Protokoll der Sitzung vom 10.10.2001

(Der Namensaufruf wird vorgenommen.)

Meine Damen und Herren! Es ist übereinstimmend festgestellt worden, dass alle 121 Mitglieder der neuen Bürgerschaft anwesend sind. Ich erkläre die Bürgerschaft damit für konstituiert.

Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 3 a. Es handelt sich um einen gemeinsamen Antrag der Fraktionen der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP zur Geschäftsordnung der Hamburgischen Bürgerschaft.

[Antrag der Fraktionen der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP: Geschäftsordnung der Bürgerschaft – Drucksache 17/7 –]

Hierzu liegt Ihnen als Drucksache 17/10 ein Antrag der SPD-Fraktion vor.

[Antrag der Fraktion der SPD zur Drucksache 17/7: Geschäftsordnung der Bürgerschaft – Drucksache 17/10 –]

Wird das Wort gewünscht? – Das Wort hat Herr Dr. Christier.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die zukünftigen Koalitionäre haben Anträge

Ergebnis siehe Seite 17.

zur Änderung der Geschäftsordnung eingebracht mit dem Ziel, einerseits die Zusammensetzung des Präsidiums zu verändern und zweitens – nach unserer Auffassung – die Stellung der Präsidentin abzuwerten. Beide Anträge sind in der vorgelegten Form für uns nicht akzeptabel.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Ich mache zuvor eine Bemerkung zum Verfahren. Bisher ist es immer üblich gewesen, in Geschäftsordnungsfragen zu versuchen, zu einem Einvernehmen zu kommen. Geschäftsordnungsentscheidungen sollten schon gar nicht am Beginn einer Legislaturperiode ohne den Versuch einer Konsensbildung durchgesetzt werden. Das halten wir auch zu diesem Zeitpunkt ausdrücklich für richtig.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Dieses sind keine Kleinigkeiten, sondern erhebliche Veränderungen. Ich darf auf zwei Dinge aus der Vergangenheit hinweisen:

Erstens: Zweimal haben wir einen Präsidenten gehabt, der der CDU angehörte, weil sie zweimal stärkste Fraktion war. Das war Herr Dr. Willich. Ich darf daran erinnern, dass es zu den Zeiten von unserer Seite keinerlei Versuch gegeben hat, etwa die Zusammensetzung oder die Kompetenz im Präsidium zu verändern. Das ist der eine Punkt.

Der zweite Punkt:

(Ole von Beust CDU: Neuwahlen; ganz bestimmt!)

Es ist auch 1987 und 1988 schon über die Geschäftsordnung diskutiert worden, auch über die Zusammensetzung des Präsidiums. Auch damals gab es Parallelen zu heute, nämlich den Wunsch der FDP, dort vertreten zu sein. Damals hat der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD-Fraktion, Professor Hajen, ausgeführt, wir wären bereit gewesen, dass in der Repräsentation der hohen Bank hinter mir alle Parteien vertreten sind. Das war aber mit der großen Oppositionspartei nicht mehrheitsfähig. So etwas möchten wir ungern mit Mehrheit entscheiden, deshalb sind wir bei der alten Konstruktion geblieben. Ich glaube, das ist ein angemessener Umgang mit einem solchen Thema.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Dieses Mal hat es keinen Versuch gegeben, zu einem Konsens zu kommen, und ich sage – mit Verlaub –, der Wechsel, der sich jetzt abzeichnet, kommt natürlich aufgrund von Wahlen demokratisch völlig korrekt zustande. Darüber reden wir gar nicht.

(Lachen und vereinzelter Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Er kann aber nicht als Begründung dafür herhalten, die einfachsten parlamentarischen Umgangsformen außer Kraft zu setzen, und das geschieht hier.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Deshalb möchten wir unseren Antrag an den Ausschuss überweisen.

Ein zentraler Punkt ist die Aufblähung des Präsidiums von zwei auf vier Vizepräsidenten, die überhaupt nicht in die Landschaft passt. Ich möchte keine Diskussionen über Verkleinerungen führen, die es an anderer Stelle gibt. Ich greife zurück auf einen Ländervergleich, in dem wir feststellen, wenn wir die Zusammensetzung des Präsidiums ändern, haben wir das aufwendigste Präsidium aller Landtage und das kann nicht vernünftig sein.

