Das war ein freundlicher Start, aber das geht natürlich nicht, daß man die Redezeit um so viele Sekunden überzieht.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ganz im Gegensatz zu Herrn Schmidt stellt die CDU fest, daß das BSE-Krisenmanagement der vergan
genen Tage die Glaubwürdigkeit des Senats und insbesondere der Senatorin Roth erneut erschüttert hat.
Vorweg will ich jedoch klarstellen: Jeder Mensch geht anders mit der Gefahr durch BSE um, und Rindfleisch ist nicht gleich BSE. Aber es ist Aufgabe der Politik, den Verbrauchern die Souveränität zu geben, selbst darüber zu entscheiden, ob sie Rindfleischprodukte meiden wollen oder nicht. Dazu ist die korrekte Kennzeichnung der Produkte Voraussetzung.
Doch Frau Roth reiht sich nahtlos in das Krisenbewältigungschaos der zurückgetretenen Bundesminister ein.
Sie geht am 10. Januar vor die Presse und sagt, 29 von 116 Proben seien falsch, davon 16 klar betrügerisch. Sie nennt aber keine Namen, kündigt Strafverfolgung an und erweckt den Eindruck, daß eine zentrale Stelle bei der Staatsanwaltschaft eingerichtet werden soll. Zu Recht hat sie sich damit den Vorwurf eingehandelt, wer keine Namen nennt, nennt alle, damit auch die ehrlichen, und trägt zur weiteren Verunsicherung der Verbraucher bei.
Durch die Presse am selben und am nächsten Tag wird klar, daß bei den zuständigen Bezirksämtern die Ergebnisse dieser Proben noch gar nicht bekannt sind, daß Konsequenzen über den Umgang damit noch gar nicht gemeinsam besprochen sind. In der Staatsanwaltschaft ist von einer Sonderstelle nicht die Rede, man habe lediglich über eine schnelle Bearbeitung gesprochen.
Am 11. Januar bekommen wir vom Senatsbüro auf die Schriftliche Kleine Anfrage von Wolfgang Beuß die Antwort, in der die Zahlen stehen. Diese Antwort erhält den Stempel vom 9. Januar. Warum liegt diese Antwort zwei Tage beim Senat? Offenbar so lange, bis Frau Roth ihre Pressekonferenz geben konnte. Dazu paßt, daß am Tag vor der Pressekonferenz im Gesundheitsausschuß unter „Verschiedenes“ lediglich grobe Informationen gegeben wurden. Weitere Recherchen haben ergeben, daß die Zahlen bereits am Montag, dem 8. Januar, in der Deputation bekannt waren.
Obwohl die Ergebnisse mehrere Tage bekannt waren, war Senatorin Roth offenbar nicht in der Lage, die Ergebnisse an die zuständigen Bezirke weiterzugeben und mit den Beteiligten Konsequenzen abzustimmen.
Was ist aus Ihren Betrugsvorwürfen und der angekündigten schnellen Reaktion geworden? Heute, am 24. Januar, liegt eine Anzeige bei der Staatsanwaltschaft über vier Fälle aus Wandsbek vor. Wo sind all die anderen Fälle geblieben, meine Damen und Herren? Frau Roth, dieses ist eine Chronik des unfähigen Krisenmanagements. Was sollen Ihnen die Abgeordneten, die Presse und die Öffentlichkeit eigentlich noch glauben?
Das Ganze wird durch weitere Ungereimtheiten noch verschärft. In der Schriftlichen Kleinen Anfrage von Herrn Beuß wird der Senat gefragt, ob die jetzt durchgeführten Überwachungen von Wurstwaren ausreichend sind. Da sagt der Senat knapp und bündig:
Es ist zu begrüßen, daß jetzt weitere Testaktionen erfolgen und daß auf Druck der anderen Bundesländer zukünftig auch Namen von Produkten und Herstellern genannt werden.
Frau Roth, es ist Zeit, zu handeln. Sorgen Sie für die umgehende Anzeige der Urheber der falschen Etikettierungen, nennen Sie die Namen der betrügerischen Etikettierung, und führen Sie weitere Tests der Lebensmittel in Hamburg durch. Sorgen Sie für eine enge Abstimmung aller Maßnahmen der zuständigen Behörden, und, Bürgermeister Runde, bündeln Sie alle Aspekte des Verbraucherschutzes in einer Behörde.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich hatte mir die Debatte eigentlich etwas anders vorgestellt. Herr Wersich, Sie wären der erste gewesen, der hier von einem Skandal gesprochen hätte, wenn beispielsweise ein Druckfehler zu einer fehlerhaften Namensnennung geführt hätte. Sie hätten gesagt, da werden Firmen beschimpft und unrechtmäßig zur Verantwortung gezogen.
