Es müssen Handlungskonzepte entwickelt werden, damit den Kindern und Jugendlichen so früh wie möglich geholfen wird. Wird ein Fall sexuellen Missbrauchs bekannt – zum Beispiel der schreckliche Fall der kleinen neunjährigen Angelina, die von dem Nachbarjungen zunächst vergewaltigt und dann ermordet wurde –, sind plötzlich alle Stellen da: Jugendhilfeeinrichtungen, Therapeuten, Kinder- und Jugendpsychiatrie, Polizei und natürlich die Justiz. Alle befassen sich damit. Wir alle müssen uns die Frage stellen, ob man das nicht hätte früher erkennen müssen? Hätte man nicht früher sehen müssen, dass
dieser Junge irgendwann "komisch" wird? Gab es nicht schon früher Auffälligkeiten bei diesem Jungen? Gab es Hilfen, die nicht koordiniert waren? Haben wir nicht eine Verpflichtung zu koordinieren?
In unserer Stadt gibt es viele gute Hilfsangebote, aber oft dauert es zu lange, bis die Vernetzung klappt, bis sich die Institutionen zusammenfinden.
Mit dem Modellprojekt soll eine bessere Vernetzung der mit einem Fall befassten Institutionen stattfinden. Der Austausch von Informationen soll schnell und unkompliziert geschehen. Durch Vernetzung und Transparenz sollen kurze Wege geschaffen werden. Den sexuell auffälligen Kindern und Jugendlichen soll frühzeitig und stringent eine Behandlung angeboten werden. Das Modellprojekt soll nicht nur strafmündige Jugendliche, sondern selbstverständlich auch Kinder unter 14 Jahren mitberücksichtigen. Wichtig ist auch zu erwähnen, dass sich dieses Modell nicht nur auf Straftaten im Sinne des Strafgesetzbuches beziehen soll, sondern auch auf Verhaltensweisen, die als Belästigung definiert werden, denn man weiß nie, was irgendwann daraus wird.
Frühe Hilfen, meine Damen und Herren, bedeuten große Erfolgschancen. Wie auch in anderen Bereichen der Jugendhilfe setzt die CDU auch hier auf Prävention.
Frau Blömeke, zu Ihrem Zusatzantrag möchte ich Ihnen sagen, dass ich mich sehr gefreut habe, dass sich die GAL sehr intensiv mit diesem wichtigen Thema auseinander setzt. Wir werden Ihren Zusatzantrag ablehnen, da wir der festen Überzeugung sind, dass wir mit diesem Modell einen guten Start für die Vernetzung der Hilfen schaffen.
Lassen Sie uns gemeinsam schauen, wie erfolgreich dieses Modell sein wird. Dann können wir über Weiteres gemeinsam nachdenken. Die Betroffenen brauchen sofort Hilfe und dieses Modell soll jetzt beginnen. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir sind uns offensichtlich in fünf zentralen Punkten dieses Problems einig.
Erstens: Sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendliche oder sexueller Missbrauch von Kindern und Jugendlichen ist – vielleicht abgesehen von Tötungsdelikten – so ziemlich das Schlimmste, das Zerstörerischste, was man einem Kind oder einem Jugendlichen antun kann.
Zweitens: Es spricht sehr vieles dafür, dass das Verhältnis zwischen Dunkel- und Hellfeld – also zwischen dem, was tatsächlich an Verbrechen passiert, und dem, was bei der Polizei letztendlich angezeigt wird – katastrophal weit auseinander klafft.
Der dritte Punkt, über den wir uns offensichtlich einig sind: Der Anteil von jugendlichen Tätern ist in den letzten Jahren in dieser Gruppe der Verbrechen dramatisch angestiegen.
Der vierte Punkt, über den wir uns offensichtlich einig sind: Untersuchungen zeigen, dass es einen bemerkenswerten Zusammenhang dazwischen gibt, Täter zu sein und vorher Opfer gewesen zu sein.
Fünftens: Gerade weil es diesen Zusammenhang zwischen Täter und Opfer gibt, kommt dem Gedanken der Prävention oder – wie es die GAL in ihrem Antrag genannt hat – der frühzeitigen Interventionsstrategie eine besondere Bedeutung zu. Das scheint völlig unstrittig zwischen den Jugendpolitikern zu sein.
Gerade wenn das so ist, müsste man eigentlich froh sein. Deshalb ärgere ich mich maßlos über Ihr Verhalten heute.
Ich habe ausdrücklich einen Antrag der SPD und einen Antrag der GAL genommen. Mit solchen Themen beschäftigen wir uns. Das ist auch gut und richtig, denn das ist für bestimmte Bereiche der Jugendarbeit wichtig. Hier haben wir ein Thema, in dem es um die existentielle Situation von Kindern und Jugendlichen geht und die CDU verweigert die Diskussion des GAL-Antrags im Ausschuss. Das ist unverantwortlich.
Nun kennen wir das, Sie haben es gern ein bisschen nett und kuschelig im Ausschuss. Er soll auch nicht so häufig und nicht zu lange tagen, dann fällt es auch nicht auf, wenn die Senatorin nicht da ist.
Aber, meine Damen und Herren, es geht nicht darum, dass Sie der CDU oder der GAL einen Gefallen tun. Hier geht es um die Situation von Kindern und Jugendlichen und da dürfen Sie die Befassung dieses Problems im Ausschuss nicht verweigern.
