Protokoll der Sitzung vom 09.05.2001

Um gut qualifizierte Fachkräfte aus dem Ausland an Hamburg binden zu können, müssen wir vor allem unsere Hochschulen noch internationaler ausrichten. Eine Schlüsselrolle kommt hierbei der englischen Sprache zu. Angesichts der fortschreitenden Globalisierung ist die frühzeitige Orientierung auf Zweisprachigkeit erforderlich. Hier haben wir in Hamburg einen sehr guten Weg beschritten. Jetzt kommt es darauf an, Englisch als Fachsprache noch stärker auch an den Hochschulen zu verankern. Dies würde vielen ausländischen Studierenden den Weg nach Hamburg erleichtern.

Darüber hinaus halte ich Nachbesserungen bei der Greencard für erforderlich. Einiges ist bereits geschehen. Bei der zeitlichen Befristung der Arbeitsgenehmigung auf fünf Jahre, dem vorgeschriebenen Mindestverdienst von 100 000 DM pro Jahr bei Nicht-Hochschulabsolventen und den Beschränkungen beim Familiennachzug sind großzügigere Regelungen notwendig. Ich meine, mit entspre

(Norbert Hackbusch REGENBOGEN – für eine neue Linke)

chenden Lockerungen können deutlich mehr IT-Spezialisten aus Nicht-EU-Ländern nach Deutschland geholt werden.

Gerade weil auch andere Nationen, wie etwa die USA oder die Niederlande, die sich darum bemühen, Fachkräfte ohne Aufenthaltsbegrenzung ins Land zu holen, eine starke internationale Konkurrenz um heißbegehrte Spezialisten darstellen, macht dies insbesondere erforderlich, daß wir vor allem für den Fachkräftenachwuchs in diesem Bereich selbst sorgen müssen. Allein in Hamburg fehlen insgesamt 6000 Arbeitskräfte im IT-Bereich.

Der vorliegende Senatsbericht zeigt, daß wir hier auf dem richtigen Weg sind. Für den multimedialen Unterricht an den allgemeinbildenden Schulen investiert Hamburg pro Jahr etwa 13 Millionen DM in die technische Ausstattung und in die Fortbildung der Lehrkräfte. Hamburgs Universitäten und Fachhochschulen bieten ein äußerst breites Spektrum an Studiengängen im IT-Bereich an. Insgesamt sind in den relevanten Studienfächern rund 4500 Studierende eingeschrieben.

Besonders wichtig erscheint mir, daß die Studienangebote in enger Abstimmung mit der Internetwirtschaft derzeit weiterentwickelt werden. Auch die Hamburger Wirtschaft hat inzwischen erkannt, daß kein Weg an der eigenen Ausbildung und Qualifizierung von Computerspezialisten vorbeiführt. Die Gründung der Media-City-Academy, der ersten privat finanzierten internationalen Ausbildungs- und Weiterbildungsakademie im Medienbereich, zeigt, daß sich auch die Hamburger Unternehmen der neuen Herausforderung durchaus bewußt sind.

Besonders erfreulich ist die Situation auf dem Ausbildungsmarkt. Allein im vergangenen Jahr ist die Zahl der Ausbildungsplätze in den Informations- und Kommunikationstechnologien gegenüber dem Vorjahr um 519 – das sind 82 Prozent – gestiegen. Gegenwärtig bilden Hamburger Firmen 1151 Jugendliche in IT-Berufen aus. Unser Ziel ist es, die Anzahl der Auszubildenden in diesem Bereich in den nächsten Jahren zu verdreifachen.

(Beifall bei der SPD)

Weil die Jahrgangsstärken der jungen Generation in den nächsten Jahren aber drastisch sinken werden, werden wir wohl – und dies ist meine ganz persönliche Auffassung – auch nicht darum herumkommen, die Ausbildungszeiten insgesamt zu verkürzen. Kein anderes EU-Land leistet sich so lange Ausbildungszeiten wie wir.

