Protokoll der Sitzung vom 21.04.2004

(Zuruf von Uwe Grund SPD)

Unser Steuergeld, Herr Grund, was dort täglich über die Maßen eingesetzt werden muss, wird dringendst an anderer Stelle gebraucht. Sie hatten ja eben gerade entsprechende Debatten.

90 Millionen Euro pro Jahr, das sind 1500 zusätzliche Lehrerstellen im ersten, 3000 im zweiten, 4500 im dritten Jahr; das sind 15 000 Kita-Plätze im ersten, 30 000 im zweiten und 45 000 im dritten Jahr.

(Dr. Mathias Petersen SPD: Nur das Geld, nicht die Kranken sind Ihr Interesse!)

So, es geht um die Krankenversorgung, es geht um das Geld.

Ein verantwortungsvoll handelnder Senat und auch ein verantwortungsvoll handelndes Parlament kann an diesen Tatsachen nicht vorbeischauen.

(Beifall bei der CDU)

Wir alle müssen – und auch Sie von der Opposition – konstruktive Alternativen zum heutigen Status quo erarbeiten, um dieser dramatischen Finanzlage des LBK mit ihren erheblichen Haushaltsrisiken entgegenzuwirken. Deswegen werden wir auch in den nächsten Monaten sehr sorgsam die im Volksentscheid ausgedrückten Bedenken mit den Risiken für die Gesundheitsversorgung Hamburgs und der enormen finanziellen Belastung Hamburgs miteinander abwägen. Dabei erkenne ich natürlich an – das ist eben auch schon angeklungen –, dass innerhalb des LBK ein Restrukturierungsprozess im Gange ist, der eine sehr positive Wirkung entfaltet hat. Vorstand, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unternehmen erhebliche Anstrengungen und diese Anstrengungen führen auch zu verbesserten Geschäftszahlen. Aber das ist entscheidend: Sie allein können die Grundprobleme nicht lösen. Nach Abschluss der jetzt geplanten und laufenden Restrukturierung soll der LBK immerhin in der Lage sein, seine Betriebskosten zu decken und die Altersvorsorge seiner heutigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aufzubauen. Aber reichen diese schwarzen Zahlen, die die Erlösrisiken noch nicht berücksichtigen? Sie reichen nicht, denn der LBK wird auch nach heutiger Planung nicht in der Lage sein, Schuldenabbau oder Zinszahlungen zu leisten

(Dr. Mathias Petersen SPD: Ist er doch jetzt schon!)

und – das ist der wichtigste Punkt – der LBK wird nicht in der Lage sein, dringend notwendige Investitionen zu

leisten. Dies gilt auch nach der Altlastenbereinigung. Der LBK lebt von der Substanz.

(Dr. Mathias Petersen SPD: Quatsch!)

Ohne einen neuen Partner kann er nicht investieren, das ist aber gerade dringend notwendig, um die Hamburgerinnen und Hamburger auch zukünftig noch nach dem neuesten Stand der Medizin versorgen zu können sowie die Arbeitsplätze der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu sichern. Für eine solche Entwicklung sollten wir als verantwortungsvolle Politiker nicht stehen, dass wir Arbeitsplätze und die Gesundheitsversorgung durch mangelnde Investitionen gefährden.

(Beifall bei der CDU – Petra Brinkmann SPD: Das tun wir auch nicht!)

Deshalb gilt: Nichtstun ist keine Lösung, sondern unverantwortlich.

(Dr. Monika Schaal SPD: Das ist doch gar nicht die Alternative!)

Wenn wir das Ruder jetzt nicht wirklich herumreißen, dann werden Fakten geschaffen, ohne dass wir selbst den Kurs vorgeben können.

(Petra Brinkmann SPD: Das sagt gar keiner!)

Gucken Sie sich doch einmal das Beispiel Berlin an, wo ein Klinikkonzern im städtischen Eigentum jetzt um die Insolvenz fürchtet und daran zweifelt, ob er seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im April noch die Gehälter zahlen kann, wo er Woche für Woche zu Notmaßnahmen greifen muss, um den Klinikbetrieb aufrechtzuerhalten. Wir in Hamburg wollen eine solche Situation nicht, wir wollen keine Berliner Verhältnisse.

