Die gelebte Praxis, Herr Drews, ist nicht das Akklamieren von dem, was man vorhat. Die gelebte Praxis habe ich als Begriff immer so verstanden, dass es die Dinge schon gibt. Ich fange einmal mit dem schulärztlichen Dienst an und komme auf das zurück, was die Herren Woestmeyer und Barth-Völkel gesagt haben.
Erstens: Es ist nicht so, dass die Bezirke die Stellen nicht wieder besetzen und das Geld dafür nicht in die Hand nehmen wollen. Es ist vielmehr so, dass sie, wenn sie auf dem internen hamburgischen Verwaltungsarbeitsmarkt keine qualifizierten Bewerber bekommen, ein langwieriges, sehr bürokratisches Genehmigungsverfahren für eine Ausnahme durchlaufen müssen, bis sie auch extern ausschreiben können. Das ist das Problem. Da hängt Herr Peiner mit drin und Herr Kusch ist mitverantwortlich; auch Herr Rehaag und Herr Lange können sich nicht herausreden. Diese Besetzungen müssen entschieden werden und schnell erfolgen.
Der zweite Punkt ist auch sehr ärgerlich, weil es tatsächlich eine politische Prioritätenentscheidung ist. Zunächst scheint es in diesem Bereich Sinn zu machen, wenn man zuerst diejenigen nimmt, die in Hamburg ihren Arbeitsplatz wechseln wollen, um als Schulärzte oder Schulzahnärzte in die Bezirke zu gehen.
Es ist auch in Ordnung, wenn man zunächst beobachten will, wie das so läuft. Das Verfahren für die Schulärzte bei den Bezirken durchzuführen, nicht aber bei der Verwaltung wie zum Beispiel bei den Hochschulen, wo man sehen kann, dass es – wenn man will – Ausnahmen gibt, ist unerträglich. Hier wird ein Verfahren durchführt, das teilweise ein Dreivierteljahr in der Verwaltung – in der Finanzbehörde und im Personalamt – hängt.
Jetzt zur ersten Hilfe in der Schule. Es stellt sich die Frage, wann man damit im Unterricht anfangen sollte. Man kann lange darüber reden, wann Kinder wirklich etwas kapieren; natürlich wird das mit zunehmendem Alter immer besser. Aber umgekehrt wird auch ein Schuh daraus, denn wenn man früh genug damit anfängt, dann bleibt dies durch wiederholtes Lernen viel besser haften und die Erfahrung wächst.
Wir haben von eigenen Erfahrungen gesprochen. Meine Tochter hat in der 1. Klasse einen Erste-Hilfe-Kursus gemacht. Das funktioniert, die Kinder nehmen etwas davon mit. Sie müssen nicht – wie es ein Kollege erwähnt hat – jemanden auf die Seite legen, aber sie lernen Schritt für Schritt einzuschätzen, wie die Hilfe vernünftig laufen kann. Deshalb sage ich noch einmal: Auch an diesen Bereich kann man sehr früh herangehen. Wir wollen ausdrücklich nicht so herangehen, indem wir sagen, dass alles ausreicht, was jetzt schon in angedachten Programmen enthalten ist, sondern wir sollten vom ersten Schuljahr an beginnen und regelmäßig alle zwei Jahre eine Auffrischung durchführen. Nur dann können die Kinder über Jahre hinweg die Sicherheit bekommen.
Die gelebte Praxis bei Erste-Hilfe-Kursen für Lehrer ist – Herr Drews, das möchte ich noch einmal sagen –, dass zum Beispiel zwischen 1994 und 1997 – das mag danach ja gravierend besser geworden sein – von den vielen Hamburger Lehrern, die wir haben, nur 1500 an solchen Auffrischungsveranstaltungen teilgenommen haben. Das
muss man einmal hochrechnen, dann weiß man, dass es eben nicht die Praxis ist, dass alle daran teilnehmen. Wenn ich mich hier umblicke – die beiden Kollegen, die ich im Kopf habe, sehe ich nicht –, dann weiß man, dass einige Kollegen diese Auffrischungsveranstaltungen seit 30 Jahren nicht mehr besucht haben. Wir sollten uns hier nicht in die Tasche lügen. Wir müssen die Teilnahme verpflichtend machen, denn das sind wir den Kindern und im Übrigen auch den Kollegen schuldig, denen genauso Unfälle passieren können.