(Alterspräsidentin Elisabeth Kiausch SPD)

(Beifall bei der SPD)

Es ist nicht in Ordnung, dass Sie diesem Parlament in der Presse zur ersten Sitzung ansatzweise eine Diätendebatte bescheren. So etwas brauchen wir an dieser Stelle überhaupt nicht.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Eine Begründung hat es im Ältestenrat nicht gegeben. Fehlanzeige. Heute habe ich in der „Welt“ den Ansatz einer Begründung gelesen. Dort hieß es, die FDP habe ein Personalproblem, das auf diese Weise entsorgt werden solle. Da muss es auch andere Möglichkeiten geben, als die Geschäftsordnung zu ändern.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Ich will den Punkt gar nicht überziehen, aber immerhin schaffen Sie es, mit sechs Abgeordneten auf zehn Diäten zu kommen. Das ist ein Landtagsrekord; herzlichen Glückwunsch.

(Beifall bei der SPD und der GAL – Rudolf Lange FDP: Lächerlich!)

Obwohl es mir ein bisschen schwer gefallen ist, habe ich im Parteiprogramm der FDP geblättert. Da steht an prominenter Stelle auf Seite 1:

„Wohlstand für alle“.

Jetzt wird mir schlagartig klar, was das bedeutet.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und der GAL)

Das alles fängt schön an und dann kommt die Sache mit der Präsidentin. Ich hoffe, die Ansage der CDU steht noch, dass darüber im Ausschuss geredet werden kann. Was hier vorgelegt worden ist, ist eindeutig ein Misstrauensantrag gegen die Präsidentin. Auch hier die Begründung: Es liegt nicht an ihrer Amtsführung.

Ich lese aus dem Bericht der Enquete-Kommission „Parlamentsreform“ vor, die in der Zeit von 1991 bis 1993 getagt hat. An ihr haben von der CDU Herr Ehlers und von der FDP Herr Dr. Wiegand teilgenommen. Dort heißt es zur Stellung der Präsidentin:

„Der Präsident“

mit der weiblichen Form haben sie es damals noch nicht so genau genommen –

„repräsentiert die Bürgerschaft jenseits von Mehrheitsoder Minderheitsinteressen. Ihm obliegt es, die Abgeordneten in ihren verfassungsmäßigen Rechten zu schützen... Als Repräsentant des gesamten Parlaments ist er in besonderer Weise zu politischer Ausgewogenheit und unparteiischer Amtsführung verpflichtet. Ein aus mehreren Mitgliedern bestehendes Parlamentspräsidium, das nach Mehrheitsgrundsätzen zusammengesetzt sein müsste, könnte hingegen einem stärkeren parteipolitischen Druck ausgesetzt werden als der zur Objektivität verpflichtete Präsident der Bürgerschaft.“

So sehen wir das auch heute noch.

(Beifall bei der SPD und der GAL – Rolf Kruse CDU: Ja, das ist er!)

Ich wiederhole: Irgendeine Begründung, irgendeine Kritik an der Amtsführung habe ich nicht vernommen. Nein, Sie wollen die in der Geschäftsordnung festgeschriebene unparteiische Amtsführung der Präsidentin durch ein von Mehrheitsprinzipien dominiertes Kollektivorgan ersetzen.

Diese Entwicklung halten wir für falsch. Sie beschädigt das Amt.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Übrigens geschieht das in der Realität mit richtigen Slapstickzügen. Das hätte ich vielleicht nicht sagen dürfen, weil ich mich auf einen ernsten Anlass beziehen will. Soll die Präsidentin, wenn es ernste Termine gibt – wie beispielsweise anlässlich des 11. September auf dem Rathausmarkt –, zukünftig das Präsidium zusammenrufen und nachfragen, ob sie reden darf? So wollen Sie das regeln. Man kann die Außenvertretung eines Parlaments, so wie es in jeder anderen Geschäftsordnung zweifelsfrei geregelt ist, nicht durch ein Kollektivorgan ersetzen.

(Günter Frank SPD: Das hat es bisher nicht gege- ben!)