(Beifall bei der CDU)

Warum hat der LBK denn heute die geschilderten Probleme, die in den letzten Jahren aufgebaut worden sind? Warum steht denn Vivantes in Berlin kurz vor der Insolvenz? Warum sind denn die 22 Kliniken in der Bundesrepublik, die privatisiert worden sind, mehrheitlich privatisiert worden? Wir haben – und das zeigt die Entwicklung in der ganzen Bundesrepublik – erstens einen härter werdenden Verdrängungswettbewerb unter den Krankenhäusern. Um in diesem Wettbewerb zu überleben, müsste sich auch ein städtisches Krankenhaus dem Wettbewerb voll stellen und auch andere Konkurrenten aus dem Markt drängen können. Das ist aber ordnungspolitisch sehr schwierig, denn als Staat haben wir einerseits die Verantwortung für die Aufsicht über alle Krankenhäuser, andererseits sollen wir aber Träger von Klinikkonzernen sein, die sich in einem Verdrängungswettbewerb befinden. Natürlich können wir erfolgreich agieren, wenn wir einen Flughafen haben, davon gibt es auch nur einen, aber hier befinden wir uns in einem Verdrängungswettbewerb und in einem Interessenkonflikt, der langfristig nicht funktionieren kann.

(Beifall bei der CDU)

Zweitens hat die Entwicklung bei anderen Häusern in der Bundesrepublik gezeigt, dass externes ManagementKnow-how die Kliniken sehr wohl bei diesem schwierigen Umstrukturierungsprozess und dieser schwierigen Neuausrichtung auf wettbewerbliche Konditionen unterstützen kann.

Drittens – so lehrt die Erfahrung – hilft ein externer Partner die nötigen Umstrukturierungsprozesse zügiger und konsequenter umzusetzen, denn dann müssen die Kliniken auch ihre Probleme selbst lösen und es steht nicht immer der Vater Staat neben ihnen, der die Tasche öffnet und unbeschränkt Steuergelder zur Unterstützung bereitstellt, wenn die Geschäftsziele nicht erreicht wurden.

(Beifall bei der CDU)

Der Senat hatte deshalb einen Vertragsentwurf zur mehrheitlichen Teilprivatisierung ausgearbeitet, wir hatten einen privaten Partner gefunden, der sein großes Management-Know-how in den LBK eingebracht hätte, der dringend notwendige Investitionen mit einem Volumen von immerhin 150 Millionen Euro in den nächsten fünf Jahren möglich machen wollte, um dem LBK eine langfristig stabile Zukunft zu geben, und der zu einem teilweisen Schuldenabbau der Besitzgesellschaft dann bereit gewesen wäre. So hätten wir die vier Ziele, die wir uns am Anfang gesetzt hatten und an denen keiner zweifelt, auch erreichen können.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich abschließend zum Antrag der Opposition und auch zu den Bemerkungen von Herrn Kretschmann noch Folgendes sagen: Wir haben keine Geheimnisse. Es gibt auch kein Geheimgutachten von KPMG und auch wenn Sie diese Behauptung immer wieder wiederholen, wird sie dadurch nicht richtiger.

(Beifall bei der CDU)

Es gibt vielmehr eine Darstellung des LBK-Vorstandes zum Cashflow, also zur Liquidität, um den Mittelbedarf aus der Landeshauptkasse darzustellen. Diese Darstellung wurde von der KPMG geprüft, die Dokumente liegen dem Aufsichtsrat vor und der Aufsichtsrat wird, wenn er – das betrifft auch die Mitarbeiterinnen- und Mitarbeitervertreter – dies für richtig hält, sich damit befassen können. Darüber hinaus hat der Aufsichtsrat die KPMG um eine Darstellung der Gewinne und Verluste gebeten – und das ist die entscheidende Frage, die Frage der Gewinne und Verluste der letzten Jahre, die Sie hier diskutieren wollen –,

(Michael Neumann SPD: Das machen Sie doch!)

um über einen aktuellen Stand der Wirtschaftlichkeit einen Überblick zu erhalten und damit auch die von Herrn Kerstan aufgeworfenen Fragen zu beantworten, nach der Wirtschaftlichkeit und der Bereinigung von allen möglichen Effekten. Die Ergebnisse liegen uns noch nicht vor.