Ein letztes Wort: Gerade aus der heutigen Diskussion ist deutlich geworden, auch aus dem, was mit dem Schulgesetz beabsichtigt wird und was in den Entwürfen für die Bildungspläne enthalten ist: Es macht Sinn, dieses Thema sehr intensiv im Ausschuss zu debattieren und hier nicht einfach wegzuwischen. Die Äußerung von Herr Woestmeyer ist wirklich ärgerlich, dass es eine Gnade sei, einen Antrag von der Opposition auch einmal im Ausschuss zu beraten. Manchmal dient eine Beratung auch Ihnen dazu, etwas dazuzulernen. Zu dieser Arroganz kann ich nur bemerken: Arroganz ersetzt nicht Intelligenz.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zunächst einmal, Herr Rosenfeldt, ich finde es toll, dass Ihre Tochter das schon in der ersten Klasse lernt. Ich möchte Sie darauf hinweisen, dass sie auch die psychische Begleitbehandlung gleich mitlernen müsste. Sie wissen es, es geht nicht nur um die somatische Therapie einer Verletzung, sondern auch um die psychische. Pusten muss sie dann auch noch lernen. Das können Sie ihr ja dann noch beibringen.
Meine Damen und Herren, wir in der FDP-Fraktion haben es tatsächlich so gemacht wie die Kollegen von der SchillPartei offenbar auch. Wir haben uns ein bisschen aufgeteilt. Der Kollege Woestmeyer hat schon zu den schulrelevanten Dingen gesprochen. Ich habe mir zwei Drucksachen herausgepickt.
Da ist einmal die Sache mit der Förderung der Gesundheit sozial Benachteiligter. Meine Damen und Herren, geben wir es zu, auch alle anderen vier Fraktionen werden zugeben, dass das sein musste. Wenn die SPD ein großes Antragskonvolut fabriziert, müssen die sozial Benachteiligten einfach dabei sein. Das ist eine Pflichtübung, das erkennen wir ja an, meine Damen und Herren. Wir erkennen auch an, dass mit dieser Pflichtübung noch eine andere Pflichtübung verbunden ist, nämlich: Wenn wir ein Problem haben, machen wir was? Wir gründen ein neues Gremium, am besten gleich mehrere. Das führt natürlich überhaupt nicht dazu, dass das Problem angegangen wird. Die Gesundheitskonferenzen als solche werden Ihnen relativ wenig helfen, die gesundheitliche Versorgung sozial Benachteiligter zu verbessern.
Man muss sich nämlich einmal die Fakten ansehen. Die Fakten sind folgende: Die gesamten Leistungen unseres Gesundheitswesens, auch die präventiven, stehen auch allen Menschen aus sozial benachteiligten Gruppen zur Verfügung. Wir hatten gerade in der letzten oder vorletzten Sitzung darüber zu diskutieren, dass sie diesen oft sogar mehr zur Verfügung stehen. Ich kann mich noch gut entsinnen, wie wir darüber sprachen, dass Sozialhilfeempfänger, die nicht kassenversichert sind, sondern deren
Behandlung direkt von der Behörde bezahlt wird, nicht einmal dem Budget unterliegen. Das haben Sie natürlich mit den üblichen Verdächtigungen verbunden, dass also Ärzte das ausnutzen werden. Fakt ist, es geht ihnen von den Angeboten her nicht schlechter, sondern tendenziell eher besser, meine Damen und Herren.
Wenn Sie Recht haben, dass zum Teil die Akzeptanz schlechter ist, dann hat das natürlich andere Gründe. Es liegt an mangelnder Compliance – jetzt versuche ich es nämlich auch einmal mit einem Fremdwort, Herr Rosenfeldt –, also mangelnder Mitarbeit, und zwar bei gesundheitsbewusstem Verhalten als auch bei der Inanspruchnahme von Prävention. Dort, meine Damen und Herren, müssen wir ansetzen. Wir müssen nicht immer neue Programme machen, neue Gremien wie Gesundheitskonferenzen, sondern wir müssen dafür sorgen, dass die vorhandenen Angebote in Anspruch genommen werden. Da ist, das wurde schon zu Recht ausgeführt, zum Beispiel die Schule gefragt, da ist die Kita gefragt. Das bringen wir in das Kita-Gesetz hinein. Da ist natürlich auch die Familie gefragt. Das ist der richtige Ansatzpunkt, keine neuen Programme, keine Flut neuer Gremien, sondern einfach das nutzen, was da ist.
