Protokoll der Sitzung vom 19.02.2003

Zusammengefasst, meine Damen und Herren: Die Hamburgische Anstalt für neue Medien hat einen verfassungsmäßigen Auftrag, den Sie durch die willkürliche Verschiebung einer anstehenden Wahl einfach zu unterlaufen versuchen. Wir werden deshalb der heutigen sofortigen zweiten Lesung nicht zustimmen. Gehen Sie bitte davon aus: Wir werden sehr ernsthaft die nächsten Tage nutzen und prüfen, welche verfassungsmäßigen Grundsätze Sie hier verletzt haben. Wir werden nicht davor zurückscheuen, auch im Interesse des Medienstandortes Hamburg zügig dafür zu sorgen, dass an die Stelle des alten Vorstandes ein neuer, durch Wahlen legitimierter Vorstand tritt. – Danke schön.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Wort hat jetzt Herr Rusche.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Pathos und Polemik waren noch nie ein Ersatz für gute Argumente. Dafür haben wir eben ein gutes Beispiel erlebt.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Denn worum es eigentlich geht, Herr Dobritz, das kam in Ihren Worten leider nicht zum Ausdruck. Es geht um den Bestand, um den Erhalt des Medienstandortes Hamburg. Darum geht es in erster Linie. Das wurde bei Ihnen eigentlich überhaupt nicht angesprochen.

Nichts ist schlimmer für den Medienstandort Hamburg als Stillstand. Stillstand aber gibt es in dieser Hinsicht seit vielen, vielen Jahren. Vielleicht ist Ihnen das nicht so bewusst.

Das Mediengesetz, über das hier gesprochen wird, führt auf die Uranfänge zurück, bis nach 1985. Seitdem ist dort nichts geschehen. Es wird dringend Zeit, dieses Gesetz den modernen Anforderungen der Zeit anzupassen und eine Novellierung vorzubereiten.

(Werner Dobritz SPD: Warum ist Ihnen das nicht vor neun Monaten aufgefallen?)

Es muss der Gefahr begegnet werden, dass es hier zu einem Stillstand kommt. In dieser sensiblen Branche wäre das tödlich.

(Zuruf von Werner Dobritz SPD)

Warten Sie es doch mit Ruhe ab, Herr Dobritz. Seien Sie man nicht so ungeduldig.

Die Bestimmungen des Hamburgischen Mediengesetzes gehen größtenteils – und das wissen Sie ganz genau, Herr Dobritz – noch auf die Anfänge des Jahres 1985 zurück. Damit entspricht dieses Gesetz nicht mehr den heutigen ordnungspolitischen Vorstellungen für den Rundfunk und schon gar nicht mehr den Anforderungen an einen Medienstandort, wie Hamburg es sein soll, sein will und vor allen Dingen auch in der Zukunft sein wird.

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Was ist denn das für ein Argument?)

Will Hamburg seine Bedeutung als Medienstandort nicht verlieren, bleibt uns gar nichts anderes übrig, als die erforderlichen gesetzlichen Voraussetzungen zu schaffen. Darum geht es und um nichts anderes.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Das bestehende Gesetz bedarf also dringend einer Reform. Leider kam das bei den Ausführungen von Herrn Dobritz nicht deutlich heraus.

(Ingo Egloff SPD: Sagen Sie mal, in welche Rich- tung es gehen soll!)

Das werden Sie gleich erfahren.

Der Senat hat im Gegensatz zu Ihnen dieses Problem erkannt und sich eine Novellierung des Hamburger Medienrechtes zum Ziel gesetzt, und zwar noch in diesem Jahr.

(Dr. Andrea Hilgers SPD: An welchen Punkten?)

Das sich in Vorbereitung befindliche neue Gesetz soll unter anderem folgende Aufgaben erfüllen:

Erstens: Es soll die medienrechtlichen Rahmenbedingungen in Hamburg verbessern.

Zweitens: Es soll die Arbeitsbedingungen von privaten Rundfunkanbietern entbürokratisieren, was dringend notwendig ist.

(Ingo Egloff SPD: Keine Kontrolle mehr!)

Drittens: Es soll die unumgänglichen Rechtsvorschriften praxisorientiert und pragmatischer gestalten. Auch das ist dringend notwendig. Vielleicht wissen Sie es nicht.

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Was heißt das?)

Viertens: Es soll die Eigenverantwortung der Programmanbieter stärken.

Fünftens: Es soll die Aufgaben der Hamburgischen Anstalt für neue Medien auf die gesetzlich unabdingbaren Aufgaben zurückführen, das heißt vorrangig auf die Aufgabe der Lizenzvergabe. Dafür ist diese Anstalt einmal eingerichtet worden.

Insgesamt – und das ist das Ziel, das der Senat damit verfolgt – soll dieses Gesetz lesbarer, praxisorientierter und damit handhabbarer gemacht werden. Dazu gehört natürlich auch – und das ist angesprochen und zu Recht erkannt worden, Herr Dobritz – eine Umstrukturierung des Vorstandes.

(Werner Dobritz SPD)

Vor diesem geschilderten Hintergrund gibt es nun eine helle Aufregung bei der Opposition. Es wird von Ablenkungsmanövern gesprochen, von parteipolitischem Geklüngel las ich in einer Pressemitteilung und sogar von einem skandalösen Vorgang, wie Herr Dobritz es eben genannt hat.