(Beifall bei Elisabeth Schilling SPD – Petra Brink- mann und Dr. Holger Christier, beide SPD: Genau!)
Es kann nicht das Ziel sein, hier über Verbraucherschutz zu reden und dann zu sagen, das Entscheidende ist, daß man Namen nennt oder daß man sie nicht nennt. Ich bin ebenfalls der Meinung, man kann Namen nennen, wenn man weiß, daß falsch deklariert wurde. Der Hinweis auf das Produktsicherheitsgesetz geht von anderen Voraussetzungen aus und ist genauso richtig. Deswegen ist das Verfahren, das jetzt gefunden wurde, überzeugend. Es wird in mehreren Bundesländern gleich verfahren, aber das Ziel muß sein, daß alle gleich verfahren. Nur dann kann man zu einer Sicherheit für die Verbraucher und Verbraucherinnen kommen.
Das Vertrauen in die hamburgischen Behörden ist da. Daß man auf eine Situation, wie sie sich jetzt durch BSE stellt, nicht mit dem ersten Satz, den man dafür in die Öffentlichkeit gibt, gleich den allumfassenden Weg vorgeschlagen und entwickelt hat, ist hier nicht strittig. Aber entscheidend ist, daß die Behörden klarmachen, wohin es gehen soll. Aber über die Wege, wohin es dann gehen wird, muß man sich erst einmal gemeinsam mit den anderen Bundesländern abstimmen.
Mir geht es vielmehr darum, darüber zu reden, wie wir die Verbraucher- und Verbraucherinnensicherheit zurückgewinnen. Wie bekommt man nach der jahrzehntelangen Liste von Nahrungsmittelskandalen überhaupt wieder die Wende hin? Wie können wir es erreichen, in einem Bundesland wie Hamburg zu sagen, die Nahrungsmittel, die wir euch hier anbieten, sind gut, sind sicher, und das können wir auch noch garantieren? Das ist die Frage und die Kernaufgabe des Verbraucherschutzes, der vom Senat und von den Behörden ausgehen muß.
Dieser Industriezweig der Agrarindustrie ist am Ende. Wir brauchen einen Strukturwandel in der Landwirtschaft. Da reicht leider nicht die einfache These: Wir stellen alles auf Ökolandbau um. Das dauert erstens viel zu lange, ist für andere Betriebe gar nicht möglich, ruiniert Existenzen, was auch niemand will. Also muß man nach regionalen Zwischenlösungen und Entwicklungschancen für die Landwirtschaft suchen. Über so etwas würde ich hier gerne diskutieren.
Man muß natürlich auch andersherum sagen, wie können die regionalen Märkte, die Handelsketten, die Läden, überhaupt von sich aus agieren, um die Sicherheit für den Verbraucher zu garantieren oder zumindest das Vertrauen zurückzugewinnen? Darüber sollten wir eine Debatte führen. Vielleicht kommen wir in der nächsten Runde noch ein bißchen dazu.
Wie man in Hamburg mit BSE-Fällen umgeht – sollte das tatsächlich passieren –, ob zum Beispiel die Herdenschlachtung nötig ist, halte ich im Gegensatz zu meinem Vorredner von der SPD für wissenschaftlich noch nicht entschieden. Das ist für uns das Fatale an der BSEDebatte. Man schlägt morgens zwei Zeitungen auf und hat drei verschiedene Meinungen zu den neuesten Entwicklungen bei BSE. Wissenschaftliche Meinungen genauso wie politische oder sogar welche aus den jeweiligen Lobbygruppen, die sich um ihre eigene Existenz kümmern, sind das politische Problem an BSE. Deswegen sollten wir es uns mit den Lösungen nicht so leicht machen und vor allem auch nicht mit den festlegenden Statements.
Was von der CDU an sonstigen inhaltlichen Strukturvorschlägen oder konstruktiven Vorschlägen zur Lösung der Vertrauenskrise bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern, aber auch zur Lösung der anstehenden Existenzkrise bei den landwirtschaftlichen Betrieben kommt, ist mau. In Hamburg ist überhaupt nichts gekommen, aber vielleicht gibt es noch eine zweite Diskussionsrunde.
Aber auch auf Bundesebene und vor allem natürlich aus dem landwirtschaftlichen Vorzeigeland der vorigen Bundesregierung kommt leider nichts.