Werner Dobritz

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Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau Pauly, ich habe schon viele Abschiedsreden von Ihnen gehört, aber dies war die komplizierteste.
Nur ein paar Fakten. Als Kohl anfing, lagen die Sozialversicherungsbeiträge bei 34 Prozent, als Schwarzgelb 1998 ausstieg, lagen die Sozialversicherungsbeiträge bei 42 Prozent. Das ist Ihre reale Leistung in 16 Jahren gewesen.
Heute liegen sie bei 41 Prozent, das ist noch nicht genug, aber es ist die richtige Richtung.
Senkung unter 40 Prozent ist das Ziel, aber sie steigen seit sechs Jahren nicht mehr so dramatisch wie bei Ihnen.
Als Sie 1998 in Bonn gingen, lag das Kindergeld bei knapp 95 Euro, heute liegt es bei 150 Euro. Der Eingangssteuersatz wird Ende dieses Jahres bei 15 Prozent liegen, der Grundfreibetrag bei 8000 Euro und der Spitzensteuersatz bei 42 Prozent. Dies ist in der westlich zivilisierten Welt der günstigste Steuertarif, den wir überhaupt kennen. Dies ist eine Leistung von Rotgrün.
Darüber hinaus liegt die Steuer- und Abgabenquote im europäischen Maßstab bei 36,4 Prozent in Deutschland, in ganz Europa steht nur Spanien besser da. Ein paar Fakten an die Pharisäer-Partei der Freien Demokratischen Partei.
Danke.
Kommen wir zu Hamburgs Aufschwung. Was ist denn in zwei Jahren mit Hamburgs Aufschwung gewesen? Der „Tagesspiegel“ vom 22. Februar spricht von 16 000 zusätzlichen Arbeitslosen, einer so genannten sich ausbreitenden ECE-Connection, einer Baumarkt-Connection, einer Beiersdorf-Connection, einer Shipyard-Connection und ganz zum Schluss in der letzten Woche von einer Tennis-Rothenbaum-Connection.
In den letzten zwei Jahren ist es möglich gewesen, dass mithilfe einer Partei Baumärkte, wie zum Beispiel in Stellingen, weitere Ausweisungen von 30 bis 40 Prozent bekommen; kleine Handwerksbetriebe müssen aussteigen. Der Inhaber dieses Baumarkts spendet dann anschließend 200 000 Euro an den Verein „Lebendiger
Jungfernstieg“, in dem Herr Dr. Mattner aktiv ist. Das ist in dieser Stadt in den letzten zwei Jahren gewachsen.
Vor einem Jahr erklärt der Wirtschaftssenator vollmundig, das Tennis-Master-Turnier bleibe am Rothenbaum und dafür gebe der Steuerzahler eine Bürgschaft von 2,7 Millionen an den DTB-Präsidenten Herrn von Waldenfels, in Personalunion ehemals Finanzminister von Bayern. Und was erleben wir ein Jahr später? Die Bürgschaft soll es geben, aber das Tennis-Turnier soll verkauft werden. Das ist die Tennis-Connection, die in dieser Stadt gewachsen ist.
Und bei der Beiersdorf-Connection sieht es so aus: Bis zum jüngsten Tag haben nur die Aktionäre und die Vorstände der Allianz verdient.
Für 130,7 Euro haben sie die Aktie eingekauft und heute valutiert sie bei 90 Euro; das ist die BeiersdorfConnection.
Meine Damen und Herren! Nicht Berlin ist schuld an der Situation in Hamburg,
sondern dieser Senat ist selbst schuld. Was ich Ihnen vorgetragen habe, ist Ihr kleines Karo, was Sie an Aufschwung in dieser Stadt geschaffen haben. – Danke.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Normalerweise sagt man in der Werbung und im Marketing: Tue Gutes und rede darüber. Der Senat hat in den letzten Jahren mehr nach dem Motto gehandelt: Mache Mist und rede darüber.
Bei unserem letzten Besuch bei der Handelskammer hatten wir den Eindruck, dass die dort den Eindruck hatten, dass man mit diesem Motto in der Tat Meinungsumfragen zwar beeinflussen kann, aber ihre Mitgliedsunternehmen national und international keine guten Geschäfte mehr machen können. Deshalb ist man der Meinung, es müsste eine neue Dachmarke her. Von der Grundidee finde ich es richtig.
Aber – was Wunder – was passiert? CDU/FDP-Senat und Handelskammer gründen am Ende dieser Legislaturperiode ein neues öffentliches Unternehmen. Hamburg hält 70 Prozent der Anteile. Es sind die Gleichen, die von der Staatsoper bis zu den Krankenhäusern sonst alles verhökern wollen, nicht staatsfern, sondern staatsnah und das alles mit der FDP.
In den nächsten drei Jahren sollen 17,4 Millionen Euro insgesamt fließen, 2,4 Millionen Euro für OverheadKosten, Geschäftsführer et cetera. Dies sind fast 15 Prozent, mehr als jede in diesen Tagen so gescholtene Krankenkasse an Verwaltungskosten hat. Auf städtischer Seite soll sich fast der gesamte Senat im Aufsichtsrat tummeln, Vorsitzender natürlich der Erste Bürgermeister. Aber auch unser Finanzsenator, der doch schon bei „Olympia für Hamburg 2012 Spiele GmbH“ das Controlling so glänzend geleitet hat, will dabei sein und dann natürlich unser Kleinster, Wirtschaftssenator Gunnar Uldall, hat ja auch wieder Zeit, wo er doch in so wichtigen Infrastrukturunternehmen wie dem Flughafen und der HHLA gerade sein Aufsichtsratsmandat abgegeben hat. Und zu guter Letzt die hochdotierte Stelle eines Geschäftsführers braucht nicht ausgeschrieben zu werden. Ich zitiere:
„Der Bürgermeister hat mich gefragt, ob ich mir vorstellen kann, die Aufgaben zu übernehmen“
so Dr. Wenzler, persönlicher Referent des Handelskammer-Geschäftsführers, Professor Schmidt-Trenz, in Hamburger Tageszeitungen.
Meine Damen und Herren, Sie merken, an diesem Marketing-Konzept ist nichts rund, sondern alles nur Murks.
Aber was berichtete uns der – ich darf ihn mal so geschätzt nennen – „rasende Reporter Jens MeyerWellmann“ am 2. Oktober – das ist also zwei Jahre nach Regierungsübernahme – im „Hamburger Abendblatt“ – ich zitiere:
„… soll die GmbH das bisher teilweise wenig konkrete Konzept der ‚Wachsenden Stadt’ mit Leben füllen.“
Und Schmidt-Trenz sagt, die Wirtschaft erwarte, dass nun alles:
„… zügig in konkreten Schritten umgesetzt werde. Es dürfe nicht bei ‚Werbesprüchen’ bleiben.“
Der Erfinder des Begriffs „Wachsende Stadt“, Finanzsenator Wolfgang Peiner, fordert:
„… endlich an die Umsetzung zu gehen. Sonst entstehe der Eindruck, es handele sich nur um eine Floskel.“
Dann kommt zu guter Letzt „Nobbi“ Frühauf – und in dem Punkt bin ich mal endlich mit ihm zufrieden – und meldet Diskussionsbedarf an:
„Zu überlegen sei aber, ob man Kosten sparen könne, indem die bereits bestehenden Marketinggesellschaften enger kooperieren. Davon“
so „Nobbi“ Frühauf –
„gibt es bereits fünf: die Wirtschaftsförderung, die Gesellschaft für Hafen und Standortentwicklung, die Hamburg Messe, die Hamburg Tourismus und die Flughafen GmbH. Jede dieser Gesellschaften hat einen gut dotierten Geschäftsführer.“
„Nobbi“ Frühauf hat Sonderapplaus verdient, meine Damen und Herren.
Also, was bleibt? Die Begründung ist spärlich. In der Drucksache findet überhaupt keine Schwachstellenanalyse statt, kein Konzept, keine konkreten Ziele. Meine Damen und Herren, ich nehme Ihnen ein bisschen der Anlaufkosten gleich ab. Eine neue Gesellschaft braucht immer ein Logo. Beim NDR war es das Maskottchen „Walrossdame Antje“. Ich würde für diese Marketinggesellschaft das Logo „Barney“ empfehlen. Mein Prototyp von Barney ist ungefähr so: Barney kommt im sportlichdynamischen Trainingsanzug daher, entworfen von dem international bekannten Designer Colani. Der Trainingsanzug ist nicht marineblau, sondern schwarzgrau. Auf seinen 14 Zentimeter langen Locken – er hat noch welche – trägt Barney ein achteckiges Mützchen, unter dem Anzug ein Turnhemd mit Hamburg-Wappen. Das Entscheidende bei Barney, sozusagen der Clou, ist, Barney ist ja engagiert und ist mit einem GPS-Satelliten ausgestattet, er kann sprechen und berichtet Messebesuchern und Touristen, unabhängig von ihrem jeweiligen Standort, per Voice-Message über Sehenswürdigkeiten, Museen und Musicals. Er berichtet auch über Bars und Restaurants, selbst solche, in denen man Tomatensuppe mit Bananen essen kann. Das ist bekanntermaßen das Lieblingsessen unseres Ersten Bürgermeisters. Ich finde, meine Damen und Herren, Barney sollte sofort in Serie gehen. Wenn Sie das machen, ersparen Sie sich viele Kosten.
