Wenn ich das Stichwort Verfassungsänderung anspreche, so will ich nicht falsch verstanden werden. Wir Hamburger Sozialdemokraten – ich glaube, in diesem Punkt auch für die Hamburger GAL sprechen zu dürfen – wollen
die Verfassung ausdrücklich nicht ändern. Wir wollen die jetzige Regelung beibehalten. Aber es geht darum, dass Sie eben nicht den ehrlichen Weg gewählt haben, dass Sie nicht mutig gesagt haben, wir wollen die Volksgesetzgebung ändern und deshalb wollen wir die Verfassung ändern, sondern dass Sie feige, durch die Hintertür die Volksgesetzgebung mit Geschäftsordnungstricks aushebeln und damit beerdigen wollen.
Herr Jäger hat versucht, das eindrucksvoll darzustellen. Sie wollen die öffentlichen Unterschriftensammlungen auf unseren Straßen und Plätzen verbieten. Sie entdecken auf einmal Ihr Herz für den Datenschutz
und schieben diesen Datenschutz vor, um die Menschen davon abzuhalten, sich in diese Unterschriftenlisten einzutragen. Sie wollen die Volksentscheide von den allgemeinen Wahlen abkoppeln. Dass Sie diesen Anschlag auf unsere stolze hanseatische Demokratie auch noch perfide mit Einsparung begründen, ist der Tiefpunkt Ihrer Argumentation.
Einsparungen, wie Sie sie nennen, Kürzungen, die es wirklich sind, die überhaupt nicht realisiert werden. Allein die Versendung der entsprechenden Benachrichtigungskarten wird mehr kosten als die 1,8 Millionen Euro, die Sie kürzen wollen. Das musste Herr Jäger auch eindrucksvoll bei Schalthoff zugeben. Sie sind es doch, die Freunde, die Kollegen von der CDU, die immer wieder gerne zu Unterschriftenaktionen greifen, wenn es darum geht, politischen Profit aus latenter Fremdenfurcht und dann und wann auch aus Ausländerfeindlichkeit zu schlagen.
(Beifall bei der SPD und der GAL – Klaus-Peter Hesse CDU: Jetzt haben Sie aber Ihr Niveau ver- lassen!)
Sie und Ihre Partei waren es, die von "Kindern statt Indern" sprach, die mit Roland Koch zusammen gegen das Staatsangehörigkeitsgesetz gehetzt haben. Das ist nicht vergessen, was Sie sich damit geleistet haben.
(Beifall bei der SPD und der GAL – Viviane Spethmann CDU: Jetzt greifen Sie aber in die Mot- tenkiste!)
Damals hatte niemand von Ihnen Probleme mit dem Datenschutz. Wenn es gerade passt, dann nutzen Sie das Instrument und wenn es nicht passt, dann schaffen Sie es ab. Das scheint Ihr alleiniges Motto zu sein: Eiskaltes Machtkalkül.
Aber Sie haben Recht: Demokratie kostet Geld. Übrigens, auch unsere Diäten kosten Geld. Wahlen kosten Geld. Politische Auseinandersetzungen hier im Parlament kosten Geld.
Aber wir müssen auch bereit sein, für Inhalte, Konzepte und Überzeugungen zu streiten und zu kämpfen. Wir müssen auch bereit sein – und wer kann das beredter sagen als ich – zu verlieren, wenn es uns nicht gelingt,
Die Volksgesetzgebung abzuschaffen, weil man die Menschen unserer Stadt nicht von seiner falschen Politik überzeugen kann, das ist auch einer Volkspartei wie der CDU Hamburg nicht würdig.
Ich möchte – auch wenn er heute nicht da ist – trotzdem einmal Herrn von Beust zitieren, der als Oppositionsführer 1998 hier sagte:
Vor diesem nahezu historischen Hintergrund ist es notwendig, sich nicht vom Alltagspopulismus leiten zu lassen."
Der CDU-Antrag zielt auf die faktische Abschaffung der Volksgesetzgebung und er verstärkt damit genau die Vorbehalte gegenüber der Politik, die wir doch mit der Einführung der plebiszitären Elemente bekämpfen wollten: Politik- und Politikerverdrossenheit. Was ist das Signal dieses Antrages? Es wird alle Menschen in dieser Stadt und darüber hinaus in ihrem Urteil bestätigen, dass die Politik da oben doch sowieso macht, was sie will, dass das Volk im schlechtesten Sinne alle vier Jahre seine Stimme abgibt und politische Extremisten – gleich, welcher Couleur – werden wissen, wie sie davon profitieren können. Wir haben es in Brandenburg und wir haben es mit Herrn Milbradt gestern Abend ja auch in Sachsen erlebt. Ihr Antrag ist Wasser auf die Mühlen der Extremisten von rechts und von links. Die Menschen, die diese Extremisten im Visier haben, unterscheiden eben nicht zwischen den Konservativen und den Sozialdemokraten, sondern sie sprechen allgemein von der Politik. Deshalb tragen Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, heute für das ganze Haus, für unsere hamburgische Demokratie Verantwortung und ich bitte Sie, diese Verantwortung wirklich ernst zu nehmen und treiben Sie mit Ihren Entscheidungen nicht noch mehr Menschen in die Arme solcher Polithasardeure. Wir Hamburger Sozialdemokraten stehen zur Volksgesetzgebung, auch wenn uns die Ergebnisse nicht immer gefallen. Ich bitte Sie, tun Sie das auch, verzichten Sie auf Ihren Antrag und ziehen Sie ihn zurück. – Vielen Dank.
