Protokoll der Sitzung vom 14.11.2001

nat gesagt hat, war oft diametral anders als Ihre Wahrnehmung von seiner Rede. Das ist nicht ganz fair.

Lassen Sie mich nur auf wenige Punkte eingehen. Der Bürgermeister hat gesagt, die Regierungspolitik setze vier Essentials. Als zweiten Punkt hat er die Sozialpolitik genannt,

(Uwe Grund SPD: Ich bin darauf eingegangen!)

die geprüft werden müsse. Hier sei nicht das Gießkannenprinzip, sondern eine Erfolgskontrolle und Aufgabenkritik anzuwenden, damit Sozialleistungen nicht flächenmäßig an die Menschen verteilt werden, die es nicht nötig haben. Das war der erste Satz.

Der zweite Satz von ihm lautete, dass keine Mittel gestrichen werden sollen. Er hat gesagt, es sei kein fiskalisches Argument, sondern es soll dort verstärkt Hilfe geleistet werden, wo Menschen wirklich arm dran sind.

Das ist vernünftig. Herr Grund redete hier aber so, als ob der Senat die Schwachen sich selbst überlassen wolle. Das ist schlicht falsch. Ähnliches gilt für andere Punkte.

(Thomas Böwer SPD: Welche?)

Zum Beispiel die Innere Sicherheit mit allen ihren Facetten. Herr Grund hebelt diese Problematik aus, indem er behauptet, dass die ganze Stadt verunsichert sei, weil in der Presse mal dieses oder jenes stehe, wer Senator werde oder nicht. Das ist peinlich.

Sicherheit wird durch den jetzigen Innensenator verkörpert. Die drei Zeitungsmeldungen, ob eine Kultursenatorin oder -senator kommt oder nicht, haben damit nichts zu tun.

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Sie kaspern rum!)

Das ist Ihr Argumentationsmuster. Wir hören Ihre Botschaft mit Freude, dass Sie für eine konstruktive Oppositionspolitik zur Verfügung stehen. Uns fehlt nur ein wenig der Glaube,

(Uwe Grund SPD: Haben Sie die Freude nicht bemerkt?)

wenn letztendlich mit einer etwas preiswerten Polemik gearbeitet wird.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Herr Grund, es hilft nichts: Als der Bürgermeister davon gesprochen hat, bei den Schulen mehr Gerechtigkeit zu schaffen und die Bevorzugung der Gesamtschulen zu reduzieren, haben Sie zum Beispiel gesagt, dass die SPD dafür sei, Qualitätsanforderungen an die Schule zu stellen. Prima.

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Haben wir übrigens im- mer!)

Genau, gesagt haben Sie es immer.

Aber eine inhaltliche Forderung, die wir jahrelang erhoben haben – zum Beispiel in den Hauptfächern Leistungsstandards einzurichten, um für Gesamthamburg festzusetzen, welcher Qualitätsstandard überhaupt erreicht werden kann –, haben Sie immer abgelehnt. Auch heute haben Sie nichts dazu gesagt. Zum Schluss sagen Sie, dass Sie nicht dafür seien, dass die Bevorzugung der Gesamtschulen gestrichen wird. Das ist aber ein Stück Ungerechtigkeit und keine Chancengleichheit.

(Thomas Böwer SPD: Aha!)

(Ingo Egloff SPD)

Ihre andere Behauptung, dass überhaupt nichts über Sozialpolitik im Koalitionsvertrag stehen würde, stimmt nicht. Das haben schon der Kollege von der FDP und andere gesagt. Wir sind der Auffassung, dass eine vernünftige Wirtschaftspolitik insbesondere im mittelständischen Bereich Anstrengungen freisetzt, die letztendlich zu neuen Arbeitsplätzen führt und somit eine solide Sozialpolitik nach sich zieht.

Herr Egloff hat noch einmal die sozialdemokratischen Standards aufgeführt, die auch uns bekannt sind, aber letztendlich nicht weiterhelfen. Seien wir doch einmal ehrlich: Es wird so getan, dass der Zweite Arbeitsmarkt wunderbar sei.

(Uwe Grund SPD: Wer sagt das denn?)

Seit zehn Jahren gibt es Rechnungshofsberichte, aus denen uns die ganze Problematik bekannt ist. Man kann also nicht behaupten, dass wir zur Sozialpolitik nichts sagen und dass nichts passieren würde. Wir kennen doch alle die Situation aus den Berichten des Rechnungshofs über den Altonaer Verein, HAB und die anderen aus den letzten zehn Jahren. Sie sollten dieses nicht so pauschal, wenn auch durchaus mit witziger Rhetorik, übertünchen, sondern einmal ehrlich sein.

Ihre Ehrlichkeit kommt für mich dort zum Ausdruck, wo Sie zugeben – so habe ich Sie verstanden –, dass Fehler bei der Inneren Sicherheit gemacht worden seien und dass Sie den Senat unterstützen würden, wenn er mehr Sicherheit schaffe.