Schließlich kommt es in Zukunft darauf an, verstärkt das Begabungspotential von Frauen und Mädchen für die neuen Berufe zu erschließen. Nur 10 Prozent der Jobs im IT-Bereich sind von Frauen besetzt. 13 Prozent der Auszubildenden und nur 17 Prozent der Studienanfänger im Fach Informatik sind weiblich. Ich wünsche mir, daß an den Schulen, der Universität und den Fachhochschulen konsequenter als bisher über spezielle Bildungsangebote für Mädchen und Frauen nachgedacht wird, um die Medienkompetenz zu stärken.

In der beruflichen Qualifizierung hat sich insbesondere der Multimedia-Führerschein als sehr erfolgreich erwiesen. Mit diesem Angebot ist es gelungen, Frauen mit einem Anteil von 54 Prozent zu erreichen. In der dualen Berufsausbildung ist der Anteil der Mädchen mit 13 Prozent noch deutlich zu niedrig. Die Schaffung von Ausbildungsplätzen ist vor allem Aufgabe der Wirtschaft. Deshalb begrüße ich die Initiative von Hamburger Unternehmen, der Handelskammer, den Gewerkschaften und dem Arbeitsamt, eine Aus

bildungsoffensive zu starten. Ohne Computerexperten wird in Zukunft in den meisten Unternehmen nichts mehr gehen.

Wir werden den Senat in den nächsten Jahren unterstützen, in der Sache noch weiter voranzukommen. Nur wenn es gelingt, möglichst alle Begabungen frühzeitig und optimal zu fördern, werden wir uns im Wettkampf um die besten Köpfe behaupten. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Drews.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Den Stellenwert, den der Senat diesem Bericht und den Antworten zur Diskussion hier im Hause beimißt, sieht man dadurch, daß der Titel der Drucksache 16/4404 unter anderem lautet: „Konsequenzen auf die Hamburger Weiterbildungspolitik“. Sehr bedauerlich ist, daß es in diesem Zusammenhang die Schulsenatorin nicht ermöglichen konnte, an dieser Debatte teilzunehmen. Meine Damen und Herren, das ist mit Sicherheit kein Vorbild, wenn wir ernsthaft über die Auswirkungen der IT-Branche, Greencard und Aus- und Weiterbildung diskutieren wollen. Das als Vorbemerkung.

(Beifall bei der CDU)

Die Perspektiven des Wirtschaftsstandortes Hamburg – insofern darf ich Sie, sehr verehrter Senator Mirow, hier heute begrüßen – werden entscheidend dadurch geprägt werden, ob es zukünftig auch gelingt, den Spitzenplatz im Multimedia-Bereich zu behaupten und Hamburger Stärken im ergänzenden IT-Bereich auszubauen.

Doch, meine Damen und Herren, gerade in diesem letztgenannten Bereich hat Hamburg in den letzten Monaten einige Rückschläge durch Abwanderung von Unternehmen zu verzeichnen gehabt. Das größte Problem ist allerdings in dieser Branche nach wie vor ungelöst, und die Mitteilung des Senates macht dieses auch deutlich, nämlich der fehlende Fachkräftebedarf der Branche.

Die Bemühungen der Bundesregierung, mit der sogenannten Greencard-Regelung kurzfristig aktuelle Fachkräftebedarfe der Wirtschaft zu decken, sind in Hamburg gescheitert. Der Hamburger Bedarf wird in der Senatsmitteilung unverändert seit über einem Jahr mit circa 6000 Fachkräften alleine in der IT-Branche angegeben. Hinzu kommen noch die Bedarfe anderer Branchen, beispielsweise Banken und Versicherungen, so daß Schätzungen von 9000 bis 10 000 Fachkräften durchaus als realistisch einzuschätzen sind. Diese Zahl wird sich selbst nach Einschätzung des Senates gemäß der Mitteilung in den nächsten Jahren stark erhöhen.

