Protokoll der Sitzung vom 11.12.2000

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke und bei Karen Koop CDU)

Grüne Ziele für diese Legislatur waren zum Beispiel die Novellierung des Hamburger Gleichstellungsgesetzes, bei dem unter anderen die Frauenbeauftragten hinsichtlich ihrer Aufgaben, Kompetenzen und ihrer Wahl zur Freistellung gestärkt werden sollten, die Sicherstellung des Mitbestimmungsrechts von Frauen bei Personalentscheidungen oder die Einrichtung von kommunalen Frauenbüros in allen Bezirken.

Das Senatsamt selber sollte innerhalb des Senats ebenfalls gestärkt werden.Es sollte erwirkt werden, daß das Senatsamt an allen Gesetzesvorlagen und Maßnahmen der Fachbehörden von der Planungsphase an beteiligt ist und daß es über ein generelles aufschiebendes Vetorecht verfügt.

(Karen Koop CDU: Eben!)

Nichts davon ist passiert, obwohl alle Forderungen nach wie vor absolut richtig und notwendig sind. Im Gegenteil. Das Senatsamt begräbt sich langsam selbst.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Eine ehemalige Mitarbeiterin des Senatsamts berichtet seit Einzug der unambitionierten Senatorin Sager im Senatsamt dementsprechend folgendes:

„Die Gänge des Senatsamts wirken heute leer und grau. Es riecht muffig, die Atmosphäre kafkaesk wie im Knast. Nur noch selten kommen Vertreterinnen von Frauenprojekten hier vorbei. Im Vergleich zum Aufbruch von vor 20 Jahren verdeckt die starre Hierarchie, die hier Einzug gehalten hat, nur notdürftig politische Ziellosigkeit. Autoritäre Verhaltensweisen sind den früher üblichen kommunikativen Umgangsweisen gewichen. Der hohe Krankenstand unterstreicht die Kraftlosigkeit. Viele gute Ideen, die auch heute noch entstehen, überleben den langen Weg bis zur Behördenleitung oft nicht. Mittwochs kommt ängstliche Geschäftigkeit auf, weil donnerstags immer ,S‘ kommt, also die Senatorin. Selten läßt sich ,S‘ jedoch zu einem direkten Gespräch mit den Referentinnen herab.So manche mit Sachverstand erarbeitete Vorlage landet dann ohne Begründung im Papierkorb oder wird dem Aktenschrank einverleibt.“

Es stellt sich insofern tatsächlich ernsthaft die Frage, ob die Grünen es nicht so weit gebracht haben, das Senatsamt in den Ruin zu führen, ein staatliches Frauenressort, das sich selbst beerdigt, das nicht mehr Kompetenzen erstreitet, das über so gut wie keine Finanzmittel verfügt und das von einer lustlosen Frau an der Spitze geleitet wird. Hat dieses Senatsamt überhaupt noch eine Existenzberechtigung?

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke und vereinzelt bei der CDU – Dr. Holger Christier SPD: Was ist denn das für eine Frauensolidarität!)

Frau Sager hat es genau darauf angelegt. Immerhin hat sie im letzten Jahr auf der Veranstaltung zum zwanzigjährigen Jubiläum des Senatsamt über diese Möglichkeit, nämlich die Auflösung des Senatsamts, philosophiert.Da kann man eigentlich nur sagen: Zum Glück wird Frau Sager bald abgelöst.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke und vereinzelt bei der CDU)

Ein wesentliches Problem dieser apokalyptischen Stimmung des Senatsamts und der staatlichen Frauenpolitik ist, daß viele dieser Staatsfrauen leider gar nicht mehr mit dem vertraut sind, was eigentlich los ist.Im kommenden Jahr will sich das Senatsamt zum Beispiel unter anderem – zumindest laut Ankündigung – endlich mit dem Gender-Mainstreaming befassen. Das wäre in der Tat eine sehr gute Idee, wenn das Senatsamt in die Strümpfe kommt, und es ließe sich von anderen Bundesländern schon einiges abgucken. Liest man aber die Pressemitteilung der Staatlichen Pressestelle zur Gleichstellungspolitik im Jahre 2001, muß man sich sehr wundern. Die Forderungen nach dem Instrument Gender-Mainstreaming wird dort damit begründet, daß erstens die wichtigste Botschaft dabei sei, daß Gleichstellungspolitik keine zusätzliche Belastung der Verwaltungsreform ist und daß sich zweitens gezeigt habe, daß gemischtgeschlechtliche Teams effizienter arbeiten, wenn man geschlechtsspezifische Fähigkeiten und Unterschiede gezielt nutzt.

