Rüdiger Schulz

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Last Statements

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich wollte mich an dieser Diskussion eigentlich nicht beteiligen.
Aber eine Bemerkung der Senatorin hat mich dann doch dazu bewogen. Ein paar kurze Bemerkungen will ich dazu machen. Ich habe mir viel vorstellen können und habe eine Menge Fantasie. Aber ich habe nie geglaubt, in diesem Hause einmal eine Senatorin zu hören, die ernst
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haft sagt, die Tatsache, dass in dieser Stadt nur 25 Prozent der Kinder in Armut leben, wäre ein politischer Erfolg. In dieser Stadt, der reichsten Stadt Deutschlands und einer der reichsten Städte der Welt, sagt eine Senatorin, nachdem sie sechs Jahre für diesen Bereich verantwortlich ist, dies.
Frau Senatorin, ich habe an dieser Stelle sehr häufig versucht, Sie und Ihre Politik zu beschreiben. So gut, wie Sie selber Ihre Politik karikiert haben, kann das kein anderer.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Als die Senatorin ihre Rede eröffnete und mit dem Satz begann, dieser Bericht biete die Chance zur Reflexion, da habe ich einen Moment
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gedacht oh, à la bonne heure, es wird zwar Zeit, aber immerhin. Frau Senatorin, warum haben Sie diesen Satz in Ihrer gesamten Rede nicht ein einziges Mal bestätigt? Da war nichts, aber auch gar nichts von Reflexion zu hören.
Ich werde es Ihnen an einigen Beispielen deutlich machen.
Erster Punkt: Sie hatten ihn gar nicht angesprochen, ich finde ihn aber wichtig. Es ist völlig in Ordnung, es ist klug und richtig und niemand hat etwas dagegen, in einer Stadt wie Hamburg besondere Angebote zu machen und Anstrengungen zu unternehmen, um zu verhindern, dass junge Familien, die sich überlegen, in der Stadt zu bauen oder sich hier ein Reihenhäuschen zu kaufen, nach Niedersachsen oder nach Schleswig-Holstein gehen. Wenn man dabei aber gleichzeitig völlig aus dem Auge verliert, dass die große Mehrheit der jungen Leute sich diese Frage überhaupt nicht stellt - weder jetzt noch in fünf oder in zehn Jahren -, denn die sind auf bezahlbaren Mietwohnungsbau angewiesen,
dann bekommt man eine politische Schieflage. Das ist einer der wesentlichen Punkte, der Ihre Baupolitik auszeichnet. Wer sich die katastrophalen Zahlen des sozialen Wohnungsbaus in den letzten Jahren anguckt, der weiß jetzt schon, dass wir jetzt die Probleme der nächsten zehn Jahre produzieren. Diese Fehler rächen sich nicht nach wenigen Monaten, das dauert eine Weile, aber sie rächen sich und das werden wir ausbessern müssen.
Zweiter Punkt: Frau Koop hat in ihrem Beitrag im Zusammenhang mit Kitas von systemimmanenten Schwierigkeiten gesprochen. Frau Koop, ich glaube, Sie haben in einem Sinne recht, in dem Sie es möglicherweise gar nicht gemeint haben. Ich werde Ihnen erklären, wo die systemimmanente Schwierigkeit Ihres Ansatzes liegt. Bis heute versucht diese Senatorin, den Eindruck zu erwecken, die Tatsache, dass in Hamburg heute ein paar tausend Kinder mehr in Kindertagesheimen und Kindergärten sind - das ist erstens so und zweitens ist das gut so -, hätte irgendetwas mit ihr zu tun. Nein, das ist gegen sie erkämpft worden.
Wenn es aufgrund der Volksinitiative nicht die 170.000 Unterschriften gegeben hätte, wenn Sie nicht begriffen hätten, dass Sie den Volksentscheid am Tage der Europawahl mit Pauken und Trompeten verlieren würden, hätten Sie nichts unternommen. Das war Ihr Ansatz. Sie wussten, Sie verlieren und haben versucht, sich mit dranzuhängen. Was haben Sie dann gemacht? Sie haben mit dieser Initiative verhandelt, das heißt, Frau Senatorin hat ihren Staatsrat verhandeln lassen. Das wäre für sie in der Tat eine Katastrophe gewesen, mit Thomas Böwer und Ties Rabe, dem Landesgeschäftsführer der SPD an einem Tisch zu sitzen und über so etwas verhandeln zu müssen. Aber die drei zentralen Punkte, die die Initiative gefordert hatte, erstens den Ausbau der Vierstundenbetreuung auf fünf Stunden plus Mittagessen, zweitens die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und drittens - diesen dritten Punkt vergessen Sie immer - den Anspruch jedes Kindes auf Wohl und Förderung, diese
drei Kernpunkte des Gesetzes sind von Ihnen übernommen und durch uns alle beschlossen worden. In der Praxis verstoßen Sie vom ersten Tag des Gesetzes gegen mindestens den dritten Punkt dieses Gesetzes.
Sie haben sofort die Gruppen vergrößert. Die Senatorin hat damals in ihrer Presseerklärung behauptet, es sei moderat, die Krippengröße von 12 auf 14 oder von 13 auf 15 zu erhöhen.
Ich sage, diese Frau hat noch nie einen Tag in dieser Gruppe gearbeitet, sonst würde Sie einen solchen Blödsinn nicht erzählen. Das ist nicht eine moderate Erhöhung gewesen.
Der eigentliche Skandal: Sie haben in Hamburg in einem gewaltigen Ausmaß Betreuungskapazitäten verschoben und Sie wissen es. Da sitzt Harald Krüger, der weiß, wie die Betreuungskapazitäten in seinen DRK-Einrichtungen in Hamburg-Harburg verschoben worden sind, aus Stadtteilen mit einem hohen Anteil an Kindern aus sozial schwachen Familien, die aus sozialen Gründen Ganztagsplätze hatten, in Bereiche, in denen viele Eltern wohnen, die beide Arbeit haben. Sie haben die Stadt gespalten. Das ist falsch und das fällt Ihnen auf die Füße.
Das ist in der Tat ein bemerkenswerter Vorgang, über den wir heute Abend reden. Meine Damen und Herren von der CDU, die gute demokratische Tradition, bestimmte Fragen des Wahlverfahrens beziehungsweise der Wahlgesetze aus dem Parteienstreit herauszuhalten, um möglichst im Konsens nach einer Lösung zu suchen, haben Sie vor mehreren Monaten bewusst aufgekündigt, und zwar genau in dem Moment, als Sie daran gegangen sind, das Wahlrecht, das die Hamburgerinnen und Hamburger sich selbst gegeben haben, in weiten Teilen in das genaue Gegenteil zu verändern.
Heute verfahren Sie nach dem Motto: "Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich gänzlich ungeniert" und steigen sogar in die Niederungen der Manipulation von Wahlkreisgrenzen ein.
