Dabei, meine Damen und Herren, heißt staatliche oder öffentliche Aufgabe nicht automatisch, dass die Erbringung dieser Aufgabe auch direkt vom Staat erfolgen muss. Der Rückzug des Staates und die Aufgabenkritik eröffnen neue Handlungsspielräume für bürgerliches Engagement. Eigenverantwortung, Mäzenatentum, Bürgersinn und Privatisierung entlasten den Staat von Unnötigem, ermöglichen es aber gleichzeitig auch, die Kernbereiche noch entschiedener und konsequenter wahrzunehmen.
Zu diesen Kernbereichen gehören vordringlich Sicherheit und Recht, Grundelemente der Daseinsvorsorge – von der Bildung über soziale Schutzfunktionen – sowie planerische Gestaltung und Schaffung einer modernen Infrastruktur, um wichtige Rahmenbedingungen für Wirtschaften und Arbeiten zu setzen.
Ich weiß, wir haben in Hamburg eine motivierte, kompetente öffentliche Verwaltung, die den Willen zur weiteren Leistungssteigerung und Modernität hat. Wir vertrauen dabei auf die Loyalität und die Motivation der Arbeiter, Angestellten und Beamten der Freien und Hansestadt Hamburg.
Nebenbei: Diejenigen Behörden, mit denen die Menschen am ehesten in Kontakt kommen, sind die Behörden auf quasi kommunaler Ebene. Das heißt Bezirksämter und Ortsämter. Ich werde hier ganz besonders mein persönliches Augenmerk darauf richten, dass auch diese quantitativ und qualitativ in die Lage versetzt werden, ihre für den Bürger wichtige Aufgabe wahrnehmen zu können. Dazu gehört auch, dass wir in Hamburg Stück für Stück die Verwaltungsreform dahin gehend fortsetzen, dass örtliche Dinge wirklich abschließend auf örtlicher Ebene entschieden und vollzogen werden können.
Subsidiarität ist ein Grundsatz, der nicht nur für das Verhältnis vom Staat zu freien, gemeinnützigen oder privaten Einrichtungen gilt, sondern auch für das unmittelbare Staatshandeln von großer Bedeutung ist.
Viertens: Politik ist für uns mehr als die Lösung von tagespolitischen Fragen oder der Versuch, schon jetzt Weichen für die Zukunft zu stellen, sondern auch verantwortliches Handeln in Anbetracht der deutschen und der hamburgischen Geschichte. Natürlich ist unsere Geschichte erheblich mehr als die Schrecklichkeit und die Verfehlungen gerade von Deutschen im letzten Jahrhundert. Trotzdem stehen wir als Deutsche in einer besonderen Verantwortung gegenüber unserer deutschen Geschichte. Diese Koalition ist sich dieser Verantwortung bewusst, und das, meine Damen und Herren, gilt auch ganz konkret im Falle Neuengamme bei der Abwägung der geschichtlichen Verantwortung und dem Taktgefühl gegenüber den Opfern und deren Angehörigen auf der einen Seite und der Notwendigkeit der Sicherung einer ausreichenden Anzahl von Haftplätzen in Hamburg auf der anderen Seite. Wir werden dafür sorgen, dass es hier rasch zu einer für alle Seiten vernünftigen Lösung kommt. Das garantiere ich Ihnen, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP und Zuruf von Anja Hajduk GAL)
Weil wir uns dieser Verantwortung bewusst sind, sage ich aber auch ganz deutlich, dass ich ganz persönlich massiv allen Versuchen gegenübertreten werde, durch die Etikettierung „rechts“ von Personen oder Parteien subtil eine Verbindung zu rechtsradikal oder Geschichtslosigkeit herzustellen.
(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP – Zuruf von Krista Sager GAL)
Es mag jeder denken, was er will, aber einen rassen- oder klassenbezogenen Wahrheitsanspruch, der zur Diffamierung politisch Andersdenkender führt, wird es mit uns nicht geben, weder politisch noch moralisch.
Meine Damen und Herren! Es gibt aber auch die spezielle hamburgische Geschichte. Moderne Metropolen – darauf hat bereits der Publizist Siegfried Kracauer am Beispiel Berlin in den zwanziger Jahren hingewiesen – laufen Gefahr – wie er es ausdrückte –, „Orte besinnungsloser Gegenwart und hektischen Vergessens“ zu werden. Dieses gilt heute erst recht. Uns kommt daher auch die Aufgabe zu, das Gedächtnis der Stadt zu bewahren, nicht in Gestalt leerlaufender Rituale, sondern immer im bewussten Bezug zur Gegenwart. Das gilt für die Kultur, die Architektur, aber auch für das, was wir als hanseatisch empfinden: Liberalität, Weltoffenheit und das Bemühen um Konsens in wesentlichen Fragen unserer Stadt. Das soll auch in Zukunft so bleiben.
