Protokoll der Sitzung vom 14.11.2001

(Uwe Grund SPD)

Stadt zu mobilisieren, durch Verkäufe zusätzliches Geld schöpfen zu wollen, machen uns wirklich große Sorgen und nicht nur uns. Sie wollen die Ausgabensteigerungen niedrig halten und sogar nominal weniger ausgeben; wir hören das wirklich gerne. Wie diese Regierung bei einer eisernen Hand des Finanzsenators mehr Polizei, mehr Lehrer, mehr Richter, mehr Vollzugsbeamte in den Gefängnissen, geringere Kindergartenbeiträge bei weniger Gewerbesteuer erreichen will, bleibt vorläufig ihr Geheimnis. Vielleicht wird es irgendwann gelüftet.

Herr Peiner, Sie gelten als harter Arbeiter und strategischer Kopf und außerdem als zäher Unterhändler mit kompromissloser Sachlichkeit und scheinen der einzige Garant dieser Regierung für finanzpolitische Solidität zu sein. Ihre Ankündigung, bei Privatisierungen das Stadtinteresse in den Mittelpunkt zu stellen und kontraproduktive Veräußerungen zu verhindern, werden wir nach Kräften unterstützen.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Die Frage der Privatisierung von öffentlichen Unternehmen und Beteiligungen ist für Sozialdemokraten keine ideologische Frage, ganz im Gegensatz zur CDU und vor allem zur FDP, die schon allein in der Überführung öffentlichen Vermögens in private Hand einen ordnungspolitischen Wert sieht. Es geht auch um Güterabwägungen.

Erstens: Können wir wichtige Funktionen der Daseinsvorsorge, Bereiche wie Wasser, Verkehr, Entsorgung oder Standortpolitik wie Hafen und Landesbank ganz oder teilweise in fremde Hände geben? Rechnet sich der Verkauf überhaupt?

Zweitens: Bleibt nach der Schuldenreduzierung mittels Verkaufserlös, auch nach Abzug der nicht mehr in den Haushalt fließenden Gewinne, noch wirklich eine Nettozinsersparnis übrig?

Drittens: Wird diese Nettozinsersparnis auch wirklich nur – und nicht der eigene Verkaufserlös – für die vergänglichen Ausgaben verbraucht?

Viertens: An wen wird verkauft und noch viel wichtiger, was bedeutet das für die Verbraucher hinsichtlich Qualität und Preis, zum Beispiel beim Wasser und bei der Entwässerung? Was bedeutet aber der Verkauf vor allem für die Beschäftigten dieser Unternehmen?

Man kann eben nicht alle Lebensbereiche der Profitorientierung unterwerfen. Herr von Beust, Sie haben eben selbst gesagt, dass Sie bei der Privatisierung die strategischen Interessen Hamburgs und die sozialen Belange der Mitarbeiter berücksichtigen wollen. Herr Peiner, nehmen Sie Ihren Bürgermeister beim Wort.

(Beifall bei der SPD)

Es bleibt hinzuzufügen: Die wirklichen Schätze Hamburgs liegen nicht in der Schatulle des Finanzsenators, sondern in den Köpfen der Menschen dieser Stadt. Die wahren Goldgräber sind demnach im Senat Herr Lange und Herr Dräger. Letzterer hat besonders gute Ansätze. Man merkt der Passage zur Wissenschaftspolitik im Koalitionsvertrag an, dass ein Experte mitgewirkt hat. Glückwunsch, Herr Dräger.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Wir werden Ihr Tun und Lassen sehr aufmerksam verfolgen. In der Schulpolitik haben Sie, Herr von Beust, eine gerechte Mittelverteilung zwischen den Schulformen ange

mahnt. Wir brauchen keine Debatte über Schulformen, sondern eine Debatte über Qualität in Schulen.

(Beifall bei der SPD – Karl-Heinz Ehlers CDU: Plötz- lich entdecken Sie das!)

Was kann und soll Schule in Zukunft vermitteln? Welches Wissen und welche Fähigkeiten sind nötig? Wo können und müssen Lehrpläne entrümpelt werden? Das sind die Zukunftsfragen, denen Sie sich stellen müssen.

Schule muss als Lebensort begriffen und gestaltet werden. Erst dann entfaltet sich eine Symbiose von Lernen und Freizeit. Für die SPD sind Chancengleichheit und Leistungsorientierung kein Widerspruch.

(Beifall bei der SPD)

Es gibt auch sozialdemokratisch geführte Landesregierungen, die ein Abitur nach zwölf Schuljahren anstreben. Wir lehnen diesen Weg nicht einfach ab. Wir wollen mit Ihnen und der ganzen Stadt diskutieren, was im Interesse der Schüler und ihrer Eltern liegt, welche Folgen dieses System für die Qualität hat. Gymnasien kann man so gestalten, dass nach zwölf Jahren das Abitur absolviert wird. Allerdings muss der Unterricht anders verteilt werden, um die bundesweit festgeschriebenen Stundenumfänge zu erreichen.

(Karl-Heinz Ehlers CDU: Darauf wären wir nicht gekommen!)