Was ist denn in Harburg eigentlich konkret passiert? Ihr Bezirksverwaltungsgesetz hat dazu geführt, dass der Stadtteil Wilhelmsburg aus dem Bezirksamt Harburg herausgeschlagen worden ist. Das Kompensationsgeschäft mit Finkenwerder hat nicht geklappt. Dort war unter anderem ein "toller Hecht" davor.
Die Wahlkreisgrenzen in Harburg mussten zwingend neu zugeschnitten werden. Die Wahlkreiskommission führt das aus, was ihre Aufgabe ist. Sie legt einen Entwurf vor, den Sie im Übrigen auch kennen. Das haben Sie vorhin etwas ungenau dargestellt. Der erste Entwurf der Wahlkreiskommission sieht vor, den Stadtteil Heimfeld geschlossen aus Harburg herauszunehmen und nach Süderelbe herüberzugeben. Das ist der erste Akt der Wahlkreiskommission.
Daraufhin betritt der Kreisvorsitzende der CDU aus Harburg die Bühne. Er stellt mit einem Blick auf die Landkarte – wahrscheinlich aber eher mit dem ersten Blick auf die Ergebnisse der Wahllokale – fest, dass es ein anderes Verfahren geben könnte, nämlich die ganzen Einzelhausgebiete des Stadtteils Heimfeld und Eißendorf dem Wahlkreis Süderelbe und diejenigen Gebiete mit der verdichteten Bebauung des sozialen Wohnungsbaus mit den drei- bis viergeschossigen Gebäuden dem Wahlkreis Harburg zuzuschlagen. Bis dahin noch Demokrat, macht Herr Fischer das, was sich gehört und spricht mit dem Fraktionsvorsitzenden der SPD und mit dem Vorsitzenden der GAL in der Bezirksversammlung. Er bekommt kurz, knapp und präzise eine Antwort: Diesen Schwachsinn, diese Manipulation mit uns nicht! Das war das Ergebnis des Gespräches des Fraktionsvorsitzenden der CDU in der Bezirksversammlung mit den beiden anderen Herren.
Eine Woche später, oh Wunder, taucht in der Vorlage der Wahlkreiskommission dieser zweite Vorschlag mit dem Zusatz auf – das haben Sie in der Tat völlig korrekt beschrieben –, dass besondere örtliche Bedingungen es rechtfertigen könnten, zwei Ortsteile zu durchschneiden. Der Harburger Bezirksamtsleiter, ein ehemaliger bekannter CDU-Bezirksabgeordneter, stellt in seiner Stellungnahme fest, dass diese Bedingungen hier vorliegen. Man liest verzweifelt das Papier und sucht immer nach diesen besonderen örtlichen Bedingungen. Aber es wird keine einzige genannt, auch nicht bei der öffentlichen Anhörung. Ihnen ist auch bis heute nicht eine einzige örtliche Bedingung eingefallen, die das rechtfertigen würde, sonst hätten Sie diese irgendwann einmal genannt.
Es ist nur theoretisch möglich und daher machen Sie davon Gebrauch. So weit, so schlecht. Das eigentlich Beschämende hierbei ist, dass dieser Kreisvorsitzende eine ziemliche Chuzpe besitzt. Das Vorhaben an sich ist schon ein Ding, aber er hat auch noch den Glauben, dass Sie, meine Damen und Herren von der CDU, das mitmachen würden. Was für ein Bild hat er eigentlich von Ihnen, das ihn bestärkt, dass eine solche Unverschämtheit von Ihnen glatt durchgewinkt wird?
Finden Sie das angemessen, was Ihr persönliches Selbstwertgefühl angeht?
Nun kennen Sie diesen Herrn genauso gut wie ich.
Wenn Sie noch ein bisschen weiter schreien, fange ich an, ein paar Zitate vorzulesen, damit sich alle hier ein Bild machen können. Wollen Sie das wirklich? Soll ich die Zitate dieses Herrn beispielsweise über den Ersten Bürgermeister vorlesen? – Nein, die waren so deprimierend, die fasse ich nicht an.
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Die Manipulation ist eindeutig erkennbar und das wissen Sie auch. Aber, dass Sie nicht den Mumm haben, diesen Mann in seine Schranken zu verweisen, ist das eigentlich Deprimierende an dem heutigen Abend.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich glaube, dass sich die Aktuelle Stunde nur sehr begrenzt dafür eignet, ein relativ kompliziertes und im Übrigen hoch emotionales und strittiges jugendpolitisches Problem zu diskutieren.
Sie eignet sich sehr wohl dafür, eine Diskussion über den Punkt der politischen Verantwortung zu führen.
In diesem Falle eignet sich die Gelegenheit besonders, über den Versuch zu sprechen, sich billig aus eben dieser politischen Verantwortung zu stehlen.
Deshalb haben wir in Vorwegnahme der Rede der Senatorin genau diesen Tagesordnungspunkt so benannt, wie er dort steht: Bankrotterklärung der Senatorin SchnieberJastram.
Frau Senatorin, ich habe eine Reihe von Vorgängerinnen und Vorgängern von Ihnen hier erlebt – Frau Raab, Frau Pape, Herrn Lange. Alle drei hatten zum Teil erhebliche Probleme mit Jugendpolitik im Allgemeinen, speziell mit der Politik und dem Umgang mit kriminellen, gewalttätigen Jugendlichen. Was völlig neu an dieser Situation ist, Frau Senatorin, Sie haben damit überhaupt kein Problem, Sie sind inzwischen ein Teil des Problems.
Diese geballte Mischung aus fachlicher Inkompetenz und bestenfalls mühsam verschleiertem Desinteresse, das Sie in jeder Fachausschusssitzung an den Tag legen, ist das eigentliche Problem.
Wenn Sie denn überhaupt zu Fachausschusssitzungen kommen.
Wenn Sie denn dort sind, machen Sie kaum etwas anderes, als das Wort an irgendeinen Fachbeamten weiterzugeben. Das ist das eigentliche, zentrale Problem.
Für Sie, Frau Senatorin, sind eine ganze Reihe von Bauernopfern gebracht worden. Von den Mitarbeitern über den Leiter der Einrichtung bis hin zum Staatsrat. Die Aufzählung ist nicht vollständig. Frau Senatorin, diese Bauernopfer haben für Sie Zeit gebracht. Aber Sie haben diese Zeit nicht genutzt.
Im Interesse der Kinder und Jugendlichen dieser Stadt: Frau Senatorin, lassen Sie diese Arbeit von jemandem machen, der sie kann und der sich dafür interessiert. Treten Sie zurück.