Politik des Wechsels auf der Grundlage der Verlässlichkeit und des Vertrauens heißt damit Politik im Sinne unserer Grundüberzeugungen. Das sind: die Befriedigung des Anspruchs der Menschen auf Sicherheit und Geborgenheit, der Respekt vor dem Nächsten und die Ächtung von Intoleranz, die Rückbesinnung des Staates auf die wesentlichen Aufgaben unter strikter Beachtung des Grundsatzes der Subsidiarität, die Verantwortung vor unserer Geschichte und die Beachtung hanseatischer Tugenden. Wir wollen ein starkes Fundament entwickeln, auf dem die Menschen in schwierigen Zeiten gemeinsam Halt finden und das Gemeinwesen voranbringen. Ich denke, man kann dabei auch – und muß es auch – voller Anerkennung auf Persönlichkeiten zurückblicken, die in der Vergangenheit die Geschicke unserer Stadt in diesem Sinne geprägt haben. Ich nenne nur die Namen Max Brauer, Kurt Sieveking, Herbert Weichmann oder Paul Nevermann. Wir wissen, wir fangen nicht bei Null an. Persönlichkeiten und Entscheidungen der Vergangenheit wirken bis heute fort und beeinflussen vieles. Aber Demokratie lebt davon, dass dieses weiterentwickelt wird, und lebt auch vom Wechsel. Dies werden wir tun, meine Damen und Herren.
Bei dieser Weiterentwicklung stehen wir vor großen Aufgaben, die neben der Definierung der Ziele auch finanzierbar sein müssen. Sozusagen vor die Klammer gehören dabei nicht nur die uns verbindenden Grundüberzeugungen in der Koalition, sondern selbstverständlich auch die Ziele unserer Finanzpolitik.
Der vorherige Senat hat mit dem Finanzbericht eine Schlussbilanz vorgelegt. Wir werden in Kürze eine Eröff
nungsbilanz vorlegen. Die Erfahrung lehrt: Eine Schlussbilanz neigt dazu, Dinge schönzuschreiben, eine Eröffnungsbilanz beschreibt die Lage schonungslos.
Ach, Sie meinen, innerhalb von vierzehn Tagen haben wir schon finanzielle Probleme geschaffen. Das wäre ein Rekord, Frau Kollegin. So schnell sind wir auch nicht, bei aller Schnelligkeit.
Meine Damen und Herren! Die internationale Konjunkturentwicklung, auch aufgrund der Ereignisse vom 11. September, nationale Schwierigkeiten, die Neuregelung des Familienlastenausgleichs, aber auch das noch im Gesetzgebungsverfahren befindliche Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform werden erhebliche Einnahmeausfälle verursachen. Hinzu kommen weitere Risiken, wie die bislang völlig unzureichende Vorsorge für die steigenden Versorgungsleistungen – dies gilt auch für öffentliche Unternehmen – sowie Verbindlichkeiten aus den Nebenhaushalten. Schon jetzt lässt sich feststellen, dass, nachdem der vorherige Senat für das Jahr 2001 eine Lücke im Betriebshaushalt von 620 Millionen DM hinterlassen hat, sich diese Lücke allein im Gefolge der November-Steuerschätzung in Richtung von 1 Milliarde DM vergrößern wird.
Im Klartext heißt dies: Es bleibt bei der Schwerpunktsetzung der Politik des Wechsels in den Bereichen Sicherheit, Bildung und Verkehr. Was aber auch bedeutet, dass es an anderen Stellen ohne Tabus Aufgabenkritik geben wird.
Wer glaubt, der Wechsel in Hamburg bedeute, es gebe keinen Zwang mehr zur Haushaltskonsolidierung, der täuscht sich. Im Gegenteil: Einnahmeausfälle auf der einen Seite und sich realisierende Aufgabenrisiken auf der anderen Seite, verbunden mit notwendigen Mehrausgaben in den politisch gewollten Aufgabenfeldern, verursachen in den anderen Politikfeldern die Notwendigkeit von zum Teil drastischen Einschnitten.
Wir werden und müssen das durchstehen, auch wenn es – das weiß ich jetzt schon – Proteste geben wird. Keiner soll glauben, der neue Senat würde den bequemen Weg der Neuverschuldung gehen. Im Gegenteil: Angesichts mancher noch nicht absehbarer Risiken und der Notwendigkeit, im investiven Bereich Spielräume zu behalten, ist eine Neuverschuldung grundsätzlich der falsche Weg.
