Protocol of the Session on May 8, 2002

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Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Wir machen insgesamt Schluss mit dieser Strafsteuer,

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

die Bauprojekte künstlich verteuerte und dadurch Wettbewerbsverzerrungen auslöste.

(Michael Neumann SPD: Gibt es auch sachliche Gründe oder nur Interessen?)

Wir wollen nicht wie der vorherige Senat sinnlos abkassieren und haben daher schnell gehandelt, weil es politisch vernünftig ist. Gute Politik wird der Bürger anerkennen. Wir haben es daher nicht nötig, Töpfe für spätere Wahlgeschenke aufzumachen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

(Michael Dose SPD)

Das Wort hat Frau Sager.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die GAL hat heute einen eigenen Antrag vorgelegt. Wir fordern die konsequente Abkehr der bisherigen Stellplatzregelung in der Hamburgischen Bauordnung. Ich will das auch begründen.

(Dirk Nockemann Partei Rechtsstaatlicher Offen- sive: Die GAL hört sich immer so gallig an!)

Die Stellplatzregelung in der Hamburgischen Bauordnung, die Sie beibehalten wollen, basiert letztlich auf dem Zwangssystem der alten Reichsgaragenverordnung. Kurz gefasst: Wer bauen will, muss von Staats wegen Parkplätze schaffen.

Es hat in den letzten Jahren einige rotgrüne Kompromisse zu dieser staatlichen Zwangsregelung gegeben. Sie wurde mittelstandsfreundlicher gemacht, das heißt, kleine Unternehmen oder auch die Besitzer kleiner Restaurants wurden von dieser Verpflichtung freigestellt und mussten auch keine Zahlungen leisten.

Gleichzeitig wurde dieser Zwang, die Plätze zu bauen,

(Rose-Felicitas Pauly FDP: Das stimmt doch gar nicht!)

dort gelockert, wo die Erschließung durch den öffentlichen Personennahverkehr besonders gut war. Die Lockerung wurde damit versehen, dass für nicht gebaute Stellplätze eine Ablösesumme gezahlt wurde, die dann für sinnvolle Investitionen – auch für Investoren in einer Großstadt – wie zum Beispiel für einen behindertengerechten Ausbau von Bahnstationen oder auch den Bau von Quartiersgaragen eingesetzt wurden.

(Bernd Reinert CDU: Oder Velorouten!)

Nun sind wir allerdings der Meinung, dass das zwar sinnvolle Kompromisse waren, aber sie doch auf halber Strecke stehen geblieben sind. Die vom Senat jetzt vorgeschlagene Neuregelung verbleibt im System der Zwangsregelung für Parkplätze und ist damit nicht investorenfreundlich. Sie haben in Wirklichkeit ein Reformmäuschen im autofreundlichen Mäntelchen geboren und nicht den Sprung zu einer modernen Großstadtpolitik geschafft.

Wir fordern, dass Investoren in Hamburg von der staatlichen Zwangsregelung, Stellplätze zu bauen, ganz befreit werden. Das ist ganz besonders beim Wohnungsbau sinnvoll. Hier ist es in der Tat investitionsfreundlich, auf diesen Zwang zu verzichten und damit den Investoren nicht von Staats wegen zusätzliche Kosten aufzuerlegen. Es ist real, aber auch möglich, weil die Investoren tatsächlich genauso viele Parkplätze bauen, wie nötig sind, um ein Objekt erfolgreich vermarkten zu können. Gleichzeitig ist es auch verkehrspolitisch möglich, weil es eben nicht zu einem unnötigen Parkplatzboom führt, denn der Bau von Parkplätzen ist auch für Investoren teuer. Sie bauen keine unnötigen Parkplätze, sondern gerade so viel, wie gebraucht werden.

Woher weiß man das inzwischen? Das weiß man, weil man in der Großstadt Berlin die Zeit des pflichtigen und die Zeit des freiwilligen Stellplatzbaus vergleichen kann. Die empirischen Ergebnisse dieses Vergleichs liegen inzwischen vor und sind hochinteressant. Sie zeigen nämlich, dass die Investoren im Wohnungsbau auch ohne Zwang und Nachweispflicht in dem gleichen Umfang Parkplätze schaffen, wie es die alten Richtwerte vorsahen. Bei multifunktionalen Gebäuden und bei den Nichtwohnungsnutzungen wer

den im Mittel 40 bis 50 Prozent weniger Stellplätze gebaut als mit der Richtverpflichtung in den alten Regelungen. Das ist auch verständlich, weil die Investoren in diesem Bereich erwarten, dass zum Beispiel Kunden oder Mitarbeiter nicht nur mit dem Auto, sondern auch mit dem öffentlichen Personennahverkehr kommen.

Das heißt aber auch, dass die Vermutung des neuen Senats und der ihn tragenden Regierungsfraktionen, die Investoren würden nur darauf warten, dass die Abminderungsregelungen aufgehoben werden – das tun Sie in der Hamburger Innenstadt nicht, sondern Sie bleiben dabei –, um dann begeistert teure Stellplätze zu bauen, eindeutig widerlegt ist. Das wird nicht passieren.