Herr Präsident, meine Damen und Herren, Herr Ohlsen! Ich habe zwar über die eine oder andere Formulierung eben auch geschmunzelt, gleichwohl über das Ergebnis bin ich enttäuscht. Nicht so
sehr, dass Sie den Antrag nicht annehmen, das hätte mich gewundert. Da sind auch Teile drinnen, da hätte ich als Sozialdemokrat auch gesagt: Nein, das unterschreibe ich nicht. Da bin ich anderer Auffassung. – Nein, enttäuscht bin ich darüber, dass Sie sich der Diskussion im Ausschuss verweigern. Das ist der eigentliche Grund meiner Enttäuschung.
Sehen Sie, wenn die GAL in dem Antrag schreibt, dass aus ihrer Sicht die Hafenquerspange keinerlei positive Entwicklung für die Stadt Hamburg bringt, dann ist das auch nicht unsere Position. Wir sind nach wie vor der Auffassung, dass diese Hafenquerspange neben ihrer überragenden Bedeutung, die sie für den Hafen hat, auch stadtentwicklungspolitisch bestimmte wichtige Funktionen hat.
Wer in der Stresemannstraße, in der Kieler Straße lebt, wird von dieser Straße positive Effekte haben. Das ist unsere feste Auffassung, deshalb würden wir den Teil der GAL nie unterschreiben.
Gleichwohl hat die GAL mit der Benennung des Konfliktpotenzials Recht. Wenn man die Hafenquerspange – unverzichtbar für den Hafen – baut, wenn man bestimmte Trassen nimmt, bestimmte Bauverfahren, dann ist völlig unstrittig, dann schüttet man die vorhandenen Chancen für die Entwicklung Wilhelmsburgs und Teile der Veddel zu, und zwar die Entwicklung zu den reizvollsten Stellen am Wasser.
Das ist völlig unstrittig und es ist nicht völlig aus der Luft gegriffen, diesen Fehler zu befürchten. Strom- und Hafenbau, heute heißen sie anders, sind das, was sie im Gesetz sein sollen, Vertreter der Interessen des Hafens. Ich als Harburger sage dazu, es sind beinharte Vertreter ihrer Interessen.
Beinhart ist eine nette Formulierung aus Harburger Sicht. Ich kann mich sehr gut erinnern an eine Sitzung der Bezirksversammlung, wo ich mir sowohl die Rüge eines sozialdemokratischen Senators als auch den Beifall von 40 Bezirksabgeordneten eingehandelt habe. Da habe ich im Konflikt mit Strom- und Hafenbau gesagt, wenn Ihr so weitermacht, dann stellen wir an die Grenze zwischen Bezirksamtsbereich Harburg und dem Hafen Schilder auf mit dem Text: Hier endet der demokratische Sektor der Freien und Hansestadt Hamburg. So war man aus der konkreten Erfahrung heraus als Bezirksabgeordneter von Harburg gepolt. Insofern ist die Beschreibung, hier gibt es ein riesiges Konfliktpotenzial, völlig richtig.
Bei dem zweiten Beispiel, das die GAL hier aufgeführt hat, wird Ihnen jeder Harburger, jeder CDU-Abgeordnete, bestätigen, dass das nicht aus der Luft gegriffen ist, sondern Realität. Die Entwicklung des Harburger Binnenhafens ist seit zehn Jahren eine Erfolgsgeschichte. Diese Erfolgsgeschichte ist noch lange nicht am Ende, wenn es uns gelingt, die Interessen von Strom- und Hafenbau in Übereinstimmung mit den Interessen des Bezirkes Harburg zu bekommen. Bei allem Respekt, Port Authority ist nicht dafür berühmt, dass sie von sich aus Hersteller von
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WinWin-Situationen ist, wie es hier beschrieben ist, um es ganz vorsichtig auszudrücken.
Da das so ist, ist es allemal lohnenswert, sich zu überlegen, wie man es hinbekommt, die unterschiedlichen und gleichwohl berechtigten Interessen unter einen Hut zu bringen. Ich würde heute auch nicht ohne weiteres allem zustimmen wollen, ob wirklich das Einteilen in drei Phasen, ob wirklich die vier Themenfelder der richtige Weg sind. Trotzdem hat die GAL das Konfliktpotenzial richtig erkannt und einen interessanten Weg aufgezeichnet, wie man damit umgehen kann.
Ihre Entscheidung, dieser Diskussion im Ausschuss auszuweichen, ist die eigentliche Fehlentscheidung, meine Damen und Herren.
Das ist kein Zeichen, kein Ausdruck von innerer Souveränität, wenn man das so macht, sondern, um einen Begriff aufzugreifen, der gestern hier gefallen ist, das hat etwas mit Arroganz der Macht zu tun. Ich garantiere Ihnen, auf der Veddel, in Wilhelmsburg, in Harburg werden bis tief in die Anhängerschaft Ihrer eigenen Partei die Leute Ihre Entscheidung nicht begreifen.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Bei der Grundsatzfrage, ob wir bei der relativ großen Palette an Jugendhilfeeinrichtungen in Hamburg eine oder mehrere besondere Einrichtungen mit pädagogisch begründeten Konzepten, die Einschließungen beinhalten, brauchen
gibt es hier in diesem Haus zwischen der CDU und der SPD auf der einen Seite sowie der GAL auf der anderen Seite unterschiedliche Auffassungen. Beispielsweise ich persönlich habe vor zehn Jahren auch anders gedacht. Ich habe zur Kenntnis genommen, dass sich die Lebenssituation von Kindern und Jugendlichen geändert hat
und ich bin der Auffassung, dass die Jugendhilfe darauf reagieren muss. Ich glaube, dass das im Übrigen ein Streit ist, den man wunderbar sachlich und fachlich austragen kann.
Bisher habe ich geglaubt, dass wir uns auch noch über ein paar andere Sachen einig wären. Nach der Rede von Herrn Voet van Vormizeele bin ich mir dessen nicht mehr sicher. Ich habe gedacht, dass wir uns einig wären, dass es bei allen diesen Jugendhilfeeinrichtungen, egal ob offene oder geschlossene, nicht um Begriffe, wie Strafe, Schuld, Sühne und Ähnliches geht, sondern nur und ausschließlich um Erziehung.
Wir haben es hier mit jungen Menschen zu tun, meistens jungen Männern, die 12, 13, 14, 15 Jahre alt sind, in aller Regel Entsetzliches erlebt haben und Entsetzliches weitergeben. Sie sind häufig Täter und Opfer zugleich und die Täterrolle werde ich nicht klein reden. Diese jungen Menschen haben in ihrem Leben alles Mögliche erlebt mit einer Ausnahme: Sie haben nie Erziehung erlebt, schon gar nicht eine Form von Erziehung, die sie als Mensch akzeptiert und geachtet hat, die ihnen gleichzeitig konsequente Regeln gesetzt und diese auch durchgehalten hat. Genau dieses haben diese Menschen, von denen wir reden, nie erlebt.