Zum Thema Schulgebietsgrenzen ist zu sagen, dass es ohne begleitende Maßnahmen, Herr Lange, durch Aufhebung der Schulgebietsgrenzen in benachteiligten Stadtteilen zu einer Verschärfung der sozialen Situation kommen wird. Ausgrenzung darf nicht zum Credo von Bildungspolitik werden. Allerdings rudert Herr Lange bei diesem Thema auch schon zurück. Wir legen den Eltern, die für ihre Kinder die besten Schulen fordern, keine Steine in den Weg. Sie haben das Recht dazu, solche Forderungen zu stellen. Allerdings hat der Staat die Pflicht, für Chancengleichheit zu sorgen. Wir werden darauf achten, Herr Senator Lange, wie Sie den Verfassungsgrundsatz der Chancengleichheit umsetzen. Durch eine gleichmäßige Verteilung der Mittel auf alle Schulen wird Ihnen dies unter den gegebenen Tendenzen jedenfalls so nicht gelingen.

(Beifall bei der SPD)

Sprachliche Förderungsmaßnahmen, speziell für Migrantenkinder, begrüßen wir. Sprachprüfungen dürfen aber nicht klammheimlich als Ausgrenzungsmechanismus missbraucht werden; das wäre ein glatter Verfassungsverstoß. Wenn Sie mit sinnvollen Konzepten aufwarten, haben Sie unsere Unterstützung.

Herr von Beust, neben der Bildungspolitik haben Sie die Verkehrspolitik als einen Schwerpunkt genannt, aber auch hier bleiben Sie der Stadt viele Antworten schuldig. Was wird mit der Ortsumgehung Finkenwerder? Heute so, morgen so. Mit diesem Konzept werden Sie nicht weit kommen.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Verzicht auf die Stadtbahn. Wie wollen Sie die HafenCity an die Stadt anbinden? Wie wollen Sie die Olympiastadt anbinden, wie das AOL-Stadion und die Arena? Keine Antwort. Wie wollen Sie die verkehrspolitischen Großkonzepte durchsetzen, denn Ihre Koalition macht Verkehrspolitik hauptsächlich in anderen Ländern? Beispiele: Autobahnring um Hamburg, zwei Elbüberquerungen, Ausbau der A7 nach Bordesholm, Fehmarnbeltquerung,

(Uwe Grund SPD)

(Stephan Müller Partei Rechtsstaatlicher Offensive: Das wirkt sich auch auf den Hamburger Verkehr aus!)

Elektrifizierung bis Lübeck, Schienenverbindungen nach Skandinavien, Y-Trasse Hannover und Bremen, weitere Gleise nach Lüneburg.

Festzuhalten bleibt, dass Sie die tollsten Visionen dort haben, wo Sie nichts zu realisieren haben und die Verantwortung auf andere abschieben können.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Es gibt weitere Ungereimtheiten. Ihre gesamte Verkehrspolitik dreht sich um das Auto. Die Verkehrspolitik bestimmt aber die Lebensqualität von allen Bürgern, auch derjenigen, die zu Fuß gehen und die mit dem Rad fahren. Sie versprechen eine U-Bahn, aber Sie wissen nicht, wie lange es dauert, diese zu bauen. Konkrete Frage an Herrn von Beust: Was ist eigentlich aus Ihren Plänen zu Kaltenkirchen geworden? Wollen Sie Investoren locken, in Fuhlsbüttel zu investieren, und planen dann doch heimlich die Verlagerung? Da kann ich nur sagen: Gute Verrichtung.

(Beifall bei der SPD)

Das „Hamburger Abendblatt“ kommentiert Ihre Verkehrspolitik mit der Frage – Zitat –:

„Was soll man mehr bewundern: den Eifer, den die neue Rathausführung bei der Beseitigung von Pollern an Hamburgs Straßen an den Tag legt? Oder den Starrsinn, mit dem sie die inzwischen von den meisten akzeptierte Verkehrsberuhigung im Grindelhof abschaffen will?“

Beides ist aus einer ganzen Reihe von Vorhaben herausgegriffen, die alle ein Merkmal tragen: Freie Fahrt für alle Autos.

(Robin Schenk Partei Rechtsstaatlicher Offensive: Endlich!)

Dass zugleich der weitere Ausbau von Fahrradrouten gestoppt wird, die Stresemannstraße wieder auf der ganzen Länge vierspurig mit Tempo 50 befahren werden soll und man nachts noch mehr Ampeln abschalten will, passt alles in dieses Bild.

Hohes Tempo gefährdet Fußgänger. An der Stresemannstraße wird von einer Bürgerinitiative ein Volksentscheid betrieben. Gegen die Pläne der Koalition wurden bereits 2500 Unterschriften gesammelt. Herr Mettbach, die Anwohner der Stresemannstraße wollen Ihre Pläne nicht, akzeptieren Sie das doch.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Oder übernehmen Sie etwa die Verantwortung für das nächste überfahrene Kind wegen Raserei auf der Stresemannstraße?

(Stephan Müller Partei Rechtsstaatlicher Offensive: Buh! Buh! – Beifall bei der SPD)

Diese Frage muss gestellt werden.

(Horst Zwengel Partei Rechtsstaatlicher Offensive: Sie wollen vierspurige Fahrradwege!)

Das Konzept der autogerechten Stadt stammt aus den sechziger Jahren; es ist auf der ganzen Welt gescheitert.

Stichwort Transrapid: Die neue Koalition, vorneweg die CDU, bastelt weiterhin an diesem Luftschloss. Auf der Strecke Hamburg–Berlin kann dieses Vorhaben aber niemand umsetzen, den man dafür braucht: die Bahn nicht,

die Industrie nicht und selbst die alte Kohl-Regierung wollte nicht so recht. Dazu weiß niemand, wie man das finanzieren soll, aber die CDU in Hamburg träumt weiter. Und Herr Schill, gewohnt sachkundig, nennt sogar schon den Termin: In fünf Jahren fährt die Bahn – gnadenlos ahnungslos.

(Beifall bei der SPD und der GAL)