Wir haben über 120 000 Stimmen gegen eine Privatisierung beziehungsweise gegen eine Übermacht der Wirtschaft zum Anlass genommen, jetzt in unserem gemeinsamen Antrag den Senat aufzufordern, neben der Trägerschaft, die bei Ihnen anscheinend immer nur im Vordergrund steht und was Herr Pumm soeben auch schon erwähnte, die Stärken- und Schwächenanalyse vorzulegen, um gerade die Ausbildung der Jugendlichen in Hamburg besser zu machen. Sie haben die Trägerschaft in den Vordergrund gestellt und bleiben sich hier treu,
das Pferd von hinten aufzuzäumen, Herr Heinemann, erst einmal zu klären, welche Macht die Kammerfunktionäre erhalten, und dann die Frage, ob die Ausbildung besser wird. Und damit nichts schief geht, Herr Heinemann, haben Sie und Ihre Kollegen von der CDU sich doch glatt erdreistet, den Antrag von der Schulbehörde schreiben zu lassen. Das ist ungeheuerlich. Man kann an der Dokumentenerkennung, ersichtlich am Leitzeichen V 32, ersehen, wer den Text verfasst hat. Ich finde das unglaublich, wie in kurzer Zeit Legislative und Exekutive miteinander verfilzt sind. Das hat mit Demokratie nichts zu tun.
Ich möchte mich aber trotz dieser Ungeheuerlichkeit jetzt mit der Idee eines Landesinstitutes Berufliche Schulen auseinandersetzen. Ich beginne erst einmal mit dem Positiven. Ohne Zweifel sind hier eine ganze Reihe Punkte enthalten, die wir als GAL im Kontext mit der Autonomie von Schulen, die hier konsequent fortgesetzt wird, schon seit Jahren gefordert haben. Die Schulen erhalten ein eigenes Budget, sie bestimmen selbstständig das Personal und bekommen kaufmännischen Sachverstand in die Leitung. Alles d’accord, Herr Heinemann. Eine Sache haben Sie ein bisschen falsch dargestellt. Es ist hervorragend, dass die Schulleiter die Dienstvorgesetztenfunktion erhalten, was sie bisher nicht hatten. Das ist eine weitere Ausweitung der Autonomie. Das können wir nur begrüßen. Gut ist auch die Steuerung bei Ziel- und Leistungsvereinbarungen sowie die Schulinspektion. Das sind alles die Punkte, die wir als GAL-Fraktion nur unterstützen können sowie auch die Vertiefung der Lernortkooperation von Schule und Betrieb.
Aber jetzt kommen wir zum Kern der Sache. Wer hat denn das Sagen im Landesinstitut und in den Schulen? Diese Frage zieht sich doch eigentlich schon seit Jahren wie ein roter Faden in diesem andauernden Streit. Wer bestimmt, wer soll entscheiden in der beruflichen Bildung? Das Kind hatte schon viele Namen: Berufsbildungszentrum, dann Stiftung und jetzt Landesinstitut. Es ist eine lange Geschichte des Versuchs des Senats, eine Entscheidungsdominanz der Kammerfunktionäre zu installieren. Die Vertreter der Wirtschaft sind entscheidende Partner in der Ausbildung. Das bezweifelt überhaupt keiner. Aber sie sind nicht die einzigen Entscheider. Das ist immer wieder ein Punkt, bei dem wir nicht zusammenkommen werden. Seit Jahrzehnten haben wir hier in Deutschland einen gesellschaftlichen Konsens, dass Ausbildungsfragen unter gleichberechtigter Beteiligung aller Vertreter gestaltet werden. Das ist die Wirtschaft, das sind die Arbeitnehmervertreter und das ist der Staat. Diesen Konsens wollen Sie sprengen und werden ihm auch hier in dem Konstrukt Landesinstitut nicht gerecht.