Deshalb ist es so ein schwieriger Prozess. Deshalb versucht ein großer Teil dieser Jugendlichen, sich genau diesem Prozess zu entziehen. Sie wehren sich mit Händen und Füßen dagegen, das kann man teilweise wörtlich nehmen, und ein Teil haut ab, das wissen wir. Gerade weil es so schwierig ist, brauchen wir für diesen Erziehungsprozess die besten – ich wiederhole – die besten Pädagogen und Erzieher, die wir überhaupt bekommen können, und zwar nur die und keine anderen.
Weil das so ist, werden wir den Antrag der GAL auch annehmen.
Es gibt eine Reihe Hamburger Medien, die im Zusammenhang mit der Feuerbergstraße immer von Kinderknast sprechen. Unsere Aufgabe ist es, darauf hinzuwirken, dass das erstens so nicht ist und zweitens müssen wir den schleichenden Prozess, der in der Tat in Gang gekommen ist, aufhalten.
Meine Damen und Herren von der CDU, ich glaube, Sie haben folgendes Problem. Ihre eigene Rabulistik der vergangenen Jahre holt Sie jetzt ein und zwingt Sie auch zu dem einen oder anderen Schritt. Sie sind ja angetreten – ich kann mich gut erinnern –, die These zu widerlegen, dass aus den geschlossenen Einrichtungen, für die Sie Verantwortung haben werden, genauso viele Jugendliche entweichen wie aus offenen Einrichtungen. Das ist Ihnen auf eine geradezu perverse Art und Weise gelungen.
Das ist Ihnen auf eine besonders beeindruckende, wenn auch wohl nicht beabsichtigte, Art und Weise gelungen.
Es ist doch ein Treppenwitz, dass die Statistiken in Deutschland umgeschrieben werden mussten. Wir hatten zeitweilig mehr Entweichungen aus der Einrichtung, für die Sie die Verantwortung haben, als Jugendliche, die drin waren. Das Bauernopfer, das Sie gebracht haben, den Leiter hinauszuwerfen, hat wohl kurzfristig geholfen. Im Übrigen kann man diese Art von Bauernopfer auch nicht beliebig häufig wiederholen. Deshalb haben Sie zu dem Schritt gegriffen und gesagt, dann holen wir uns einen Sicherheitsdienst. Sie haben bis heute nicht begriffen, dass dieser Sicherheitsdienst – ich teile alles, was Herr Voet van Vormizeele über die Leute gesagt hat, die sind gutwillig, völlig unbestritten – kein einziges Problem in der Feuerbergstraße gelöst hat, im Gegenteil. Dieser Sicherheitsdienst ist heutzutage ein Teil des Problems in der Feuerbergstraße.
Vielleicht hilft Ihnen folgendes Bild, besser zu begreifen, was ich meine. Für mich gleicht die Feuerbergstraße inzwischen einem Dampftopf, und zwar mit steigendem Innendruck. Nun gibt es zwei Möglichkeiten. Wenn man sich klug verhält, dann nimmt man diesen Dampftopf vom Feuer oder sorgt für ein kontrolliertes Entweichen des Innendrucks; das ist die eine Möglichkeit. Sie versuchen jedoch, mit verzweifelter Kraft und doppelter Anstrengung den Deckel auf dem Topf zu halten und das wird und kann nicht funktionieren.
Wenn im Übrigen dieser Dampftopf wirklich explodiert, dann ist das nicht nur Ihr Problem, sondern auch unser Problem und ich wünsche das weder Ihnen noch uns noch sonst irgendeinem. Ich wünsche das nicht den Jugendlichen, ich wünsche das nicht den Mitarbeitern. Und wenn Herr Voet van Vormizeele von Fürsorge gesprochen hat, dann lassen Sie uns unserer Aufgabe der Fürsorge gerecht werden. Lassen Sie uns das wieder zu einer Einrichtung der Jugendhilfe machen, der Sicherheitsdienst hat dort nichts zu suchen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Da der Antrag der SPD und auch der Zusatzantrag der GAL an den Fachausschuss überwiesen wird, will ich nur zu einzelnen Punkten etwas sagen.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Kein Kind in dieser Stadt hat es verdient, dass wir – bei allem Streit, den wir haben – die Verantwortung auf diese Art und Weise hin- und herschieben, wie es zum Teil in den letzten zehn, 15 Minuten geschehen ist. Das ist weder dem Problem der Kinder noch diesem Hause angemessen.
Da wir die Anträge überweisen – bei allem Streit hat es unter den Politikern dieses Hauses auch Übereinstimmung gegeben –, will ich zu einem einzigen Punkt etwas sagen.
Ich will noch einmal an den Ausgangspunkt zurückkommen. Wir haben hier im März gestanden, weil ein Kind gestorben war. Es hat vieles gegeben, was dieses Haus geeint und vereint hat: Zorn, Entsetzen, Fassungslosigkeit und bei vielen von uns war auch Scham, Scham darüber, dass wir es mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln, Instrumenten und Möglichkeiten einer so reichen und starken Stadt wie Hamburg nicht geschafft haben, diesem Mädchen ein Leben zu ermöglichen. Es gab ein unausgesprochenes Versprechen in diesem Hause, alles Menschenmögliche zu tun, damit das nicht
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wieder vorkommt. Daran sollten wir uns bei der Auseinandersetzung von Zeit zu Zeit erinnern.
Ich habe damals in meinem Beitrag gesagt, es gibt eine Bringeschuld dieses Hauses den Menschen gegenüber, die in den Einrichtungen und Sozialdienststellen sehr sorgfältig ihre schwierige Arbeit erledigen, dass die materiellen und personellen Voraussetzungen auch so sind, dass sie ihren Aufgaben gerecht werden können. Wenn ich mich richtig erinnere, hat es damals auf allen Seiten des Hauses Beifall gegeben. Daran sollten wir uns erinnern.
Jetzt hat der Sonderausschuss Vernachlässigte Kinder seine Arbeit aufgenommen, der Fachausschuss nimmt seine Arbeit auf. Eine erste Erkenntnis ist, dass eine der zentralen Schrauben, an der man drehen kann oder drehen muss, die Sozialen Dienste der Bezirke sind. Das ist völlig unstrittig. Wir einigten uns alle auf eine Veranstaltung, auf eine Expertenanhörung im Ausschuss.
Am Tag des Ausschusses erfahren wir – mehr durch Zufall –, dass der Bezirksamtsleiter aus Wandsbek – der Expertenwunsch der CDU –, der Leiter der Sozialdienststelle aus Harburg – der Expertenwunsch der SPD –, eine hoch qualifizierte ehemalige Mitarbeiterin des ASDs – der Expertenwunsch der GAL – vom Senat keine Auskunftsgenehmigung erhalten haben, uns gegenüber also keine Stellungnahme abgeben dürfen.