Meine Damen und Herren! Die ganze Konstruktion dieser Marketing GmbH ist nicht nur Murks, sondern in ihr ist auch der Wurm drin. Deshalb heißt es nach der Wahl: Die
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Idee ist gut, aber die Konstruktion muss geändert werden. – Danke schön.
Herr Präsident! Herr Bürgermeister, ich habe vorhin in meiner Rede gleich zu Anfang gesagt, dass die Grundidee völlig in Ordnung ist. Wir kritisieren die Konstruktion.
Wenn Sie bedauern, dass dieses im Parlament so diskutiert wird, dann sind Sie mit dieser Vorlage und dieser Konstruktion auch der Verursacher der kritischen Diskussion, denn es leuchtet mir beim besten Willen nicht ein, warum man für eine solche Marketingstrategie ein neues öffentliches Unternehmen benötigt. Das ist der zentrale Punkt.
Das braucht man dazu nicht. Ich sage Ihnen eines: In der Regel ist es so, dass die Senatoren – von welcher Partei sie auch immer gestellt werden – und die führenden Köpfe der Handelskammer vom wirklichen Marketing am wenigsten verstehen. Aber ich bin dafür, die Köpfe und die Schätze dieser Stadt so zu bündeln, um sie den Versuch unternehmen zu lassen, eine Marketingstrategie zu entwickeln, die national und international auch positiv für unsere Stadt wirkt. Aber man braucht dazu kein öffentliches Unternehmen und vor allen Dingen kein Unternehmen, in dem 15 Prozent der jährlichen Kosten des Wirtschaftsplanes für Verwaltungskosten ausgegeben werden. Dies ist zu kritisieren. Insofern müssen Sie uns nicht inhaltlich überzeugen. Ich hoffe, Sie mit dieser Kritik davon zu überzeugen, sich in der nächsten Legislaturperiode – wie sich auch immer der Senat zusammensetzt – über die Konstruktion nachzudenken. Ich plädiere in diesem Bereich für mehr Staatsferne und nicht für mehr
Staatsnähe. Ich glaube, staatliches Handeln ist in diesem Bereich eher schädlich. – Danke schön.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich will Ihnen nur an einem Beispiel deutlich machen, wie es dem Senat gelingt, an der tatsächlichen Sachlage vorbeizuargumentieren: Der Senator stellt sich hier hin und lobt die Sacheinlage zweier Krankenhäuser von Asklepios mit 74 Millionen Euro. Diesen 74 Millionen Euro stehen 300 Betten gegenüber. Wenn Sie das einmal in einen Dreisatz bringen, dann müssten sie für die 5 000 Betten der sieben großen Kliniken 1,3 Milliarden Euro zahlen. Aber sie zahlen nur fiktiv 318 Millionen Euro. Das ist eine Milchmädchenrechnung, was Sie hier machen.
Meine Damen und Herren, Sie haben uns mit der ersten Drucksache ein Camouflage-Gesetz vorgelegt und mit der zweiten Drucksache ein Wundertüten-Gesetz. Nichts anderes ist es. Die 318 Millionen Euro, die als Kaufpreis angegeben sind, bringt Asklepios nicht mit. Dies wird finanziert, wie heute die russische Oligarchie ihre Firmen finanziert, nämlich durch die Aufnahme von Fremdkapital und mit Tetje mit de Utsichten, wenn irgendwann die Rendite stimmt, durch einen Börsengang. Das ist alles Theorie, was in der Drucksache steht. Null bringt Asklepios außer der Sacheinlage mit.
So, meine Damen und Herren, und das mit den Grundstücken, das ist von mir ganz, ganz sachte gerechnet: Ich unterstelle einmal für die betriebsbedingten Immobilien einen Wert von ungefähr 420 Millionen Euro. Andere sagen, 600 Millionen Euro, weil die Gebäude von mir natürlich nicht richtig zu bewerten sind. Ich kenne sie im Einzelnen nicht. Aber auf dieser Grundlage verzichten Sie auf Erträge, weil Sie sagen, der theoretische Erbbauzins könne mit dem Kaufpreis verrechnet werden. Aber mit dem wird in dieser Drucksache alles verrechnet. Der theoretische Erbbauzins für die sieben Grundstücke und Krankenhäuser beläuft sich auf 189 Millionen Euro. Das ist kapitalisiert, das ist Barwert. Auf die verzichten Sie zulasten dieses Haushaltes. Darüber hinaus bieten Sie einem im europäischen Maßstab im Wettbewerb stehenden zukünftigen Unternehmen die Möglichkeit, mit einem Subventionstatbestand von 189 Millionen Euro in den Wettbewerb zu gehen. Ich sage Ihnen: Dies verstößt gegen EU-Beihilferecht.
Meine Damen und Herren! Was auch in der Drucksache steht, ist, dass das ganze Ding in zwei Jahren in eine GmbH & Co. KG umgewandelt wird. Das steht so zwischen den Zeilen. Und warum? Weil die GmbH & Co. KG natürlich gegenüber einer GmbH ein Steuersparmodell ist. Sie können nämlich bei einer GmbH & Co. KG die Zinsen – und der LK-NEU will ja das Gesellschafterdarlehen kaufen – in voller Höhe absetzen und bei der GmbH nur begrenzt, weil es sonst eine verdeckte Gewinnausschüttung wäre. Da kommt ein Finanzsenator, der sich
bei Beiersdorf als Held loben lässt, weil er das Unternehmen wegen der horrenden Ertragsteuer rettet, die dieses Unternehmen abliefert. Mit einem anderen Unternehmen mit 13 000 Mitarbeitern liefert er das Beispiel, wie man ein Modell wählt, bei dem möglichst wenig an Körperschaft- und Gewerbesteuer in der Kasse bleibt. Das ist doch hirnrissig.
Dann zur Mitbestimmung bei der GmbH & Co. KG. Dieses ist genau das Modell, bei dem die überbetriebliche Mitbestimmung ausgehebelt wird. In der GmbH & Co. KG findet sich im Aufsichtsrat kein Arbeitnehmer wieder.
Das ist aber etwas, das im Widerspruch zu den Aussagen in der Drucksache steht, die ich – im Gegensatz zu Ihnen – gelesen habe.
Meine Damen und Herren! Wenn Sie an die Börse gehen, müssen Sie Dividende zahlen. Wenn Sie für 250 Millionen Euro – wie in der Drucksache steht – Kredite aufnehmen, um Altkredite zu finanzieren, das Gesellschafterdarlehen zurückzukaufen, und dann einen Börsengang machen wollen, dann geht das nur, wenn Sie in diesem Börsenprospekt auch nachweisen, dass Sie Rendite machen. Das bedeutet natürlich glasklar: Sie müssen beim LBK NEU mit den Personalkosten runter. Im Verkaufsprospekt der WestLB stehen auch die Rahmenbedingungen. Die Rahmenbedingungen bedeuten im Hinblick auf die Beschäftigung: 1 500 Beschäftigte weniger, rein ins Entlohnungssystem, raus aus dem kommunalen Arbeitgeberverband und Absenkung der Personalkosten um 120 Millionen Euro, dann können wir den Börsengang machen. Das steht da drin.
Das ist die nackte Tatsache und das sollte auch die Belegschaft des LBK wissen.
Meine Damen und Herren! Zum Schluss komme ich auf den Einfluss. In zwei Jahren soll der Börsengang stattfinden und wer beteiligt sich nicht am Börsengang? – Die Freie und Hansestadt Hamburg. Was bedeutet das für die 25,1 Prozent und die 10 Prozent ? Das heißt, ab 2005 – nach Börsengang – hat diese Stadt in diesem LBK NEU nichts, aber auch gar nichts mehr zu sagen, sie hat nicht einmal mehr die Rechte eines Minderheitenaktionärs. Das ist die Wahrheit.
Meine Damen und Herren! Ich bin seit 1986 im Parlament und habe seit Hein Gas so alle Privatisierungen mitgemacht, die es in dieser Stadt gab.
Aber eines sage ich Ihnen: Was Sie uns hier bieten, ist die trostloseste Privatisierung, die diese Stadt seit 1949 erlebt hat.
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Gehen Sie in Ihre Verbindung.
