Protokoll der Sitzung vom 14.04.2005

(Beifall bei der CDU – Dr. Willfried Maier GAL: Klare Aussage! Und Heiterkeit bei der GAL)

Jetzt kommt es darauf an, diese erfolgreiche Politik zu festigen und fortzuführen. Unsere Anstrengungen müssen auch in Hamburg ständig darauf gerichtet sein, dazu beizutragen, ein noch besseres Europa zu schaffen.

Es gibt mehrere Aufgabenfelder, die wir zu bewältigen haben. Das eine ist die Nachbarschaftspolitik zu den Nachbarländern der Europäischen Union. Wir hatten im September 2004 in diesem Hause den Senat um eine Stellungnahme gebeten. Diese Stellungnahme liegt jetzt vor und ist Gegenstand dieser Aussprache.

Diese Stellungnahme des Senates ist ein weiterer wichtiger Baustein zur Erreichung unserer europapolitischen Ziele.

(Beifall bei der CDU)

Worum geht es nun im Wesentlichen? Im Mai 2004 wurde die erste Osterweiterung der Europäischen Union vollzogen. Länder wie Estland, Lettland, Litauen und Polen sind der Europäischen Union beigetreten. Hiermit haben sich die Auslandsgrenzen aus Sicht der Europäischen Union verändert und damit steht die Europäische Union jetzt in direkter Nachbarschaft zu den Staaten Russland, Weißrussland, Ukraine und anderen.

Daraus ergibt sich die logische Folgerung, die von der Europäischen Kommission angeregte Nachbarschaftspolitik auf neue Länder auszuweiten. Und das wollen wir.

Der Senat und die Bürgerschaft haben daraufhin beschlossen, den Schwerpunkt dieser Tätigkeiten und dieser Aktivitäten auf das nordwestliche Russland, das heißt, auf St. Petersburg und das Gebiet Kaliningrad zu legen.

Die Aktivitäten – und jetzt spreche ich die GAL-Fraktion an – gleichzeitig verstärkt auf weitere Gebiete Russlands, auf Weißrussland oder die Ukraine zu legen, ist nicht sinnvoll. Das würde Hamburg finanziell und auch institutionell überfordern. Es ist besser, sich auf ein Gebiet zu konzentrieren und hier etwas Gutes und Richtiges zu unternehmen.

(Beifall bei der CDU)

Für das Gebiet Nordwestrussland haben wir uns auch deshalb entschieden, weil Hamburg seit Jahrhunderten – im Grunde genommen seit der Hanse –, leider durch Kriegszeiten unterbrochen, in guter und enger Partnerschaft auch zu Russland und überhaupt zum Ostseeraum gestanden hat. Hinzu kommt, dass wir seit 1957 eine existierende Partnerschaft mit St. Petersburg haben. Das ist ein Motor für die Umsetzung einer stärkeren Zusammenarbeit in diesem Gebiet.

Aus zeitlichen Gründen kann ich nur ganz kurz auf die jetzt schon in Angriff genommenen Aktivitäten eingehen. Diese finden Sie alle in der Stellungnahme des Senats.

Zum einen möchte ich auf das Praktikantenprogramm für angehende Fach- und Führungskräfte der Wirtschaft in St. Petersburg eingehen. Dieses Programm wird im

nächsten Jahr auf Kaliningrad konzentriert. Eine Ausweitung auf Pskow und Nowgorod wird geprüft.

In diesem Zusammenhang möchte ich nicht versäumen, die Zusammenarbeit der Hamburger Hochschulen mit der Universität St. Petersburg und die Austauschverbindungen der Hamburger Schulen mit den Schulen in Russland zu nennen.

Ein sehr erfolgreiches Beispiel sind auch die Maßnahmen der Abfallwirtschaftsplanung in St. Petersburg, gefördert durch die EU, aber sehr stark unterstützt von Hamburg.

Mit diesen Maßnahmen und künftigen zusätzlichen Aktivitäten soll vor allem Folgendes erreicht werden:

Erstens: Wir wollen dazu beitragen zu verhindern – und das ist sehr wesentlich –, dass an den Grenzen der EU neue Trennungslinien entstehen. Das ist eine wirkliche Herzensangelegenheit.

Zweitens: Es ist notwendig, den Wohlstand nicht nur in den Ländern der EU, sondern auch in den angrenzenden Ländern zu fördern, von Hamburger Seite natürlich, soweit wir es können und soweit es uns möglich ist.