Deswegen sagt die GAL auch ganz klar: Man kann auch im Gewerbebau den Zwang aufheben, Stellplätze zu bauen. Wir wollen allerdings keine ungewollten Sonderentwicklungen bei einzelnen Großbauvorhaben. Darum halten wir es für sinnvoll, in diesem Bereich mit einer Höchstzahlregelung zu arbeiten und diese nach einigen Jahren zu evaluieren. Dann kann man beurteilen, ob es irgendwelche Sonderentwicklungen gibt oder ob auch hier nach einem Beobachtungszeitraum völlig auf die Höchstzahl verzichtet werden kann. Wir wollen, dass die Ablösezahlungen für nicht gebaute Stellplätze vollkommen entfallen.

Die GAL hält es aber in einer Großstadt für richtig, dass sich die Investoren im Bereich des Nichtwohnungsbaus an den Kosten des öffentlichen Personennahverkehrs beteiligen. Das kann entweder durch eine einmalige Zahlung oder durch die Beteiligung der Nutzer der Gebäude in Form eines Job-Tickets, Kundentickets oder Veranstaltungskombitickets geschehen. Das ist wichtig, weil natürlich in einer modernen Großstadt ein attraktiver öffentlicher Personennahverkehr für einen fließenden Verkehr existenziell und auch im vitalen Interesse von Investoren ist.

Die rechtlichen Vorschriften für die Schaffung von Behindertenparkplätzen bleiben davon natürlich unberührt. Diese wollen wir im Landesgleichstellungsgesetz sogar noch verbessern. Erwähnen möchte ich auch noch, dass wir für den Nichtwohnungsbau einen Übergangszeitraum von zehn Jahren vorsehen wollen, denn es werden Regelungen für die Zurverfügungstellung von Fahrradplätzen benötigt.

Wir haben in Deutschland noch nicht das Bewusstsein, dass Abstellmöglichkeiten für Fahrräder auch beim Nichtwohnungsbau dazu gehören. Bei den Parkplätzen ist es etwas anderes; hier wissen es die Investoren.

Wir haben auch keine Angst davor, dass dies im Wohnungsbau dazu führen wird, dass Bewohner aus dem privaten Bereich auf den öffentlichen Raum ausweichen. Auch das zeigt die Untersuchung in Berlin, dass die Investoren gerade im Wohnungsbau die früheren Richtwerttabellen durchaus freiwillig einhalten, weil sie erkennen, dass sie das aufgrund der Marktinteressen brauchen.

Und jetzt frage ich Sie – Sie haben gesagt, dass Sie eigentlich den Staat zurücknehmen und auf seine Kernaufgaben zurückführen wollen –: Warum sind Sie nicht einmal bereit, im Ausschuss darüber zu diskutieren, welche Erfahrungen in Berlin gemacht wurden? Warum können wir auf diesen Zwang der alten Reichsgaragenverordnung in Hamburg wirklich nicht verzichten?

(Zuruf von Hans-Detlef Roock CDU)

Darauf haben Sie keine Antwort, weil Sie hier wieder einmal zu kurz gesprungen sind und eine halbgare Lösung vorgelegt haben.

(Beifall bei der GAL und bei Michael Dose SPD)

Das Wort hat der Abgeordnete Rumpf.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich wollte eigentlich zwischen zwei so grandiosen Themenbereichen wie den Olympischen Spielen und der Weltkulturhauptstadt

(Michael Neumann SPD: Europäische Kulturhaupt- stadt!)

das jetzige Thema und Ihre Zeit nicht überstrapazieren. Ich denke aber, Frau Sager verdient eine Antwort.

Wir brauchen diese alte Richtlinie schlicht und ergreifend aus einem Grund: Jedes sinnvolle Verkehrskonzept in einer gewachsenen Stadt braucht den knappen Straßenraum für den fließenden Verkehr, für den Rad-, den Fußgängerverkehr, für den motorisierten Individualverkehr und für den ÖPNV. Das heißt, dass der Straßenraum einfach viel zu kostbar und zu schade ist, um darauf Autos abzustellen. Aber genau das tun die Menschen. Das hat man in Hamburg auch gesehen.

Eine Regelung, die die Menschen geradezu zwingt, auf der Straße zu parken, ist gegenüber diesem Konzept doch geradezu kontraproduktiv.

(Zuruf von Michael Dose SPD)

Ich rede gerade mit der GAL, nicht mit Ihnen. Dass Sie etwas anderes wollen, das wissen wir.

(Dirk Nockemann Partei Rechtsstaatlicher Offen- sive: Mit der GAL kann man nicht reden!)

Fahren Sie einmal nach Kopenhagen, Frau Sager. Dort wurde ein wunderbares Parkplatzkonzept gefunden, um gerade – das müsste Ihnen entgegenkommen – die Radwege zu verbreitern. Wenn Sie sich das nicht ansehen wollen, ist das Ihr Problem.

Der Rest dieser Angelegenheit lässt sich relativ kurz ausdrücken, denn ich wollte Ihre Zeit nicht überstrapazieren. Es ist eigentlich ganz einfach:

Jede Stellplatzabgabe macht Sinn, wenn jemand Parkplätze bauen kann und soll, aber nicht will. Sie macht überhaupt keinen Sinn – es ist völliger Blödsinn –, wenn jemand bauen will, aber nicht darf. Nichts anderes steht in dieser Senatsvorlage, die wir hier und jetzt beschließen können. Wir brauchen sie auch nicht mehr zu überweisen. – Danke schön.