Protokoll der Sitzung vom 21.04.2004

mehr an wirtschaftlichen Notwendigkeiten zu orientieren, dann haben wir ein Problem.

Meine Damen und Herren, wenn ich mir die bundesweite Debatte um die Absenkung der Bezüge im öffentlichen Dienst über die letzten 20 Jahre angucke, war in den 20 Jahren, was die Absenkung von Bezügen und die Schlechterstellung der öffentlichen Bediensteten betrifft, Hamburg unter den Sozialdemokraten immer in der Führungsposition. Das darf man nicht vergessen. In Nordrhein-Westfalen und überall predigen Sie, die Beamten müssten länger arbeiten und weniger Geld bekommen. Hier in Hamburg stellen Sie sich hin und sagen, ach, hier sind wir ja in der Opposition. Keine 50 Kilometer weiter, in Schleswig-Holstein, in Norderstedt, stellen Sie sich hin und sagen, die Beamten bekämen viel zu viel Geld. Hier stellen Sie sich hin und sagen, sie bekämen viel zu wenig Geld.

(Wolfhard Ploog CDU: Das stimmt auch!)

Ich finde, da sollten Sie sich einmal bundeseinheitlich eine Meinung bilden, denn dann wirken Sie auch glaubwürdig.

Meine Damen und Herren, Herr Zuckerer, Herr Dr. Maier, ich freue mich auf die Haushaltsberatungen. Ich freue mich auf faire Haushaltsberatungen und wenn all das eintritt, was Sie hier zugesagt haben oder nur zusagen werden, dann werden wir gemeinsam für die Stadt zusammen mit dem Senat ein gutes Werk abliefern. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat Herr Dr. Maier.

Frau Präsidentin, meine Damen, meine Herren! Herr Tants, es ist ja christdemokratisch richtig, dass Sie glauben. Ich vermute, dabei war gemeint, man solle an den lieben Gott glauben. Sie glauben stattdessen an den Senat. Das ist sogar, christlich gesprochen, unfromm.

(Beifall bei der GAL und der SPD – Bernd Reinert CDU: Es gibt einen Unterschied, aber beides ist möglich!)

Ja, aber ich habe es richtig im Parteisinne verstanden und da fand ich es eigentlich unfromm.

Herr Zuckerer sagte schon und es steht hier im Raum nicht infrage – auch auf dieser Seite des Hauses nicht –, dass wir Konsolidierung wollen. Wir haben noch nicht einmal die Schritte der Größenordnung nach infrage gestellt. Wenn Sie sich aber das bisherige Ergebnis anschauen, dann liegt es eben nicht nur an den einbrechenden Steuereinnahmen, dass die Konsolidierung nicht erfolgt ist, sondern Herr Peiner hat nicht zufällig jetzt voller Stolz verkündet, im Jahr 2004 lägen die geplanten Ausgaben – und zwar erstmals – niedriger als die geplanten Ausgaben des rotgrünen Senats 2001, als wir noch nichts von 1,1 Milliarden Steuerausfall wussten. Sie liegen in der Größenordnung von 100 Millionen in diesem Jahr unter den Ausgaben, die damals geplant waren. In der ganzen Zwischenzeit haben Sie mehr ausgegeben, als wir im Wahljahr in die Planung geschrieben haben. Bilden Sie sich also bloß nichts auf Konsolidierung ein. Sie haben das Geld fröhlich verfrühstückt.

(Beifall bei der GAL und der SPD – Volker Okun CDU: Das sind doch Äppel und Birnen. Das ist doch gar kein zulässiger Vergleich!)

Doch, das ist ein Vergleich. Sie haben einfach fröhlich Geld verfrühstückt. Wenn zwei Leute sagen, im Jahr 2004 werden wir soundso viel ausgeben, dann können Sie doch nicht sagen, das dürfe man nicht vergleichen.

(Wolfhard Ploog CDU: Aber Sie müssen es anders bewerten!)

Das muss man. Bei Ihnen sieht die Zahl einfach deswegen besser aus, weil Sie im richtigen Glauben geschrieben worden ist.

