Protokoll der Sitzung vom 19.02.2003

„Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft!? Korruption schadet uns allen, also auch mir!“

Das ist vollkommen richtig. Nur, dieser Flyer und diese Hotline sind nicht neu. Das alte Papier ist schon etwas länger als 15 Monate im Umlauf und inhaltlich gleich. Darin hieß es:

„Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft!? Korruption schadet uns allen, also auch mir!“

Das ist eine supertolle neue Hotline.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Sogar die Faxnummern sind gleich, die E-Mail-Adressen sind dieselben

(Dirk Nockemann Partei Rechtsstaatlicher Offen- sive: Die sind halt beständig!)

und die Mitarbeiter, die dahinter stehen, sowieso.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Gäbe es den Straftatbestand der Einfallslosigkeit im Amt, dieser Senat hätte ihn mit Sicherheit erfüllt.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Wenn der Staatsrat der Innenbehörde alle Bürgerinnen und Bürger aufruft, Korruptionsfälle beziehungsweise einen Korruptionsverdacht zu melden, so ist das selbstverständlich richtig, denn natürlich sind die Ermittlungsbehörden auf Hinweise Dritter angewiesen. Was ich in diesem Zusammenhang aber vermisse, ist eine Ehrenerklärung für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes, die jeden Tag korrekt und mit großem Engagement ihrem Job nachgehen und die selbstverständlich durch Korruptionseinzelfälle in der Öffentlichkeit in Mitleidenschaft gezogen werden.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL – Burkhardt Müller-Sönksen FDP: Alle Menschen sind gut!)

Genauso ist auch leider festzustellen, dass der Senat ein scheinbar sehr einseitiges Bild der Korruptionsbekämpfung pflegt. Selbstverständlich ist die Repression in diesem Bereich ein sehr wichtiger Baustein, um gegen Korruption anzugehen. Sie hat natürlich auch einen Präventiveffekt. Ich vermisse leider in den ganzen Ankündigungen, die wir immer bekommen, präventive Faktoren, die Sensibilisierung der Öffentlichkeit für dieses Thema, auch die Schaffung korruptionsresistenter Arbeits- und Entscheidungsabläufe in den Verwaltungen selbst. Zu guter Letzt vermisse ich auch eine konkrete Aussage, wie mit den Menschen umgegangen wird, die unberechtigterweise der Korruption bezichtigt werden und bei denen nachweislich nur korrektes Handeln im Spiel war. Diese Leute werden pauschal verunglimpft und in der Regel nicht rehabilitiert. Das ist schlecht.

(Beifall bei der SPD und bei Jörg Lühmann GAL)

Die SPD-Fraktion steht einer sachlichen Debatte zum Thema Korruptionsbekämpfung und Korruptionsprävention natürlich offen gegenüber. Wir werden hierzu in Kürze eine Große Anfrage einreichen und werden dann auch sehen, wie groß Ihr Interesse an einer umfassenden Debatte dieses Themas ist. Vielleicht werden wir dann endlich etwas zu der vom Senat angekündigten, scheinbar

(Frank-Michael Bauer Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

aber schon längst wieder vergessenen Kronzeugenregelung erfahren. Ich bin sehr gespannt auf die Ergebnisse. – Danke.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Herr Lüdemann, Sie haben das Wort.

(Barbara Duden SPD: Ruft schon einer an?)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Korruption stellt man sich schlechthin immer als ein klassisches Problem von Dritte-Welt-Staaten vor, von denen man denkt, dass man für ein bisschen Bakschisch alle Bescheinigungen und Genehmigungen bekommt, die man haben möchte. In Hamburg sind einige wenige spektakuläre Fälle bekannt geworden. Beispiele sind der „Domherr“, der über die lukrativsten Plätze auf dem Hamburger Dom verfügen konnte, oder auch der angebliche Fall – man muss noch „angeblich“ sagen – des Oberbaudirektors, der in einem Baugenehmigungsverfahren an der Außenalster eingegriffen haben soll.

Korruption zu bekämpfen, ist äußerst schwierig, denn in der Regel werden sich die Beteiligten nie anzeigen, wenn sie mit der Gegenleistung nicht zufrieden sind, weil sie ihrer Meinung nach nicht richtig ausgeführt worden ist, sodass man diese klassischen Wege, sich an einen Streitschlichter zu wenden, in diesem Fall ausschließen kann. Auch die Überprüfung des Verwaltungshandelns, wie es bei Verwaltungsakten möglich ist, indem man Widerspruch einlegt oder das Verwaltungsgericht anruft, ist hier nicht möglich.

Aber ich will gar nicht von den spektakulären Fällen sprechen, sondern es geht auch um die kleinen, unbekannten Fälle im Alltag, die aber im System einen sehr großen Vertrauensschaden anrichten. Nehmen Sie nur den Fall des kleinen Mitarbeiters auf dem Recyclinghof, der für ein paar Euro die Augen zudrückt, wenn gefährlicher Sondermüll in den Hausmüll geworfen wird.

Gefährlich wird es dann, wenn der Bürger irgendwann das Gefühl bekommt, dass die Verwaltung nicht mehr nach Recht und Gesetz entscheidet, sondern sich nur noch von kleinen individuellen Zuwendungen beeinflussen lässt. Dann wären wir auf dem Weg von der demokratischen Rechtsordnung zur Bananenrepublik.

