Protokoll der Sitzung vom 10.12.2002

(Michael Fuchs CDU: Müssen Sie auch nicht!)

denn ansonsten muss man die Bilanz des Senats in der Umwelt- und Verbraucherpolitik schlicht desaströs nennen.

Fangen wir bei den beiden Bereichen an, die der Umweltsenator als seine eigenen Schwerpunkte genannt hat. Das ist erstens die Graffitihotline, die bereits von Frau Schaal angesprochen wurde. Der Senat hat eine halbe Million Euro für die Graffitibeseitigung durch private Hausbesitzer bereitgestellt. Jetzt, nach einem halben Jahr, stellt sich heraus, dass kaum jemand dieses Geld haben will. Das wäre an sich nicht besonders dramatisch, aber problematisch wird diese Fehlinvestition dann, wenn wir sehen, wo die Regierung das für die Hotline verschwendete Geld einspart. Herr Engels, ich möchte sie darauf aufmerksam machen, das ist unter anderem auch bei der Prävention von Graffiti geschehen.

Aber richtig schlimm wird es, wenn man sieht, dass das Geld für die Hotline dafür eingespart wird, die Spielplätze und die Grünanlagen in einen solchen Zustand zu versetzen, dass sie von den Menschen, insbesondere von den Kindern in dieser Stadt, überhaupt nicht genutzt werden können. Ich empfinde es wirklich als Irrsinn, dass Sie meinen, Ihr Geld anstatt für die Menschen in dieser Stadt für Symbolpolitik ausgeben zu müssen.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Zum Punkt Sauberkeit, der dem Senat besonders am Herzen liegt.

(Michael Fuchs CDU: Na, da bin ich gespannt, was jetzt kommt!)

Dazu müssen wir erst einmal festhalten, dass die Wochenendreinigung der Parks durch Wastewatcher einer der Schwerpunktbereiche des rotgrünen Senats gewesen ist. Jetzt sagt der neue Senat, das ist unser Schwerpunkt. Und was macht er als Erstes? Er streicht 2,5 Millionen Euro für die Säuberung der Straßen und der Parks. Das ist die Verantwortung dieses Senats und nicht des rotgrünen Vorgängersenats.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Das ist eine bemerkenswerte Vorstellung eines Schwerpunkts, den Sie haben. Das kennen wir bisher nur aus dem Bereich Bildung, etwas zum Schwerpunkt zu deklarieren und dann zu kürzen. Jetzt schreien Sie „SOS“. Das ist Ihr Programm „Sauberkeit, Ordnung, Sicherheit“. Jetzt sollen ein paar Müllsheriffs für Sauberkeit sorgen. Aber ich kann Ihnen prophezeien: Wer bei den Besen einspart und die nur durch Gummiknüppel ersetzt, wird diese Stadt nicht sauberer, sondern dreckiger machen. Das werden Sie zu verantworten haben.

(Karl-Heinz Ehlers CDU: Das finden nicht mal Ihre Leute gut! – Glocke)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, die Zeit ist leider knapp.

So viel zu dem, was der Senat unter Umweltpolitik versteht. Aber kommen wir zu dem, was der Senat in der Umweltpolitik eigentlich tun müsste und wo er in eine Leichenstarre verfallen ist.

Der Erste Bürgermeister und dieser Senat haben die Umweltpolitik von einer zentralen Zukunftsaufgabe zu einem Mauerblümchendasein degradiert. Es wurde jüngst vom Senat behauptet, dass sich der Staat auf seine Kernaufgaben – Bildung und Innere Sicherheit – unter Gewährleistung eines funktionierenden Rechtssystems zurückziehen müsse. Aber sind das wirklich die einzigen Kernaufgaben dieses Staates? Ich denke, nein. Wer nach dem Elbehochwasser, nach der Zerstörung der europäischen Westküste durch die „Prestige“, nach BSE und nach Nitrofen immer noch glaubt, dass der Schutz des Klimas, unserer Luft, unseres Wassers und unserer Lebensmittel nicht zu den Kernaufgaben dieses Staates gehört, der hat auch 30 Jahre nach dem Bericht des Club of Rome immer noch nicht verstanden, vor welchen gesellschaftlichen Herausforderungen diese Welt und auch diese Stadt stehen.