(Beifall bei der GAL)

Jetzt aber zu den Einzelzielen. Sie sagen, Ihr erstes finanzielles Ziel sei der Ausgleich des Betriebshaushaltes im Jahr 2006. Da ist nun wirklich der starke Glaube des Finanzsenators erforderlich. Im Jahr 2002 hatten Sie einen negativen Betriebssaldo von 482 Millionen Euro. Im Jahr 2003 war der negative Saldo auf 502 Millionen Euro gestiegen. Im Jahre 2004 steigt er jetzt wiederum in einem größeren Sprung auf 654 Millionen Euro und im Jahr 2006 ist der Negativsaldo plötzlich weg. Da gibt es den gar nicht mehr, obwohl er bis jetzt immer gestiegen ist und Sie Ausgabenprogramme beschließen, die zu Steigerungen führen, ist er plötzlich weg.

(Volker Okun CDU: Das haben wir bei Ihnen ab- geschrieben!)

Wie passiert dieses Wunder? Dieses Wunder passiert – Herr Zuckerer verwies schon darauf –, indem die Steuereinnahmen der Stadt für das Jahr 2006 einfach 12,6 Prozent höher geschätzt werden, ein Sprung, den es in den ganzen letzten Jahren nicht gegeben hat.

(Volker Okun CDU: Das hat was mit Glauben zu tun!)

Das hat was mit Glauben zu tun. Da muss man wirklich extrem fromm sein, um solche Märchen zu glauben.

(Beifall bei der GAL)

Ich sehe das an Ihren begeisterten Gesichtern. Sie sind solche fromme Truppe. Sie glauben denen das.

(Beifall bei allen Fraktionen und Heiterkeit bei der CDU)

Nehmen Sie sich eine weitere Zahl vor. Heute haben wir das Kita-Gesetz beschlossen. Das wird vermutlich noch ein bisschen teurer als die 40 Millionen Euro, die jetzt schon angesagt waren, denn ab 1. August sollen schon im Vorwege zusätzlich Krippenplätze an Berufstätige gegeben werden. Damit stehen 316 Millionen Euro im Haushalt 2004 unter dem Titel „Förderung der Kinder in Kindertageseinrichtungen“. Wissen Sie, wie viel bislang für das Jahr 2005 in der mittelfristigen Aufgabenplanung stehen, obwohl da die fünfte Stunde kommen soll? 264 Millionen Euro, das heißt 52 Millionen Euro weniger, obwohl die Ausgaben steigen. Das heißt, Sie bekommen eine Ausgabenwelle über die jetzige Konsolidierung hinaus. Und diese 40 Millionen Euro müssen Sie ja noch bringen. Die werden im nächsten Jahr wieder auftauchen.

Dann wollen Sie Jesteburg II. Da ist noch nichts konkretisiert. 225 Millionen Euro sind nun als globale Minderausgabe benannt. Sie kommen in eine dramatische Größenordnung von Konsolidierungszwang. Selbst bei den träu

merischen Steuersteigerungen des Herrn Finanzsenators müssen Sie diese Einsparungen noch erbringen, wenn Sie das Ergebnis bis 2006 auf null bringen wollen. Ich sehe das so nicht bei Ihrem geringen Eifer, dem Glauben Taten folgen zu lassen und zu sagen: Wo wollen wir denn eigentlich das Geld wegnehmen?

(Volker Okun CDU: Warten Sie es mal ab!)

Sie haben sich die ganze Zeit schön geschwindelt, indem Sie gesagt haben, wir machen wunderbare Schwerpunktprogramme für die Bildung, für den Verkehr, für die Innere Sicherheit, für die Justiz. Der ganze Haushalt war quasi Schwerpunktprogramm, nur die Arbeitsmarktpolitik und die Frauenförderung nicht. Alles andere war Schwerpunktprogramm.