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Das stimmt ja auch!)

Meine Damen und Herren von der Opposition, ein bisschen mehr Gelassenheit und vor allen Dingen Sachlichkeit könnte auch Ihnen nicht schaden.

(Farid Müller GAL: Das fällt schwer bei Ihnen!)

Worum es nämlich eigentlich geht, ist bei dieser ganzen Aufgeregtheit hier überhaupt nicht richtig deutlich geworden. Dabei ist dieser Sachverhalt relativ einfach. Parallel zu dem Novellierungsvorhaben, von dem ich eben sprach, laufen zurzeit – auch das hat Herr Dobritz richtigerweise angesprochen – die Vorbereitungen für die Vorstandswahlen für die Hamburgische Anstalt für neue Medien. Nach Paragraph 61 Absatz 1 des Gesetzes besteht der Vorstand aus 13 Mitgliedern, von denen lediglich sieben von der Bürgerschaft zu wählen sind. Die Amtszeit des derzeitigen Vorstandes läuft Mitte April aus. Also müssten eigentlich bis spätestens April von der Bürgerschaft neue Mitglieder gewählt werden. Die Frage ist nur – und darauf zielt im Grunde genommen der ganze Streit ab –, ob ein solches Verfahren zum jetzigen Zeitpunkt vernünftig und überhaupt zumutbar für die Betroffenen ist. Die Antwort darauf kann eindeutig nur nein lauten. Tritt nämlich das neue Gesetz – wie vom Senat geplant – noch in diesem Jahr in Kraft, müsste der nach den alten Bestimmungen gerade neu gewählte Vorstand bereits wenige Monate nach seiner Konstituierung wieder aufgelöst werden und an seine Stelle würde der neue Vorstand treten, eine Vorstellung, die wirklich von niemand Vernünftigem mitgetragen werden kann.

Wenn aber schon jetzt mit großer Wahrscheinlichkeit feststeht, dass in der zweiten Hälfte des Jahres in der Bürgerschaft ein neuer Vorstand gewählt werden muss, dann wäre es doch fahrlässig, um nicht zu sagen töricht,

(Burkhardt Müller-Sönksen FDP: Das würde sogar das Ehrenamt beschädigen!)

jetzt noch für kurze Zeit einen Vorstand zusammentreten zu lassen, der dann schon sehr bald nicht mehr den entsprechenden neuen Bestimmungen entspricht. Meine Damen und Herren, dieser rein sachliche Vorgang hat mit Parteipolitik wirklich gar nichts zu tun.

(Barbara Duden SPD: Nein, überhaupt nicht!)

Dafür aber sehr viel mit praktischer Vernunft.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Also ist es nur konsequent, wenn mit der Drucksache 17/2207 beantragt wird, die im April 2003 auslaufende Amtszeit des Vorstandes der Anstalt bis zum 31. Dezember dieses Jahres zu verlängern.

(Barbara Duden SPD: Wollen wir das denn über- haupt?)

Nun, Herr Dobritz, haben Sie eine Menge rechtlicher Einwände gebracht. Ich will darauf antworten.

Eine Verlängerung dieser Verträge stellt keine Beeinträchtigung der Rechte der amtierenden Vorstandsmitglieder

dar. Im Gegenteil. Eher kann von einer Besserstellung gesprochen werden. Im Übrigen möchte ich darauf hinweisen, dass den Vorstandsmitgliedern nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts kein eigener Rechtsanspruch auf eine Unveränderbarkeit ihrer Amtszeit zusteht. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom November 1995 die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers für die Zusammensetzung von Aufsichtsgremien ausdrücklich anerkannt, und zwar nicht nur für die erstmalige Regelung, sondern auch für spätere Änderungen.

Darüber hinaus war die Frage zu prüfen, ob durch eine Verlängerung der Amtszeit des amtierenden Vorstands möglicherweise in Rechte von Bewerbern für den Vorstand eingegriffen wird. Dabei ist zunächst festzustellen, dass die Rechtsstellung von Bewerbern – das liegt auf der Hand – grundsätzlich schwächer ist als die der amtierenden Vorstandsmitglieder. Wenn aber schon diese keinen Anspruch auf Unveränderbarkeit haben, dann gilt es natürlich erst recht für Personen, die einstweilen nur benannt beziehungsweise vorgeschlagen sind. Grundsätzlich ist die Bürgerschaft nicht verpflichtet, auch nur eine der vorgeschlagenen Personen tatsächlich zu wählen.

Mit dem Antrag aus der Drucksache 17/2207 wird aber auch nicht in das parallel laufende Wahlverfahren der von der Bürgerschaft zu wählenden Personen eingegriffen. Denn die bis heute vorliegenden Wahlvorschläge werden durch eine Verlängerung der Amtszeit des amtierenden Vorstandes nicht etwa ungültig – das aber klang aus Ihren Worten heraus –, sondern es wird lediglich der Zeitpunkt der Wahl in der Bürgerschaft von spätestens April dieses Jahres auf spätestens Dezember dieses Jahres zeitlich verschoben, nichts weiter passiert.