Zum Schluss eines, das auch einmal gesagt werden muss. Ich vermisse an dieser Stelle die unternehmerische Leidenschaft des Finanzsenators: Im Vermittlungsausschuss sitzend und hinter dem Rücken mit Bundeskanzler und Stoiber dealen, das größte Steuersparpaket der deutschen Lebensversicherungsbranche, dort, wo man kapitalgedeckte Altersversorgung machen kann, …
mit großer Leidenschaft initiieren, aber hier eine unternehmerische Leidenschaft an den Tag zu legen, die null ist.
(Beifall bei der SPD und der GAL – Christian Bran- des Partei Rechtsstaatlicher Offensive: Sie sind seit zehn Jahren hier und hören die Glocke nicht! Vizepräsident Farid Müller: Das Wort hat Herr Dr. Schinnenburg. (Karl-Heinz Ehlers CDU: Was wollten Sie ihm denn sagen, Herr Präsident? Das könnten Sie ihm doch auch hinterherschicken!)
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Steuerstaat Deutschland ist in einer schweren Finanzkrise.
Wir erleben ein Jahr der Rezession. Die Städte und Gemeinden in Deutschland, egal, ob sie von Schwarz oder Rot regiert werden, leben mehr denn je auf Pump.
Auf die Bürger – auch auf die Hamburger – findet ein erheblicher materieller Anpassungsdruck statt.
Der Satz von Helmut Kohl nach der deutschen Einheit Anfang der Neunzigerjahre, allen solle es besser, keinem solle es schlechter gehen, hat den morbiden Charme alter Zeiten, obwohl er erst zwölf Jahre alt ist und als Opium für das Volk noch heute fatal nachwirkt.
So ist im Ergebnis die Verschuldung des Bundes in der Zeit von 1982 bis 1998 – unter einer CDU-/FDPRegierung – von 300 Milliarden DM auf 1,4 Billionen DM, also um 350 Prozent, angestiegen. Die Verschuldung Hamburgs wuchs im gleichen Zeitraum um 11,7 Prozent auf 35 Milliarden DM, also um gut 200 Prozent.
Die Sozialversicherungsbeiträge machten einen Sprung von 35 Prozent auf 42 Prozent.
Fragen wir uns nach zwei Jahren Rechtssenat aus Anlass der Vorlage des Haushaltes und des Finanzplanes 2004: Welchen Beitrag hat die Finanzpolitik zur weiteren zwingenden Konsolidierung des Haushalts dieser Stadt real geleistet? Wie hat sie die notwendigen Lasten verteilt? Wie konkret ist das abstrakte Ziel der Wachsenden Stadt? Welches reale, sichtbare Gesicht hat die Wach
sende Stadt und wie gelingen diesem Senat die großen Strukturprojekte und -reformen?
Zunächst hat der Rechtssenat im Jahre 2002 die siebenjährige finanzpolitische Konsolidierungspolitik seiner Vorgängerregierungen fahrlässig ausgesetzt und mit mehr als 2 Prozent – und dies in voller Kenntnis der allgemein wegbrechenden Steuereinnahmen – den höchsten Ausgabenanstieg des Betriebshaushaltes seit 1995 beschlossen. Dies, Herr Dr. Peiner, war Ihre erste Niederlage im Senat.
Für die Jahre 2003 und 2004 haben Sie ein aufwachsendes Sparvolumen von nunmehr 145 Millionen Euro beschlossen. Knapp 75 Millionen Euro werden Sie möglicherweise in 2003 schaffen, aber dies vermutlich nur, weil Sie den Beamten beim Weihnachtsgeld in die Tasche greifen wollen.
Im Haushaltsplan für das Jahr 2004 haben Sie die zweite Rate erst zur Hälfte planerisch benannt; der Rest ist eine globale Minderausgabe. Ihr Ziel, durch Schuldenabbau die Zinsausgaben dauerhaft um 75 Millionen Euro abzusenken, haben Sie völlig begraben.
Herr Dr. Peiner, Sie hängen also Ihren eigenen planerischen und realen haushaltspolitischen Zielen weit hinterher. Dies müssen Sie sich als Ihre zweite Niederlage im Senat zurechnen lassen.
Die weiteren Steuerrückgänge der letzten Steuerschätzung haben den Senat veranlasst, ein weiteres dauerhaftes Aufwachsen des Sparvolumens bis 2006 auf 300 Millionen Euro zu beschließen. Die SPD ist mit diesem Volumen in Einschätzung der erkennbaren Haushaltslage zum jetzigen Zeitpunkt wohl einverstanden, aber sie fragt diesen Finanzsenator: Wollen Sie die Konkretisierung dieser 300 Millionen Euro mit der gleichen Leichtigkeit des Seins durchsetzen, wie Sie dies in den Jahren 2002 und 2003 versucht haben?
Weder im Finanzplan noch in Ihrer heutigen Rede ist Ihr Gestaltungswille sichtbar geworden. Warum das Jahr 2006 als Zielmarke? Erst ein Jahr nach der Bürgerschaftswahl soll das Ziel erreicht werden. Ausgerechnet im Wahljahr soll mit einem Doppelhaushalt auf die Vorlage eines konkreten Haushaltes verzichtet werden. Wie viele globale Minderausgaben wird im nächsten Jahr der Doppelhaushalt haben, damit der Bürger dieser Stadt nicht erfährt, wo Sie ihn zwicken und zwacken wollen?
Die finanzielle Konsolidierungspolitik der beiden Vorgängersenate war wirkungsvoller; das haben Sie eben auch zugegeben. Es waren jährlich 150 Millionen Euro. Wir haben in diesem Zeitraum zusätzlich sogar Schwerpunktsetzungen finanzieren können. Im Kindertagesstättenausbauprogramm wuchsen die Betriebsausgaben von 1994 bis 2001 von 130 Millionen Euro auf 300 Millionen Euro; im Investitionsbereich konnten Projekte wie Airbus und Hafenerweiterung ohne Neuverschuldungen gemeistert werden.
Herr Dr. Peiner, gemessen an diesen realisierten Zielen wirkt Ihre Finanz- und Haushaltspolitik zur Halbzeit kraftlos.
Das alles überragende Leitziel des Mitte-rechts-Senats ist die Wachsende Stadt. So steht es auch im Finanzplan 2004. Es soll – so konnte man lesen – dem Erfindungsreichtum von Herrn Dr. Peiner entstammen. Zunächst einmal könnte man sagen, nicht schlecht, Herr Specht. Nur, was ist das reale Gesicht dieses abstrakten Zieles? Die Arbeitslosigkeit in Hamburg, die 2001 bei 69 000 arbeitslosen Menschen gelegen hat, steigt. Sie liegt heute wieder bei 86 000, der höchste prozentuale Anstieg in Deutschland. Der Unterrichtsausfall an Hamburgs Schulen steigt. Die Stimmung an den Schulen ist schlecht und gerade an den Gymnasien mies. Im Kindertagesstättenbereich fehlen zwischen 5000 und 6000 Plätze. Der bezahlbare Wohnraum wird wieder sehr knapp. Die staatlichen Wohnungsbaumittel sinken. Ausweislich des Statistischen Landesamtes ziehen vermehrt leistungsfähige Familien wieder ins Umland. Baugrundstücke fehlen, große Konversionsflächen liegen brach. Die HafenCity dümpelt in ihrer Entwicklung vor sich hin. Der Verkauf von Grundstücken in der HafenCity kommt nicht voran. Wenn wir nicht ab und zu über die wolkigen Projekte wie Aqua Dom und neue Musikhalle lesen würden, würde die HafenCity schon aus dem Gedächtnis der Hamburger Bürgerinnen und Bürger entschwunden sein. Auch die Einwechslung des Ersten Bürgermeisters als neuen Aufsichtsratsvorsitzenden bei der GHS verschafft keinen neuen Schwung.
Auch die versprochene Wende bei der Abwanderung von Konzernsitzen bleibt aus. Bei Vattenfall haben wir noch gegen Berlin verloren, bei Hein Gas schon gegen Quickborn.
Nicht zu vergessen: Hamburgs Kulturpolitik wird seit zwei Jahren durch den Kakao dieser Republik gezogen.
Herr Dr. Peiner, was ist in zwei Jahren, nachdem Sie Ihre Erfindung patentiert haben, aus dem Ziel „Wachsende Stadt“ geworden, so wie es von Ihnen ausdrücklich im Finanzplan 2004 formuliert worden ist? Ich denke immer an den Satz: Schließlich erreicht jeder Mensch jedes Ziel, er muss nur genügend weit zurückstecken. So gesehen, Herr Dr. Peiner, erweist sich das Logo „Wachsende Stadt“ gemessen an der Realität in Hamburg als politische Propaganda.