(Beifall bei der GAL)

Der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen hat im Senat keine Stimme. Wir müssen befürchten, dass die Weichen für die Zukunft der Stadt heute falsch gestellt werden. Ich halte es für einen geradezu fahrlässigen Umgang mit der von Rotgrün auf den Weg gebrachten Olympia-Bewerbung, wenn der Senat glaubt, ein OlympiaKonzept oder vielmehr ein Umweltkonzept für Olympia aufzustellen, das über den bestehenden Status quo nicht hinaus geht. So kann man eine Bewerbung auch gefährden.

Genauso unverständlich finde ich es, dass der Senat ein Konzept „Wachsende Stadt“ schreibt und dabei glaubt, er könne die ökologischen Grenzen des Wachstums aus

(Peter Lorkowski Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

blenden. Der Senat will 300 000 Menschen nach Hamburg holen, so hatte er das am Anfang gesagt, also eine Stadt von der Größe Kiels in Hamburg unterbringen. Mir ist unbegreiflich, wie der Senat darauf kommt, dass er glaubt, mit keinem Wort darauf eingehen zu müssen, was das für die bestehende Natur und die Erholungsräume bedeutet. Es geht um eine massive Beeinträchtigung der Lebensqualität, wenn in Hamburg kein Platz mehr für Grün sein soll.

Ich male damit keineswegs den Teufel an die Wand, sondern ich spreche von einer sehr realen Entwicklung.

(Karl-Heinz Ehlers CDU: Die bringen wir alle im Bauwagen unter!)

Wenn die Flächenversiegelung in der Stadt so voranschreitet, wie sie es derzeit tut, sind die planerisch ausgewiesenen Flächenreserven in 21 Jahren erschöpft und der Druck auf die restlichen Grünflächen steigt. Deswegen kann eine wachsende Stadt nicht als Selbstzweck das Ziel sein, denn wer Wachstum zum Selbstzweck erhebt, verkennt die Grenzen des Wachstums. Ohne eine ökologische Flankierung eines solchen Konzepts verbaut der Senat buchstäblich die langfristigen Entwicklungschancen und mindert die Lebensqualität in dieser Stadt. Das läuft genau dem entgegen, was meine Fraktionschefin gestern gesagt hat und um was es in diesen Debatten eigentlich gehen müsste. Wir wollen eine lebenswerte Stadt mit einer hohen Lebensqualität. Das muss das Ziel sein, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der GAL)

Eine lebenswerte Stadt bedeutet zum Beispiel, dass wir die Wasserqualität der Elbe im Interesse der Natur und der Menschen, die an diesem Fluss leben, steigern und nicht durch weitere Ausbaumaßnahmen gefährden. Es ist ein Armutszeugnis für den Senat, wenn er sein einziges im Koalitionsvertrag verankertes Ziel, die Verbesserung der Wasserqualität der Elbe, dadurch torpediert, dass er ohne mit der Wimper zu zucken den Ausbau der Unterelbe und der mittleren Elbe propagiert, als hätte es eine Elbeflut nie gegeben. Das ist unglaublich.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Zu einer lebenswerten Stadt gehört auch, dass den Hamburgerinnen und Hamburgern nicht ihr größtes Naherholungsgebiet genommen wird, das Alte Land, denn ich möchte nicht, dass unsere Kinder bald auf die Apfelblüte im Alten Land verzichten müssen, weil dort nur noch Asphalt zu besichtigen ist.

Zur Lebensqualität in einer Großstadt gehört auch, dass die Menschen mit sauber hergestellten Lebensmitteln versorgt werden. Aber hier behindert der Senat die Agrarwende der Bundesregierung, wo er nur kann. Er blockiert – als erstes und einziges Bundesland – Vorhaben wie das Verbraucherinformationsgesetz und er schafft das Marketing für Ökoprodukte in Hamburg ab. Das ist also die Art von Vorreiterstellung, die dieser Senat anstrebt, Vorreiter beim Abbau der Rechte der Verbraucherinnen und Verbraucher und Vorreiter beim Festhalten an der alten und verkrusteten Agrarpolitik.

