Protokoll der Sitzung vom 10.10.2001

In die Tagesordnung werden nunmehr die Punkte 6 a: Wahl einer Dritten Vizepräsidentin oder eines Dritten Vizepräsidenten und 6 b: Wahl einer Vierten Vizepräsidentin oder eines Vierten Vizepräsidenten aufgenommen.

Außerdem haben wir unter Tagesordnungspunkt 7 nicht – wie ursprünglich vorgesehen – vier, sondern nur zwei Schriftführerinnen oder Schriftführer zu wählen.

Wir kommen jetzt zu Punkt 4 der Tagesordnung: Wahl einer Präsidentin oder eines Präsidenten.

[Wahl einer Präsidentin oder eines Präsidenten der Bürgerschaft]

Von der SPD-Fraktion ist Frau Dr. Dorothee Stapelfeldt vorgeschlagen worden. Weitere Vorschläge wurden nicht gemacht. Die Wahl findet in Wahlkabinen statt.

Um das Verfahren zu beschleunigen, möchte ich zwei weitere vorläufige Schriftführerinnen oder Schriftführer um Mitwirkung bitten. Ich berufe dazu die beiden nächst jüngsten Bürgerschaftsmitglieder. Das sind Herr Maaß und Frau Bestmann, die ich nun bitte, hier oben Platz zu nehmen.

Es geht weiter im Verfahren, meine Damen und Herren, nämlich in der Form, dass Frau Kerlin, Herr Dressel und Herr Maaß abwechselnd die Mitglieder der Bürgerschaft in alphabetischer Reihenfolge aufrufen werden. Ich bitte die Aufgerufenen, dann zur Kanzleibank zu gehen und von Frau Cornell – das ist die Dame in der Mitte – den Stimmzettel und einen Umschlag entgegenzunehmen. Mit dem Zettel gehen Sie bitte in eine der Kabinen und nehmen Ihre Wahlentscheidung vor. Der Stimmzettel enthält Felder für Zustimmung, Ablehnung oder Stimmenthaltung. Ich bitte, den Stimmzettel mit nur einem Kreuz zu versehen. Stimmzettel, die den Willen des Mitglieds nicht zweifelsfrei erkennen lassen oder Zusätze enthalten, sind ungültig. Auch unausgefüllte Zettel sind ungültig.

Nach der Wahlhandlung stecken Sie bitte den Stimmzettel in den Wahlumschlag und begeben sich zu Frau Bestmann, bei der die Wahlurne steht. Stecken Sie dann bitte Ihren Umschlag in die Wahlurne. Ich bitte nun Frau Kerlin, mit dem Namensaufruf zu beginnen.

(Der Namensaufruf wird vorgenommen.)

Nunmehr ist die Wahlhandlung endgültig geschlossen. Ich bitte, nunmehr die Stimmenauszählung vorzunehmen. Für die Dauer der Stimmenauszählung ist die Sitzung unterbrochen. Laufen Sie aber bitte nicht zu weit weg, denn diese Auszählung geht erfahrungsgemäß relativ schnell.

Unterbrechung: 16.38 Uhr

Wiederbeginn: 16.48 Uhr

Meine Damen und Herren! Die Sitzung ist wieder eröffnet. Ich bitte, Platz zu nehmen.

Ich gebe nunmehr das Abstimmungsergebnis bekannt. Es wurden 121 Stimmen abgegeben, es sind 121 Stimmzettel gültig. Für Frau Dr. Stapelfeldt haben 102 mit Ja, mit Nein 12 Mitglieder des Hauses gestimmt; es gab 7 Enthaltungen.

(Beifall im ganzen Hause)

Ich stelle fest, dass Frau Dr. Stapelfeldt damit gewählt worden ist. Ich frage Sie, Frau Dr. Stapelfeldt, ob Sie das Amt annehmen?