Was ist mit den weiteren großen Strukturvorhaben in dieser Stadt? Zunächst Ihr jüngstes Vorhaben, was die Stadt verkaufen will und was nicht. Entweder ist es nichts Neues, was Sie verkünden, oder es ist eine politische Mogelpackung oder es ist nur zum Schmunzeln. Da wollen Sie in Kategorie II bis zu 75 Prozent der Messe und des Kongresszentrums verkaufen. Auch nach dem Messeausbau bleibt dieses Unternehmen dauerhaft ein Verlustbringer für seine Gesellschafter, wie in den letzten 40 Jahren. Wen finden Sie denn da als neuen Mitunternehmer? Soll der Verlust denn weiterhin in voller Höhe von der Stadt getragen werden oder wollen Sie mit den Grundstücken und Gebäuden nur das Vermögen verscherbeln? Sie wollen in der Kategorie III bei der Staatsoper nur noch eine Mindestbeteiligung halten. Ja, aber die Staatsoper erhält doch jährlich 40 Millionen Euro Zuwendungen von der Stadt. Wen finden Sie denn da als
Mitunternehmer, der gut 30 bis 35 Millionen Euro als Zuwendung mitbringt? Oder wollen Sie nur das Gebäude am Dammtor verkaufen und die Zuwendungen weiterhin von der Stadt zahlen lassen?
Dann der absolute Höhepunkt. In Kategorie IV wollen Sie die „Hamburg für Spiele 2012 GmbH“ an den Markt bringen,
ganz verkaufen. Ja, Herr Dr. Peiner, die wird doch gerade auch dank Ihrer ganz persönlichen Controllingleistung mit einem großen Defizit liquidiert.
Und jetzt zur Mogelpackung. Hinter der hochtrabenden Überschrift „Unternehmerisches Beteiligungskonzept“ ist nur eins wirklich ein Konzept. Mit dem angestrebten Verkauf von 49 Prozent des städtischen Wohnungsbesitzes können sich über 100 000 Hamburger Mieterinnen und Mieter auf drastische Mieterhöhungen einstellen. Ich finde, das sollten Sie diesen auch vor der Wahl noch offen sagen.
Weitere Strukturvorhaben. In der Konsolidierungsphase der Vorgängersenate ist der öffentliche Dienst durch Effizienz und Modernisierung im Rahmen der normalen Fluktuation um ganze 5000 Stellen reduziert worden, wobei der Lehrerstellenplan außen vor blieb. In den nächsten Jahren bis 2015 werden roundabout 10 000 bis 12 000 Stellen neu frei. Der Erste Bürgermeister hat sich selbst zum Chef des Personalamtes machen lassen. Sie, Herr Dr. Peiner, sind Chef des Organisationsamtes. Wir haben natürlich gedacht, Sie beide würden einen großen Masterplan für die Weiterentwicklung des öffentlichen Dienstes in Hamburg vorlegen. Einen großen Wurf hatten Sie uns versprochen. Aber was geschieht? Sie drohen mit betriebsbedingten Kündigungen und kürzen den Mitarbeitern das Weihnachtsgeld. Im Rahmen eines Masterplans hätte alles mit Sinn und Verstand und nicht mit Drohung seinen Platz. Ich nenne nur drei.
Zum Beispiel – darüber dürfen wir diskutieren –: Wie viele Mitarbeiter braucht der öffentliche Dienst in Hamburg, um das gleiche Niveau an sozialer Dienstleistung zu produzieren? Muss ein öffentlicher Dienst inzwischen fast zu 55 Prozent aus dem gehobenen oder höheren Dienst bestehen? Selbstverständlich können auch Sonderzahlungen vom Grundsatz und von der Höhe korrigiert werden. Sie greifen Mitarbeitern aber drei Monate vor Auszahlung ihres Weihnachtsgeldes in die Tasche. Diese Art des Vorgehens wird sich auf die Motivation an den Arbeitsplätzen nicht förderlich auswirken und die Bereitschaft zu wirklichen Reformschritten auf der Seite der Arbeitnehmer eher schwinden lassen. Ich persönlich halte die Entscheidung, sie in diesem Jahr umzusetzen, allerdings auch konjunkturell für völlig falsch. Die Binnenkonjunktur mit dem privaten Konsum lahmt gewaltig. Das Weihnachtsgeld wird nachweislich zu 100 Prozent in den Konsum gesteckt. Entscheidungen, wie dieser Senat – und ich sage ganz ausdrücklich, auch Frau Simonis – sie treffen, stärken die Kaufzurückhaltung beim Konsumenten. Der Einzelhandel in Hamburg bedankt sich jetzt schon mal.
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So, Herr Dr. Peiner, wie in dieser Sache vorgegangen wird, ist auch das Handling des Senats beim Konsolidieren in anderen Bereichen geprägt. Der Mitte-rechts-Senat hatte immer zwei klassische Feindbilder: Die Arbeitslosen und die Sozialhilfeempfänger. Hinzu kommen in Hamburg inzwischen die Zuwendungsempfänger. Hinter dieser Vokabel verbergen sich nach dem Mitte-rechts-Senat geheimnisvolle Organisationen mit düsteren Gestalten.
Um sie an das Licht der Öffentlichkeit zu zerren, sollen sie nun einmal beweisen, warum man sie braucht. Nicht der Senat soll nachweisen, warum er ihre Leistungen bestellt hat. Sie sollen gleichsam die Maske fallen lassen. Herr Dr. Peiner, ich halte diese Schlachtordnung für fahrlässig. Sie schafft nicht den Vertrauensraum, den man benötigt, um auch in diesem, zugegebenermaßen finanziell ausgabenträchtigen Bereich Weiterentwicklungen und Kurskorrekturen zu ermöglichen.
Man sollte auch einmal den Gesamtkomplex Zuwendungsempfänger entmystifizieren. Allein wenige große Institutionen erhalten weit mehr als die Hälfte aller städtischen Zuwendungen: S- und U-Bahn, UKE, Staatsoper, Schauspielhaus, Bücherhallen, Forschung wie DESY und DFG und so weiter. Vom Kindertagesstättenbereich gar nicht zu reden.
Es reduziert sich also auf nicht wenige, aber im Einzelfall kleinteilige Projekte und Objekte. Natürlich kann und darf Politik die Sinnhaftigkeit dieser Projekte und Objekte infrage stellen und auch ihr Aus beschließen. Aber der Zuwendungsbericht schlummert seit einem Jahr im Haushaltsausschuss,
ohne dass er vonseiten der Regierungsfraktion einer vernünftigen Beratung zugeführt wird. Die pauschale Unterstellung der Verschwendung durch Zuwendungen ist boshaft und nicht viele Einrichtungen, die klein sind, sind schon deshalb – in Ihrem Sprachgebrauch – „Sozialklimbim“. So ist Ihr Versuch, ohne auch nur mit den Betroffenen zu reden, die Geschichtswerkstätten in den Hamburger Stadtteilen wegzusparen, ein politisches Ganovenstück,
und das europaweit geachtete Friedensinstitut in Hamburg in die Bedeutungslosigkeit durch Mittelbeschneidung zu führen, eine nationale Blamage.
Auf der einen Seite, Herr Dr. Peiner, wird anderen ohne plausible Begründung Verschwendung unterstellt, wie eben dargestellt, und auf der anderen Seite wird der weiße Stehkragen getragen. Doch das ist Fassade. Auch dieser Senat verschwendet: Mal eben 100 000 Euro für Koons rauswerfen, just for fun.
Aus einer Fachhochschule für den öffentlichen Dienst drei Schulen mit drei neuen Präsidenten machen. Baubehörde und Stadtentwicklungsbehörde zusammenlegen, Ämter von elf auf sechs reduzieren, aber alle 14 b-Stellen bleiben und einer wird noch befördert.
Vier Polizeidirektionen fallen weg, aber alle Leitungsstellen bleiben. Pressestellenleiter werden inzwischen mit B 3 besoldet, zwei Pressesprecher pro Senator sind bei diesem Senat üblich. In der Familienbehörde wird untätig eine Frau mit B 6 geparkt, 18 Stellen kümmern sich in Hamburg um das Marketing und nun kommt eine staatlich finanzierte neue Marketinggesellschaft als Senatspropaganda GmbH mit dem Namen „Wachsende Stadt“ hinzu.
In der Drogenpolitik wird für Millionen das WüstenrotHaus angemietet, obwohl die Spatzen auf den Dächern schon längst pfeifen, dass dieser gesamte Vorgang völlig ineffizient ist. Die Krankenhausinvestitionen werden auf hohem Niveau fortgeschrieben, obwohl ein weiterer Bettenabbau angesagt ist. Es wird eine Stiftung „Berufliche Schulen“ konzipiert, obwohl nachweislich die Bürokratiekosten steigen werden. Bei der Feuerwehrstrukturreform kostet das Gutachten soviel Geld, wie es überhaupt Einsparungen bringen wird.