Um so mehr kommt es darauf an, Vermögenswerte zu mobilisieren. Mobilisieren heißt aber nicht verramschen, sondern intelligent zu veräußern. Dabei steht die Vermögensveräußerung nicht nur unter den Vorzeichen fiskalischer Überlegungen, sondern zu berücksichtigen sind auch strategische Interessen Hamburgs und der Schutz der sozialen Belange von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den zu veräußernden Betrieben. Sie können sich darauf verlassen, dieses ist dem Senat bewusst, meine Damen und Herren.
Aber auch hier noch einmal unser Grundsatz: Vermögensmobilisierung soll grundsätzlich nicht dem Ausgleich von Lücken des laufenden Betriebshaushaltes dienen. Sie dient vorwiegend entweder zur Finanzierung von Investitionen in den politisch gewollten Schwerpunktbereichen oder zur Schuldenreduzierung mit der Folge niedrigerer Zinslasten, das heißt größerer Spielräume im Betriebshaushalt, aber auch hier zugunsten der politisch gewollten und definierten Schwerpunktbereiche.
Finanzpolitik ist aus unserer Sicht nicht ausschließlich fiskalische Politik, sondern unterwirft sich dem, was insgesamt politisch gewollt ist, meine Damen und Herren.
Lassen Sie mich im Folgenden darstellen, welche Ziele wir uns auf der Grundlage der eben geschilderten Werte und Haltungen und der finanziellen Handlungsmöglichkeiten gesetzt haben. Dabei bitte ich Sie jetzt schon, auch wenn ich weiß, dass diese Bitte vermutlich vergeblich sein wird, nicht in dem Sinne mit gespitztem Bleistift dazusitzen, um buchhalterisch zu ergründen, zu welchen Bereichen in welcher Länge denn nun etwas oder nichts gesagt wurde.
Es geht in dieser Erklärung grundsätzlich darum, die Ziele zu formulieren und nicht das gesamte Koalitionsabkommen – das natürlich Gültigkeit hat – oder gar die Parteiprogramme vorzulesen. Es geht um die grundsätzlichen Ziele und die Ausgestaltung dieser Ziele.
Erstens: Wir wollen ein Hamburg als wachsende Metropole national und international ganz oben sehen, meine Damen und Herren.
Bei aller Liebe zu unserer Stadt: Ich glaube, in der Vergangenheit haben wir zu häufig zum Eigenlob geneigt und wollten einfach nicht sehen, dass unsere Stadt im Reigen der Weltstädte an Boden verloren hat. Dies spiegelt sich unter anderem auch in der Einwohnerzahl wider, die von fast 1,9 Millionen auf heute rund 1,7 Millionen Einwohner geschrumpft ist. Die Prognosen sagen eine weitere Reduzierung voraus.
Wir sehen es als eine unserer wichtigsten Aufgaben an, diese Entwicklung zu stoppen und umzudrehen. Wir wollen die wachsende und nicht die schrumpfende Stadt Hamburg, meine Damen und Herren, das heißt, Hamburg als pulsierende wachsende Metropole, als Tor zur Ostseeregion. Das ist unsere langfristige Aufgabe, der wir uns stellen werden.
Das heißt natürlich nicht Wachstum um jeden Preis, sondern, dass wir insbesondere um die Menschen in Deutschland und weltweit werben wollen, die aufgrund ihrer Begabung, Fähigkeiten und Kreativität hierher kommen wollen, um sich selbst und der Stadt zu nutzen. Diese Menschen wollen wir gerne in Hamburg haben, meine Damen und Herren.
Dazu wollen wir eine geregelte Zuwanderung. Das heißt, dass neben reinen humanitären Aspekten, die nicht in Frage gestellt werden dürfen, unsere Interessen bei der Zuwanderung eine größere Rolle spielen müssen als bisher. Das bedeutet auch, dass es bei denjenigen, die sich für Hamburg entschieden haben, Rechtssicherheit über den
Status und die Dauer des Aufenthaltes für sie selber und ihre Familien geben muss. Aber Voraussetzung, dass die Menschen, die wir wollen, auch selbst zu uns kommen wollen, unsere Metropole also wächst, ist, dass unsere Stadt so attraktiv wird, dass wir diese Menschen national und international anziehen. Das Potenzial dafür ist da, und wir werden dieses Potenzial durch ein entsprechendes Investitionsprogramm „Wachsende Stadt“ weiter stärken.