Die Art und Weise, wie man dem Ausschuss mitteilte, was man von ihm hält, "da backe ich mir ein Ei drauf", das habe ich nicht nötig. Mein Selbstwertgefühl hängt nicht vom Verhalten dieses Senats ab. Aber, meine Damen und Herren, als Senat vor diesem Hintergrund – Ausgangspunkt war ein totes Kind, Ziel war, das darf nie wieder passieren – und bei dieser Ausgangslage auf die Idee zu kommen, diesen Leuten eine Aussagegenehmigung zu verweigern: Was für eine politische Instinktlosigkeit!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte eine kurze Bemerkung zu dem machen, was Frau Schnieber-Jastram gesagt hat.
Es ist richtig, dass die Freie und Hansestadt Hamburg seit über 40 Jahren – wenn es um die Versorgung mit Kindertagesplätzen geht – in Westdeutschland zu den absoluten Spitzenreitern gehört.
Dass das auch noch heute gilt, liegt nicht an Ihnen, sondern das gilt trotz Ihrer Politik.
Frau Senatorin, denn nichts, was in den letzten zwei oder drei Jahren an Verbesserungen erreicht wurde, ist von Ihnen, sondern ausschließlich gegen Sie durchgesetzt worden.
Das ist die Wahrheit.
Zweiter Punkt: Dass die Bildungspläne jetzt endlich vorliegen, ist erfreulich. Die CDU will sie unter das Motto stellen: Gut Ding will Weile haben oder gut Ding braucht eben seine Zeit. Wir hätten wahrscheinlich die Überschrift gewählt: Besser sehr spät als gar nicht.
Das ist kein prinzipieller Unterschied. Wir üben auch überhaupt keine Kritik daran, dass das, was Sie aufgeschrieben haben, im Prinzip nichts Neues ist, sondern dass Sie sich im Wesentlichen darauf stützen, was andere entwickelt oder Ihnen die Berliner vorgelegt haben. Wir sind hier nicht in der Schule, darum ist Abschreiben ausdrücklich erlaubt, allemal dann, wenn man etwas Vernünftiges abschreibt.
Ich frage mich nur, warum das Abschreiben so lange gedauert hat. Hätte das nicht schneller gehen können? Die eigentliche Crux liegt aber woanders. Sie haben ein Riesenproblem. Das merkt man bei Ihrer Argumentation.
Auf der einen Seite wollen Sie den Eindruck erwecken, in diesem Bereich würde etwas Weltbewegendes passieren, ein entscheidender Schritt getan und – so die Senatorin und der Kollege Weinberg – ein Meilenstein gesetzt.
Auf der anderen Seite schreibt dieser Senat in seiner Presseerklärung, dass es im Wesentlichen eine Systematisierung von dem sei, was die Kindereinrichtungen heute in Hamburg schon leisten würden, und man deshalb auch keine zusätzlichen Ressourcen brauchen würde. Genau das ist Ihr Problem. Sie sind nicht bereit, für diesen in der Tat theoretischen Meilenstein die notwendigen Ressourcen in die Hand zu nehmen. Das ist in Ihren Augen eben kein Leuchtturm und darum gibt es dafür kein Geld.
Deshalb garantiere ich Ihnen: Papier ist geduldig, aber tausende von Eltern in dieser Stadt sind es nicht.
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Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir sind uns offensichtlich in fünf zentralen Punkten dieses Problems einig.
Erstens: Sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendliche oder sexueller Missbrauch von Kindern und Jugendlichen ist – vielleicht abgesehen von Tötungsdelikten – so ziemlich das Schlimmste, das Zerstörerischste, was man einem Kind oder einem Jugendlichen antun kann.
Zweitens: Es spricht sehr vieles dafür, dass das Verhältnis zwischen Dunkel- und Hellfeld – also zwischen dem, was tatsächlich an Verbrechen passiert, und dem, was bei der Polizei letztendlich angezeigt wird – katastrophal weit auseinander klafft.
Der dritte Punkt, über den wir uns offensichtlich einig sind: Der Anteil von jugendlichen Tätern ist in den letzten Jahren in dieser Gruppe der Verbrechen dramatisch angestiegen.
Der vierte Punkt, über den wir uns offensichtlich einig sind: Untersuchungen zeigen, dass es einen bemerkenswerten Zusammenhang dazwischen gibt, Täter zu sein und vorher Opfer gewesen zu sein.
Fünftens: Gerade weil es diesen Zusammenhang zwischen Täter und Opfer gibt, kommt dem Gedanken der Prävention oder – wie es die GAL in ihrem Antrag genannt hat – der frühzeitigen Interventionsstrategie eine besondere Bedeutung zu. Das scheint völlig unstrittig zwischen den Jugendpolitikern zu sein.
Gerade wenn das so ist, müsste man eigentlich froh sein. Deshalb ärgere ich mich maßlos über Ihr Verhalten heute.
Ich habe mir angeguckt, welche Themen wir im Jugendausschuss hatten:
"Hamburg soll Sitz des Koordinierungsbüros für den deutsch-russische Jugendaustausch bleiben"
oder
"Referenzschreiben zur Unterstützung der internationalen Jugendarbeit".
Ich habe ausdrücklich einen Antrag der SPD und einen Antrag der GAL genommen. Mit solchen Themen beschäftigen wir uns. Das ist auch gut und richtig, denn das ist für bestimmte Bereiche der Jugendarbeit wichtig. Hier haben wir ein Thema, in dem es um die existentielle Situation von Kindern und Jugendlichen geht und die CDU verweigert die Diskussion des GAL-Antrags im Ausschuss. Das ist unverantwortlich.
Nun kennen wir das, Sie haben es gern ein bisschen nett und kuschelig im Ausschuss. Er soll auch nicht so häufig und nicht zu lange tagen, dann fällt es auch nicht auf, wenn die Senatorin nicht da ist.
Aber, meine Damen und Herren, es geht nicht darum, dass Sie der CDU oder der GAL einen Gefallen tun. Hier geht es um die Situation von Kindern und Jugendlichen und da dürfen Sie die Befassung dieses Problems im Ausschuss nicht verweigern.
Ich habe zur Vorbereitung dieser Sitzung mit einer Reihe von Trägern diskutiert – beispielsweise mit Dolle Deerns und dem Kinderschutzbund –, die in diesem Bereich tätig sind. Die haben uns eine Menge mitzuteilen über das, was in dieser Stadt tatsächlich passiert. Sie haben ein Rieseninteresse daran, mit uns in eine Diskussion zu kommen. Als ich andeutete, dass Sie die Befassung im Ausschuss heute möglicherweise durch Ihre Mehrheit verhindern werden, gab es blankes Entsetzen. Springen Sie über Ihren Schatten, machen Sie die Behandlung dieses Themas im Ausschuss möglich. Die Kinder, um die es hier geht, haben es verdient.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Herr Hesse, wenn das wirklich nur ein formales Problem ist, dann können wir das wirklich ganz leicht lösen. Es spricht aus meiner Sicht überhaupt nichts dagegen, dass die CDU ihren Antrag zur Abstimmung stellt. Wir werden dem Antrag übrigens zustimmen und ihn nachträglich an den Ausschuss überweisen. Das ist geübte Praxis, häufig genug gemacht.