Also, Herr Dr. Peiner, dieser Senat sollte sich, bevor er andere diskreditiert, erst einmal an die eigene Nase fassen.
Meine Damen und Herren! Zwei große steuerpolitische Reformvorhaben werden zurzeit in Berlin beraten und sind auch für Hamburg relevant: Das Vorziehen der dritten Stufe der Steuerreform mit den Subventionsabbaugesetzen und die Gemeindefinanzreform. Ich komme zunächst zur Gemeindefinanzreform mit dem Gewerbesteueranteil.
Ich habe für meine Fraktion dem Senat hier eine Allianz für Hamburg angeboten. Die Gewerbesteuereinnahmen in Hamburg belaufen sich auf 1,25 Milliarden Euro. Das sind keine Peanuts, hier geht es um die Existenz Hamburgs. Wir brauchen eine Gewerbesteuerreform, die die Einnahmen der Kommunen und Städte konjunkturunabhängig gewährleistet und auf der Grundlage unserer Dienstleistungsgesellschaft auch die Freiberufler in einer angemessenen Art und Weise über die Gewerbesteuer an der dauerhaften Finanzierung der kommunalen Infrastruktur beteiligt. Es ist doch die Fragestellung erlaubt, warum ein Handwerksbetrieb mit zwei Gesellen Gewerbesteuer zahlt und ein gut gehendes Notariat am Alstertor nicht.
Ja, ja, ich habe schon das richtige Beispiel genommen.
Bundespräsident Rau hat dazu vor dem Deutschen Städtetag aus der „Stuttgarter Zeitung“ zitiert und gesagt:
„‚Welcher von den Folgenden zahlt Gewerbesteuer?’, hieß es da, ‚a) Steuerberater, b) Hellseher, c) Vermessungsingenieur. Es ist der Hellseher, weil er steuerrechtlich einem Gewerbe nachgeht, während die anderen Freiberufler sind.’“
Meine Damen und Herren, dies ist absurd.
Die Gewerbesteuer ist konstitutiver Bestandteil unseres Grundgesetzes seit 1995/1996. Die Kommunen und Städte brauchen sie als Finanzierungsgrundlage für ihre lebensnotwendige Infrastruktur. Was wir nicht brauchen,
meine Damen und Herren, ist eine Gewerbesteuerreform, die nach der Körperschaftsteuerreform den Großen noch einmal einen Schluck aus der Pulle gönnt. Deshalb sage ich für die SPD-Bürgerschaftsfraktion, dass der jetzige Entwurf der Bundesregierung so auch keinen Bestand haben kann.
Herr Dr. Peiner, das ist auch unser Part – da haben Sie Recht –, aber auch Sie haben einen zu leisten. In Ihrer Regierung sitzt ein Koalitionspartner, nämlich die FDP, die die Gewerbesteuer abschaffen will. Der Vorschlag der FDP ist mit der existenziellen Interessenlage unserer Stadt unvereinbar.
Aber auch Sie haben einen Part gegenüber Ihrer eigenen Partei zu spielen. Wir erwarten von Ihnen, Herr Dr. Peiner, dass das Modell des Deutschen Städtetages, so wie es auch als Ihr Modell im Finanzplan 2004 beschrieben wird und parteiübergreifend von Flensburg bis Rosenheim von allen verantwortlichen Kommunalpolitikern getragen wird, von Ihnen im Bundesrat für die gemeinsamen Interessen der Freien und Hansestadt Hamburg auch offensiv vertreten wird.
Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung hat sich aus wirtschaftspolitischen Gründen entschlossen, die dritte Stufe der Steuerreform vorzuziehen. Ab 1. Januar 2004 wird damit der Eingangssteuersatz in Deutschland historisch auf 15 Prozent sinken, der Höchststeuersatz auf 42 Prozent und der Grundfreibetrag wird auf dann neu 7000 Euro festgelegt. Eine beträchtliche Entlastung für den Bürger und den Mittelstand. Die SPDBürgerschaftsfraktion begrüßt diese Entscheidung der Bundesregierung ausdrücklich.
Als Gegenfinanzierung ist neben der Kreditfinanzierung auch ein erheblicher Anteil an Subventionsabbau beschlossen worden. Wir erwarten hier Klarheit und Eindeutigkeit vom Hamburger Senat. Sagen Sie im Interesse der Hamburger Bürgerinnen und Bürger eindeutig Ja zum Vorziehen der Steuerreform und lassen Sie den Subventionsabbau nicht noch einmal scheitern wie vor einem Jahr. Mit dem damaligen Wirksamwerden des Gesetzes im Dezember 2002 wäre ein finanzielles Entlastungsvolumen für Hamburg für die Jahre 2003 bis 2006 von kumulierend 800 Millionen Euro möglich geworden. Nur aus Gründen der Parteitaktik sind diese Möglichkeiten damals von der CDU/CSU im Bundesrat verspielt worden.
Herr Dr. Peiner, man muss festhalten, dass auch in der Finanzpolitik das politische Barometer in dieser Stadt auf Null fällt. Sie zeigen sich im Gegensatz zu Ihren Vorgängern beim Konsolidieren nicht als sehr durchsetzungsfähig. Ihre Doppelrolle als Hamburger Finanzsenator und Bundesschatzmeister der CDU nimmt Ihnen die Spielräume, eindeutig für die Hamburger Interessen zu streiten. Sie sind im Bundesratsgeschäft für Hamburg ein stumpfes Schwert.
Ihr Wirken in der in Liquidation befindlichen Olympia GmbH war unrühmlich. Sie selbst haben, was die Unter
nehmensaufsicht angeht, an andere hohe Maßstäbe gesetzt. Bei der Olympia-Gesellschaft haben zwölf Aufsichtsräte sieben Mitarbeiter in ihrem Handeln kontrolliert. Sie waren dabei und die Wirtschaftsplanüberschreitungen waren trotzdem erheblich. Sie haben dort als schlechtes Vorbild gewirkt.
Im Rahmen der Hein-Gas-Verhandlungen über die Verlängerung millionenträchtiger Konzessionserträge für die Stadt Spendenbitten zugunsten des Peter-TammMuseums anzuregen, eines prestigeträchtigen Projekts dieses Senats, ist – mit Verlaub gesagt – eines Hamburger Senators nicht angemessen.
Meine Damen und Herren, Herr Dr. Peiner, um Anselm Feuerbach zu zitieren:
„Die Mittelmäßigkeit wägt immer richtig, nur ihre Waage ist falsch.“
Sie, Herr Dr. Peiner, haben zum Wiegen Ihrer Bilanz einfach die Waage falsch eingestellt, um die Finanzpolitik in Hamburg auf das richtige Gewicht zu bekommen. Nehmen Sie es mir nicht übel, Herr Dr. Peiner, denn ich schätze Sie persönlich sogar, aber die Hamburger Finanzpolitik dieser Jahre ist inzwischen auch nur Mittelmaß.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Dr. Peiner, ich verstehe, dass Sie auf der Zinne sind, aber das ist immer so, wenn man als Oppositionspolitiker mit dem Finger in die richtige Wunde gefasst hat.
Ich habe Ihre Presseerklärung vom 2. September genommen. In der heißt es:
„Kategorie 1 Für die Infrastruktur der Stadt zwingend erforderliche Unternehmen Bei Unternehmen dieser Kategorie kann in Einzelfällen der Verkauf von Anteilen sinnvoll sein, allerdings ist die Bewahrung eines beherrschenden öffentlichen Einflusses (mindestens 51 Prozent) regelmäßig im Interesse Hamburgs geboten.“
In der anschließenden Aufzählung werden auch die beiden Wohnungsbaugesellschaften genannt. Daraus schließe ich eindeutig, dass der Senat es für möglich hält, 49 Prozent dieser beiden Gesellschaften zu verkaufen.
Ich habe Ihnen nur gesagt, welche Konsequenz das für die 100 000 Mieter bedeutet. Sie können sich darüber empören, dass ich dieses transparent mache, aber der Sachverhalt ist so. Deshalb ist es auch nicht angemessen, dass Sie mit dem Finger auf mich zeigen. In diesem Fall zeigen vier Finger auf Sie zurück.
Zu den Mäzenen. Herr Dr. Peiner, es ist absoluter Unsinn, dass wir Mäzene aus der Stadt vergraulen. Kein Mäzen ist in den letzten 50 Jahren durch Sozialdemokraten aus dieser Stadt vergrault worden.
Es gibt über die Verhandlungen bei Hein Gas ein Protokoll und darin stehen Dinge über Verhandlungen und Konzessionserträge. Ein Satz beginnt:
„In diesem Zusammenhang regte Herr Dr. Peiner an …“
Das steht in dem Protokoll, das den Fraktionsvorsitzenden vorliegt.
