Protokoll der Sitzung vom 06.02.2003

Insofern muss ich Ihnen widersprechen, Frau Dräger, wenn Sie sagen, dass die akustische Wohnraumüberwachung erst 1998 durch die Grundgesetzänderung eingeführt worden ist. Wie erklären Sie sich dann, dass Sie sie bereits 1991 in Hamburg eingeführt haben? Da widersprechen Sie sich. Die Diskussion, die 1998 zur Grundgesetzänderung geführt hat, ging nur um rechtliche Grundlagen, aber nicht um die Einführung an sich. Im Zuge dessen sind auch in Artikel 13 Absatz 6 die so genannten Berichtspflichten eingeführt worden,

(Gesine Dräger SPD: Reden Sie doch mal zum Antrag!)

und zwar für zwei Bereiche: Einmal für den Bereich Polizei – die Polizei darf es zur Vermeidung schwerer Straftaten – und zum anderen für den Bereich der Strafprozessordnung zur Aufklärung schwerer Straftaten; also einmal präventiv, einmal repressiv. So weit, so gut.

(Vizepräsidentin Rose-Felicitas Pauly übernimmt den Vorsitz.)

Frau Dräger hat es schon gesagt, im Juli 2000 gab es in Hamburg das Umsetzungsgesetz, wonach die Berichtspflichten erforderlich sind. Es ist offensichtlich, dass Sie mit Ihrem Antrag nicht die konkreten Zahlen abfragen wollen – das könnten Sie im parlamentarischen Kontrollausschuss tun oder auch durch eine Anfrage –, sondern in Ihrem Antrag geht es darum, zu prüfen oder vorzuführen, dass hier ein angebliches Versäumnis des Senats vorliegt.

(Dr. Andrea Hilgers SPD: So ist es!)

Es ist aber auch die juristische Frage, ob überhaupt ein Versäumnis vorliegt. Muss der Senat auch berichten, wenn keine akustische Wohnraumüberwachung stattgefunden hat? Muss er beispielsweise in einer Mitteilung des Senats an die Bürgerschaft, DIN A4, auf einem weißen Blatt, berichten, er habe keine Maßnahmen durchgeführt?

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Ich finde, Sie kaspern ein bisschen!)

(Gesine Dräger SPD)

A C

B D

Oder könnte er im Umkehrschluss auch sagen, es wurden mehrere hundertausend Wohnungen in Hamburg – ich weiß die konkrete Zahl nicht – nicht belauscht? Wie groß ist denn die Berichtspflicht? Da wir 2001 für das Jahr 2000 keinen Bericht bekommen haben, bin ich davon ausgegangen, dass es in dieser Zeit auch keine Maßnahmen gegeben hat. Das ist meine persönliche Einschätzung gewesen. Was hilft dabei? Man muss sich den Wortlaut des Gesetzes angucken. Für den präventiven Einsatz der Polizei heißt es im Gesetz, dass über die erfolgten Einsätze zu berichten sei. Heißt das, dass kein Bericht zu erstellen ist, wenn keine Einsätze erfolgt sind? Das ist gesetzlich nicht ganz klar geregelt. Bei der Strafverfolgung heißt es, über die durchgeführten Maßnahmen sei zu berichten. Heißt das, wenn keine Maßnahmen durchgeführt wurden, ist nicht zu berichten? Das ist alles nicht ganz klar.

Im Jahr 2001 für das Jahr 2000 hieße dies, es sei ein Fehler des damals noch amtierenden rotgrünen Senats gewesen, dass er gegebenenfalls nicht über das Jahr 2000 berichtet habe, was er hätte machen müssen. Das wäre dann schon ein Fehler des rotgrünen Senats gewesen, den der neue Senat fortgeführt hat. Wir haben uns zwar bemüht, viele Fehler des alten Senats zu korrigieren, aber vielleicht haben wir da etwas übersehen und wir haben diesen Fehler noch nicht korrigiert. Da kommt es aber erst einmal auf die juristische Auslegung an.

Wenn Sie die Zahlen haben wollen, Frau Dräger, brauchen Sie nicht nur den Hamburger Bericht zu nehmen. Wenn es Ihnen wirklich darum geht, dann nehmen Sie den Bericht der Bundesregierung, denn die Hamburger Behörde – jedenfalls im Bereich der Strafverfolgung – muss der Bundesregierung die Fälle melden. Sie können zum Beispiel den Bericht der Bundesregierung für das Jahr 2001 aus dem August 2002 nehmen. Gucken Sie dort in die Tabelle, Hamburg ist da nicht aufgeführt. Daraus muss man schließen, dass es im Jahr 2001 in Hamburg keine akustische Wohnraumüberwachung im Bereich der Strafverfolgung gegeben hat. Es ist nun einmal so. Damit muss man sich auseinander setzen. Das ist eine schwere juristische Frage.