Dem gegenüber stehen gerade einmal die von Ihnen, Frau Brockmöller, auch erwähnten 174 ausländischen IT-Experten, die über die Greencard-Regelung in Hamburg eine Arbeitserlaubnis erhalten haben. Meine Damen und Herren, das ist alles andere als ein Erfolg in diesem Bereich in den letzten Monaten.

(Beifall bei der CDU – Präsidentin Dr. Dorothee Sta- pelfeldt übernimmt den Vorsitz.)

Obwohl dem Senat von den rotgrünen Antragstellern eine reichlich bemessene Frist von zehn Monaten zur Beantwortung der Fragen eingeräumt wurde, fehlen bedauerlicherweise wichtige Aspekte in diesem Bericht, wenn wir

(Brigitte Brockmöller SPD)

über dieses Thema reden wollen. Dieses liegt sicherlich auch an den etwas allgemein gehaltenen harmlosen Fragestellungen.

(Unmutsäußerungen bei der GAL)

Unter anderem bleiben unbeantwortet:

Erstens: Welche Gründe haben zu einer nur geringen Inanspruchnahme der Greencard-Regelung geführt? Wenn man sich mit dem Thema auseinandersetzt, wäre das sicherlich auch für Rotgrün von Interesse.

Zweitens: In welcher Weise soll konkret versucht werden, die heute trotz des Fachkräftebedarfs noch arbeitslosen Datenverarbeitungsfachleute, insbesondere die Älteren, die auch statistisch genannt werden, wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren? Diese Menschen liegen uns, der CDU-Fraktion, in besonderem Maße am Herzen.

Drittens: Welche Erfahrungen wurden beispielsweise mit den Multimedia-Führerscheinen für Einsteiger und Umsteiger gemacht? Auch hierzu fehlen die Ausführungen in Gänze.

Viertens: In welcher Weise wurde die Weiterbildungsberatung für Arbeitnehmer in Hamburg konkret intensiviert?

In weiten Teilen dieser Drucksache werden Maßnahmen und Angebote lapidar aufgezählt, ohne daß Teilnehmerzahlen, Kosten oder Erfahrungen dargestellt werden. Insofern ist diese wenig hilfreich.

Meine Damen und Herren, aber die Mitteilung ist auch in einem anderen Punkt kein Ruhmesblatt des Senates. Vielleicht ist es besser, die Zahlen, die hier genannt werden, nicht allzu genau zu betrachten, denn wenn wir dieses tun, dann können wir uns einmal auf Seite 4 die Tabelle 4 ansehen und an unseren Grundrechenarten und Fingern abzählen, daß hier in der Spalte aller Nationalitäten von insgesamt 174 ausländischen IT-Experten die Rede ist. Wenn Sie dann aber die Spalten durchgehen, dann steht in der fünften Spalte „Absolventen einer deutschen Hochschule“ 27 und in der Spalte danach „Absolventen einer ausländischen Hochschule“ 150.

Meine Damen und Herren! 27 und 150 sind 177. Der Senat gibt aber in Tabelle 4 insgesamt nur 174 an.

(Beifall bei der CDU und der SPD – Thomas Böwer SPD: Fordern Sie einen Untersuchungsausschuß!)

Herr Böwer, da Sie ein Sesamstraßen-Freund sind, wo es ja darauf ankommt, daß man korrekt zählt, will ich Ihnen noch etwas sagen. Wenn Sie das, was der Senat in der Spalte der Absolventen der deutschen Hochschulen addiert, einmal durchzählen würden, dann kommen Sie auf 29. Das heißt: Sowohl in den Zeilen als auch in den Spalten der Tabelle stimmt irgend etwas nicht. Ich denke, nach zehn Monaten müßten die Zahlenangaben, wenn wir über 174 Menschen reden, schon stimmen. Vor diesem Hintergrund, meine Damen und Herren, würden wir den Senat darum bitten, daß die Tabelle 4 noch einmal korrekt nachgeliefert werden könnte.