Der Bedarf an Korruptionsbekämpfung ist gestiegen, da die Zahlen einen erheblichen Anstieg verzeichnen. In den letzten zehn Jahren hat sich die Zahl der aufgedeckten Verfahren auf 224 verzehnfacht. Wenn man bedenkt, dass wir mehrere zehntausend oder fast hunderttausend Beschäftigte im öffentlichen Dienst haben und wir jetzt bei einer Zahl angekommen sind, die im Promillebereich liegt, ist das verschwindend wenig. Selbstverständlich geben wir diese Ehrenerklärung sehr gern, Frau Bestmann. Fast 100 Prozent, der größte Teil unserer Beschäftigten im öffentlichen Dienst in Hamburg, ist nicht korrupt.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP, vereinzelt bei der SPD und Zustimmungsrufe von der GAL)

Trotzdem können diese wenigen Fälle natürlich nicht nur einen großen finanziellen Schaden, sondern auch einen Vertrauensschaden anrichten. Die Hotline – mein Kollege von der Schill-Fraktion hat es schon gesagt – ist keine reine Hotline zur Denunziation, sondern auch eine Möglichkeit für die Beteiligten, die ihr Gewissen erleichtern wollen oder

wenn sie merken, dass sie in eine Sachgasse geraten sind, aus der sie alleine nicht mehr herauskommen. Das große Problem ist, dass jemand, der einmal bestechlich war, aufgrund dieses Falles natürlich sehr leicht erpressbar ist. Um da herauszukommen – das ist auch auf der Pressekonferenz gesagt worden –, wird diesen Leuten, die sich offenbaren und einen Ausstieg finden wollen, ein Weg aufgezeichnet. Genauso ist auch mit dem Mitarbeiter bei der Stadtreinigung verfahren worden. Ihm ist nicht gekündigt worden, sondern er arbeitet jetzt in einem anderen Bereich weiter. Diese Hotline muss man also auch als ein Hilfsangebot für die Betroffenen verstehen.

Hamburg hat hier selbstverständlich eine Vorreiterrolle, Frau Bestmann. Telefonieren Sie in den anderen Bundesländern herum, dann werden Sie erfahren, dass es dort für solche Fälle keine Hotline gibt.

(Petra Brinkmann SPD: Das brauchen Sie uns nicht zu erzählen, das wissen wir doch!)

Die werden sie aber einrichten, denn alle waren begeistert und wollen sie auch für ihr Land haben.

(Petra Brinkmann SPD: Das wissen wir!)

Frau Brinkmann, entspannen Sie sich.

Natürlich ist das von Ihnen eingerichtete Dezernat Interne Ermittlungen hervorragend eingeschlagen. Das bestreiten wir doch gar nicht. Aber warum soll man es nicht noch effektiver gestalten, wenn es denn möglich ist.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Ich hoffe, dass das Dezernat Interne Ermittlungen erfolgreich arbeiten und die Hotline eine abschreckende Wirkung haben wird. Eigentlich sind unsere Bediensteten so gut versorgt, dass sie im Gegensatz zu mancher Bananenrepublik eine Vorteilannahme nicht nötig haben.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Das Wort hat Herr Mahr.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Nachdem der Senat bereits im November sein Konzept zur Korruptionsbekämpfung vorgestellt hat, dürfen wir heute über einen umgesetzten oder – um mit Frau Bestmanns Worten zu sprechen – recycelten Punkt, nämlich über das neu eingerichtete oder wieder belebte Bürgertelefon debattieren. Die GAL-Fraktion begrüßt jede sinnvolle Maßnahme zur Bekämpfung der Korruption.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Wenn Senat und die ihn tragenden Fraktionen heute stolz darauf sind, dass das D.I.E. im Bereich der Korruption erfolgreich agiert, darf ich vielleicht daran erinnern, warum wir heute überhaupt das D.I.E. haben. Es war der von Ihnen so oft geschmähte Polizeiskandal und der sich anschließende Untersuchungsausschuss, der damals den Senat zwang und veranlasst hat, das stumpfe Schwert Ps 3 durch D.I.E. zu ersetzen. Von daher können wir froh sein, dass Innensenator Schill das D.I.E. nicht gleich mit der Polizeikommission aufgelöst hat.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

(Tanja Bestmann SPD)

So lobenswert es ist, wenn jetzt noch einmal darauf hingewiesen wird, dass die angekündigte Hotline beim D.I.E. geschaltet ist und dass die Zusammenarbeit mit Schleswig-Holstein intensiviert wird, hat die Kritik meiner Fraktion vom November vergangenen Jahres weiter Bestand.

Ein wirklicher Durchbruch bei der Korruptionsbekämpfung ließe sich vor allem dann erreichen, wenn die unionsregierten Länder endlich ihren Widerstand aufgeben und einem zentralen Antikorruptionsregister zustimmen würden.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Mein Kollege Christian Maaß hatte ohne Zweifel Recht, als er im November kritisierte, ohne Korruptionsregister bleibe das Konzept ein Torso.

Ich will das an dieser Stelle noch einmal erläutern. Antikorruptionsregister haben den Zweck, so genannte schwarze Schafe in privatwirtschaftlichen Unternehmen transparent zu machen und zukünftig von Vergabeverfahren auszuschließen. In ein solches Register werden Unternehmen eingetragen, die in öffentlichen Vergabeverfahren zum Beispiel durch Bestechung von Beamten aufgefallen sind, um an öffentliche Aufträge zu gelangen. Durch die Eintragung im Antikorruptionsregister werden die Unternehmen von weiteren Vergabeverfahren ausgeschlossen.