Wir schaden unseren eigenen Unternehmen, die ja auch im Wettbewerb stehen, für die wir Partnersuche betreiben, wenn wir sensible Geschäftszahlen, wie von Ihnen gefordert, öffentlich diskutieren. Wir alle haben die Pflicht, unsere Unternehmen zu schützen, und dieser Pflicht kommen wir nach. Da gibt es weder etwas zu skandalisieren noch zu kritisieren.

Wenn Ihnen, meine Damen und Herren, wirklich an der Information als Parlament liegt, dann gehen Sie dafür den vorgeschriebenen Weg, wie Herr Krüger ihn auch aufgezeigt hat, berufen Sie doch den Unterausschuss öffentliche Unternehmen und Vermögen ein.

(Petra Brinkmann SPD: Wir haben doch den Ge- sundheitsausschuss!)

Dort im vertraulichen und nicht öffentlichen Rahmen sind wir natürlich bereit, die Zahlenwerke zu erläutern und Ihnen Ihre Auskünfte zu geben, ohne den Wettbewerb und die Partnersuche zu gefährden. Das wird aber auch nichts an der Grundaussage ändern: Der LBK lebt von der Substanz, er kann weder die dringend notwendigen Investitionen unter den heutigen Rahmenbedingungen leisten noch zum Schuldenabbau beitragen, wenn er keinen kompetenten Partner hat.

(Beifall bei der CDU)

Wenn es Ihnen aber nicht um die Information als Parlament geht, sondern darum, Stimmung zu machen, Ängste zu Ihrem politischen Vorteil zu schüren oder die Augen vor der äußerst prekären Situation des LBK zu verschließen, dann schaden Sie dem LBK, dann schaden Sie den Interessen unserer Bürgerinnen und Bürger an einer hochwertigen Gesundheitsversorgung

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Sie schaden!)

und dann schaden Sie den Chancen Hamburgs, weiterhin finanziell handlungsfähig zu sein.

(Beifall bei der CDU)

Wir werden jetzt mit der in Auftrag gegebenen Stellungnahme zur Gewinn- und Verlustrechnung eine aktualisierte Zahlentransparenz erreichen. Auf dieser Grundlage können wir das bestehende Modell zur Teilprivatisierung bewerten, aber auch neue Optionen erarbeiten und sie an den uns gesetzten Zielen messen. Selbstverständlich werden wir dabei auch das Ergebnis des Volksentscheids berücksichtigen und in unserer Verantwortung für das Wohl der Stadt alle hier diskutierten Aspekte sorgfältig miteinander abwägen. – Herzlichen Dank.

(Lang anhaltender Beifall bei der CDU – Petra Brinkmann SPD: Also war das bislang nicht transparent?)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Dr. Schäfer.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich darf diejenigen von Ihnen, die letzten Dezember auch schon hier saßen, daran erinnern, dass Sie damals, als die Verkaufsdrucksache hier auf dem Tisch lag, genauso geklatscht haben.

(Uwe Grund SPD: Das erinnert mich sehr an den Volkskongress!)

Nun steht hier der neue Gesundheitssenator und verkündet uns, dass er den Volksentscheid über den Verkauf des LBK ernst nehmen wolle, was immer das nun wieder heißen mag. Das ist der erste Grund für die Verunsicherung, die herrscht, dass niemand wirklich sagt, was passieren soll.

Er sagt uns zweitens, dass nunmehr endlich geprüft werden solle, wie es dem LBK wirklich geht, und dass im Lichte dieser neuen Erkenntnisse dann darüber entschieden werden solle. Letzten Dezember klatschten Sie für den Verkauf, für einen schrecklich grauenvoll ausgehandelten Verkaufsvertrag – wohlgemerkt: Verkaufsvertrag –,

(Wolfgang Drews CDU: Blödsinn!)

bei dem die Stadt sämtliche Risiken hätte übernehmen dürfen, der LBK Neu mit 250 Millionen Euro Krediten von