Protocol of the Session on June 26, 2002

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Das Wort erhält der Abgeordnete Okun.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Debatte zeigt deutlich, dass es einen engen Zusammenhang zwischen Wirtschafts-, Finanz- und Arbeitsmarktpolitik gibt. Herr Porschke, um Ihrer Legendenbildung vorzubeugen: Die Wirtschaft wirkt niemals kurzfristig, sondern das, was wir heute im Wirtschafts- und Arbeitsmarkt erleben, sind die Ergebnisse Ihrer Politik der letzten vier Jahre in Hamburg; so kann es ja nicht gehen.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Herr Dobritz, es ist schon wichtig zu sagen, dass in den Jahren vor dem Wechsel der Bundesregierung 1998 die damalige Hamburger Landesregierung keine Gelegenheit ausgelassen hat, die erfolgreiche – das werden Sie nicht abstreiten können – Wirtschafts- und Finanzpolitik des Bundeskanzlers Helmut Kohl mies zu reden und die hausgemachten Hamburger Probleme der damaligen Bundesregierung in die Schuhe zu schieben.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

In der Bilanzierung von Anspruch und Wirklichkeit der Wirtschaftspolitik der rotgrünen Regierung und deren Auswirkungen auf die Hamburger mittelständischen Betriebe kann man nur zu einem vernichtenden Ergebnis kommen. Sie waren zwar bereit, im Prinzip aber zu nichts in der Lage.

Es ist angesprochen worden, dass die größte Pleitewelle der Nachkriegsgeschichte über Deutschland hinwegrollt mit Steigerungsraten von Jahr zu Jahr. Das gilt für Deutschland, aber eben auch für Hamburg. Die Zahlen – ich werde sie konkretisieren – in der Bundesrepublik Deutschland liegen dieses Jahr bei voraussichtlich 40 000 Pleiten mit – und das ist das Entscheidende – einem Arbeitsplatzabbau von 600 000 Stellen. Hamburg hatte im Jahr 2001 2130 Pleiten und im ersten Quartal 2002 bereits 1031. Dieses Plus von 40 Prozent ist auch das Ergebnis, Herr Dobritz, Ihrer Wirtschaftspolitik der vergangenen Jahre in Hamburg.

Entscheidend neben den spektakulären Pleiten in den Schlagzeilen wie Brinkmann und anderen ist aber, dass es vorrangig kleine und mittlere Betriebe sind, die durch die veränderten Rahmenbedingungen bundesweiter rotgrüner Wirtschaftspolitik in die Pleite getrieben werden. Dabei ist bekannt, dass der Mittelstand bundesweit und auch in Hamburg die tragende Säule der Wirtschaft ist. 95 Prozent der 150 000 selbstständigen Unternehmen in Hamburg haben weniger als 20 Arbeitsplätze. Zugleich stellen kleine und mittlere Unternehmen den größten Teil der sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze und einen sehr beträchtlichen Anteil der Auszubildenden. Die Hauptursache

(Rose-Felicitas Pauly FDP)

für die gewaltige Pleitewelle ist die schlechte Wirtschaftslage. Wir brauchen deswegen bundesweit und auch in Hamburg eine Wirtschaftspolitik, die sich an den Erfordernissen und Bedürfnissen der kleinen und mittleren Unternehmen ausrichtet. Das wäre das beste Programm für Innovation, nachhaltiges Wachstum und Beschäftigung. Wir brauchen klare, berechenbare und verlässliche Leitbilder. Durch eine Politik, wie wir sie in den vergangenen vier Jahren von der Bundesregierung erleben, die neben konjunkturellen Problemen vor allem wichtige strukturelle Fehler aufweist, haben die Unternehmen wie auch die Bürger weitgehend das Vertrauen verloren. Der DAX mit einem Wert von heute unter 4000 macht deutlich, in welcher Dynamik wir stecken. Die Bundesregierung hat der wirtschaftlichen Entwicklung der Freien und Hansestadt Hamburg mit ihren negativen gesetzlichen Regelungen Schaden zugefügt und den Hamburger Arbeitsmarkt stark belastet. Ich will das an zwei Beispielen deutlich machen.

Erstens: Durch die Neuregelung der 630-DM-Jobs für geringfügig Beschäftigte wurde Arbeit abgebaut und wurden Arbeitsplätze vernichtet, die durch die angebotene Form von Teilzeitarbeitsplätzen nicht aufgefangen werden konnten. Mit diesem Gesetz wurde zum Beispiel im Handwerk der Arbeitskräftemangel gesetzlich verordnet, denn Teilzeitarbeit über 325 Euro hinaus ist für die Beschäftigten unattraktiv geworden. Sie haben damit eine Gerechtigkeitslücke geschaffen, denn sobald das Einkommen auch nur einen Cent über 325 Euro erhöht wird, trifft den Arbeitnehmer die volle Härte der Sozialabgaben und Steuern mit dem absurden Ergebnis, dass diese Mitarbeiter bei einem höheren Brutto- ein kleineres Nettoeinkommen haben.

Zweitens, auch das sagen wir Ihnen wiederholt in dieser Debatte: Die drastische Verschärfung des Betriebsverfassungsgesetzes führt gerade für mittelständische Betriebe zu einer extremen zusätzlichen Kostenbelastung, wenn zum Beispiel in einem Betrieb mit über 200 Beschäftigten ein Mitarbeiter vollständig freigestellt werden muss und weitere acht Mitarbeiter in den Betriebsrat gewählt werden können.