(Beifall bei der CDU – Lachen bei der SPD)

Ich weiß nicht, warum Sie da lachen.

(Ingo Egloff SPD: Wenn Sie das nicht wollen, sagen Sie es doch!)

Nein, Herr Egloff, es hat nichts mit Wollen oder Nichtwollen zu tun. Bei der Auslegung solcher Gesetze hilft immer, was man als Jurist gelernt hat. Man sagt erst einmal, na ja gut, ich weiß jetzt nicht mehr weiter, dann gucken wir uns an, wie es die anderen Bundesländer machen.

Ich habe in den letzten Tagen mit Hilfe meiner Mitarbeiterin in den anderen Bundesländern herumtelefoniert, um zu erfragen, wie es dort mit den Berichtspflichten gehandhabt wird, um zu sehen, ob es ein Versäumnis ist oder nicht. In einigen Ländern ist das Ausführungsgesetz zum Teil noch gar nicht umgesetzt, die können über Berichte gar nicht sprechen.

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Voran! Voran!)

In Hamburg ist es umgesetzt. Im Übrigen ist die Handhabung auch in den Ländern, in denen es umgesetzt ist, sehr uneinheitlich, sodass sich die Justizministerkonferenz schon damit beschäftigt hat, ein einheitliches Berichtswesen zu erreichen.

Auch in der Kommentierung zum Grundgesetz finden Sie keine Details, wie die Berichte umzusetzen sind, da es ein relativ neues Gesetz ist. Der Datenschutzbeauftragte, Herr Dr. Schrader, liegt ebenfalls mit dem Senat im Streit darüber, wie ein solcher Bericht auszusehen hat. Ein Indiz dafür, dass es sich nicht um ein Versäumnis des Senats handelt, ist allein die Tatsache, dass die Meldeformulare dafür vorhanden sind. Wir streiten uns im Unterausschuss „Datenschutz“, was Inhalt dieser Meldeformulare sein muss. Wenn dann tatsächlich berichtet werden muss, gibt es jedenfalls schon die Formulare. Es ist nicht so, dass die Tatsache, dass gemeldet werden muss, von vornherein nicht vorgesehen ist. Der Datenschutzbeauftragte möchte noch bestimmte Angaben darüber haben, wer Drittbetroffener ist, wie die Maßnahme genauer aussieht und ob es einen Rechtsanspruch für diesen Bericht gibt. Diese Fragen müssen alle noch geklärt werden. Sie sind nicht nur im Unterausschuss „Datenschutz“ aufgetaucht, sondern sind auch mir bei der Quellenexegese für dieses neue Gesetz aufgefallen. Es gibt also viele rechtliche Fragen. Der Bericht selbst kann hier ja gar nicht zur Diskussion stehen, Frau Dräger, da es noch gar keinen Bericht gab. Wie können Sie über den Inhalt der Berichte sprechen?

Ich gehe davon aus, dass es bislang keine meldepflichtigen Fälle gab. Ein Indiz dafür ist allein der Bericht der Bundesregierung, in dem zu sehen ist, dass es zumindest in dem einen Jahr keine akustische Wohnraumüberwachung im Wege der Strafverfolgung gegeben hat. Für das Jahr 2002 kann man es noch nicht sagen, da es viel zu früh ist, schon den Bericht für das Jahr 2002 abzuschließen.

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Das ist aber schon vorbei!)

Gucken Sie es sich im Bund an. Da wird ungefähr im August über das Vorjahr berichtet. Werfen Sie Hamburg nicht vor, dass wir in dem Bereich zu langsam sind. Für 2002 kann man es nicht sagen.

Weil dabei viele juristische Fragen aufgeworfen worden sind, die mir in den letzten Tagen bei meiner juristischen Recherche aufgefallen sind, stimmen wir der von der GAL beantragten Überweisung an den Ausschuss zu. Wenn sich bei der Ausschussberatung ergibt, dass wir gegebenenfalls gesetzliche Konkretisierungen vornehmen müssen, um hier genau klarzustellen, was und worüber zu berichten ist, werden wir das im Anschluss daran sicherlich vornehmen. Eine Ausschussberatung ist in diesem Fall dringend notwendig. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Bevor ich Herrn Bauer das Wort erteile, will ich mich vorsichtshalber erkundigen. Nach meinen Informationen ist der Antrag auf Überweisung zurückgezogen worden? Sehe ich das richtig? – Gut.