Ich habe zur Vorbereitung dieser Sitzung mit einer Reihe von Trägern diskutiert – beispielsweise mit Dolle Deerns und dem Kinderschutzbund –, die in diesem Bereich tätig sind. Die haben uns eine Menge mitzuteilen über das, was in dieser Stadt tatsächlich passiert. Sie haben ein Rieseninteresse daran, mit uns in eine Diskussion zu kommen. Als ich andeutete, dass Sie die Befassung im Ausschuss heute möglicherweise durch Ihre Mehrheit verhindern werden, gab es blankes Entsetzen. Springen Sie über Ihren Schatten, machen Sie die Behandlung dieses Themas im Ausschuss möglich. Die Kinder, um die es hier geht, haben es verdient.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Sehr verehrte Frau Strasburger, ich weiß nicht, warum Sie uns allen Unkenntnis dieses Themas unterstellen. Es ist kein Tabuthema in der Politik. Zumindest für all die, die sich im Jugendhilfebereich mit
diesem Thema und dem Opferschutz auseinander setzen, wie die GAL-Fraktion es getan hat, ist es kein Tabuthema. Für die Gesellschaft ist es umso wichtiger, dass dieses wichtige und komplexe Thema politisch zur Sprache gebracht wird. Ihre Initiative ist dahin gehend richtig. Aber umso mehr bedauere ich es und möchte mich meinem Vorredner anschließen, dass Sie es darauf reduzieren, die Kinder und Jugendlichen in dem Hauptteil Ihres Antrags zu kriminalisieren. Sie reduzieren Ihren Antrag auf schlichte zwei Spiegelstriche.
Dabei ist Ihr Antrag auch noch schädlich, Frau Strasburger, denn er beinhaltet einen wesentlichen Aspekt, dem wir so nicht zustimmen können, zum Beispiel die Frage des Datenschutzes.
Stellen Sie sich bitte vor, Sie richten ein Modellprojekt ein, wonach Täter und Opfer sexueller Übergriffe in allen Einrichtungen, die damit zutun haben, erfasst und registriert werden. Es kann nicht angehen, dass beispielsweise – unter Ausschluss des Datenschutzes – Opfer und Täter in der Schule registriert werden. Das ist weder im Interesse des Opfers noch im Interesse des Täters, denn, wie Sie gerade richtig feststellten, haben Täter und Opfer oft gleiche Strukturen. Es geht nicht nur darum, auf der einen Seite die Opfer zu sehen. Wir müssen auf der anderen Seite auch die Täter sehen und beiden muss natürlich geholfen werden.
Meine Damen und Herren, Sie reduzieren den Antrag auf zwei Spiegelstriche und fordern ein Modellprojekt, ohne vorher genau die Tatsachen zu kennen. Darum kann ich es nicht nachvollziehen, warum Sie sich unserem Zusatzantrag verweigern. In unserem Antrag dienen drei bis vier Punkte der Informationsbeschaffung. Wir haben eine hervorragende Gewaltpräventionsstelle an der BBS. Es wäre sinnvoll, wenn wir den Herrn in unserem Ausschuss einmal zu Wort kommen lassen. Wenn wir diese Informationen sammeln würden und daraus eine gute Maßnahme stricken, wäre das im Sinne der Jugendpolitik.
Es ist außerordentlich wichtig, zur wirkungsvollen und nachhaltigen Bekämpfung sexueller Gewalt gegen Kinder eine Gesamtstrategie zu entwickeln. Die Gesamtstrategie können wir nicht entwickeln, indem wir ein Modellprojekt machen, es muss eingebettet sein in einen Katalog von Maßnahmen. Dieses Modellprojekt ist im Prinzip nichts Neues, es beruht auf einer Initiative der rotgrünen Bundesregierung, die es im Jahre 2004 – eingebettet in einen kompletten Maßnahmenkatalog – gefordert hatte. Wenn Sie den Antrag einsehen möchten, er besteht aus insgesamt 18 Unterpunkten. Nur das Modellprojekt ist ein Unterpunkt. Wir haben einige Ideen aufgegriffen und in unserem Zusatzantrag untergebracht. Ihr Verhalten ist natürlich verständlich, der Antrag kommt von der Opposition. Die Opposition in der Bundesregierung hat auch keinen Gefallen daran gefunden, aber, ich denke, Sie sollten es besser machen. Sie sollten sich einen Ruck geben und sagen, nur gemeinsam können wir das hinkriegen.
Lassen Sie mich noch auf einen Punkt zu sprechen kommen: Sie haben in Ihrer Rede deutlich herausgestellt, wie wichtig präventive Hilfe und Angebote vor Ort sind.
Frau Strasburger, erklären Sie mir einmal, warum Sie dort über 10 Prozent gekürzt haben. Das widerspricht Ihrer Aussage, wie wichtig diese Einrichtungen vor Ort sind. Sie schaffen etwas Neues, nehmen den gestandenen Trägern, die auf diesem Gebiet hervorragende Arbeit leisten, die Finanzen weg. Ich habe mich genauso wie Herr Schulz mit den Trägern unterhalten und die haben mir bestätigt, dass sie daraufhin ihr Angebot stark reduzieren mussten. Beratungsgespräche können zum Teil nicht mehr stattfinden. Das ist absolut kontraproduktiv.