Wer sich wirklich mit dem GAL-Antrag befassen will, der immerhin 14 Punkte umfasst, ohne ihm in allen 14 Punkten zustimmen zu wollen, der kann den GAL-Antrag ohne Beschlussfassung an den Ausschuss überweisen. Das ist überhaupt kein Problem. Machen wir uns nichts vor, der GAL-Antrag ist die eigentliche Grundlage und vom Umfang und von der Thematik her ist der CDU-Antrag eher der Zusatzantrag; aber wer zuerst kommt, der heißt eben Antrag und der andere ist der Zusatzantrag. Der Schatten, über den Sie springen müssen, der ist wirklich nicht hoch. Nun machen Sie es auch. Die Kinder und Jugendlichen brauchen das.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich will nur zwei kurze Punkte aufgreifen, einen eher formalen und einen inhaltlichen.
Um mit dem formalen Punkt anzufangen: Wenn Sie in Punkt sechs Ihres Antrags den Senat ersuchen, uns in Kenntnis zu setzen, und zwar ohne jeden Zeitraum zu nennen, bis zu dem der Senat berichten soll, dann können Sie auf diese Forderung auch gleich verzichten, denn wer keinen Zeitraum nennt, der verzichtet in Wirklichkeit auch auf das ob überhaupt. Also ein ganz klein bisschen mehr Mut, das tut im Übrigen auch gar nicht weh. Probieren Sie dem Senat gegenüber ein bisschen den aufrechten Gang und schreiben Sie in Zukunft in Ihre Anträge einen Zeitraum hinein oder lassen es völlig weg, dann wäre es ehrlicher.
Zum Inhalt: Eigentlich müsste über all diesen Anträgen folgende Zeile stehen: An ihren Taten sollt ihr sie erkennen. Sonntagsreden sind wohlfeil, heute Nachmittag haben wir eine klassische gehört; Papier ist geduldig. Wenn man das, was Sie in Wilhelmsburg und auf der Veddel an konkreter Politik machen, einmal als Maßstab für den Begriff Familienfreundlichkeit nimmt, der in diesem Antrag benutzt wird, dann werden Sie ein Problem bekommen. Ein einziges Beispiel: Es gibt keinen Stadtteil in Hamburg, der in einem derart katastrophalen Ausmaß Betreuungskapazitäten im Bereich der Kindergärten und Kindertagesstätten verloren hat wie gerade die Veddel und Wilhelmsburg.
Das ist kein Zufall, das ist nicht das ungewollte Ergebnis einer Politik, sondern das haben Sie sehenden Auges herbeigeführt. Sie wussten, dass bei Ihrer Politik dieses Ergebnis herauskommen würde. Sie sind von uns in diesem Haus x-mal gewarnt worden, dass das die Konsequenz Ihrer Politik sein würde. Sämtliche Fachleute haben Sie vorher darauf hingewiesen. Sie haben Fachleute in der eigenen Fraktion, die Ihnen das bestätigen konnten. Es ist wunderbar, Prioritäten für die Verbindung von Beruf und Familie zu schaffen, aber ohne gleichzeitig den nötigen Ausbau zu schaffen, war das die Katastrophe. Wer das macht, lässt die sozialen Bedarfe hinten herunterfallen und das ist für Wilhelmsburg und die Veddel eine einzige Katastrophe und Sie wissen das. Jedes Kindertagesheim in Wilhelmsburg bestätigt Ihnen, was es bedeutet, wenn die Kinder, die es am dringendsten nötig haben, in die Schule kommen und kein Deutsch oder nur ganz schlecht Deutsch sprechen können. Das sind genau die Kinder, die in acht oder zehn Jahren in
unserem System gescheitert sein werden, und die produzieren Sie seit drei Jahren in Wilhelmsburg und auf der Veddel. Das ist eine Katastrophe für diesen Stadtteil und in dem Zusammenhang dann von Familienfreundlichkeit zu sprechen, ist ein Zynismus, der nicht mehr fassbar ist.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren!
Erstens: Mit der hier zur Diskussion anstehenden, neu zu schaffenden Einrichtung der Rudolf-Ballin-Stiftung knüpfen wir das Netz von Hilfseinrichtungen in Hamburg ein Stückchen enger. Der Bedarf dafür ist vorhanden. Das haben die Behördenvertreter eindeutig nachgewiesen und wir selber hatten dieses Gefühl auch die ganze Zeit.
Zweitens: Die Rudolf-Ballin-Stiftung – Träger von Kinder-, Jugend- und Familienarbeit – ist uns sehr gut bekannt und hat einen ausgezeichneten Ruf in Hamburg.
Drittens: Die Zielgruppenbestimmung, die der Träger vorgenommen hat, betrifft ein relativ enges Spektrum, und zwar junge Mädchen in einem bestimmten Alter, in einer bestimmten Bedrohungssituation. In diesem Fall geht es um die Gefahr des Abgleitens in die Drogen- oder in die Prostitutionsszene. Ich glaube, es ist angemessen und richtig, diesen relativ schmalen Sektor zu nehmen. Wenn man die Zielvorstellung in diesem Bereich zu weit fasst, dann werden die Hilfen ungenau, nicht zielgenau. Es ist richtig, dass Sie diese Zielgruppenbestimmung so vorgenommen haben, wie Sie das getan haben.
Viertens: Die konzeptionellen Überlegungen, die wir mit dem Träger durchdiskutiert haben, die wir auch mit Fachleuten aus anderen Bereichen geführt haben, haben auch zu Veränderungen dieses Konzepts geführt. Ich sage einmal stellvertretend: Es hat Ergänzungen oder Veränderungen oder Präzisierungen im Bereich der schulischen Versorgung gegeben. Es ist das Problem der Evaluation durch Außenstehende, durch einen Beirat, positiv aufgegriffen worden. Die Überlegungen, die angestellt worden sind, zur Zusammenarbeit mit den Hamburger Dienststellen und sonstigen Hilfeeinrichtungen in Hamburg sind aufgegriffen worden. Sie haben das ganz ausführlich dargestellt. Auch das ist ausgesprochen positiv zu bewerten.
Im Übrigen ist der Ortswechsel gerade bei Mädchen, die in die Prostitutionsszene abgleiten oder bei denen die Gefahr besteht, sich dort zu verfestigen – raus aus dem Milieu, weg vom Kiez –, ein ausgesprochen probates und erfolgversprechendes Mittel, um eine Entfernung von ein paar hundert Kilometern zwischen dem Mädchen und dem Loddel oder wem auch immer zu legen. Deshalb ist auch das eine vernünftige Entscheidung.
