen, ob er die ökologischen Risiken und Qualitätsmerkmale beim Wasser abdeckt. Diese Aussage sind Sie uns bisher schuldig geblieben. Wenn Sie das tun, würde ich es Ihnen insofern hoch anrechnen, weil Sie dann mit Ihren Verkaufsgeschichten nicht nur ein Zahlenspiel betreiben würden, sondern auch einen inhaltlichen Beitrag zur Strategie Ihrer Fraktion leisten.

(Vereinzelter Beifall bei der GAL und SPD – Antje Möller GAL: Das kann er aber nicht beweisen!)

Zum Abschluß meines Beitrags möchte ich noch auf ein Argument der REGENBOGEN-Gruppe eingehen,

(Dr. Holger Christier SPD: Das muß nicht sein!)

(Anja Hajduk GAL)

den sie als Kritikpunkt in ihrem Antrag hat, und sagt, daß es ein Skandal wäre, wenn die Sozialhilfekosten in dieser Stadt sinken.

(Heike Sudmann REGENBOGEN – für eine neue Linke: Das haben Sie falsch verstanden!)

Ich halte es für eine Verkennung, daß gefordert wird – das steht im Antrag –, dieses als Deckungsbeitrag für etwas anderes zu nehmen. Sie sagen, diese Einsparung müsse zurückgenommen werden. Dazu muß ich Sie einmal ernsthaft fragen: Ist es nicht ein gutes Zeichen, wenn bei dieser gesetzlichen Leistung weniger Kosten anfallen? Das ist eine Entwicklung, die die Kommunen seit 15 Jahren nicht haben, die sie aber dringend brauchen, damit ihr Haushalt nicht automatisch in der Weise wie bei uns mit bis zu 12 Prozent durch Sozialhilfekosten belastet wird. Es wäre etwas anderes, als wenn gesagt wird, man verweigert die Sozialhilfe.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Sie müssen es noch mal hinterfragen, was es heißt, wenn man es durch Politik schafft, daß keine Sozialhilfekosten mehr anfallen. Dann ist das eine erfolgreiche Politik. Sie können uns nicht immer die Mär verkaufen, daß es eine Verweigerungslogik aus den Ämtern heraus gibt. Dazu müssen Sie den Nachweis stärker antreten. Wir wissen auch, daß es problematische Einzelfälle gibt,

(Heike Sudmann REGENBOGEN – für eine neue Linke: Ach!)

aber sie sind kein politisches Programm.Sie diffamieren immer das gesamte Parlament in der Richtung,

(Beifall bei der GAL und der SPD)

als ob sich hier irgend jemand schon mal dafür ausgesprochen hätte, daß jemand, dem die Sozialhilfe zusteht, sie nicht bekommen soll. Das weise ich von mir, meiner Fraktion und der Regierung zurück.

(Beifall bei der GAL und der SPD – Uwe Grund SPD: Sehr richtig!)

Am Ende meiner Rede komme ich dazu, daß wirkliche Reformansätze einen gewissen Mut erfordern.Die Opposition gibt uns aber immer den Rat, notwendige Reformen lieber nicht durchzuführen.