Es ist interessant, dass im Berufsbildungsgesetz steht, dass nach diesem Prinzip die Berufsbildungsausschüsse und das Bundesinstitut für Berufsbildung arbeiten. Das ist das Ordnungsprinzip und dieses Ordnungsprinzip der Berufsbildung durchbrechen Sie mit Ihrem Antrag. Sie schreiben, Zitat:
Ich frage mich: Warum wollen Sie auf den Sachverstand der Arbeitnehmervertreter eigentlich verzichten? Warum wollen Sie eigentlich eine erfolgreiche Zusammenarbeit aushebeln? Eigentlich ist es doch ziemlich dumm, diese Vertreter auszuschalten. Es wäre doch viel klüger gewesen, wenn diese Vertretung dabei wäre, dann hätten Sie nämlich jetzt Ruhe und wir hätten überhaupt nicht diese Debatte. Viele andere Punkte hätten wir ohne weiteres übernommen. Die Frage ist auch: Wird dadurch die Ausbildung der Jugendlichen tatsächlich besser? Zu Ihrem Modell kommt auch noch eine andere Frage hinzu, was hier noch nicht angesprochen worden ist: Warum spalten Sie eigentlich die Schulen in zwei Teile? Sie wollen die Vollschulzeit-Ausbildung gegen die duale Ausbildung auseinander reißen. Bisher hatten wir den Konsens, dass die Schüler der beruflichen Fachschulen bessere Ausbildungschancen haben, wenn sie wirtschafts- und betriebsnah ausgebildet werden und ihre Ausbildung an der betrieblichen Praxis orientiert ist. Jetzt schlagen Sie zwei Konstrukte vor. Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen, dass ich ein bisschen den Verdacht habe, dass Sie jetzt schon planen, die duale Ausbildung vollständig in die Hände der Wirtschaft geben zu wollen, wie Sie das auch anfangs vorhatten. Dadurch wird sozusagen schon vorab ein kleines Präjudiz geschaffen.
Ich bin vor allen Dingen auch sehr überrascht, weil soeben schon die Berufsfachschulen angesprochen wurden, Herr Heinemann. Ich habe eine Kleine Anfrage gestellt.
13 Fragen und 13-mal die Antwort: Der Senat hat sich damit nicht befasst. Herr Heinemann, Sie erzählen doch schon, dass sich die ganze Zeit damit befasst wird. Da haben Sie doch wieder ein Eigentor geschossen.
Lassen Sie mich zum Fazit kommen. Mein Fazit für die Idee eines Landesinstituts berufliche Schulen ist: Zum einen bekommen Sie unsere Zustimmung zu mehr Autonomie der einzelnen Schule, aber zum anderen erhalten Sie die komplette Ablehnung der GAL zum Versuch, zur Steuerung ein wirtschaftsdominiertes Kuratorium zu schaffen und die Schulen intern in zwei Teile zu spalten. Sie haben tatsächlich zu wenig Staat und zu wenig Arbeitnehmervertreter in Ihrem Modell. Das sage ich selten. Ich bin eher jemand, der sagt, dass nicht so viel Staat sein muss, aber hier haben Sie wirklich eine ganz einsei
tige Vorlage konstruiert. Da können Sie noch so schwärmen, Herr Heinemann. Sie haben sicherlich viel versucht zu verhandeln, aber wir können dem nicht zustimmen. Sie müssen eine Mischung zwischen ökonomischen und pädagogischen Entwicklungen für die beruflichen Schulen hinbekommen. Wir halten es für notwendig, dass das Kuratorium gleichberechtigt aus Vertretern von Staat, Wirtschaft und Arbeitnehmern besteht. Die Steuerungsaufgaben sollen auf strategische Ziele reduziert werden. Die Schulen dagegen sollten zu selbstständigen Akteuren werden.