Dann hat jetzt Herr Bauer das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es tut mir furchtbar Leid für die SPD, aber die SPD-Fraktion hat sich mit diesem Antrag selbst ins Knie geschossen, ohne dass sie es gemerkt hat.

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Nö!)

Anders kann ich es mir nämlich nicht erklären, dass die doch so arg gebeutelten Sozialdemokraten ausgerechnet

(Carsten Lüdemann CDU)

Hamburgs Umsetzung von Artikel 13 Absatz 6 des Grundgesetzes auf die heutige Tagesordnung der Bürgerschaft setzen.

Eine Gesetzesänderung, die bereits im Juli 2000 unter Rotgrün verabschiedet wurde und sich im Bereich der Gefahrenabwehr in Paragraph 10 Absatz 7 des Gesetzes über die Datenverarbeitung der Polizei findet. Über die Berichtspflicht als solche muss ja nicht diskutiert werden, sie besteht ohne Wenn und Aber.

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Na, dann man to!)

In Paragraph 10 Absatz 7 des Gesetzes über die Datenverarbeitung der Polizei wird allerdings von einer Unterrichtung über den erfolgten Einsatz technischer Mittel gesprochen. Ähnliches gilt für die Bereiche der Strafverfolgung. Hier ist von durchgeführten Maßnahmen die Rede, die von einem hamburgischen Gericht angeordnet worden sind, also von erfolgten und durchgeführten. Wieso ist also diesen Verpflichtungen nicht bereits im Jahre 2000 entsprochen worden? Es gab wohl nichts zu berichten. Denn, meine Damen und Herren, nach dem Wortlaut der einschlägigen Gesetze ist nur dann zu unterrichten, wenn tatsächlich Maßnahmen erfolgt sind. Ich gehe deshalb davon aus, dass es in den Jahren 2000 und 2001 keine entsprechenden Einsätze beziehungsweise Maßnahmen gab. Schlussfolgerung: Konsequenterweise war eine Unterrichtung der Bürgerschaft durch den Senat auch nicht notwendig. Für mich hat diese Praxis auch mit zeitlicher Effizienz zu tun, sowohl für den Senat als auch für die Bürgerschaft. An diesen Grundsatz hat sich der alte Senat insofern völlig zu Recht gehalten.

Meine Damen und Herren! Wenn es im letzten Jahr nun einen verdeckten Einsatz technischer Mittel gegeben haben sollte, ist es selbstverständlich, dass uns der Senat hierüber unterrichten wird. Ergo wird der Senat seiner gesetzlichen Verpflichtung auf jeden Fall gerecht, auch ohne einen lächerlichen Hinweis der SPD.

(Barbara Duden SPD: Sie sind ja ein toller Demo- krat!)

Aber eines ist typisch für die Sozialdemokratie, Sie setzen Maßstäbe, die Sie nicht einmal als Regierung erfüllt haben. Insofern ist es nicht erstaunlich, dass Ihnen die Berichtspflicht erst in der Opposition einfällt. Über 40 Jahre Regierungsverantwortung

(Barbara Duden SPD: 44!)

und dennoch auf Praktikantenniveau stehen geblieben. Armes Hamburg.

(Ingo Egloff SPD: Müssen Sie eigentlich jedes Mal pöbeln?)

Uns kann es aber nur recht sein. Ihre Wahlschlappen vom vergangenen Sonntag werden mit Sicherheit nicht die letzten sein. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU und der FDP)

Jetzt hat der Abgeordnete Maaß das Wort. Inzwischen wurde mir von der CDU- und der FDP-Fraktion signalisiert, dass diese nun doch eine Überweisung beantragen möchten.

Herr Maaß, Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir haben uns entschlossen, nicht überweisen zu wollen, weil wir eigentlich der Ansicht sind, dass die Sache so selbstverständlich ist, dass Sie hier relativ schnell und einfach Farbe bekennen könnten, ob Sie Ihre Verantwortung als Parlamentarier wahrnehmen wollen oder nicht,

(Beifall bei der GAL und der SPD)

denn nach Artikel 13 Absatz 6 des Grundgesetzes ist es eine verfassungsrechtliche Selbstverständlichkeit.

(Norbert Frühauf Partei Rechtsstaatlicher Offen- sive: Was soll denn dann der Antrag, wenn es selbstverständlich ist?)