(Beifall bei Doris Mandel SPD und Gudrun Köncke GAL)

Das macht dann etwa 70 Prozent des Haushaltes aus und das kann natürlich kein Mensch finanzieren. Wenn man konsolidieren will, dann muss man deutlichere Entscheidungen treffen. Wir haben die ganze Zeit gesagt, dass eine Entscheidung zugunsten von Bildung, Wissenschaft und Kultur getroffen werden muss. Jetzt sind wir in der glücklichen Lage, dass die Volksabstimmung Sie in den Zwang gebracht hat, diese Aufgabenverlagerung mit zu vollziehen. Sie müssen nämlich jetzt, nachdem das Gesetz geworden ist, die Ansprüche der Eltern befriedigen – ich hoffe, der Herr Finanzsenator hält den Deckel auf die Gesamtausgaben – und dann müssen Sie diesen Schwenk an Umschichtungen vollziehen, den wir ohnehin wollten. Aber ich stimme dem noch nicht zu, bevor ich nicht weiß, wie Sie ihn vollziehen. Ich will wissen, wie Sie diesen Schwenk zugunsten von mehr Bildung, mehr Kitas vollziehen.

Das dritte Ziel war: Senkung der Nettokreditaufnahme. Das hat Herr Peiner gerade noch einmal wieder sehr lobend dargestellt, dass die Nettokreditaufnahme gegenüber dem Vorjahr schon wieder um 50 Millionen Euro gesunken ist. Um welchen Preis ist sie gesunken? Um den Preis, dass für 95 Millionen Euro zusätzliche Verkäufe gemacht worden sind,

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Wie alles!)

nur zu dem Zweck, um die Kredite auf 750 Millionen Euro zu begrenzen und nicht an die Kreditobergrenze zu gehen. Das heißt, Sie haben die Senkung der Kreditaufnahme ausschließlich über Vermögensverkäufe erkauft. Darüber kann man reden, aber dann muss man konkret sagen, ob es sinnvoll ist, diesen Verkauf zu machen, um diese Senkung der Kreditaufnahme zu machen? Das ist bilanziell gesehen nichts anderes als ein Tausch, den Sie da gemacht haben, dass Sie einfach etwas weggegeben haben, um damit eine Schuld an anderer Stelle geringer werden zu lassen. Das wollen Sie weiter fortsetzen und kommen damit natürlich in das Problem hinein, das Herr Zuckerer beschrieben hat und das letztlich auch das Problem des Sonderinvestitionsprogramms ist.

Wir haben nichts dagegen, wenn man sagen würde, wir machen ein Sonderinvestitionsprogramm, dass wir Vermögen der Stadt, das weniger an Wohlfahrtsleistung für die Bürger und an Einnahme für die Stadt erbringt, tauschen gegen anderes Vermögen, neues Vermögen der Stadt, das mehr für Wohlfahrt und Einnahme der Stadt bewirkt. Aber dann muss man sich das immer in dieser Relation klarmachen. Gegenwärtig wissen wir noch nicht

einmal, womit Sie Ihr Sonderinvestitionsprogramm bezahlen wollen, das heißt, welche Verkäufe es denn eigentlich sein sollen. Dann kann man nicht über Sonderinvestitionsprogramme und dessen Vernunft sprechen. Die Vernunft kann ja nur darin stecken, dass das, was man neu erwirbt, besser ist, als das, was man verkaufen muss, um das Neue zu erwerben. Solche Erörterungen werden aber normalerweise nicht angestellt, sondern es wird einfach eine Plakette „Wachsende Stadt“ in die Welt gesetzt, mit der dann alle möglichen Wunschprojekte belegt werden und dafür wird dann Wichtiges verkauft, aber was, können wir gegenwärtig noch nicht sagen.

Man muss, glaube ich, festhalten – da stimme ich dem Senat zu –, dass Hamburg sich in einer Haushaltsnotlage befindet, die anhaltend ist und tatsächlich schon seit 1992 existiert. Seit 1992 liegen die Betriebsausgaben über den Betriebseinnahmen, mit zwei Ausnahmejahren: 1999 und 2000. Wir im rotgrünen Senat hatten gespart. Ich gebe aber auch zu, dass uns die Konjunktur zur Hilfe kam. Aber wir hatten auch stärker gespart. Es stimmt beides.