Wenn es nach uns ginge, hätten wir die Autonomie komplett den Schulen gegeben mit den Ziel- und Leistungsvereinbarungen und man hätte nicht diesen Wasserkopf eines Landesinstituts drum herum. Die Akteure sollten nicht gespalten werden und einen Schulbeirat erhalten. Das ist nun nicht passiert. Ich glaube nicht, dass die Ausbildung der Jugendlichen dadurch besser wird. Sie haben wiederum von den Ausbildungsplätzen geschwärmt und wissen ganz genau, dass hinten und vorne Ausbildungsplätze fehlen und dass Hamburg zu wenig ausbildet. Hamburger Betriebe bilden nur zu 16 Prozent aus. Die Hoffnung, dass die Wirtschaft das schon richten wird, reicht nicht aus.
Ich stelle daher für die GAL fest, dass wir Ihrem Antrag nicht folgen werden, weil dem Volksbegehren „Bildung ist keine Ware“ nicht Rechnung getragen worden ist. – Danke.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Für mich ist heute nicht nur ein guter Tag für Hamburgs berufliche Schulen und deren 57 000 Schülerinnen und Schüler, sondern auch ein guter Tag für den größten Teil der Schüler, weil in der Regel zwei Drittel aller Schüler irgendwann einmal das berufliche Schulwesen durchlaufen. Die Eckpunkte dieser Reform, die wir nun haben, stärken und fördern die Durchlässigkeit unseres gesamten Bildungssystems. Von daher ist dieser Tag für mich so bedeutsam.
Gleichzeitig ist es uns aus meiner Sicht gelungen, alle Interessen an diesem Prozess nicht nur an einen Tisch zu bekommen, sondern im Ergebnis auch angemessen zu berücksichtigen.
Als ich mich im Frühjahr des Jahres mit dem Reformprozess beschäftigt habe, war damals mein erster Eindruck, dass diese Geschichte noch nicht ganz rund und nicht ausgewogen genug ist. Einige Interessengruppen fühlten sich dort nicht vertreten und es war die Bedeutung der gesamten beruflichen Bildung, die für mich nicht deutlich hervorkam. Mancher Strukturvorschlag beruhte auf einer nicht hinreichend erkennbaren Schwachstellenanalyse. Daraufhin, das sagte ich damals schon, habe ich begonnen, angesichts der fortgeschrittenen Zeit meine eigene persönliche Schwachstellenanalyse durchzuführen,
und zwar durch einen dauerhaften Gesprächsprozess mit den Berufsschulleitern, allen relevanten Vertretern der
Kammern, vielen Vertretern in der Wirtschaft sowie mit den Fachleuten in der Politik, der Behörde und den Verbänden. Das Ergebnis dieser Schwachstellenanalyse sind insbesondere sechs Kernprobleme, die wir hier haben.
Erstens: Wir haben eine wachsende Schere zwischen den bis zum Schulabgang erworbenen Qualifikationen und den realen Anforderungen der Berufswelt.
Drittens: Wir haben Akzeptanzprobleme der ausbildenden Wirtschaft gegenüber der Gestaltung der Berufsschule.
Viertens: Wir haben eine mangelnde Motivation der Schülerschaft für einen direkten Übergang in die duale Berufsausbildung.
Fünftens: Wir haben eine zu geringe Flexibilität des Systems in der Anerkennung von Teilqualifikationen und eine fehlende Akzeptanz schulischer Qualifikationen durch die Wirtschaft.
Diese sechs wichtigen Kernproblemfelder waren ausreichend, um hier mit allen Beteiligten in dem Prozess konstruktiv mitwirken zu können. Das heute vorgelegte Modell fasst diese Problemlagen an.
Aus den Eckpunkten, die Herr Heinemann soeben genannt hat, möchte ich eigentlich nur zwei herausgreifen, um dieses etwas zu verdeutlichen. Wir haben zum einen die Selbstständigkeit der Berufsschule als dualer Lernort bei der Gestaltung von Bildungsplänen und Stundentafeln. Ich sage hier ganz klar: Die größere Selbstständigkeit der Berufsschule, Frau Goetsch, ich rede nicht von einer autonomen Schule. Eine autonome Schule ist eine Schule, die sich ihre Gesetze selber gibt. Dagegen wehre ich mich, denn ich denke, dass auch Sie eine Schule in öffentlicher Verantwortung wollen. Dann können wir nicht auf der anderen Seite sagen, dass wir eine autonome Schule wollen, die sich gesetzlich verselbstständigt. Das könnte ich nicht mittragen.
