Protokoll der Sitzung vom 12.12.2001

(Dr. Michael Freytag CDU: Woher wissen Sie das?)

Herr Dr. Freytag, im Rahmen des Oppositionsvorbereitungsprogramms lesen wir Broschüren der CDU. Zum Beispiel diese Broschüre der CDU,

(Dr. Michael Freytag CDU: Die ist gut! Das sollten Sie weiter machen!)

herausgegeben im Januar 2000, Vorwort: Ole von Beust und Dr. Freytag. Sie beginnt mit dem Satz, dass die Verschuldung der Stadt unermesslich ist und 51 Milliarden DM beträgt, inklusive der Nebenhaushalte.

(Dr. Michael Freytag CDU: Das heißt, der Senat hat die 5 Milliarden DM noch gar nicht gemerkt! Das ist noch schlimmer!)

Jetzt behaupten Sie, Sie hätten es nicht gewusst. Herr Dr. Freytag, ich bestätige Ihnen, dass Sie wirklich rechnen konnten. Sie haben aus dem Haushaltsplan die Schulden des Kernstaatshaushaltes zusammengerechnet.

(Dr. Michael Freytag CDU: Das sind Ihre versteck- ten Schulden!)

Sie brauchen gar nicht dazwischenzuschreien, Herr Dr. Freytag, Sie können sich doch selber nachlesen.

(Dr. Michael Freytag CDU: Zwischenrufe sind par- lamentarisch!)

Ja, Zwischenrufe sind parlamentarisch – da gebe ich Ihnen Recht –, nicht die der gesamten Regierungskoalition. Mindestens eine Fraktion wird da im Herbst nächsten Jahres den Preis für parlamentarischen Primitivismus gewinnen.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und der GAL – Dr. Michael Freytag CDU: Da haben Sie es mir aber gegeben!)

Aber wir kommen zurück zu Ihrer Broschüre. Sie selbst haben der Öffentlichkeit erklärt, dass die Gesamtverschuldung der Stadt inklusive der Nebenhaushalte 51 Milliarden DM beträgt. Nun hat Herr Dr. Peiner uns eine ganz andere Rechnung aufgemacht, nämlich der Kernhaushalt der Stadt muss bestimmte öffentliche Unternehmen einbeziehen. Das hat sogar systematisch einen anderen Zusammenhang. Das räume ich sofort ein. Ironisch könnte man natürlich sagen, vielleicht haben Sie das damals mit Ihrer Broschüre nicht begriffen, dass irgendjemand darauf käme, dass von den 51 Milliarden DM, die Sie genannt hatten, und den 47 Milliarden DM, die Dr. Peiner nun nennt, über Nacht 4 Milliarden DM von Ihnen in 30 Tagen konsolidiert worden sind. Darauf sind wir nicht gekommen.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und der GAL)

Vielleicht würden Sie sich auch darauf einlassen, einmal festzustellen, dass Sie Ihre Zahlengerüste schlicht und ergreifend einmal abstimmen müssen.

(Dr. Michael Freytag CDU: Sie haben doch abge- stritten, was wir gesagt haben!)

Die Verschuldung dieser Stadt – übrigens auch die der Wohnungsbaukreditanstalt – ist ausführlich und sehr korrekt in dem Haushaltsplan dargestellt. Sie wussten das alles. Was haben Sie also erwartet?

(Dr. Michael Freytag CDU: Sie haben doch abge- stritten, was wir gesagt haben!)

Haben Sie erwartet, dass die Senatoren der rotgrünen Koalition zwei Tage vor Übergabe der Geschäfte mit schwarzen Koffern Teile der Schulden nach Luxemburg transportieren, oder was war Ihre Zwangsvorstellung?

(Zuruf von Dr. Michael Freytag CDU)

Herr Dr. Freytag, ich konfrontiere Sie mit Ihren eigenen Aussagen. Das ist ein zulässiges Verfahren. Das führt zu Lerneffekten, wenn man feststellt, dass man zum Teil Unsinn gesagt hat.

(Beifall bei der SPD und der GAL – Dr. Michael Freytag CDU: Entweder stimmt das oder es ist Unsinn! Beides geht nicht!)