Ich habe im Ausschuss gesagt – da waren Sie, Herr Dr. Peiner, nicht anwesend –, dass ich es im Zusammenhang mit einer solchen Verhandlung nicht für angemessen halte. Dass man Spenden für das Museum von Peter Tamm sammelt, das ist die eine Seite. Das ist auch völlig in Ordnung, wenn man das Projekt will. Wer es nicht will, sammelt eben keine Spenden. Dass man Menschen, die Geld haben, darauf hinweist, dass man hier Spenden anlegen kann, ist richtig. Aber dieses in diesem Zusammenhang zu sagen, ist eines Senators nicht angemessen. Bei der Position bleibe ich auch.
– Guten Tag, Herr Kruse!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich habe mich aus zwei Gründen gemeldet: Ich habe das Gefühl, Herr Dr. Mattner und Herr Rutter, Sie haben Ihre Reden zu einem Zeitpunkt geschrieben, als der Senat noch nicht seinen Haushalt 2004 und seine Finanzplanung bis 2007 beschlossen hat. Sie erzählen immer, dass die Gefahr bestehe, dass durch die Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe eine jährliche Belastung von 100 Millionen Euro auf den Hamburger Haushalt zukomme. Darf ich Sie daran erinnern, dass der Hamburger Senat davon ausgeht, dass es diese Zusatzbelastung gar nicht gibt, weil er nämlich die Zusage des Bundes im Haushalt realisiert. So hat der Senat beschlossen, ab 2005, 2006 über die Bundesratsinitiative einen Ertrag und eine Einnahme von jährlich 85 Millionen Euro aus der Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe in den Hamburger Haushalt einzustellen. Also sage ich Ihnen: Ziehen Sie Ihren Antrag zurück. Der ist obsolet.
Nein, unserer ist deshalb nicht obsolet – das möchte ich Ihnen sagen –, weil unter dem Betreff nicht nur "verantwortliche Aufgabenteilung in der Arbeitsmarktpolitik" steht, sondern auch "Stärkung der Finanzkraft der Kommunen durch eine solide Gemeindefinanzreform".
Und da, meine Damen und Herren, drücken Sie sich um Ihren Dissens in der Koalition herum. Herr Dr. Peiner sagt glasklar, welches Modell er bei der Gemeindefinanzreform und der Stärkung der Gewerbesteuer wolle. Wir stimmen Herrn Dr. Peiner ausdrücklich zu. Das Modell des Deutschen Städtetages ist unser Modell.
Aber das Modell Ihres kleinsten Koalitionspartners ist die Abschaffung der Gewerbesteuer und das würde einen desolaten Zustand in Hamburg erzeugen. Insofern müssen Sie in der Formulierung einer Position der Stärkung der Gemeindefinanzreform zueinander finden. Nicht wir haben einen Dissens. Wir haben nicht mit dem Hamburger Finanzsenator einen Dissens, wir haben nicht mit dem Hamburger Bürgermeister einen Dissens, sondern Sie haben in Ihrer Koalition einen Dissens. Darum geht es. Unser Angebot, in Berlin gemeinsam für eine Gemeindefinanzreform im Sinne für Hamburg zu kämpfen, heißt, dass Sie eine gemeinsame Position finden, nicht wir.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es begann zu der Zeit – Sie kennen die Geschichte – als Hamburg aufbrach und nach Olympia wollte. Man gründete eine Olympia GmbH, deren Hauptgesellschafter Hamburg war. Kurze Zeit danach erklärte der Finanzsenator Peiner in der Öffentlichkeit, dass die Beteiligungsverwaltungen der Behörden gestrichen werden sollten, da in Zukunft die Aufsichtsräte in den städtischen
Gesellschaften oder dort, wo die Stadt Mehrheitsgesellschafter ist, wieder gestärkt werden sollten, denn es käme auf die Fachkompetenz der Aufsichtsratsmitglieder an.
Dann gründete man diese Olympiagesellschaft mit der FHH als Mehrheitsgesellschafter. Diese GmbH hatte circa sechs oder sieben Mitarbeiter, aber der Aufsichtsrat war doppelt so groß. Wenn man die Sekretärin der Olympia GmbH einmal streicht, dann gab es auf jeden Beschäftigten circa zwei Aufsichtsratsmitglieder, die kontrollieren konnten. Es war ein erlauchter Kreis: Der Erste Bürgermeister war Vorsitzender, Herr Dr. Otto der stellvertretende Vorsitzende – von Herrn Mettbach rede ich jetzt nicht –, Herr Senator Lange, Herr Uldall und natürlich der Finanzsenator selbst.
Dann begann man, einen Wirtschaftsplan aufzustellen, der am Anfang auch gedeckt war. Das hoffen wir jedenfalls, denn er ist der Hamburger Bürgerschaft noch nicht vorgelegt worden, aber wir hoffen, dass wir im Rahmen des Abschlussberichtes, der in zwei Monaten kommen soll, die Entwicklung der Wirtschaftspläne nachvollziehen können. Es gab dann einen fortgeschrittenen Wirtschaftsplan. Ende Mai wurde von mir eine Schriftliche Kleine Anfrage gestellt, in der bestätigt wurde, dass das Defizit 1,5 Millionen Euro betragen würde.
In der Haushaltsausschusssitzung, die 14 Tage später stattfand, wurde uns bestätigt, dass das Defizit derzeit 2 Millionen Euro betragen würde. Es arbeite nun ein Liquidator und ob diese Summe Ende August höher oder niedriger ausfallen würde, wüsste man auch nicht. Darüber hinaus wurde erklärt, dass man dem Haushaltsausschuss allerdings noch gar nicht sagen könne, welche Ausgabenpositionen zu dieser Entwicklung beigetragen hätten.
Der Aufsichtsrat hat im Übrigen in 13 Monaten vierzehn Mal getagt, das ist einmal monatlich. Es soll sogar ein Controlling gegeben haben, steht alles da drin.
Bei dieser städtischen Gesellschaft ist – hochrangig besetzt mit dem Finanzsenator – alles aus dem Ruder gelaufen. Der Ausgabenblock ist insgesamt um 25 Prozent über dem Soll-Ansatz gesteigert worden, das sind 3,7 Millionen Euro. Zur Deckung dieses Betrages sind 1,7 Millionen Euro an Sponsorgeldern eingegangen. Zur der Frage, woran das gelegen haben könnte, gibt es einige Antworten. Herr Senator Lange hat im Haushaltsausschuss zugegeben, dass es immer so gewesen sei, dass der Geschäftsführer immer Einzelentscheidungen treffen wollte. Als man ihn im Aufsichtsrat fragte, ob es dafür eine Deckung geben würde, bejahte er dieses, denn Sponsoren hätten zugesagt. Die Mittel sind aber nie geflossen. Ich habe mir immer gedacht – aber das ist dieses Fielmann-Syndrom –, in einer Stadt mit einem hanseatischen Kaufmannsgeist könne es so etwas gar nicht geben.
Wer eine Sponsorenzusage auf der Ebene gibt, der hält sie anschließend auch ein. Es ist passiert, dass bei Einzelentscheidungen, die alle vom Aufsichtsrat oder vom Aufsichtsratsvorsitzenden gedeckt und abgesegnet wurden, die Sponsoren das Geld nicht beigebracht haben.
In der Endphase, als man behauptete, dass Hamburg die Favoritenstellung einnehmen würde, mussten ganz
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schnell Ausgaben getätigt werden. Es wurde bei den Werbeagenturen angerufen und nachgefragt, was bestimmte Dinge kosten würden, aber darüber kein schriftliches Angebot eingeholt. Bei einem genannten Betrag von 20 000 Euro ist meistens die dreifache Summe herausgekommen. In dieser Schlussphase hätte man merken müssen, dass die Sollvorgaben mit diesen Ausgaben nicht eingehalten werden. Mich wundert eines: Ich bin immer davon ausgegangen, dass Hamburg von Anfang an als Favorit gestartet sei.
Dass das erst Anfang April gewesen sein sollte, war für mich völlig neu. Bei meiner Euphorie war Hamburg vom ersten Tag an Favorit. Ich glaube, das sah Herr Karl-Heinz Ehlers auch so, wir haben uns häufig darüber unterhalten, oder nicht?
Das ist doch eine schöne Vertraulichkeit.
Zusammenfassend lässt sich feststellen: In einer städtischen Gesellschaft, in der hochrangige Persönlichkeiten des Senats gesessen haben, wurde eine Art und Weise des ökonomischen und kaufmännischen Ausgabenverhaltens praktiziert, über die ich zu dieser Seite des Hauses klipp und klar sage: Wenn sich das ein Zuwendungsempfänger dieser Stadt erlaubt hätte, wie es Ihr Senat getan hat, dann hätten Sie ihn gnadenlos durch die Rinnsteine dieser Stadt gezogen.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Reden des Senators sind die Reden der
Koalitionsfraktionen und sie laufen nach dem Motto: Der mögliche Sieg heilt die Mittel. Vor dem Hintergrund der Gesetze, die auch für uns und für den Senat gelten, ist das eine unmögliche Position.