Zu erstens muß ich überhaupt nicht viel sagen, denn wer nur darauf abzielt, daß Gleichstellungspolitik bloß keine Belastung sein darf, kann eigentlich schon gleich seinen Hut nehmen.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke und bei Karen Koop CDU)

Zu zweitens muß leider festgestellt werden:Um die gezielte Nutzung geschlechtsspezifischer Unterschiede geht es beim Gender-Mainstreaming gar nicht. Im Gegenteil. Der Gender-Mainstreaming-Ansatz entspringt nicht der feministischen Differenztheorie, die die Unterschiede zwischen Frauen und Männern betont, sondern der Gender-Theorie. Mit diesem theoretischen Ansatz soll deutlich gemacht werden, daß das, was landläufig als männlich und weiblich verstanden wird, nichts mit den biologischen Geschlechtern zu tun hat, sondern daß es sich um Rollen handelt, die nichts weiter sind als sozio-kulturell bedingte Zuschreibungen.

Um es kurz zu machen: Das Gender-Mainstreaming ist deswegen fortschrittlich, weil es von der Vorstellung wesensmäßiger Unterschiede zwischen Frauen und Männern abrückt und statt dessen dort ansetzt, wo die real erkennbaren Unterschiede, zum Beispiel bei der Wahrnehmung von Vollzeit- oder Teilzeitarbeitsplätzen, als Reflexe auf die gesellschaftlichen Lebensbedingungen erkannt werden, die ungerecht sind und deswegen abgeschafft gehören. Das Senatsamt oder Frau Sager hat offensichtlich von der

(Julia Koppke REGENBOGEN – für eine neue Linke)

A C

B D

ganzen feministischen Debatte der letzten Jahrzehnte nichts mitbekommen. Ich kann mir auch nicht vorstellen, daß sie das gendertheoretische Buch, nämlich Judith Butlers „Das Unbehagen der Geschlechter“, überhaupt einmal gelesen hat, das immerhin schon zehn Jahre auf dem deutschsprachigen Markt ist. Mehr möchte ich an dieser Stelle nicht zum Thema Gender-Mainstreaming sagen.

(Dr. Martin Schmidt GAL: Donnerwetter!)

Ich möchte noch auf einen einzigen Punkt eingehen, und zwar noch einmal auf den Arbeitsmarktbereich.

Da hat sich zu meiner Kritik im letzten Jahr nicht viel geändert, da sich die Ausrichtung des Senatsamt hier auch nicht geändert hat. Insofern verweise ich erst einmal global auf meine Rede vom letzten Jahr, die im Protokoll nachzulesen ist.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Das Senatsamt betont immer noch als ideale Frauenjobs Callcenter und Telearbeit. Ich betone ausdrücklich, daß ich diese Arbeitsverhältnisse nicht als explizite Frauenjobs empfehlen möchte. Die Fraktionen – insbesondere die SPD, die hier immer ordentlich in die Kerbe schlägt – sollten hier lieber einmal umdrehen. Gerade Telearbeit sollte man als Männerarbeit und nicht als Frauenarbeit postulieren. Wenn sich irgend jemand damit auseinandersetzen sollte, Kindererziehung und Berufsleben über Telearbeit miteinander zu kombinieren, sind das bestimmt die Männer und nicht die Frauen.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Insofern bin ich nach wie vor der Auffassung, daß es unser aller politisches Ziel sein sollte, Frauen eine eigene, dauerhaft existenzsichernde Perspektive in dieser Gesellschaft zu verschaffen nach den altbekannten Stichworten, die in diesem Zusammenhang lauten: „Umverteilung aller gesellschaftlichen Ressourcen“, „Radikale Arbeitszeitverkürzung“ und „Die gleichmäßige Verteilung der Familienarbeit sowie der vorhandenen Erwerbsarbeit bei existenzsicherndem Einkommen auf Frauen und Männer“. Nach unserer Auffassung gibt es also viel zu tun. Das Senatsamt könnte eigentlich endlich die Ärmel hochkrempeln und anfangen.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Das Wort erhält Senatorin Sager.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich muß leider doch noch ein Wort zu dem Zitat sagen, das hier so breit dargelegt wurde. Dieses Zitat stammt von einer Dame, die einige Monate lang im Senatsamt für die Gleichstellung einen Werkvertrag hatte, um einen Bericht über die Geschichte der Leitstelle zu schreiben.

Schon nach wenigen Wochen war diese Dame nicht mehr bereit, mit einer anderen Mitarbeiterin als mit der persönlichen Referentin der Senatorin zu sprechen. Als die persönliche Referentin versuchte, den von dieser Dame zu erstellenden Bericht fertigzubekommen, war diese Dame nur noch bereit, mit der Senatorin zu sprechen. Sie wollte dringend mit der Senatorin sprechen, weil sie das Gefühl hätte, andere Mitarbeiterinnen wären sozusagen tendenziell ihr gegenüber gewalttätig.