Wir werden durch die Eigengestaltung der Bildungspläne und Stundentafeln im vorgegebenen Rahmen ermöglichen, stärker auf die Anforderungen der Wirtschaft und der Berufswelt einzugehen. Das ist für unsere Schülerinnen und Schüler wichtig, denn nur dadurch werden sie motiviert, wenn Schule und Praxis als duale Lernorte in eine Richtung ziehen. Ich denke, wenn den Schülerinnen und Schülern für die reale Zukunft dieses bewusst wird, gibt es einen enormen Motivationsschub. Das muss uns wichtig sein.
Die neue institutionelle Form des Systems der beruflichen Bildung trägt dieser Selbstständigkeit Rechnung. Die Wirtschaft erhält in dem erweiterten Bereich der Berufsausbildung ein verstärktes partnerschaftliches Mitspracherecht, indem sie im engeren Kontakt als bisher, an beiden Lernorten mit uns als öffentliche Hand, die Ausbildung im dualen System mit verantwortlich gestaltet. Dieses wird sich auch fördernd und verstärkend auf die Motivation von Ausbildungsbetrieben zu mehr Ausbildung auswirken. Das ist eine unserer wichtigsten Aufgaben in dem Bereich.
Auf der anderen Seite haben wir an den beruflichen Schulen vollschulische Ausbildungsgänge, in denen wir höherwertige Schulabschlüsse und berufliche Teilqualifikationen vergeben. Diese Einflusssphären bleiben institutionell unberührt und das ist auch der entscheidende Unterschied zu dem alten Modell. Dennoch hat sich die Wirtschaft bereit erklärt, mehr Akzeptanz zu erworbenen Teilqualifikationen entgegenzubringen, sodass wir hier, denke ich, auch einen großen Schritt weiter in Richtung Verkürzung der Verweildauer an beruflichen Schulen sind.
Ich denke, an diesen Beispielen können wir erkennbar machen, dass wir uns an den Bedürfnissen der Schülerinnen und Schüler orientiert und eben nicht den Blick auf Rechtsformfragen verengt haben.
Frau Goetsch, noch ein Wort zu dem, was Sie eben gesagt haben, zu der Aufteilung in diese zwei Abteilungen: Es ist nicht so, dass wir spalten würden, sondern – Sie können das vielleicht nicht wissen – die Organisation der beruflichen Schulen ist seit jeher in einer Abteilungsstruktur angesiedelt. Diese Abteilungsstruktur ist orientiert an den Schulformen, die in einer beruflichen Schule vertreten sind. Diese gewachsene Abteilungsstruktur, die sich sehr bewährt hat, haben wir beibehalten und unter Mitwirkung der Wirtschaft den Bereich der Berufsausbildung noch weiter verstärkt.
Ich denke, es ist uns gelungen, gleichzeitig der Forderung des Volksbegehrens "Bildung ist keine Ware" zu erfüllen und den Wünschen der Hamburger Wirtschaft nach mehr gesundem Einfluss im Bereich der Berufschulen nachzukommen.
Wir haben einen Erfolg zu verzeichnen, woran sehr viele Kräfte beteiligt waren. Deshalb möchte ich mich an dieser Stelle bei einigen der wesentlichen Personen bedanken. Das ist zum einen der Handwerkskammerpräsident, Peter Becker, der in manch schwierigem Moment der Gespräche die richtigen Wege zueinander gewiesen hat, ebenso wie der Handelskammerpräsident, Dr. Karl-Joachim Dreyer. Ebenso bedanken möchte ich mich bei Robert Heinemann, der mit seinen Kollegen aus der CDUFraktion vielfältig diesen Prozess mit kritisch-konstruktiver Mitwirkung unterstützt hat.