Das Haus ist in der Tat ein Schmuckstück. Die Lage ist fantastisch. Für die kleinen Mädchen – obwohl klein wohl nicht so ganz passend ist – wird es durchaus ein Kulturschock sein. Die Möglichkeiten, die sie in dem Haus haben, sind hervorragend. Die Akzeptanz in der Gemeinde ist beeindruckend. Das ist bei Einrichtungen dieser Art keine Selbstverständlichkeit. Und in der Tat, dieser Bürgermeister ist eine beeindruckende Persönlichkeit. Aber
für den Träger ist es feine Sache, dass er in diesem Milieu auf solche Akzeptanz stößt.
Das Team selber, soweit wir es kennen gelernt haben, ist gut gemischt, engagiert, fachkundig und sich der Schwierigkeiten, die auf das Team zukommt, durchaus bewusst. Ich glaube, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind hervorragend geeignet, diese schwere Arbeit zu machen.
Ich fasse das zusammen: Diese Einrichtung ist in der Lage, gute Arbeit zu leisten. Das müssen sie auch, sie bekommen keine Mädchen als Kontingent zugeteilt, sie müssen sich ihren guten Ruf in dieser Einrichtung in Hamburg erarbeiten. Die Mitarbeiter in den Sozialdienststellen werden genau gucken, ob diese Einrichtung mit diesen Ergebnissen, mit diesen Arbeitsmethoden genau die richtige ist für das Mädchen, das sie vor sich haben. Ich glaube, dieser Träger, dieses Konzept, diese Einrichtung ist in der Lage, sich zu behaupten. Deshalb bin ich guten Mutes. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich bin seit zwölf Jahren Abgeordneter und es ist das erste Mal, dass ich mir im Vorfeld einer Debatte über meine eigenen Gefühle völlig im Unklaren war. Ich glaube, ich hatte vor dieser Debatte Angst. Angst aus zwei Gründen: Einmal, dass wir es als Parlament nicht schaffen würden, einem entsetzlichen Ereignis entsprechend zu reagieren. Das ist nicht selbstverständlich, dass das so passiert. Ich kann mich sehr gut erinnern und ich werde es nie vergessen, als an dieser Stelle ein Hamburger Innensenator den entsetzlichen Mord an einer Familie instrumentalisierte, mit den Händen auf uns zeigend sagte:
"An Ihren Händen klebt Blut."
Ich werde auch nicht vergessen, dass ein Teil der CDUFraktion frenetisch Beifall klatschte. Ich werde allerdings auch nicht vergessen, dass es eine ganze Reihe von Abgeordneten gab, die völlig versteinert im Plenum saßen und denen es sehr, sehr unangenehm war.
Die ganze Debatte hier und auch die Behandlung in den Medien ist völlig anders, als wir es ein paar Mal in Hamburg erlebt haben. Das zeigt mir, dass es eine angemessene Diskussion dieses Themas gibt. Darüber bin ich außerordentlich froh. Das ist nicht zuletzt Ihr Verdienst.
Der zweite Teil meiner Angst oder meiner Befürchtung ist, ob wir es schaffen, wenigstens jetzt der toten Jessica gerecht zu werden, einem siebenjährigen Mädchen, 1,10 Meter groß, 9,5 Kilogramm schwer, als sie – auf der einen Seite mitten unter uns und auf der anderen Seite offensichtlich von aller Welt verlassen – in dieser Stadt starb.
Als Jessica lebte – ich weiß nicht, ob man dieses Martyrium überhaupt als Leben bezeichnen kann –, wurden wir offensichtlich ihrem Recht auf Hilfe zum Leben, zum Überleben nicht gerecht. Das ist für mich eine bittere Erkenntnis. In einer der reichsten Regionen der Welt – das sind wir nach wie vor – erhält jemand, der es ganz dringend braucht, keine Hilfe. Wenn wir das ändern wollen, dann glaube ich nicht, dass es ausreicht, Datenabgleiche zu machen, klarere Dienstanweisungen auszusprechen, Gesetzesänderungen vorzunehmen. Das mag alles hilfreich sein, das wird hilfreich sein, gar keine Frage, es wird auch notwendig sein. Das entscheidende Problem, meine Damen und Herren, liegt woanders.
Wenn wir erwarten, dass sich Lehrer, Sozialarbeiter, Kindergärtnerinnen und Kindergärtner, Erzieher, alle die, die in Beratungsdiensten arbeiten, mit hoher Professionalität, mit ganz großer Sensibilität und – wenn es geht – auch mit leidenschaftlichem Engagement für ihr Klientel einsetzen, dann haben wir eine Bringeschuld zu leisten. Wir müssen sie materiell so ausstatten, dass sie diesen Aufgaben auch nachkommen können.
Wir müssen ihnen auch gleichzeitig glaubhaft deutlich machen, für wie wichtig wir sie und ihre Arbeit halten. Ich glaube, in beiden Punkten liegt es in Hamburg im Argen. Das in den nächstfolgenden Wochen und Monaten mit aufzuarbeiten, sollte Teil unserer eigenen Verpflichtung der toten Jessica gegenüber sein. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es fällt mir zwar nicht leicht nach der Rede der Senatorin, aber ich mache es trotzdem. Ich fange nicht mit dem an, was uns trennt, sondern mit dem an, was die Jugendpolitiker in diesem Haus eint und das ist eine Menge,
wesentlich mehr als in der Diskussion auf den ersten Blick sichtbar wird. Das sind manchmal kleine Dinge. Das ist zum Beispiel "Jugend im Parlament" oder "Die Nacht im Rathaus", das ist im Großen der gemeinsame Antrag, der uns hier vorliegt über die Zuständigkeiten des Bundes über Kinder- und Jugendpolitik, der für die Jugendpolitik von erheblicher Bedeutung ist.
Wenn es in diesem Haus Risse in der Jugendpolitik gibt, dann läuft der Riss manchmal hier, relativ selten da, fast immer läuft der Riss hier.
Alle Leute in Ihrem Arbeitskreis, vielleicht mit Ausnahme von Ihnen, Herr Hesse, wissen das wesentlich besser. Ich erwarte gar nicht, dass die etwas dazu sagen. Ich verstehe ja Ihre Situation, aber Sie können da zum Beispiel nachfragen. Die erklären es Ihnen gerne.
Zweiter Punkt: Hilfen zur Erziehung. Ein Haushalt in der Größenordnung von 130 Millionen Euro; 5500 Kinder und Jugendliche in der Stadt mit ihren Eltern, die auf diese Hilfen zum Teil in existenziellen Lagen angewiesen sind, also ein ganz wichtiger und großer Etatposten mit erheblicher sozialpolitischer Bedeutung. Völlig unbestritten.