Neben der Aufrechterhaltung dieser Aktivitäten haben wir zwei große Ziele. Auf der einen Seite wollen wir die wirtschaftlichen Beziehungen mit den Gebieten St. Petersburg und Kaliningrad stärken und auf der anderen Seite die Position Hamburgs als Außenhandelsplatz und Logistikzentrum ausbauen. Es ist es also ein Geben und ein Nehmen. Richten wir den Blick ganz kurz in die Zukunft, dann kommt es darauf an, weitere Aktionspläne zu erstellen.

Ideen und Anregungen hinsichtlich der Aktivitäten im Gebiet Kaliningrad liegen schon vor, sie befinden sich noch in der Diskussion. Dabei geht es neben der insbesondere auch um die Gebiete Jugend, Bildung, Wissenschaft, Kultur und Umwelt. Nicht zu vergessen sind die Anregungen oder die Wünsche, die Verkehrsverbindungen insbesondere in das Gebiet Kaliningrad zu verbessern. Hier gibt es viele Vorschläge, die noch diskutiert werden müssen.

Wichtig ist in diesem Zusammenhang – das möchte ich erwähnen – die Zusammenarbeit mit Schleswig-Holstein, die wir suchen und finden sollten, denn eine Teamarbeit mit Schleswig-Holstein wäre für alle Seiten sehr vorteilhaft.

Dass alles das, was ich jetzt gesagt habe, keine leeren Worte sind, beweist die Tatsache, dass unser Erster Bürgermeister Ole von Beust im Juni 2005 eine Reise in das nordwestliche Russland vorsieht. Dabei ist es das Ziel, auch neue Aktivitäten erfolgreich mit neuem Leben zu erfüllen. – Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort bekommt Herr Kretschmann-Johannsen.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die vorliegende Mitteilung des Senats zur neuen Nachbarschaftspolitik geht zurück auf einen Antrag der CDU-Fraktion mit dem schönen Titel: "Neue Nachbarschaftspolitik – Hamburger Kontakte zu den Nachbarländern der Europäischen Union". Die Bürgerschaft hat diesem Antrag im

September 2004 einstimmig – bei Enthaltung der GAL – zugestimmt.

Die neue Nachbarschaftspolitik der EU ist zweifellos ein wichtiges Thema. Hamburg hat guten Grund, sich damit zu befassen, denn es geht dabei um die Beziehungen zu den neuen Nachbarn der EU nach der Osterweiterung. Wir alle wissen, wie sensibel die Frage der Grenzen der EU ist. Denken Sie zum Beispiel daran, welche Ausstrahlungskraft die EU nach der orangen Revolution in der Ukraine hat. Was hat der Senat nun aus diesem Ersuchen der Bürgerschaft gemacht?

Kurz gesagt: Nichts. Eben wurde davon gesprochen, dass das Mögliche in einem kleinen Rahmen getan werde. Ich glaube, der Rahmen, den Sie benannt haben, ist sehr klein, sehr eng. Sie haben immer nur von Kaliningrad gesprochen. Ich nenne Ihnen auch drei Gründe.

Erstens: Der Titel "Neue Nachbarschaftspolitik" ist ein Etikettenschwindel.

Zweitens: Dem Ersuchen der Bürgerschaft wurde nicht ausreichend entsprochen.

Drittens: Das Wenige, was gemacht wurde, wurde auch noch lustlos und ohne Konzept mitgeteilt.

Mein Eindruck ist, dass die CDU-Fraktion die EuropaPolitik des Senats einmal aktiv mitgestalten wollte und sich eine eiskalte Dusche abgeholt hat.

(Beifall bei der SPD)

Der Senat wurde zum Beispiel aufgefordert – Zitat –:

"… den jährlichen Bericht der europäischen Schwerpunkte des Senats um das Konzept der neuen Nachbarschaftspolitik zu erweitern."

Aber als die Schwerpunkte dann Anfang Januar 2005 vorgelegt wurden, stand dort allerhand Wissenswertes. Nur eines stand dort nicht: Ein Konzept zur neuen Nachbarschaftspolitik. Die europapolitischen Schwerpunkte für eine neue Nachbarschaftspolitik sind auf allen acht Seiten mit keinem Wort erwähnt. Der Senat hat unmissverständlich klargestellt, dass für ihn die neue Nachbarschaftspolitik ein Unterpunkt in seinem Ostseekonzept ist. Dieses sei schließlich erwähnt worden und damit hat es sich dann. Der Senat benennt als europapolitische Schwerpunkte die Intensivierung der Zusammenarbeit mit dem Ostseeraum. Darunter fällt die Zusammenarbeit mit der Region Nordwestrusslands, insbesondere mit der Partnerstadt St. Petersburg und dem Gebiet Königsberg, sprich Kaliningrad.