Sie setzen damit Maßstäbe und wenn Sie die anwenden, das habe ich schon einmal gesagt, bei den von Ihnen so freundlich behandelten Zuwendungsempfängern dieser Stadt, dürfen Sie überhaupt keine Kritik mehr üben. Der mögliche Sieg heilt diese Mittel nicht. Man hat auch bei einer Olympia GmbH mit fünf Senatoren und dem Bürgermeister im kaufmännischen und im betriebswirtschaftlichen Bereich nach den Maßstäben zu arbeiten, wie die Vorgaben sind. Sie waren, als der Deutsche Tennisbund Ende März 750 000 Euro brauchte, innerhalb von 14 Tagen mit einer Drucksache in diesem Parlament. Wir haben zwar aus bestimmten Gründen nicht zugestimmt, aber es war Ihnen möglich, diese Mittel zu bekommen. Sie haben für diese Olympia GmbH den ein Jahr alten Wirtschaftsplan in voller Kenntnis im November 2002 fortgeschrieben, weil schon dort die Ausgaben aus dem Ruder liefen. Weil das so war, hätten Sie schon im Januar mit einer Drucksache ins Parlament kommen müssen. Dann wäre das in Ordnung gewesen. Es gibt überhaupt keine Ausreden.
Machen wir uns in diesem Punkt nichts vor. Es ist nicht in Ordnung zu sagen, wenn wir gewinnen wollen, dann dürfen wir nicht knausern. Wenn wir gewinnen wollen, dann sagt man, wie hoch der Preis des Gewinnens ist. Wenn man weiß, in welcher Höhe die Ausgaben sein werden, die Sponsoren aber nur soundsoviel Erträge fließen lassen, dann kommt man ins Parlament und diskutiert darüber, ob es diese Differenz decken will. Das haben Sie nicht getan, das ist nicht in Ordnung.
Zum Schluss, Herr Okun.
Erstens: Der Satz, dass in diesem Laden kein Controlling stattgefunden hat, stammt nicht von einem Sozialdemokraten, sondern vom heutigen Vizepräsidenten der Handelskammer Hamburg, Herrn Schües,
der dieses in der Öffentlichkeit gesagt hat. Ob das ein sportlich faires Nachtreten ist, ist etwas anderes, aber die Aussage stammt von ihm.
Es ist eindeutig, dass wir in der Olympia GmbH einen Geschäftsführer gehabt haben, der ein hohes Gehalt bezogen hat und von dem behauptet wurde, dass er nicht fünf Tage die Woche in Hamburg gearbeitet hat. Auf jeden Fall steht fest, dem hat selbst Senator Lange im Haushaltsausschuss zustimmen müssen, dass dieser Geschäftsführer in den letzten Monaten nur Einzelentscheidungen getroffen hat, die der Aufsichtsrat nicht kontrolliert hat. Im Zweifel hat er sich die Zustimmung von Einzelmitgliedern geholt. Das ist auch der Grund, weshalb Sie diesen Mann schon Ende Mai entlastet haben. Der Aufsichtsrat hat genau gewusst, hätte er das nicht getan, hätte er geplaudert. Dann hätte er Ihnen genau das ins Stammbuch geschrieben, was ich Ihnen jetzt ins Stammbuch schreibe.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich bin von der Erotik von Herrn Müller-Sönksen immer so was von begeistert, wenn ich ihn hier vorne reden sehe. Aber Herr Becker hat Ihnen eine schöne Rede geschrieben.
Wir stellen das Ganze jetzt einmal wieder vom Kopf auf die Füße. Meine Damen und Herren, dieses Gesetz ist, wie Professor Ring, Präsident der Bayerischen Landesanstalt für neue Medien, gesagt hat, eine Rückkehr in die medienpolitische Steinzeit.
Hamburg alleine gegen 15 andere Bundesländer, egal von welcher Partei sie regiert werden. Dieses Gesetz ist medienpolitischer Schrott.
Auf der 150. Sitzung der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten vor zwei Wochen ist eine einstimmige Pressemitteilung herausgegeben worden. Ich lese Ihnen daraus vor:
"Die Novelle entlässt die zweite Säule des dualen Systems, also den private Rundfunk, aus seiner gesellschaftlichen Verantwortung. Dem Rundfunk gebührt jedoch verfassungsrechtlicher Schutz. Mit dem vorliegenden Entwurf wird der bisherige Konsens der Länder über die Ausgestaltung der Rundfunkordnung in Deutschland von Hamburg einseitig aufgekündigt. Die HAM ist nicht mehr Gestalterin des privaten Rundfunks,
sie wird im Konzert aller Landesmedienanstalten zu einem ungleichen Partner."
Das sagen die 15 Präsidenten der Landesmedienanstalten in Deutschland. Der einzige, der alles besser weiß, ist unser Herr Müller-Sönksen.
Meine Damen und Herren, wem ist dieses Gesetz eigentlich geschuldet? Der Senat betreibt es, so kann man aus der Anhörung und aus den Debatten im Wirtschaftsausschuss erkennen, mehr lustlos. Herr Dr. Schön macht es freundlich nett. Die CDU ist eigentlich nicht so an der Sache dran, bis auf den ehemaligen Verlagsmitarbeiter von Axel Springer, Herrn Rusche, aber dieser Konzern ist ja auch groß an Radio Hamburg beteiligt. Die PRO interessiert das Thema gar nicht so recht. Es ist ausschließlich dem kleinsten Koalitionspartner geschuldet. Und dann schauen wir uns einmal an, welches Ziel dieses Gesetz eigentlich hat und entkleiden es einmal von den ganzen Worthülsen von Herrn Müller-Sönksen.
Das erste Ziel ist: Dieser Senat benötigt zur Finanzierung der Media School Geld, weil das Public-private-partnership-Konzept zur Finanzierung der Media School nicht aufgeht. Deshalb muss der Offene Kanal geschlachtet werden.
In diesem Gesetz wird festgelegt, dass die Media School in Zukunft auf unterschiedlichen Wegen über die zweiprozentige Rundfunkgebühr 1,2 Millionen Euro bekommen wird. Das heißt, die Media School, die zur Hälfte vom Staat und zur Hälfte von Privaten finanziert werden soll, wird heute in Wahrheit zur Hälfte vom Staat und zur anderen Hälfte vom Zwangsgebührenzahler der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten gezahlt. Und das nennen Sie Public-private-partnership.
Im Zusammenhang mit dem Offenen Kanal: Ich habe Gespräche mit den Mitarbeitern geführt. Es ist ein offener Skandal. Er wird am 1. Juli in dieser Stadt abgeschaltet und mit diesen Mitarbeitern spricht keiner. Der Einzige, der dort hingeht, ist der Mann, der im Moment die Media School für den Senat promoten soll, und das ist Herr Jan Henne De Dijn. Und dieser Mann hat vier Wochen vor Schließung des Offenen Kanals kein einziges Angebot an die Mitarbeiter gemacht. Die wissen nicht, was sie tun sollen. Die liegen letztendlich auf der Straße. Im Wirtschaftsausschuss ist der Mann noch nicht einmal in der Lage gewesen, der Öffentlichkeit vier Monate vor Beginn des ersten Studienganges an dieser neuen Media School ein Konzept vorzulegen. Das ist eine einzige medienpolitische Bruchlandung, nicht nur bezogen auf das Gesetz, sondern auch bezogen auf die Media School. Das ist peinlich.
Das zweite Ziel ist ebenso deutlich: Es soll erstmalig der Paragraph 5 des Grundgesetzes, und zwar dort, wo die Rundfunkfreiheit definiert ist, im Interesse privater Rundfunkanbieter unterlaufen werden. Die privaten Rundfunkanbieter sollen von der Verpflichtung zu einem ganz bestimmten Programmauftrag freigestellt werden. Alle Gutachter, Professor Ring, der aus Bayern kommt und der CSU näher steht als den Sozialdemokraten und Grünen, ein Mann, der bei Stoiber in der Staatskanzlei gearbeitet hat und bei Stoiber hohe Beliebtheit genießt, haben ihnen schlicht und ergreifend gesagt, dass dieser Paragraph 3, so, wie Sie ihn formuliert haben, auch in der Mogelpackung, die Sie jetzt hinzubekommen versuchen, mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes
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nicht vereinbar sei, und deshalb wird es auch geprüft, weil es geprüft werden muss.