Herr Dr. Freytag, Sie sind Fraktionsvorsitzender geworden. Sie waren ein guter Haushaltssprecher,

(Anja Hajduk GAL: Nein!)

(Walter Zuckerer SPD)

alle Anerkennung, aber als Fraktionsvorsitzender sollten Sie Ihren Schwerpunkt nicht darin sehen, die Zwischenrufe des Abgeordneten Bauer zu toppen.

Herr Dr. Freytag, ich stelle fest: Die CDU-Fraktion, die gesamte CDU, wusste sämtliche Zahlen, die sie jetzt in der Öffentlichkeit darstellt, bereits vor zwei Jahren. Sie behauptet heute, dass das eine völlig überraschende Lage sei, die viel schlimmer sei als erwartet.

(Dr. Michael Freytag CDU: Der Senat!)

Herr Dr. Freytag, Sie haben am 5. Februar 2001 eine Schriftliche Kleine Anfrage an den Senat gerichtet und dort sämtliche Kreditermächtigungen sämtlicher öffentlicher Unternehmen abgefragt. Sie wussten sie also alle. Wieso erzählen Sie uns die Legende, dass die Verschuldung und das Ausmaß viel dramatischer ist, als Sie es jemals wussten.

(Dr. Michael Freytag CDU: Sie haben es damals be- stritten!)

Nein, wir haben nie Zahlen bestritten, die im Haushaltsplan stehen. Wir haben Ihre Interpretation bestritten, Herr Dr. Freytag, und das steht uns ja noch zu.

(Dr. Michael Freytag CDU: Ach so! Die Zahlen stim- men also!)

Sie wussten also alles. Da Sie alle wussten, was da los ist, ist es eine schlichte Legende zu behaupten, Sie stünden jetzt vor einer haushaltspolitischen Lage, die Sie gar nicht hätten absehen können.

(Dr. Michael Freytag CDU: Das heißt, dass es im- mer schon so war! Das finde ich gut!)

Sie konnten alles absehen, was es an Zahlen darüber gibt, und Sie haben ein Problem.

(Dr. Michael Freytag CDU: Unsere schlimmsten Be- fürchtungen haben sich bestätigt!)

Sie haben das Problem, dass alles, was Sie im Wahlkampf versprochen und angekündigt haben, vor der Realität der Zahlen, die Sie schon lange kannten, überhaupt nicht standhält. Insofern haben Sie ein Problem.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Sie können die Legende von der unermesslichen Verschuldung der Stadt und dass Sie keinen Handlungsspielraum haben, in die Stadt blasen, aber dass der Handlungsspielraum gering ist, wussten Sie vor zwei Jahren, vor vier Jahren, vor sechs Jahren und Sie wissen es noch heute.

(Dr. Michael Freytag CDU: Das haben Sie der Stadt eingebrockt!)

Meine Damen und Herren von der CDU! Sie tragen auch die schlichte Verantwortung dafür, dass Sie zuviel versprochen haben.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Wir können doch nichts dafür,

(Lachen bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP – Henning Tants CDU: Doch!)

dass Sie zuviel versprochen haben.

(Beifall bei der SPD und der GAL – Dr. Michael Freytag CDU: Ach so!)

Sie mögen uns ja alles Mögliche vorwerfen.

Meine Damen und Herren von der FDP, Sie müssen sich angewöhnen, an den richtigen Stellen zu lachen, zu schreien oder zu klatschen. Es können alle möglichen Leute hier sagen, dass sie 44 Jahre in der Opposition waren. Sie nicht. Sie sind zumindest für Teile der Verschuldung zeitweise mit in der Regierung gewesen, fluktuierend, wie Sie jetzt in dieser sind. Also, lassen Sie Ihre Züge ab und ein bisschen einfrieren, wenn es um Verschuldung geht. Sie waren mit dabei. Darüber brauchen wir nicht groß zu reden.

(Beifall bei Wolf-Dieter Scheurell SPD)

Was haben wir jetzt? Wir haben ein Problem der Regierungskoalition.