Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wer nicht arbeitet, der soll auch nicht essen. Das ist der gruselige Kern des ersten und hoffentlich auch letzten Antrags, den die Ronald-Schill-Fraktion uns vorlegt. Herr Braak, Sie haben uns eben freundlicherweise etwas zur Entstehungsgeschichte dieses Antrags und auch zum Innenleben der Koalition erzählt. Danke, das war interessant.
In Hamburg leben über 120 000 Menschen, die von Sozialhilfe und Grundsicherung abhängig sind. Etwa ein Viertel, also etwa 30 000 Sozialhilfeempfänger- und -empfängerinnen, gelten als erwerbsfähig und auf diese sind das Programm und das Prinzip „Fördern und Fordern“ ausgerichtet. Dabei ist immer das Ziel, diese Menschen in den Ersten Arbeitsmarkt zu vermitteln und ihnen eine Perspektive zu eröffnen. Darüber sind wir uns, die demokratischen, im Bundestag vertretenen Parteien einig,
auch wenn es über die Ausgestaltung viele Diskussionen und Streit gibt. Aber das Prinzip ist richtig. Aber was jetzt mit diesem Antrag vorliegt, das steht wirklich weit außerhalb dieses Konsenses. Das ist hier sehr deutlich geworden.
Entweder Sie haben keine Ahnung von den Zahlen oder Sie bringen alle Gruppen durcheinander. Das könnte man denken, aber das glaube ich nicht. Ich glaube, dieser Antrag ist Ausdruck Ihrer entsetzlichen Gesinnung. Das haben Sie eben deutlich gemacht.
Es ist vor dem Hintergrund unserer gemeinsamen deutschen Sozialgeschichte unverantwortlich und unverständlich, dass Sie in diesem Parlament so daherreden.
Schauen wir uns also diesen Antrag an, er ist lesenswert. Dort steht, dass Sie eine Zentralkartei einrichten wollen, die explizit alle 120 000 Hilfeempfänger erfassen und Vermerke über die Leistungsfähigkeit jedes Einzelnen enthalten soll. Dann fordern Sie, dass alle städtischen Einrichtungen ihren Bedarf an Hilfskräften melden sollen, vielleicht also auch das Amt für Straßenbau, wenn es irgendwelche großen Projekte gibt. Alle Hilfeempfänger sollen diesen Einrichtungen zugewiesen werden und Sie fordern, dass Auszahlungen nur noch vorgenommen werden, wenn von den Hilfeempfängern auch Tätigkeitsnachweise erbracht werden. Es soll also das Prinzip gelten: Wer nicht arbeitet, der soll auch nicht essen. Ich kann nicht verstehen, dass Sie hier so etwas fordern. Sie wissen alle, was im Dritten Reich mit den so genannten nutzlosen Essern, den Arbeitsscheuen, passiert ist.
Wir müssen uns noch einmal die Zahlen ansehen. Von den 120 000 Hilfeempfängern sind über 34 000 Kinder unter 15 Jahren und 6000 Jugendliche zwischen 15 und 18 Jahren. Wir sind der Meinung, Kinder und auch Jugendliche sollen in die Schule gehen und jetzt nicht auch noch für ihre Brötchen oder Brotkanten arbeiten.
Das Gleiche gilt für die 12 000 Grundsicherungsempfänger. Sie sind entweder über 65 Jahre alt oder aufgrund ihrer Behinderung nicht erwerbsfähig. Ich verstehe nicht, was Sie damit wollen.
Als nicht erwerbsfähig gelten bisher in unserem Konsens allein erziehende Mütter kleiner Kinder, chronisch Kranke und auch schwer Suchtkranke. Wollen Sie auch für diese Menschen einen Arbeitsdienst einführen? Das soll ja heilen, wenn man dann muss.
Dieser Antrag ist elendig. Sie haben das Bundessozialhilfegesetz nicht verstanden und es wird Zeit, dass Sie hier den Saal räumen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich wollte eigentlich nur sehr kurz zu diesem Antrag reden, entsprechend dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im Parlamentarismus, auf die Substanz geht man auch mit der entsprechenden Redelänge ein.
Nun hat es aber doch Frau Brinkmann herausgefordert, einige Worte nicht zum Antrag oder nicht zu Herrn Braak zu sagen, sondern zu ihr.
Was Sie hier vorgeführt haben, ist wieder einmal der Versuch, die Täter zu entlasten. Ihre Bundesregierung ist Schuld, dass wir mehr Sozialhilfeempfänger haben. Sie haben eine schlechte Wirtschaftspolitik gemacht, mit der sich Hamburg herumärgern muss und worunter viele Menschen leiden.
(Beifall bei der FDP, der CDU, der Partei Rechts- staatlicher Offensive und der Ronald-Schill- Fraktion)
Sie haben es zu verantworten, dass in Hamburg – lange Zeit, ein bisschen immer noch – nicht genügend Effizienz bei der Sozialhilfe Raum greift.
Nun fängt die Sozialsenatorin an, das Stück für Stück zu ändern, und jedes Mal, wenn sie mit einem Einsparvorschlag kommt, kommt immer der Hammer mit der sozialen Kälte. Frau Brinkmann, Sie müssen wirklich still sein, der neue Senat, Frau Senatorin Schnieber-Jastram und die ehemalige Koalition haben hier erste Schritte gemacht. Aus meiner Sicht sind weitere notwendig. Sie haben das Übel maßgeblich mitverursacht und Sie sollten wenigstens still sein, wenn andere sich darum bemühen, das zu ändern. Das erst einmal zur Klärung.
(Beifall bei der FDP, der CDU, der Partei Rechts- staatlicher Offensive und der Ronald-Schill- Fraktion)
Ansonsten ist natürlich dem zuzustimmen, was Sie und Frau Freudenberg inhaltlich gesagt haben. Auch die sorgfältige Lektüre und nochmaliges Nachdenken über die sechs Punkte des Antrags haben nicht dazu geführt, dass ich allzu viel unterstützenswerte Substanz darin gefunden habe. Deshalb wird die FDP-Fraktion diesen Antrag ablehnen. – Vielen Dank.
Wer möchte den Antrag aus der Drucksache 17/4027 annehmen? – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Der Antrag ist mit sehr großer Mehrheit abgelehnt.
Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 34, Drucksachen 17/3690 und 17/3996 bis 17/3998: Berichte des Eingabenausschusses.
Wer möchte zur Eingabe 17/04 der Ausschussempfehlung folgen? – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Dies ist bei einigen Stimmenthaltungen einstimmig so angenommen.
Wer schließt sich den übrigen Ausschussempfehlungen an? – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Dies ist einstimmig so beschlossen.
Wer möchte zu der Eingabe 18/04 der Ausschussempfehlung folgen? – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Dies ist bei einigen Stimmenthaltungen einstimmig so beschlossen.
Wer schließt sich den übrigen Ausschussempfehlungen an? – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Dies ist einstimmig.
Mir ist mitgeteilt worden, dass hierzu aus den Reihen der GAL-Fraktion gemäß Paragraph 26 Absatz 6 der Geschäftsordnung das Wort begehrt wird. Ist das der Fall? – Die Abgeordnete Frau Dr. Lappe wünscht es und bekommt es.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte heute Abend doch noch einmal Ihre Aufmerksamkeit für eine Eingabe beanspruchen, auch wenn es schon so spät ist. Es handelt sich um die Eingabe 574 aus 03, die in diesem Bericht aufgeführt ist. Es geht um die Zwangsmitgliedschaft in den Industrie- und Handelskammern.