Eine lebenswerte Stadt heißt auch, dass die Menschen mit Trinkwasser versorgt werden, das so sauber und so günstig ist wie nur irgend möglich. Die Hamburgischen Wasserwerke waren hierfür seit fast 80 Jahren Garant und haben damit erheblich zur Lebensqualität in dieser Stadt beigetragen. Wer jemals in England war, kennt die Gefahr der Privatisierung der Wasserversorgung, denn dort hat

der Verkauf der Wasserwerke dazu geführt, dass es nicht nur darum geht, Verbrauchern möglichst sauberes und günstiges Wasser zur Verfügung zu stellen, sondern allein um Profit. Das führt dann dazu, dass die Wasserqualität um keinen Deut besser ist, als es die Grenzwerte zwingend vorschreiben, und dass gleichzeitig die Wasserpreise steigen.

(Stephan Müller Partei Rechtsstaatlicher Offensive: Wollen Sie die Wasserwerke verkaufen? Schämen Sie sich!)

Herr Bürgermeister, ersparen Sie uns Hamburgerinnen und Hamburgern, dass unsere Wasserwerke meistbietend an einen Multikonzern verschleudert werden, und versprechen Sie uns endlich, dass die Wasserversorgung in den Händen dieser Stadt bleibt.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Die Umwelt- und Verbraucherpolitik ist in Hamburg auf einem Tiefpunkt angelangt und der Senat liefert die Sinnbilder hierfür gleich mit. Nach der Jagd auf die von Rotgrün unter Schutz gestellten Schwäne liefert der Umweltsenator ein neues Symbol für den Geist seiner Umweltpolitik.

(Karl-Heinz Ehlers CDU: Das glauben Sie doch sel- ber nicht!)

Anstatt wie sein grüner Amtsvorgänger und sein Staatsrat beim Dienstwagen Carsharing zu betreiben, dazu noch mit einem ökologisch vorbildlichen Modell, haben der jetzige Staatsrat und sein Umweltsenator sich erst einmal zwei dicke Mercedes-Limousinen bestellt und verfahren 15,5 Liter Benzin im Stadtverkehr. Das ist ein sprechendes Bild für den gesamten Senat. Sie fahren richtig dick auf und haben inhaltlich nichts dahinter.

(Beifall bei der GAL)

Das Wort hat Herr Rumpf.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wer gestern über die Beiträge der SPD enttäuscht war, hat heute erlebt, dass seine Enttäuschung noch steigerungsfähig ist.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

Frau Dr. Schaal, die Beamten und Angestellten der Freien und Hansestadt als Knöllchenschreiber und Stubenhocker zu bezeichnen, ist schlicht unverschämt.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive – Glocke)

Herr Rumpf, mäßigen Sie sich bitte.

Was Ihre Beiträge zur Sperrmüllabfuhr angeht, Frau Dr. Schaal, hatte ich das Glück, es neulich selber in Anspruch nehmen zu dürfen. Ich sage Ihnen, was die Sperrmüllabfuhr in Hamburg heutzutage leistet, ist eine echte Dienstleistung. Die kommen nämlich zu Ihnen nach Hause und räumen Ihnen sogar die Wohnung aus. Das ist ein so toller Service, dass der ein paar Mark wert ist. Alles in allem haben Sie zwei ganze Anträge zum Thema Umwelt gestellt.

Einen zum Stadtgrün mit mehr oder weniger vernünftigen Vorschlägen, wobei die vernünftigeren sowieso von Senat

(Christian Maaß GAL)

und Koalition gerade durchgeführt werden. Dieser Antrag ist – soweit haushaltsrechtlich relevant – ohne Deckung und daher nicht verhandelbar. Wenn Sie dazu wieder die Vermögensteuer bemühen wollen, werde ich Ihnen morgen etwas dazu sagen.

Dann einen Antrag von der SPD zur Bodenversiegelung, ausgerechnet der Partei, die in der Vergangenheit mehr als jede andere großflächige Versiegelungen mit dem Allzweckargument Arbeitsplätze bundesweit propagiert und durchgeführt hat. Hier eine Deckung durch Halbierung des Titels für die Gewässergüte ausgerechnet in Hamburg anzubieten, ist schon frech. In der Koalition, denke ich, hätte die GAL solch einen Nonsens verhindert. Da kann ich nur den Bürgermeister von gestern zitieren: „Dat war wohl nichts.“

(Zurufe von der SPD: Bürgermeister von gestern?)