Drittens: Die von Ihnen angepriesene individuelle Lebensplanung der Studenten, die durch das neue Hochschulmodernisierungsgesetz verletzt würde. Das haben Sie – so glaube ich – auch in Ihrem Artikel gesagt.
Im Übrigen: Der Begriff „individuelle Lebensplanung“ stammt eigentlich aus der von hier aus gesehen linken Ecke. Die Grünen haben ihn vor einigen Jahren zuerst genannt.
Das Hochschulmodernisierungsgesetz beinhaltet doch genau das von Ihnen angesprochene Problem. Nehmen wir als Beispiel Paragraph 6 Absatz 9 Ziffer 2, der klar sagt, dass Studenten mit Kindern im Vorschulalter grundsätzlich von den Zahlungen befreit sind. Das ist nur ein Beispiel von vielen.
Viertens: Auch das Argument, die Hochschulen würden nicht in die Pflicht genommen, die Studierenden besser zu betreuen, wenn sie für ein langsames Studium Geld erhielten, greift leider nicht. In den Ziel- und Leistungsvereinbarungen schlagen viele Langzeitstudenten negativ zu Buche. Insofern wird es einen Anreiz, Langzeitstudenten hervorzubringen – wie Sie es sagen –, nicht geben.
Studiengebühren sollen zudem erlassen oder gestundet werden, wenn Mängel der Studienorganisation die Studiendauer erhöht haben. Sie sagten gerade, dass die Hochschulen dies mit Absicht machen würden, weil sie Geld dafür bekommen. Das halte ich für Kokolores.
Sie würden davon profitieren, aber sie würden doch aufgrund des Ziel- und Leistungsprofits verlieren. Wenn es viele Langzeitstudenten gäbe, würden wir ihnen doch kein Geld mehr zahlen, sondern wir könnten sofort sagen: Wenn ihr das nicht schafft, dann wird finanziell nichts mehr gehen.
„Zur Durchführung dieser Maßnahme müssen die Voraussetzungen an den Hochschulen geschaffen werden, dass ein Abschluss in der Regelstudienzeit auch möglich ist.“
Fünftens: Frau Dr. Brüning, Sie haben öfter gesagt, dass man über den Tellerrand blicken sollte. Tun wir das einmal.
In Österreich wurden 2001 Studiengebühren in Höhe von 726 Euro eingeführt. In England und Schottland betrugen diese ab 1998 1000 Pfund, inzwischen haben sie sich auf 1100 Pfund erhöht. Diese Studenten bezahlen also 1744 Euro.
Mir kommt es fast so vor, als wenn Herr Senator Dräger weiter über den Tellerrand schauen würde als Sie, Frau Dr. Brüning.
Wo endet denn der Tellerrand? Man muss doch überall und nicht nur nach Schleswig-Holstein schauen, um dann sagen zu können, dass man weit genug geschaut habe, viel weiß und das genauso gemacht werden sollte. Ich weiß, was wir mit dem neuen Hochschulmodernisierungsgesetz bringen werden. Dieses Gesetz ist nämlich ein sehr guter Ansatz, um das zu machen, was wir in Hamburg brauchen.
Da wir der Meinung sind, Probieren gehe über Studieren, sind wir aber gern bereit, über Ihre hoffentlich bis dahin besseren Argumente im Ausschuss zu diskutieren. – Danke für das Zuhören.
Herr Präsident, meine Damen, meine Herren! Zuvor eine Bemerkung: Es wird im Moment auch über ein Bundesgesetz gestritten und Klage geführt, dass das Verbot der Studiengebühren nicht bundesgesetzlich festgeschrieben sein dürfe. Mein persönliches Bekenntnis ist: Wenn es ein Bundesgesetz gibt, das Verbote festschreibt, würde ich lieber das Verbot von Kindertagesstättengebühren als das Verbot von Studiengebühren festschreiben.
(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der CDU – Karl-Heinz Ehlers CDU: Aber eigentlich würden Sie gerne beides haben!)
Das heißt, wir bewegen uns in Wirklichkeit in einem Rahmen, den wir viel weniger regeln können, als wir es gerne tun würden.