(Volker Okun CDU: Da kamen die Vereinigungser- löse hinzu! Das war 1997, Herr Maier!)

Ne, das hatte 2000 nichts mehr mit Vereinigung zu tun. Hören Sie auf.

Wir haben seit 1992 höhere Betriebsausgaben als laufende Einnahmen und das Problem muss bereinigt werden, denn sonst kommen wir dauerhaft in die Situation, dass wir uns nicht mehr bewegen können. Wenn Sie zum Beispiel heute jährliche Zinsaufwendungen von 1 Milliarde Euro zahlen und für 750 Millionen Euro neue Kredite aufnehmen, heißt das nicht nur, dass wir uns ständig weiter verschulden. Wenn die Zinszahlungen dauerhaft höher liegen als das, was wir durch Kredit neu bekommen, dann ist der Sinn der ganzen Veranstaltung eigentlich infrage gestellt. Denn Kredite sollten einem ursprünglich ja mal zusätzlichen Spielraum verschaffen und das tun sie schon längst nicht mehr, sondern sie sind nur noch eine Nothilfe.

In der Konsequenz sind wir der Meinung, dass die Konsolidierungsgrößenordnung bleiben muss, aber die Schwerpunkte deutlich gesetzt werden müssen. Wir wollen die Schwerpunkte im Bereich Kita, Schule, Wissenschaft und Kultur haben, also in all den Bereichen, wo es darum geht, in das subjektive Vermögen der in Hamburg lebenden Menschen zu investieren, um ihre Innovationsfähigkeit zu erweitern.

Wir wollen zweitens erreichen, dass das nicht durch Haushaltssteigerungen passiert, sondern durch Haushaltsumgruppierungen. Darum muss angesagt werden, wo es denn weggenommen werden soll. Dieses Wegnehmen muss meiner Ansicht nach unbedingt bedeuten, dass wir uns nicht einen weiteren Ausbau der Polizei leisten können. Solche harten Entscheidungen müssen Sie dann irgendwann auch einmal treffen und zu treffen bereit sein. Sie können nicht alles gleichzeitig haben.

(Wolfgang Drews CDU: Damit wir Ihre Fehler wie- derholen?)

Was heißt, unsere Fehler wiederholen? Was wollen Sie denn nun? Wollen Sie die Konsolidierung oder wollen Sie alles? Wollen Sie ins Traumreich für Kinder einrücken? Ja, Sie wollen ins Traumreich für Kinder einrücken. Das ist aber wirklich unerwachsen, solche Entscheidungen nicht treffen zu wollen.

Wir wollen bei der Personalkonsolidierung weitermachen. Uns fällt allerdings auf, dass Sie die Personalkonsolidierung nur insoweit im Blick haben, dass Sie den Angestellten und Arbeitern und Beamten die Arbeitszeit verlängern. Sie haben nicht mehr, was wir betrieben haben, eine Reduktion in der inneren Verwaltung angestrebt. Wir haben von Jahr zu Jahr 1 Prozent Personalabbau gehabt. Das ist seit Ihrer Zeit zu Ende.

Wir wollen des Weiteren, dass einige falsche Investitionsentscheidungen, die nur prestigeträchtig und teuer sind, wie zum Beispiel dieses kurze U-Bahn-Stück, das gegenüber einer Stadtbahnlösung zusätzlich 400 Millionen Euro kostet, zurückgenommen werden. Das kostet selbst bei einer nur fünfprozentigen Verzinsung dauerhaft, wenn Sie noch nicht an Tilgung denken, jedes Jahr 20 Millionen Euro mehr für weniger Verkehrsleistung. Das ist auch wieder ein solches Prestigeprojekt. Es belegt, dass Sie sich in Wirklichkeit nicht entscheiden können: Konsolidieren oder teure Ausgabenpolitik machen?

Schließlich ist es so – ja, wie soll man das jetzt sagen? –,

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Sprechen Sie es aus!)

dass Sie damit, was Sie im Wahlkampf angedeutet haben,