Dann zu Ihrer Großen Anfrage, die ich sehr genau gelesen habe und die sich in der Tat dadurch auszeichnet, dass sich der Senat bemüht hat,
auf jede noch so fern liegende Frage sehr erschöpfend zu antworten, sofern Sie nicht durch die Reduzierung des schulärztlichen Dienstes verhindert hatten, dass Antworten möglich sind. Was haben wir da, grob überschlagen, herausgefunden? Es gibt viele fehlgewichtige Kinder. Es gibt große Erfolge bei der zahnmedizinischen Prävention, allerdings mit zunehmendem Alter abnehmende Compliance. Es gibt eine abnehmende Beteiligung an den Vorsorgeuntersuchungen U1 bis U9. Die Liste geht noch ein bisschen weiter. Und dies alles trotz einer fast unvorstellbaren Zahl von Präventionsprogrammen. Auch hier komme ich zum Ergebnis – ich bin sofort fertig, Herr Rumpf –: Es geht nicht darum, weitere Programme zu machen. Es geht nur darum, die vorhandenen Programme zu nutzen, die Compliance zu erhöhen. Das ist der Punkt. Dort geht es nicht um Gremien. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, zwei kurze Bemerkungen. Die erste Bemerkung zum Problem der ersten Hilfe. Wir haben im Parlament gerade gehört, dass Herr Barth-Völkel Ausbilder in erster Hilfe ist, Frau Freund ist Ausbilderin in erster Hilfe.
Ich möchte, dass niemand von Ihnen ausgebildet wird, denn das, was Sie hier dargestellt haben, ist so erschreckend, so unglaublich, dass man es wirklich kritisieren
muss. Auch ein Fünfjähriger, Herr Barth-Völkel, ist in der Lage zu erkennen, ob jemand blutet oder nicht blutet,
und er kann etwas tun, wenn er gelernt hat, wie er damit umgeht, nämlich diese Blutung stillen, indem man irgendetwas daraufdrückt, bis die Blutung aufhört. Das ist ganz einfach. Wenn sich sein Kamerad beim Spielen die Finger verbrannt hat, kann er auch wissen, wie er damit umgeht. Sie wissen es wahrscheinlich nicht. Oder wissen Sie das? Also der Fünfjährige weiß dann auch, dass er diese Hand so lange unter kaltes Wasser halten muss, bis die Schmerzen vorbei sind. Das sind Sachen, die man lehren kann. Es gibt wunderbare Beispiele, wo kleine Kinder im Alter zwischen sieben und acht Jahren gespielt haben, ein Kind ins Wasser fiel und das andere Kind es rausgeholt und, weil es Kenntnisse hatte, durch Beatmung und Herzmassage wieder ins Leben geholt hat. Wollen Sie das alles wegwischen und sagen, so etwas sei überhaupt nicht nötig, das bräuchten wir erst ab vierzehn?
Das ist sachlich, Herr Drews. Das ist mir eine absolute Herzenssache. Kenntnisse in erster Hilfe brauchen wir von Anfang an.
Jeder von uns kann irgendwann in die Lage kommen, erste Hilfe zu brauchen. Aus diesem Grund ist es notwendig, dass jedes Kind rechtzeitig lernt, wie man erste Hilfe leistet, wie man Menschen helfen kann. Deshalb muss es regelmäßig stattfinden und es muss überprüfbar sein. Es ist leider nicht überprüfbar.
Zum Schluss – gerade Ihnen gegenüber, Herr Drews, möchte ich das noch einmal darstellen –, wir müssen in dieser Geschichte nicht auf Konfrontation gehen. Natürlich haben Sie Recht, dass wir 44 Jahre dieses nicht so gefordert haben. Das war unser Fehler, das ist richtig. Trotzdem haben wir die Erlaubnis, es jetzt zu fordern.
(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL – Frank-Thorsten Schira CDU: Wir machen es bes- ser!)
Deswegen bitte ich Sie, gehen Sie noch einmal in sich und versuchen Sie doch einmal, diese Erste-Hilfe-Ausbildung in den Schulen zu verbessern. Wenn Sie schon unseren Antrag nicht annehmen oder ihn nicht an den Ausschuss überweisen, bemühen Sie sich, dass dieses konsequent durchgeführt wird. Das ist im Sinne aller Hamburgerinnen und Hamburger. – Danke.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst eine kurze direkte Erwiderung zu Frau Dr. Freudenberg. In Ihrem Redebeitrag haben Sie nun deutlich den Vorwurf artikuliert, man würde mit falschen Zahlen arbeiten beziehungsweise in Antworten Sachverhalte nicht korrekt darlegen oder Zahlen ignorieren. Die Zahl 845, Frau Dr. Freudenberg, ist eine Zahl, die in der Antwort des Senates genannt wurde, und bezieht sich dort auf Kinder, die mit ihren Eltern in einem Haushalt leben. Das zur Klarstellung.