Wenn wir uns in diesem Rahmen bewegen, der erreichen soll, dass sowohl Hochschulen als auch Studierende in angemessener Zeit zum Abschluss ihrer Studien kommen, dann ist der Ehrgeiz zu niedrig gesteckt, Herr Beuß, wenn damit nur die Statistik bereinigt werden soll. Damit erzielen Sie möglicherweise einen einmaligen Effekt, aber die Bereinigung der Statistik organisiert auf Dauer kein vernünftiges Studium. Sie müssen hier doch offenkundig einen Mechanismus installieren, der sowohl die Hochschulen animiert, Studiengänge anzubieten, die den Studenten entgegenkommen und ihnen einen Abschluss ermöglichen, als auch die Studierenden animiert, tatsächlich mit dem, was ihnen vonseiten des Staates kostenlos zur Verfügung gestellt wird, sorgsam umzugehen. Das ist mit einem Studienkontenmodell dem Prinzip nach tatsächlich vernünftiger zu machen, und zwar aus folgenden Gründen:
Erstens: Die Studierenden haben unterschiedliche Lebenssituationen, auch beispielsweise dadurch, dass für sie nur ein Teilzeitstudium möglich ist. Dann kann ihre Studiendauer nicht an der Lebenszeit gemessen werden. Wenn die Studienguthaben aber in Semesterwochenstunden gemessen werden, können alle ihren Lebensplan individuell gestalten.
Zweitens: Die Studentin oder der Student würden veranlasst, mit dem zur Verfügung gestellten Kontingent im Einzelnen sorgfältig umzugehen und sich nicht nur zu fragen, ob noch ein Semester notwendig ist, sondern ob es zum Beispiel sinnvoll ist, noch irgendwelche Veranstaltungen zu besuchen.
Drittens: Wenn man die Bezahlung der Hochschulen seitens des Staates auch noch daran koppeln würde, wie viele Stunden die Studentin oder der Student im Rahmen der Regelstudienzeit geleistet hat, dann würde auch vonseiten der Hochschulen ein Effekt erzielt, der dazu beiträgt, dass tatsächlich das Studium im Rahmen der Regelstudienzeit geleistet werden kann.
Die durchschnittliche Zeit für ein Jurastudium in Hamburg beträgt neun und für ein Germanistikstudium 14 Semester. Letztes ist heller Unsinn. Es kann nicht daran liegen, dass die Germanisten so schrecklich viel lernen müssen, sondern es liegt daran, dass sich die Hochschulen und die Studenten nicht darüber im Klaren sind, was sie eigentlich lernen sollen. Am Ende haben auch die Schulen und die Berufswelt nicht klar definiert, was zu lernen ist. Dadurch kommen völlig überzogene Studienzeiten zusammen. Es ist doch merkwürdig, dass heute zum Beispiel der Bereich der Lehrerausbildung, in dem früher eine PH-Ausbildung nach sechs Semestern abgeschlossen werden konnte, die längsten Studiengänge der gesamten Universität hat. Das ist unvernünftig geregelt.
Sie sagen, dass das von uns vorgeschlagene Studienkontenmodell technisch schwierig sei. Das fasse ich nicht!
Banken sind in der Lage, komplexe Geldabrechnungen vorzunehmen. Hier dreht es sich darum, eine Größenord
nung von 400 Semesterwochenstunden zu buchen und abzubuchen. Warum Universitäten nicht in der Lage sein sollen, 400 Einheiten abzubuchen, erschließt sich mir nicht. Man hört doch, dass dies Intelligenzinstitute seien.
Warum für eine Organisation ein solcher Abbuchungsvorgang nicht möglich sein soll und dafür drei Jahre benötigt werden, kann doch keine Frage der Organisations-, sondern nur eine der Entscheidungsfähigkeit dieser Institute sein. Herr Senator, wir helfen Ihnen gern dabei, wenn Sie ein vernünftiges Modell wählen. Wir wollen aber kein Modell, das lediglich einen Druck auf die Studenten aufbaut, aber nicht die Hochschulen zur Straffung ihrer Organisation veranlasst.