(Dr. Dorothee Stapelfeldt SPD: Ja! – Beifall im ganzen Hause)

Dann darf ich Sie bitten, nach oben zu kommen und das Präsidentinnenamt zu übernehmen.

(Beifall im ganzen Hause)

Herzlichen Glückwunsch von dieser Stelle, Frau Dr. Stapelfeldt. Ich wünsche Ihnen viel Freude und eine glückliche Hand.

(Beifall im ganzen Hause)

Verehrte Frau Alterspräsidentin, meine Damen und Herren Abgeordnete, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich danke Ihnen sehr herzlich für das Vertrauen und nehme die Wahl an.

Mein Bestreben wird es sein, die Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg in dem Sinne nach innen zu einen und nach außen zu vertreten, wie ich dies in der zurückliegenden Zeit tat.

Mein Ziel bleibt es, der Idee eines aufrichtig bürgernahen Parlaments und damit der Verwirklichung eines aufrichtig bürgernahen Dialogs die Aufmerksamkeit zu schenken, die ihm gebührt, und die Impulse zu geben, die es braucht – in Zeiten der Erschütterungen und der Zäsuren, der Neubewertung und der Neuorientierung mehr denn je.

Erschütterungen und Zäsuren, Neubewertung und Neuorientierung: Das sind die Umstände, unter denen wir diese Legislaturperiode beginnen; das sind bis auf weiteres die Gegebenheiten, unter denen wir die Interessen der Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt in diesem Hause zusammenzuführen, abzuwägen und im Sinne nicht von Einzelnen, sondern des Gemeinwohls umzusetzen haben.

Stärker als vieles andere werden vorerst die Bilder sein. Stärker und denkwürdiger in einem Sinne, der mehr und auf andere Weise mit uns zu tun hat, als uns zunächst bewusst sein mag:

Die Bilder von New York, vom Augenblick des Attentats und von dem Trümmerberg danach.

Die Bilder aus dem schweizerischen Zug, von den Stunden nach dem Amoklauf, von aufgewühlten Bürgern vor und von bestürzten Abgeordneten in dem tödlich heimgesuchten Parlament.

Die Bilder von den Blumenbergen und den Tausenden von Menschen am Brandenburger Tor, in Hunderten von Städten bis nach Tokio und nicht zuletzt auch hier in Hamburg auf dem Rathausmarkt.

Hinter all dem Schrecken, den die Welt in diesen Wochen zu verkraften hat, und hinter all den Formen, wie die Menschen diesen Schrecken zu verkraften suchen, tritt etwas zu Tage, das in dieser Deutlichkeit zu denken gibt und nicht zuletzt auch uns in unserer Arbeit hier in diesem Parlament bestärken muss.

Selbst, oder gerade, im Zeitalter der Globalisierung bleibt die Stadt das Herz des Geschehens, bietet die Nation in ihrer kommunalen und föderalen Grundstruktur die Kraft zur Identifikation.

Mit den Anschlägen auf das World Trade Center wurde eine Stadt getroffen; gemeint jedoch war die gesamte westliche Welt.

Bei dem Amoklauf von Zug wurden Mitglieder eines kommunalen Parlamentes ermordet; verunsichert aber wurde ein ganzes Volk, in Frage gestellt das freiheitliche Selbstverständnis einer Nation und seines bislang ausgesprochen selbstbewussten Staatsapparates.

Die Stadt als Epizentrum einer national, gar weltpolitischen Erschütterung.

(Alterspräsidentin Elisabeth Kiausch)

Zugleich aber auch die Stadt und mit ihr die kommunale Gemeinschaft als Zentrum der Besonnenheit, als der Ort, an dem die Bürger und Politiker nicht wild nach Rache und Vergeltung riefen, sondern aus dem Schmerz heraus sehr wesentlich zu jener Mäßigung und jenem Bemühen um politische Besonnenheit beigetragen haben, von der nicht erst, doch vollends seit den ersten Bomben auf Afghanistan zu hoffen ist, dass sie auch als militärische Verhältnismäßigkeit dauerhaft hält.