Das ist eine klare Absage. Übersetzt heißt das eigentlich: Danke für die Anregungen, liebe CDU-Fraktion, aber das machen wir doch alles längst und einen neuen europapolitischen Schwerpunkt lassen wir uns von euch schon gar nicht vorschreiben.

Im März hat der Senat dann eine gesonderte Mitteilung nachgereicht, die uns hier zur Beratung vorliegt. Sehen wir uns diese Mitteilung einmal genauer an.

Gibt es ein Konzept zur neuen Nachbarschaftspolitik? – Nein. Wird auch nur darauf hingewiesen, dass es neben dem Schwerpunkt Nordwestrussland auch Kontakte zu anderen Nachbarländern geben soll? – Nein. Denn außer Nordwestrussland – genauer St. Petersburg und Kaliningrad – ist in dieser Senatsmitteilung kein einziges Nachbarland der EU erwähnt worden.

Wird wenigstens – wie in Punkt 3 des Petitums gefordert – in Bezug auf Nordwestrussland erläutert, wie man auch unter Rückgriff auf EU-Instrumente die Zusammenarbeit mit der Region voranbringen will? – Nein. Auch hier Fehlanzeige. Wir erfahren, dass der Senat das INTERREG-Projekt durchführen und TACIS-Programme nutzen will. Er verspricht, dass er auch 2007 geplante Nachbarschaftsinstrumente nutzen möchte. Das war es. Keine Aussage, um welches neue Instrument es sich handelt, welche Bereiche der Kooperation gefördert werden sollen. Nichts.

Deshalb war dies vermutlich die erste und wahrscheinlich auch schon die letzte Mitteilung des Senats zur neuen Nachbarschaftspolitik. Das nennt man gemeinhin eine Beerdigung zweiter Klasse, ab in die Schublade.

(Beifall bei der SPD)

Stattdessen wurde in den Behörden eilig noch einmal zusammengeschrieben, was man Gutes und Sinnvolles im Nordwesten von Russland macht. Aber ein Konzept ist auch dabei beim besten Willen nicht zu erkennen. Das ist wirklich nicht gut. Damit wir uns nicht falsch verstehen: Wir begrüßen die Aktivitäten des Senats in Nordwestrussland und Kaliningrad außerordentlich.

Statt über Nachbarschaftspolitik sollten wir vielleicht besser über Hamburgs Beziehungen zu Nordwestrussland und Kaliningrad sprechen, denn das, was der Senat hier vorgelegt hat, ist eine Aufzählung von Kooperationen mit Kaliningrad und St. Petersburg im Rahmen der Ostseekooperation, nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Wir begrüßen Hamburgs Engagement in Russland und Kaliningrad. Mit der Entscheidung der Bundesregierung, das deutsche Koordinierungsbüro für den deutschrussischen Jugendaustausch in Hamburg anzusiedeln, ist ein weiterer wichtiger Schritt für Hamburg getan worden. Die Beziehung zu Kaliningrad, das in diesem Jahr sein siebenhundertfünfzigjähriges Stadtjubiläum feiert, werden vom Senat und der Bürgerschaft vorangetrieben. Aus der erfreulichen Entwicklung der Beziehung Hamburgs zu Russland folgt aber auch eine Verpflichtung. Den Beziehungen sollten ein Konzept folgen und auch einen kritischen Dialog beinhalten.

Ich frage mich zum Beispiel, warum trotz des aufzählenden Charakters der Mitteilung das von der GAL angeregte Kooperationsprojekt "Citizens Watch" in St. Petersburg, das wir im Europaausschuss diskutiert und auch in der Bürgerschaft beschlossen haben, nicht erwähnt wird. Im Juni bereist der Bürgermeister erneut die Region Nordwestrusslands. Man kann nur hoffen, dass er dann ein bisschen mehr im Gepäck hat.

Fassen wir zusammen: Eine neue Nachbarschaftspolitik findet in Hamburg nicht statt. Das ist reiner Etikettenschwindel. Was stattfindet, sind gute und notwendige Kontakte mit Kaliningrad im Rahmen der Ostseekooperation und mit der Städtepartnerschaft St. Petersburg. Ein schlüssiges Konzept für diese Zusammenarbeit wird in der vorliegenden Senatsmitteilung nicht vorgestellt. Wir warten gespannt auf die für Mitte 2005 angekündigte Mitteilung zur Ostseekooperation und hoffen, dass der Senat bis dahin ein Konzept für die Entwicklung der Beziehung mit Nordwestrussland vorlegen kann. Es wäre auch schön gewesen, wenn Staatsrat Stuth zu diesem Thema anwesend gewesen wäre. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)