Diese Beispiele zeigen, die Gesetzgebung ist mittelstandsfeindlich und hinterlässt deutliche Spuren am Arbeitsmarkt gerade auch bei Jugendlichen und jüngeren Arbeitnehmern. Ein Beispiel aus meinem Bezirk in Altona, Ende Mai 2002: 216 Jugendliche und 1306 jüngere Menschen sind arbeitslos gemeldet. Das ist gegenüber dem Vorjahr eine Steigerung von 13,7 Prozent beziehungsweise 34,9 Prozent.

Wir halten fest: Der Arbeitsmarkt ist durch die Politik der Bundesregierung überreguliert und zu stark verkrustet. Die Funktionsfähigkeit des Arbeitsmarkts muss durch konsequente Deregulierung sowie Flexibilisierung in Arbeitszeit und Arbeitskosten wieder hergestellt werden.

Der Hamburger Senat und Senator Uldall haben deutlich gemacht, er hat, er muss und er wird sich an einem Maßnahmenbündel für den Mittelstand beteiligen. Ab September gilt das auch für die Bundesrepublik Deutschland. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Gibt es weitere Wortmeldungen? – Der Abgeordnete Frühauf bekommt das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich habe nur eine kurze Anmerkung zum Wirtschaftsprogramm der Grünen, Frau Hajduk, zum Thema „Wirtschaftliche Erneuerung“.

(Ingrid Cords SPD: Zum Thema!)

Auf Seite 83 soll etwas zur Wirtschaftspolitik stehen. Da steht aber nichts.

(Michael Neumann SPD: Lächerlich!)

Das ist tatsächlich so.

Auf Seite 30 heißt es, die Steuerentlastung der kleinen und mittleren Unternehmen sowie die Lohnnebenkosten seien zu senken. Das ist alles, was Sie zur „Wirtschaftlichen Erneuerung“ schreiben. Das ist zu wenig.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU und der FDP)

Weitere Wortmeldungen zum ersten Thema der Aktuellen Stunde liegen mir nicht vor. Ich frage die antragstellende SPD-Fraktion, ob ich für noch restliche dreidreiviertel bis vier Minuten das zweite Thema aufrufen soll. – Das ist der Fall.

Halbe Betreuung oder volle Bezahlung: Kinderbetreuung nur noch für Hausfrauen?

Die Abgeordnete Dr. Stöckl bekommt es wunschgemäß.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Wieder einmal haben Sie, Herr Senator Lange, für Aufregung gesorgt. Dieses Mal sind es nicht die Eltern, die Schüler und die Lehrer, die Sie durch voreilig getroffene Entscheidungen und rigorose Sparauflagen total verunsichert haben, dieses Mal gilt Ihr Schnellschuss den Kindergärten.

Herr Senator! Sie wollen den Besuch des Kindergartens ein Jahr vor der Einschulung kostenfrei machen, allerdings nur für jene, die einen Vierstundenplatz beanspruchen. Damit versetzen Sie all jenen Frauen einen Schlag ins Gesicht, die Beruf und Familie miteinander vereinbaren wollen.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Mit einer vierstündigen Betreuung lässt sich kaum die Berufstätigkeit mit Kindern in Einklang bringen. Berufstätige Mütter sind mindestens auf einen Fünf- oder Sechsstundenplatz angewiesen. Diese Frauen sollen aber nach Ihren Plänen weiterhin voll zur Kasse gebeten werden. Oder sollen sie gar ihren Job aufgeben? Wollen Sie die Frauen wieder an den Herd zurückschicken? Wo bleiben die Wahlversprechungen, die Kinderbetreuung für alle kostenfrei zu machen?

Ihr Vorstoß hat System. Ich denke dabei auch an die von Ihnen in Auftrag gegebene Studie, die die lenkende Wirkung der Kita-Beiträge auf doppelt berufstätige Ehepaare abfragen soll.

(Unruhe im Hause – Glocke)

Meine Damen und Herren! Ich freue mich, wenn so viele Kollegen im Saal sind, aber man muss es nicht gleich hören. Frau Dr. Stöckl, bitte fahren Sie fort.

Dahinter lässt sich unschwer die Absicht erkennen, Alleinerziehenden die Berufstätigkeit zu ermöglichen, damit sie der Sozialhilfe

(Volker Okun CDU)

nicht zur Last fallen, verheirateten Frauen jedoch wieder den Weg zur Hausfrau frei zu machen.

Statt Frauen Wege zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf aufzuzeigen, werden ihnen von diesem Senat immer nur Steine in den Weg gelegt.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Dazu passt auch Ihr Vorschlag zur Neufassung des Kindergartengesetzes. Danach sollen Kinder bis zum dritten Lebensjahr in Hamburg keinen Rechtsanspruch auf eine Betreuung haben. Es ist aber lediglich für Kinder vom vollendeten dritten bis sechsten Lebensjahr an eine vierstündige Betreuung garantiert. Dies ist nichts Neues und, wie wir wissen, für berufstätige Frauen bei weitem nicht ausreichend.

(Petra Brinkmann SPD: So ist es!)

Die Pläne für eine kostenfreie Vierstundenbetreuung für wenige soll die Stadt 4 Millionen Euro kosten. Nehmen Sie doch stattdessen das Geld und geben Sie das in den bedarfsgerechten Ausbau der Kinderbetreuung, und zwar für alle.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Herr Senator Lange! Ihre Kita-Pläne sind frauenfeindlich und ignorieren die Erfordernisse einer zeitgemäßen Familienpolitik.