Meine Damen und Herren, wer geglaubt hat, der Prozess der Globalisierung führe zu einer Entwertung demokratischer Grundstrukturen, zu einer Entmachtung gar der modernen Bürgergesellschaft, mithin des demokratischen Dreiklangs von Willensbildung, Volksvertretung, Mitgestaltung auf kommunaler, föderaler und nationaler Ebene, der sieht sich getäuscht.

Im Gegenteil: Die Bedeutung kommunaler und föderaler Strukturen, die Bedeutung insbesondere der Stadt als dem zentralen Ort ziviler Bürgergesellschaften nimmt im Zuge einer immer engmaschigeren globalen Vernetzung zu – politisch, wirtschaftlich und sozial.

Hier ist die Basis der Demokratie. Hier, auf der kommunalen und föderalen Ebene, spüren die Menschen zuerst und am härtesten die Veränderungen in der Arbeitswelt, den Wechsel von der Industrie- zur Informationsgesellschaft.

Hier entscheiden sich die Fragen kultureller und sozialer Integration. Hier liegt die Herausforderung für eine verantwortungsbewusste, um Konsens bemühte, anstatt im Konflikt erst auflebende, die Gemeinschaft nicht spaltende, sondern stärkende Politik.

Meine Damen und Herren, wir sind zusammengekommen, das Parlament zu konstituieren, das in den kommenden vier Jahren politische Verantwortung für diesen Stadtstaat tragen wird. Viele in diesen Reihen sind neu; einige womöglich erst seit kurzem mit dem Gedanken an die Übernahme eines parlamentarischen Mandates befasst und nun mit weitgehend unbekannten Aufgaben, Abläufen und Herausforderungen, gewiss auch mit Ansprüchen und Erwartungen, die von vielen Seiten erhoben werden, konfrontiert.

Und alle sind wir Parteien verbunden, fühlen wir uns Programmen verpflichtet, streben wir die möglichst rasche, möglichst konsequente Umsetzung der darin beschriebenen Ziele an.

Ziele, deren Verlautbarung im Wahlkampf fast zwangsläufig zugespitzt erfolgt; Programme, die deshalb mitunter stärker als beabsichtigt polarisieren mögen.

Hamburg hat in den zurückliegenden Wochen einen Wahlkampf erlebt, der nicht zuletzt aufgrund seiner starken Polarisierung weit über die Grenzen unseres Bundeslandes hinaus Beachtung, teilweise besorgte Beachtung gefunden hat.

Die Verfassung beschreibt den parlamentarischen Auftrag jedes Abgeordneten klar mit der Verpflichtung für das Gemeinwohl, nicht für eine Partei.

In diesem Sinne wünsche ich diesem Haus – und damit den Bürgerinnen und Bürgern dieser Stadt – für die kommende Legislaturperiode Auseinandersetzungen, die engagiert geführt sein mögen, zugleich aber fair und konstruktiv sind, die vor allem getragen sein mögen von Argumenten und von dem aufrichtigen Bestreben, nach Lö

sungen im Konsens zu suchen anstatt nach Schlagzeilen im Konflikt.

Nicht den Interessen Einzelner und auch nicht den politischen Programmen von Parteien sind wir mit unseren parlamentarischen Entscheidungen verpflichtet. Verpflichtet sind wir der Allgemeinheit und dem Allgemeinwohl dieser Stadt; verpflichtet sind wir den Prinzipien einer ethisch verantwortungsbewussten Demokratie.

Vertrauen in die Arbeit des Parlamentes werden wir schaffen, indem wir selbstbewusst unsere legislativen Rechte wahrnehmen, indem wir eine Form der Auseinandersetzung pflegen, die den Streit um des Zieles willen führt und damit ein Vorbild ist für einen gesamtgesellschaftlichen Diskurs, und indem wir für Offenheit nach außen stehen.