Protokoll der Sitzung vom 11.11.2004

(Petra Brinkmann SPD: Sie vergleichen doch sonst nicht mit anderen Bundesländern!)

Unter diesen neun Bundesländern ist Bayern und dieses Bundesland bekommt gerade von der Initiative "Mehr Demokratie" die Bestwerte in Sachen Volksgesetzgebung. Insofern erweist sich der Vorwurf, die CDU Hamburg würde die Volksgesetzgebung beseitigen, als unhaltbar.

(Beifall bei der CDU)

Außerdem wollen wir die Eintragungsfrist für das Leisten der Unterschriften um eine Woche verlängern, sodass Bürgerinnen und Bürger länger Zeit haben, ein Volksbegehren zu unterstützen. Dieselbe Zeit haben natürlich auch die Initiatoren, um ihr Anliegen bekannt zu machen und für dieses zu werben.

(Erhard Pumm SPD: Das ist das einzig Vernünfti- ge!)

Beim Volksentscheid wollen wir Wahlen und Volksentscheide zeitlich entkoppeln. Diese Änderung wird dazu führen, dass für alle Volksentscheide gleiche und gerechtere Startbedingungen herrschen. Es kann doch nicht sein, dass ein Volksentscheid nur deshalb bessere Chancen hat, weil er mit einer allgemeinen Wahl gekoppelt wird. Der Volksentscheid muss deshalb Erfolg haben, weil er für sich selbst steht, wirbt und deshalb die Bürgerinnen und Bürger überzeugt.

(Beifall bei der CDU)

Hinzu kommt ein weiteres Argument. Hamburg hat ein neues Wahlrecht zur Bürgerschaft erhalten. Dieses stellt insbesondere an die Leistungen der ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer beim Auszählen hohe Ansprüche. Der Verfassungsausschuss hat dieses Thema bereits erörtert und es bestand Einigkeit darüber, dass die Auszählung viel Zeit kosten wird, sehr viel mehr Zeit, meine sehr verehrten Damen und Herren, als beim alten Wahlrecht. Dann können Sie doch aber den Helferinnen und Helfern nicht auch noch zumuten, ein oder zwei weitere Volksentscheide auszuzählen.

(Beifall bei der CDU – Lachen bei der SPD und der GAL)

Weiter wollen wir die Briefwahl beim Volksentscheid erleichtern und die Abstimmung in bezirklichen Dienststellen durchführen.

(Zurufe von der SPD)

Dies wird zu erheblichen Einsparungen führen und in Zeiten knapper Kassen muss auch die Volksgesetzgebung ihren Beitrag zu den erforderlichen Einsparungen leisten.

(Beifall bei der CDU – Erhard Pumm SPD: Dann können wir ja alle Wahlen einstellen!)

Ein Volksentscheid nach jetziger Rechtslage verursacht Kosten von 1,8 Millionen Euro. Sie benötigen 11 000 ehrenamtliche Helferinnen und Helfer sowie circa 1300 Wahllokale. Hier erweist sich die Briefwahl als das deutlich kostengünstigere Modell. Die Unterlagen zur Briefwahl können mit den ohnehin erforderlichen Informationsunterlagen versandt werden.

Zuletzt wollen wir, dass die Initiatoren die voraussichtlichen Mehrausgaben für ihren Vorschlag benennen und einen Deckungsvorschlag unterbreiten. Zurzeit handelt es sich bei der Regelung zu möglichen Deckungsvorschlägen um eine Sollvorschrift. In der Praxis hat sie keine Rolle gespielt, da nie Deckungsvorschläge unterbreitet wurden. Nur, meine sehr verehrten Damen und Herren, was ist denn das Schwierige in der Politik? Die Schwierigkeit besteht doch nicht darin zu sagen, was man möchte, die Schwierigkeit liegt doch darin zu benennen, wo man das Geld einsparen will, das man für seine Pläne benötigt.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Ich vermag nicht einzusehen, warum sich nicht auch die Volksgesetzgebung dieser schwierigen Aufgaben unterziehen soll. Sie ist ein wesentlicher Bestandteil der Politik.

(Beifall bei der CDU)

Insgesamt legt die CDU hier einen ausgewogenen Antrag zur Volksgesetzgebung vor, der auf der einen Seite zu Einsparungen führen wird, auf der anderen Seite aber sicherstellt, dass es auch in Zukunft in Hamburg eine lebendige Volksgesetzgebung geben wird. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU – Christiane Blömeke GAL: Das glaubst du doch wohl selber nicht!)