Ich war froh, als diese ganze Episode beendet war, habe es aber bisher vorgezogen, über diese paranoiden Nei

gungen den Mantel des Schweigens zu decken.Aber wenn Sie jetzt meinen, mit dieser Geschichte auf den Markt zu gehen, will ich auch etwas dazu sagen, wie diese Dame vielleicht zu ihrer Einschätzung gekommen ist.

(Uwe Grund SPD: Das reicht!)

Das reicht wirklich.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Zweite Bürgermeisterin Krista Sager (fortfahrend): Nein.

Frau Koop, ein Wort zu Ihnen. Sie haben mit einer Sache zweifelsohne Recht. Zur Gleichstellungspolitik gehört sehr viel Beharrlichkeit, beispielsweise dafür zu sorgen, daß Frauen in Gremien und in Einrichtungen angemessen repräsentiert werden. Ich kann Ihnen versichern, daß das Senatsamt für die Gleichstellung auf diese Repräsentation von Frauen in Gremien nicht nur sehr beharrlich hinwirkt, sondern auch mit großem und nachhaltigem Erfolg.

Ich bin ein wenig traurig, daß sich meine Kompetenz in dieser Sache nicht auf die CDU-Fraktion erstreckt.

(Karen Koop CDU: Gott sei Dank!)

So traurig wie in Ihrer Fraktion sieht es kaum irgendwo in der Gesellschaft aus.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Da Sie hier auch die Hochschulen angesprochen haben, kann ich Ihnen versichern, daß wir selbst beim Anteil der Frauen an der Professorenschaft über dem Bundesdurchschnitt liegen, daß Gleichstellung auch Gegenstand der Ziel- und Leistungsvereinbarungen mit den Hochschulen sind und daß wir sogar die Mittelvergabe an Ergebnisse in der Gleichstellung binden werden.

Meine Damen und Herren! Ein Schwerpunkt des Senatsamts für die Gleichstellung im letzten Jahr wird auch ein Schwerpunkt im nächsten Jahr sein, nämlich das Thema „Frauen in der Informationsgesellschaft und in den Informationstechnologien“. Wir haben in der Tat die Aufgabe, dafür zu sorgen, daß die Chancen von Frauen mit der Veränderung unserer Gesellschaft durch die Informationstechnologien erstens genutzt werden und sie zweitens an diesen neuen Lehr- und Lernkulturen auch partizipieren. Wir hätten ohne die „digitelle“, die wir mit großem Erfolg zusammen mit dem Mikroelektronik Anwendungszentrum in Hamburg im Channel Harburg durchgeführt haben, sicher nicht den Erfolg erzielt, im nächsten Jahr eine internationale Konferenz nach Hamburg zu holen, die das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend plant. Diese internationale Konferenz wird unter der Beteiligung von Schweden stattfinden. Schweden hat im nächsten Jahr die Ratspräsidentschaft in der EU und wird einen Schwerpunkt auf das Thema Gleichstellung und Informationstechnologien legen, und wir haben hier bundesweit die Nase vorn.

Wir haben eine Untersuchung zum Thema „Berufschancen von Frauen im Multimediabereich“ in Auftrag gegeben, deren Ergebnisse wir im Sommer 2001 vorstellen werden. Hier geht es ganz konkret darum, Handlungsansätze zu identifizieren.

Frau Koop, an dieser Stelle etwas zum Thema Gutachten. Sie haben den Eindruck erweckt, als hätten wir ein Gut

(Julia Koppke REGENBOGEN – für eine neue Linke)

achten zum Thema Migrantinnen in der Stadt Hamburg nur mit dem Zweck in Auftrag gegeben, daß dann hinterher jemand dicke Gutachten lesen muß. Das ist aber nicht der Fall, sondern es ging darum, in einem Praxisprojekt im Stadtteil Dulsberg exemplarisch an einem Stadtteil einen Prozeß in Gang zu bringen,

(Karen Koop CDU: Haben Sie das gelesen?)

wie sich soziale Einrichtungen auch für den Teil der Bevölkerung öffnen, der aus Migranten-Familien kommt, und hier ganz besonders für Frauen, da Frauen sich um die Themen dieser Beratungseinrichtungen wie Familienprobleme, Probleme mit den Kindern ganz besonders kümmern.Tatsache ist, daß dieser eingeleitete Prozeß schon zu konkreten Veränderungen in Dulsberg selbst geführt hat