(Thomas Böwer SPD: Genau!)

Das begrüße ich ausdrücklich.

(Wolf-Dieter Scheurell SPD: Danke!)

Ich möchte Ihnen den Tipp geben, dass Sie, wenn Sie dieses früher gesagt hätten,

(Farid Müller GAL:... Sie da gar nicht stehen wür- den!)

vielleicht einige Stimmen mehr bekommen hätten.

Das Problem jahrzehntelanger sozialdemokratischer Herrschaft bestand doch darin – das kommt auch im Unterbewusstsein Ihrer Reden zum Vorschein –, dass für Sie im Prinzip diese Stadt der Sozialdemokratie gehört. Zum Bereich der Inneren Sicherheit haben Sie immer gesagt, dass alles wunderbar laufe. Herr Wrocklage sagte zu unseren Forderungen: Quatsch, Herr von Beust, Sie haben Schiss vor Schill, alles läuft wunderbar. Einen Tag später war er nicht mehr Innensenator, man hat sogar die Politik geändert. Aber Sie haben niemals gesagt, dass Sie Fehler gemacht haben und neu anfangen wollen. Insofern begrüßen wir ausdrücklich, dass die SPD diesen Gedankenschritt einmal macht. Er wird Ihnen in Zukunft durchaus helfen, denn wenn man vor sich selbst nicht ehrlich ist, wird es nie etwas. In der Regierung ist es nichts geworden und in der Opposition wird es auch nichts.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP – Wolf-Dieter Scheurell SPD: Das hört sich nicht logisch an! – Gegenruf von Uwe Grund SPD: Das ist ja auch nicht wichtig!)

Zu einigen weiteren Punkten. Zum Thema Verkehr wird bei Ihnen der alte Hut herausgezogen, dass alles ganz furchtbar sei und wir nur die Autofahrer im Sinn hätten. Frau Sager hat formuliert – das kann sie ja gut –, „rechtsfreie Räume für Raser und Rücksichtslose“.

Wer in der Verkehrspolitik angesichts der Situation der Inneren Sicherheit von rechtsfreien Räumen in dieser Stadt spricht, ist zu Recht vom Wähler abgestraft worden.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Dann holen Sie Ihre Vorurteile hervor: Die CDU kenne nur das Auto und sonst nichts. Das ist alles Quatsch. Es gab Defizite bei der Verkehrspolitik insbesondere im Bereich der Straßen. Das ist richtig und wurde hier auch vorgetragen.

Sie hatten aber auch tolle Gedanken. Sie wollten nämlich das Zufußgehen fördern. Das haben wir nicht in das Koalitionsprogramm geschrieben, obwohl auch wir dafür sind.

Sie haben die Stadtbahn genannt. Ich habe erwartet, dass dieser Punkt, der ein Dissens zwischen dem neuen und alten Senat ist, mehr betont wird. Lediglich Frau Sager ist ein wenig darauf eingegangen.

Die Wahrheit ist doch: Diese Stadtbahn war – obwohl Sie zwar immer so getan haben – weder finanziert noch war sie ein verkehrspolitischer Geniestreich. Sie hätte zum Zusammenbruch des Verkehrs zum Beispiel im Bereich Winterhude und anderer Stadtteile geführt.

(Werner Dobritz SPD: Sie haben sie doch immer gefordert!)

Das Einzige, was finanziert werden konnte, war die im Bundesverkehrswegeplan angedachte U-Bahn-Verbindung.

Der jetzige Senat sagt, dass er massiv Gelder für den öffentlichen Personennahverkehr einsetzen wird, und zwar für die U-Bahn von Barmbek nach Steilshoop,

(Krista Sager GAL: Und wie wird es finanziert?)

die vom Senat in den Fünfziger- und Sechzigerjahren geplant wurde.

(Thomas Böwer SPD: So tief ins Archiv gehen Sie jetzt?)

Das war doch richtig. Wir stehen als Hamburger in der Tradition dieses Senats und erfinden die Stadtteile und Verkehrswege nicht neu.

Warum hat man das damals gemacht? Barmbek-Nord ist – darüber gibt es Untersuchungen – der am dichtesten besiedelte Stadtteil von Hamburg. Wenn dort eine U-BahnStation errichtet wird, hat man unter Heranziehung aller Kriterien den größten Nutzen. Wird die U-Bahn nach Steilshoop weitergeführt, kann nach 30 Jahren endlich ein Grundfehler sozialdemokratischer Stadtentwicklungspolitik korrigiert werden. Es wurden nämlich vier Wohnzentren in der „Wüste“ gebaut, und zwar Kirchdorf-Süd – direkt an der Autobahn –, Osdorfer Born, Mümmelmannsberg und Steilshoop.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP – Uwe Grund SPD: Wie lange brauchen Sie denn dafür, Herr Schulz?)