Das Wort bekommt Herr Neumann.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen, meine Herren! Liebe Kollegen der CDU, wenn man versucht hat, Herrn Jäger zu folgen, dann kann man geradezu froh sein, dass Sie nicht vorschlagen, die Eintragungsfristen auf den 29. Februar zu legen, nämlich nur noch alle vier Jahre.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Trotzdem – auch wenn es Sie überraschen wird – habe ich viel Verständnis für Ihre Situation. Ich teile in mancher Fragestellung auch Ihre Unzufriedenheit mit der Entscheidung der Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt. Das ist bei der Frage des beschlossenen Wahlrechtes so und, ich glaube, nachvollziehbarer Weise auch bei den Ergebnissen der Bürgerschaftswahl. Damit sind wir sicherlich nicht zufrieden, dass das Volk so entschieden hat. Aber es geht in der Politik eben nicht darum, persönliche Befindlichkeiten zu befriedigen oder uns als Politikerinnen und Politiker glücklich zu machen, sondern darum, im Rahmen der demokratischen Regeln, die wir uns einmal gemeinsam gegeben haben, für die Menschen zu arbeiten. Wenn man das tun will, also für die Menschen Politik machen will, dann muss man den Menschen zuhören. Dann darf man sich nicht eiskalt über das hinwegsetzen, was die Menschen für nötig und notwendig halten.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Die Arroganz, mit der sich der Bürgermeister, der heute leider keine Zeit hat, bei dieser wichtigen Debatte dabei zu sein, über den Volksentscheid gegen den Verkauf unserer Krankenhäuser hinweggesetzt hat, zeigt, wie tief das Demokratieverständnis innerhalb der CDU, innerhalb dieser einstmals großen Volkspartei gesunken ist.

(Beifall bei der SPD und der GAL – Lachen bei der CDU)

Wir haben einen Bürgermeister, einen Finanzsenator, eine CDU-Fraktion, die leider der festen Überzeugung ist, sie sei allein im Besitz der absoluten Wahrheit.

(Klaus-Peter Hesse CDU: Mehrheit ist es!)

Das Motto der CDU lautet offensichtlich: Wir wissen allein, was für Hamburg gut ist. Sie sollten einmal darüber nachdenken, was es bedeutet, dass die Menschen immer wieder durch Volksbegehren, Volksentscheide deutlich machen, dass sie Ihre Politik eben nicht teilen. Aber das ist offensichtlich für Sie kein Grund, darüber nachzudenken, geschweige denn, Ihre Politik zu verändern.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Ich will Ihnen ein Beispiel nennen. Vor kurzem haben über 60 000 Menschen gegen den Verkauf der Hamburger Wasserwerke unterschrieben,

(Wolfhard Ploog CDU: Die gar nicht verkauft wer- den sollen!)

obwohl oder vielleicht auch deshalb, weil der Finanzsenator erklärt hat, dass man gar nicht verkaufen will. Trotzdem unterschreiben über 60 000 Menschen.

(Klaus-Peter Hesse CDU: Ich habe auch unter- schrieben!)

Sie sollten sich einmal die Frage stellen, warum das Ansehen, die Aussage eines Hamburger Senators heute so wenig wert ist, dass die Menschen der Aussage eines Hamburger Senators nicht mehr trauen.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Auch wenn Sie heute hier im Parlament mit Ihrer absoluten Mehrheit sitzen und versuchen zu regieren,

(Glocke)

Herr Neumann, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Harlinghausen?

(Uwe Grund SPD: Der kann sich gleich melden!)

Mit dieser Mehrheit sind Sie nicht, zumindest nicht moralisch, mit dem Recht ausgestattet, mit sehr miesen Tricks die gemeinsam beschlossene Volksgesetzgebung in Hamburg auszumanövrieren.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Sogar das Gegenteil ist der Fall. Seit dem Zweiten Weltkrieg, seitdem Hamburg wieder eine Demokratie, eine Republik sein darf, war es immer breiter Konsens in diesem Haus, die Spielregeln der Demokratie nur gemeinsam zu verändern. In keinem deutschen Parlament wird ein Wahlgesetz einfach von der Mehrheit beschlossen. Im Gegenteil. Diese zentralen Spielregeln, die Demokratie auch erst mit Leben erfüllen, ändern Demokraten nur im breiten Konsens. Dieser Konsens führt dann auch dazu, dass dann Mehrheitsentscheide auf Akzeptanz stoßen. Es war gemeinsame Grundüberzeugung aller Demokraten in diesem Haus, dass die Regeln eben nicht tagespolitischen Mehrheiten geopfert werden dürfen. Diesen gemeinsamen Konsens, liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU, sind Sie heute bereit zu verlassen.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Der von mir sehr geschätzte Kollege Rolf Kruse wies noch im Jahre 2001 darauf hin, dass das bis heute noch geltende Volksgesetzgebungsrecht exakt jenes sei, das er und Herr von Beust doch 1998 vorgestellt hätten. Es war der Oppositionsführer von Beust, der justament von diesem Platz aus im August 1998 in einer Debatte sagte, dass es ein Gebot des Anstandes und der Fairness sei, dass man gemeinsam eine Regelung sucht, die eine Verfassungsänderung möglich macht. Ich messe Sie an den Maßstäben Ihres jetzigen Bürgermeisters. Anstand und Fairness lassen Sie mit Ihrem Antrag vermissen.

(Anhaltender Beifall bei der SPD und der GAL)

Wenn ich das Stichwort Verfassungsänderung anspreche, so will ich nicht falsch verstanden werden. Wir Hamburger Sozialdemokraten – ich glaube, in diesem Punkt auch für die Hamburger GAL sprechen zu dürfen – wollen