(Beifall bei der CDU, vereinzelt bei der SPD und bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Meine Damen und Herren! Kommen wir wieder zu der Sache und betrachten die zukünftige Entwicklung. Welche Wege gibt es nun, um den zukünftigen Fachkräftebedarf in Hamburg zu decken? Drei Bereiche.

Erstens: Studium Universität, Technische Universität oder Fachhochschule. Hier müssen wir feststellen, daß trotz der

Einrichtung einiger neuer Studiengänge die Anzahl der Studenten und Absolventen nicht signifikant erhöht worden ist. Dieser Bereich wird also allenfalls mittelfristig einen Beitrag zur Deckung des Fachkräftebedarfs leisten können.

Zweitens: Der Bereich der Weiterbildung. In der Drucksache wird eine Vielzahl von zum Teil neu eingerichteten Qualifizierungsmaßnahmen aufgezählt. Da vielfach allerdings die Teilnehmerzahlen und die Aussagen über die Qualifizierungserfolge fehlen, bleibt somit auch diese Frage, welchen Beitrag Weiterbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen zur Deckung des Fachkräftebedarfs leisten können, unbeantwortet.

Drittens: Der Bereich der betrieblichen Ausbildung. Erfreulicherweise hat sich in den letzten Jahren sowohl die Anzahl der Auszubildenden als auch die Anzahl der abgeschlossenen Verträge stetig erhöht. Diese erfreuliche Entwicklung ist den Bemühungen der Wirtschaft, mit Sicherheit nicht des Senates, zu verdanken, denn die erfreuliche Entwicklung ist eingetreten, obwohl sich der nach den Unternehmen aus Handel, Industrie und Dienstleistungen zweitgrößte potentielle Ausbilder in den IT-Berufen, die Freie und Hansestadt Hamburg, nicht angemessen an der Ausbildung beteiligt hat.

Wie den Antworten auf die Kleine Anfrage von mir, Drucksache 16/5901, kürzlich zu entnehmen war, hat sich nämlich die Ausbildungsleistung der Hamburger Verwaltung der Freien und Hansestadt Hamburg im Jahr 2000 zwar verdreifacht – ich denke, zunächst einmal klasse für den geneigten Zuhörer –, aber während es im Jahr 1999 ein Auszubildender war, waren es 2000 schon drei. Meine Damen und Herren, diese „erfreuliche Entwicklung“ ist in der Tat dem Hamburger Senat zu „verdanken“.

Wie Sie allerdings mit drei Auszubildenden den gestiegenen Fachkräftebedarf decken und vor allem der Einschätzung der Experten gerecht werden wollen, die in der Mitteilung des Senates mit 250 Ausbildungsplätzen benannt wird, wie Sie überhaupt einen Beitrag bei einer Steigerung von einem Auszubildenden auf drei Auszubildende leisten wollen, die Frage müssen Sie sich auch stellen, und die bleibt ebenfalls in der Mitteilung des Senates unbeantwortet. Wenn Sie das hochrechnen, wieviel Jahre Sie dafür noch brauchen, um auf die 250 Ausbildungsplätze zu kommen, dann gute Nacht, Marie, einen schönen Tag noch.

Meine Damen und Herren! Die in dieser Drucksache dargestellten Maßnahmen des Senates machen deutlich, daß sie weder ausreichen, um den Fachkräftemangel noch den zukünftigen Fachkräftebedarf der IT-Branche in Hamburg zu decken. Zehn Monate sind verstrichen, ohne daß sich die Situation in Hamburg grundlegend verändert hätte.

(Farid Müller GAL: Stimmt doch gar nicht!)

Vom Senat, aber auch von der rotgrünen Mehrheit in diesem Hause sind in gleicher Zeit – außer diesem Ersuchen – politisch keine nachweisbaren Akzente gesetzt worden.

(Wolfgang Beuß CDU: So sind sie halt!)