Die dritte Mogelpackung ist nicht nur die Art und Weise, die Media School über Rundfunkgebühren zu finanzieren, denn Herr Henne de Dijn hat im Wirtschaftsausschuss, wo er gefragt worden ist, was er denn mache, wenn er ab Oktober nicht in der Lage sei, das im Bürger- und Ausbildungskanal zu leisten, was im Gesetz steht, gesagt, das sei doch ganz klar, wir haben doch Studio Hamburg. Und genau das ist es, Studio Hamburg ist eine hundertprozentige Tochtergesellschaft des Norddeutschen Rundfunks, und es geht ihr ganz dreckig. Insofern ist dies eine doppelte Mogelpackung, die Finanzierung der Media School und auf diesem Wege die Subventionierung der nicht ausgelasteten Kapazitäten bei Studio Hamburg.
Das ist keine Unterstellung, das ist ein Sachverhalt. Dieses wird ausschließlich mit Rundfunkgebühren durchgeführt und das ist eine Zweckentfremdung.
Sie schlagen drei Fliegen mit einer Klappe, aber mit Rundfunk hat das alles nichts zu tun.
Welche weiteren Fragen stellen sich in diesem Zusammenhang? Die HAM ist unstrittig in den letzten anderthalb Jahrzehnten Anreger und Förderer des privaten Rundfunks gewesen. Sie hat Abwanderungen verhindert, sie hat den medienwissenschaftlichen Standort an dieser Stelle gefördert. In Bayern und in anderen CDU- und CSU-regierten Ländern wird darüber diskutiert, den Landesmedienanstalten nicht nur zwei, sondern sogar drei Prozent der Rundfunkgebühr zur Verfügung zu stellen. Das hat Professor Ring gesagt und das bedeutet eine Aufwertung.
Ich komme aber noch einmal auf die Schlachtung des Offenen Kanals zugunsten der Media School und des Bürger- und Ausbildungskanals zurück; darin liegt wieder eine Mogelpackung. War im alten hamburgischen Mediengesetz eine Soll-Vorschrift enthalten, dass aus den Rundfunkgebühren der Offene Kanal finanziert werden solle, so ist im Hinblick auf den Arbeitsauftrag des Bürger- und Ausbildungskanals lediglich eine Kann-Vorschrift enthalten. Das heißt, im Gesetz steht, man kann das machen, im Gesetz steht aber auch, man bekommt auf jeden Fall 1,2 Millionen Euro. Dieses ist die größte Mogelpackung, die je in ein Gesetz hineinmanipuliert worden ist. Es ist eine Manipulation, der Anstalt Geld zu geben und den Arbeitsauftrag lediglich mit einer Kann-Vorschrift zu versehen. Das bedeutet schlicht und ergreifend, er braucht übermorgen nicht mehr zu arbeiten, das ist schlicht und ergreifend die Subventionierung der Media School, dort wo Sie das Geld bei den Verlagen und Wirtschaftsunternehmen nicht haben eintreiben können.
Darüber hinaus wird nach dem Gesetz in Zukunft der Hamburgischen Anstalt für neue Medien im Prinzip verboten, sich bundesweit an Kooperationsmodellen zu beteiligen. Dies wird – Professor Ring und die anderen haben es auch gesagt – eine Rückwirkung haben. Es bedeutet, dass sich die anderen Landesmedienanstalten, die zum Beispiel Hamburger Institutionen mitfördern,
fragen werden, ob sie nicht auch aus dieser Förderung aussteigen. Dieses Gesetz gefährdet die gesamtbundesstaatliche Finanzierung des Hans-Bredow-Instituts.
Lassen Sie mich noch einige Schlusssätze sagen. Professor Ring hat darauf hingewiesen – ich zitiere wörtlich:
"Aber ich glaube, dass die Reduktion der HAM auf eine reine Lizenzanstalt, eine pure Lizenzverwaltung und Medienpolizei – das ist meine Bewertung aufgrund einer verkürzten Ansicht – der grundsätzlich falsche Weg ist."
Und er endet mit dem entscheidenden Satz:
"Landesmedienanstalten sind in Zeiten dieser Veränderung …"
also auch der Globalisierung in der Medienwirtschaft selbst –
"… nicht Frequenzverwaltung und Medienpolizei. Das ist der eigentliche Rückschritt. Das ist nicht modern, sondern ein Rückfall in die Steinzeit des dualen Systems."
Dem ist aber auch nichts hinzuzufügen. – Danke schön.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Senator Uldall, erwecken Sie bitte nicht den Eindruck, als seien Sie bei der Anhörung dabei gewesen und wüssten, worüber Sie reden. Mit dem Thema haben Sie sich auch nicht richtig auseinander gesetzt.
Hier geht es nicht um Deregulierung und auch nicht um die Freigabe der Fesseln eines freien Unternehmertums. Hier geht es um das im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland festgeschriebene Rundfunkrecht. Das ist zentral etwas anderes.
In Paragraph 3 Ihres Gesetzes wird der Programmauftrag normiert und der lautet:
"Die nach diesem Gesetz zugelassenen Rundfunkprogramme sollen in ihrer Gesamtheit und als Teil des dualen Rundfunksystems zur Informations- und Meinungsbildung beitragen."
Das bedeutet eindeutig, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk diesen Teil erfüllt und die gesamten privaten Rundfunkanbieter davon befreit sind, zur Informations- und Meinungsbildung am Standort Hamburg beizutragen.
Nun lese ich Ihnen aus dem sechsten Rundfunkurteil des Bundesverfassungsgerichts vor, und das ist auch die zentrale Begründung, warum wir der sofortigen zweiten Lesung nicht zustimmen werden und warum unsere Bundestagsfraktion in Berlin überprüfen wird, ob es vor dem
Bundesverfassungsgericht eine Klage gibt. Dort steht, und es ist noch nicht sehr alt:
Hören Sie doch zu, Herr Professor Müller-Sönksen.
"Die Rundfunkfreiheit des Artikel 5 Absatz 1 Satz 2 Grundgesetz ermächtigt ihren Träger nicht zum beliebigen Gebrauch. Als dienende Freiheit wird sie nicht primär im Interesse der Rundfunkveranstalter, sondern im Interesse freier, individueller und öffentlicher Meinungsbildung gewährleistet."
Dieses Gesetz erfüllt diesen Auftrag nicht, aber um dieses Urteil und um diesen Richterspruch wird auch weiterhin in Deutschland gekämpft.
Diese Fusion, die ja vom Vorgängersenat angedacht war und auch – ich gebe das zu – recht erfolgreich von Herrn Dr. Peiner, der Finanzbehörde und den betroffenen Behörden realisiert worden ist, verdient Lob. Aber dass nun ausgerechnet die Person aus der Partei, die weder im Vorgängersenat noch im jetzigen Senat damit sozusagen inhaltlich einen Blumentopf gewinnen kann, uns durch das Vorlesen einer Drucksache die Lebenszeit klaut, finde ich eigentlich fürchterlich.
Im Übrigen ist es so, dass die Schleswig-Holsteinische Landesbank und die Hamburgische Landesbank nicht fusionieren, weil sie Regionalpolitik betreiben, sondern weil bei einer Fusion ein Synergieeffekt von 150 Millionen Euro realisiert werden kann, das ist ein betriebswirtschaftliches Ziel.
Meine Damen und Herren, wir Sozialdemokraten haben schon im Haushaltsausschuss klar gemacht, dass wir der Fusion zustimmen werden. Ich möchte deshalb nur auf zwei Punkte eingehen, die, wie ich finde, auch in der Öffentlichkeit dargestellt werden müssen, und zu denen der Senat und Herr Dr. Peiner eigentlich deutlich Position beziehen müssten. Es geht um den Punkt „Wohnungsbaukreditanstalt“ und es geht um den Wegfall der „stillen Einlagen“. Ich will das mit den „stillen Einlagen“ kurz erklären: Die Hamburger Gesellschaft für Vermögens- und Beteiligungsverwaltung mbH hat sich durch stille Einlagen in einem sehr großen Stil bei der Hamburgischen Landesbank Zinsen verdient, hat sie zwar kreditär finanziert, aber die Differenz war immer noch so groß, dass an den Hamburger Haushalt jährlich rund 28 Millionen Euro abgeführt werden konnten. Dies fällt jetzt aus ganz bestimmten Gründen flach, weil hier umfinanziert werden muss. Weder im Haushaltsausschuss
noch in der Öffentlichkeit ist dargestellt worden, wie dieses Loch im Hamburger Haushalt gedeckt wird und ob die Gewinne der fusionierten Bank in Zukunft ausreichen werden, um den Hamburger Haushalt auch weiterhin mit dieser Summe zu füttern. Ich bitte den Finanzsenator, nochmals klarzumachen, wie dieser Verlust aus seiner Sicht gesehen wird und welche Rahmendaten er sieht, damit sichergestellt ist, dass dieses Geld auch weiterhin in den Hamburger Haushalt fließt.