Ich glaube, Herr Jäger, es ist müßig, Ihre durchsichtigen Argumente auseinander zu nehmen. Man muss sich nur anschauen, was die CDU von Volksgesetzgebung hält. Das wissen wir spätestens seit dem Entscheid zum LBKVerkauf, bei dem sich der Bürgermeister recht selbstherrlich über das Votum von hundertausenden von Hamburger Bürgerinnen und Bürgern hinwegsetzte. Das ist ein derart selbstherrliches Verhalten,
dass es nicht verwunderlich ist, dass wir hier in Hamburg verärgert sind. Mit der Novellierung der Volksgesetzgebung, die Sie, meine Damen und Herren von der CDU, planen, möchten Sie sich doch in Zukunft nur den Ärger mit dem Volk vom Leib halten, indem Sie das Volk gar nicht erst entscheiden lassen.
Das ist, Herr Jäger, nichts anderes als die faktische Abschaffung der Volksgesetzgebung. Nach Ihren Plänen soll das Unterschriftensammeln auf den Straßen zukünftig nicht mehr möglich sein. Die Bürgerinnen und Bürger sollen sich auf ein Amt begeben, um ihren Willen kundzutun und damit wird es natürlich extrem erschwert, die erforderliche Anzahl von Stimmen zu bekommen.
Die Volksgesetzgebung lebt aber ganz klar von der Mobilisierung, von der Beteiligung auf der Straße und das können wir uns doch eigentlich nur wünschen. Das ist direkte Demokratie, das ist gelebte Demokratie und das ist genau das Gegenteil von der Politikverdrossenheit, die wir sonst immer zu beklagen haben. Aber Sie produzieren im Grunde genommen eine staatlich organisierte Politikverdrossenheit, weil Sie Angst vor der Meinung des Volkes haben und jetzt auch noch dafür sorgen, dass diese Stimme nicht zu laut werden kann. Nach Ihrem Willen dürfen Volksentscheide nicht mehr zusammen mit Wahlen abgehalten werden. Natürlich wissen Sie, dass diese Entkoppelung es extrem erschweren wird, die erforderliche Stimmenzahl zu erreichen. Damit fahren Sie absichtlich die direkte Demokratie an die Wand.
Eine hohe Beteiligung an einem Volksentscheid ist doch ebenso wie eine hohe Wahlbeteiligung etwas Wünschenswertes. Es ist ein hohes demokratisches Gut und es ist keine Gefahr. Sie stellen das immer so dar, als wäre das eine Bedrohung. Das ist gelebte Demokratie nach dem Motto: Die Macht geht vom Volke aus und das eben nicht nur, wenn Ihnen die Meinung des Volkes genehm ist.
Wir wollen ein Verfahren, an dem sich möglichst viele Menschen beteiligen und nicht möglichst wenige.
Wir wollen ein Verfahren, bei dem es leicht ist, seine Meinung kundzutun und nicht erst, nachdem überflüssige bürokratische Hürden überwunden werden. Und dann Ihr Argument, mit dem auch wir Fraktionsvorsitzende geködert werden sollten, dass diese Volksgesetzgebung nach Ihren Plänen angeblich effizienter und kostengünstiger sei. Warum soll es eigentlich günstiger sein, wenn gut besoldete Verwaltungsbeamte mit der Sammlung von Unterschriften beauftragt werden und nicht freiwillige Helferinnen? Das müssen Sie bitte noch einmal erläutern, Herr Jäger.
Dass Sie das nicht mehr mit den Wahlen zusammenlegen wollen, können Sie mir eigentlich auch nicht unter Effizienz darstellen. Warum, wenn alles doppelt organisiert werden muss, soll das kostengünstiger und effizienter sein? Ich glaube, was wirklich effizienter und kostengünstiger sein wird, ist die Folge, dass sich die Menschen künftig immer weniger an Volksbegehren beteiligen werden. Das trägt dann tatsächlich dazu bei, dass Ihre staatlich inszenierte Politikverdrossenheit letztendlich saure Früchte trägt, den Verlust an Demokratie. Das Volk soll bei der Regierungsarbeit bitte nicht stören, sondern nur nach Anklopfen hineintreten. Volksentscheide machen halt das Politikgeschäft etwas unberechenbarer.
Aber die Hamburgerinnen und Hamburger finden ja Gefallen an der direkten Mitbestimmung. Das ist eine interessante Entwicklung. Deshalb ist der Senat jetzt anscheinend volksverdrossen.
Der Senat meint tatsächlich, am besten zu wissen, was gut für die Stadt ist. Meine Damen und Herren, wir aber glauben, dass die Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt es besser wissen. Wir wollen den Volksentscheid. Wir, die GAL, wir von der Opposition, wollen den Volksentscheid so wie er ist und nicht anders. – Danke.