Das Konzept „Justiz 2000“ hat Herr Hoffmann-Riem, Richter des Bundesverfassungsgerichts, als Hochglanzdarstellung bezeichnet. In diesem Programm beschreiben Sie die Vernetzung, die kreative Zusammenarbeit aller Mitarbeiter und eine neue Diskussionskultur. Eine Diskussionskultur gibt es in Ihrem Bereich nicht, ob Sie in die Deputation, in den Richterwahlausschuß, in die Richterschaft oder die Staatsanwaltschaft schauen. Dort herrscht wegen Ihrer Selbstherrlichkeit und Ihrer Besserwisserei ein eisiges Klima.
Auch in Berlin, auf das Sie sich so gern berufen, gibt es keine Diskussionskultur. Ich habe noch nie erlebt, daß die gesamte Richterschaft und alle Rechtsanwälte der Bundesrepublik sowie der Bundesrat den Vorschlägen Ihrer Kollegin Däubler-Gmelin bei der Änderung des Zivilprozeßrechtes oder bei der Mietrechtsreform entgegenwirken. Es gibt ein breites Echo der Ablehnung, und es wird offen gesagt, Frau Däubler-Gmelin sei intransigent und beratungsresistent.
Frau Senatorin, es wird ja Ihr letztes Amtsjahr sein. Ich sage Ihnen: Für Sie und Ihre Berliner Kollegin gilt: Rechthaberei ersetzt nicht die Auseinandersetzung mit denen, die im juristischen Feld arbeiten.
Herr Klooß, ich wundere mich, daß Sie hier – ich spreche für alle Abgeordneten – den Kontaktsperreerlaß, den Maulkorberlaß vom 14. Juni 1999, kritisch erwähnt haben, der dem Gerichtspräsidenten und der Generalstaatsanwältin den direkten Umgang mit Ihnen und mit meinen Kolleginnen und Kollegen untersagt.
In Einzelfällen, so schreibt die Senatorin, sei sie gern bereit, zusammen mit den Richtern einzelnen Abgeordneten Fragen zu beantworten.
Frau Senatorin, daß Sie den Richtern diesen Maulkorb nicht umhängen durften, habe ich Ihnen wiederholt gesagt. Er entspricht nicht der Gewaltenteilung und der Unabhängigkeit der Justiz. Sie sind hier aber völlig unbelehrbar. Ich versuche es heute einmal mit zwei Vergleichen.
Erster Vergleich: Wenn vor hundert Jahren auf dem Jungfernstieg ein junger Mann ein junges Mädchen treffen wollte, dann mußte eine Anstandsdame dabei sein. So sollen Abgeordnete mit Gerichtspräsidenten umgehen.
Zweites Beispiel: Wenn Gefangene ihre Angehörigen im Sprechzimmer der Haftanstalt treffen, dann muß ein Vollzugsbeamter dabei sein. So sollen direkt gewählte Abgeordnete mit Gerichtspräsidenten umgehen. Herr Klooß, kann das richtig sein?
Ich wende mich mit einem letzten und ernsten Punkt an Herrn Klooß als einen Parlamentskollegen: Ich mache mir immer wieder Sorgen über den Verfall der demokratischen
und parlamentarischen Sitten in diesem Hause. Ich wende mich insbesondere mit dieser Sorge an Sie. Können Sie sich nicht einmal mit Ihren Fraktionskollegen mental und auch faktisch aus der Hörigkeit gegenüber der Senatorin lösen? Sie und Ihre Kolleginnen und Kollegen sind unabhängige Abgeordnete.
Es war ein Trauerspiel ohnegleichen, als die notwendige Ergänzung des Hamburger Richtergesetzes zur Wahl der Mitglieder des Richterwahlausschusses anstand. Die Notwendigkeit eines neuen Wahlverfahrens liegt auf der Hand, sie drängt sich geradezu auf. Ohne Not folgten Sie dem, was Sie als Koalitionsräson verstehen: Sie stimmten den Entwurf im Rechtsausschuß nieder, nur weil er von der Opposition kam. Herr Klooß, eine parlamentarische Diskussion war überhaupt nicht mehr möglich.
Wir haben es bewirkt – das möchte ich ausdrücklich positiv vermerken –, daß in der letzten Sekunde der Entwurf vom Plenum in den Rechtsausschuß zurücküberwiesen werden konnte.
Herr Professor Karpen, so geht das nicht. Sie können nicht einerseits den Anstand, die Souveränität und das Selbstbewußtsein des Parlaments einfordern und andererseits mit solchen Reden agieren. Das geht einfach nicht.
(Beifall bei der GAL und der SPD – Dr. Roland Salchow CDU: Doch! – Heino Vahldieck CDU: Das ist die vornehmste Pflicht!)
Es ist wirklich ärgerlich und nicht das erste Mal, wie Sie hier, anstatt inhaltliche Konzepte zu liefern, auf einer persönlich diffamierenden Ebene gegen die Senatorin und Herrn Klooß agieren. Das ist eines Parlaments unwürdig
und fällt letztlich auf Sie zurück, wenn Sie hier mit Altherrenphantasien wie die Hörigkeit von Herrn Klooß gegenüber der Senatorin agieren.
(Beifall bei der GAL und der SPD – Carsten Lüde- mann CDU: Das ist eines Parlaments auch unwür- dig!)
Es wäre doch wirklich interessanter gewesen, einmal die Inhalte Ihrer kürzlich herausgegebenen Broschüre im Detail darzustellen. Wenn Sie die besseren Konzepte haben, warum legen Sie sie hier nicht dar? Das wäre der parlamentarischen Debatte und der Haushaltsdebatte angemessen. Statt dessen reden wir hier immer über denselben Blödsinn, den angeblichen Kontaktsperreerlaß. Dazu hat die Diskussion gerade erst angefangen. Wir anderen Parlamentarier verfügen erst jetzt über Unterlagen und müssen sie lesen, um zu verstehen, worum es genau geht; das können Sie einfach nicht machen.
(Beifall bei der GAL – Dr. Roland Salchow CDU: Die Grünen interessieren sich nicht mehr für die Grund- rechte des Parlaments, Frau Präsidentin!)
Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Dann ist die Debatte über den Einzelplan 2 abgeschlossen, und ich komme zu den Abstimmungen.
[Senatsmitteilung: Stellungnahme des Senats zu dem Ersuchen der Bürgerschaft vom 12./13. Juli 2000 (Drucksache 16/4480) – Schulische und berufliche Qualifizierung und Wirtschaftlichkeit der Betriebe in den Justizvollzugsanstalten – – Drucksache 16/5048 –]
Zunächst stelle ich fest, daß die Bürgerschaft von der Senatsmitteilung 16/5048 Kenntnis genommen hat.
[Bericht des Rechtsausschusses über die Drucksachen 16/4412: Abschiebehaftabteilung in der JVA III Glasmoor (CDU-Antrag) 16/4535: Abschiebehaftabteilung in der JVA III Glasmoor (Antrag der Gruppe REGENBOGEN – für eine neue Linke) – Drucksache 16/5202 –]
Ebenfalls Kenntnis genommen hat die Bürgerschaft von der Nummer 1 des Petitums aus dem Bericht 16/5202 des Rechtsausschusses.
Wer der Empfehlung zu Nummer 2 aus diesem Bericht zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke schön. Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Die Bürgerschaft ist mit Mehrheit der Empfehlung gefolgt.