Was passiert bei unserem Versuch, unseren Aufgaben als Abgeordnete nachzukommen, wenn wir fragen, wie es mit der Auskömmlichkeit des Haushaltes ist, wie ist es mit der regionalen Verteilung. Antwort: Wir haben ein neues Computersystem, wir können Ihnen diese Fragen nicht beantworten, warten Sie bis März, dann können wir Ihnen sagen, ob das auskömmlich ist oder nicht.
Ich habe mich da an die finanziellen Umgänge Ihres Vorgängersenators erinnert gefühlt. Ein Meisterstück war das bestimmt nicht, wobei, wenn ich nach rechts gucke, das ein ziemlich blödes Wortspiel ist.
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Dritter Punkt: Feuerbergstraße, gesicherte Unterbringung. Erstens kann kein Sozialdemokrat etwas dafür, dass diese ganze Stadt lacht, verzweifelt oder wütend ist, dass im Zusammenhang mit der Feuerbergstraße und dem Wort "gesichert" keiner das Gefühl hat, dass das irgendwie zusammenpasst.
Das ist nun Ihr Problem. Ich habe jahrelang die Position vertreten, dass es in der Entweichungsquote zwischen gesicherten und so genannten ungesicherten Unterbringungen keinen großen Unterschied gibt. Sie beweisen, dass das nicht richtig ist, sondern dass die Entweichungsquote aus dem, was Sie gesicherte Unterbringung nennen, noch erheblich höher ist.
Ist Ihnen als Jugendpolitiker eigentlich klar – und ich kann mir nicht vorstellen, dass Ihnen das nicht klar ist –, dass das doch eine mittlere Katastrophe sein muss, dass Sie in einer Jugendhilfeeinrichtung – kein Jugendknast, sondern eine Jugendhilfeeinrichtung – auf einen externen Sicherheitsdienst zurückgreifen müssen? Ist Ihnen eigentlich klar, was Sie selber zugeben? Das ist keine Jugendhilfeeinrichtung mehr, wenn Sie das machen. Überlegen Sie einmal, ob dieser externe Sicherheitsdienst wirklich eine Lösung des Problems ist, oder ob das nicht eher ein Teil des Problems ist.
Sie haben mit dem Konzept in der Feuerbergstraße, so wie Sie es dort durchsetzen, einen Dampfkessel geschaffen, der Ihnen irgendwann um die Ohren fliegt. Und Gnade uns Gott, wenn das passiert, denn diese Seite des Hauses hat bisher jede Verantwortung abgelehnt. Das wissen Sie so gut wie ich. Die werden dann die Verantwortung auch nicht übernehmen.
Das weiß ich. Anders als die GAL, Herr Hesse, haben wir – ich gebe zu, unter ziemlichen Schmerzen – uns dazu durchgerungen, dass wir wohl für einen bestimmten kleinen Teil von hauptsächlich Jugendlichen um eine gesicherte Unterbringung nicht herumkommen. Das ist für mich unstrittig, aber das konkrete Konzept, das Sie vorgelegt haben, das ist untauglich. Wir haben darüber im Ausschuss über Wochen und Monate diskutiert. Wenn Sie zugehört hätten, hätten Sie unsere Alternativen dazu gehört.
Eine Schlussbemerkung aus meiner Sicht. Ich habe dem Kollegen Weinberg vor 14 Tagen bei der Diskussion hier etwas gesagt, was ihn nicht erfreut hat. Das war der Hinweise von mir, dass es Situationen gibt, in denen man als Abgeordneter Rückgrat haben muss und eine Wirbelsäule nicht ausreicht. Das war damals mit Absicht gesagt und da ich das gesagt habe, stehe ich auch dazu und sage heute: Kollege Weinberg, Sie haben Rückgrat bewiesen bei den Kinderkuren und auch bei dem, was Sie im KitaBereich durchgesetzt haben. Es ist Ihnen gelungen, dass Sie die Katastrophe, die diese Senatorin dabei war anzu
richten, in beiden Fällen verhindert haben. Das ist unbestritten und gebe ich zu. Es ist nicht gut, was Sie erreicht haben, aber Sie haben das Schlimmste verhindert, aber es ist immer noch schlimm genug. Ich wäre froh gewesen, wenn es in Ihrer Fraktion zum Beispiel bei dem Thema Blindengeld andere Abgeordnete gegeben hätte, die diesen Mut ebenfalls gehabt hätten, um dieser Senatorin in den Arm zu fallen. Es wäre bitter nötig gewesen.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Um mit dem Beitrag der Senatorin anzufangen: Frau Schnieber-Jastram, wenn Sie polemisch werden wollen, dann haben Sie doch das bisschen Mut und sagen es selber und verstecken sich nicht hinter einem Herrn Merz aus dem Bundestag.
Zweiter Punkt: Wenn Sie beziehungsweise Ihr Staatsrat als Gesellschafter der Vereinigung das Ausscheiden aus der Tarifgemeinschaft auferlegen, heißt das im Klartext, die Vereinigung wird Personal entlassen müssen. Warum haben Sie nicht den Mut, sich hier hinzustellen und ganz klar, laut und deutlich zu sagen, dass das so ist?
Zu den Punkten, die Herr Weinberg angesprochen hat: Herr Weinberg, Sie sagten, wir hatten und haben eine gute Kindertagesbetreuung. Wir Sozialdemokraten waren da immer etwas realistischer und haben das relativiert und gesagt, im Vergleich zu den westdeutschen Großstädten stimmt das, im Vergleich zu den ostdeutschen Flächenländern ist das schon mau. Vor allen Dingen waren wir so ehrlich zu sagen, wenn wir die Qualität un
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serer Kindertagesbetreuung mit der in Kopenhagen, Helsinki, Amsterdam und Stockholm vergleichen, dann haben wir erhebliche Nachholbedarfe und spielen mitnichten in der ersten Liga. Wenn es darum geht zu erklären, warum unsere PISA-Ergebnisse so sind wie sie sind, ist das einer der Punkte, die wir aus unserer Sicht ändern müssten, um zu besseren Ergebnissen zu kommen.
Sie haben nach der Finanzierung gefragt. Erstens haben wir diese Grundsteuererhöhung gemeinsam gemacht und waren der Auffassung, dass sie kontinuierlich durchgeführt werden muss. Das sind immerhin 20 Millionen gewesen, das ist eine Menge. Zweitens waren wir der Auffassung, dass die zu erwartenden Einsparungen aus Hartz – der Finanzsenator weiß, dass es da Einsparungen gibt – aus politischen Gründen zum erheblichen Teil für Kindertagesbetreuung eingesetzt werden müssten. Es ist nicht gottgegeben, dass der Finanzsenator das einspart. Das kann man, wenn man politisch will, für Kindertagesbetreuung einsetzen. Ihre These, hier gäbe es eine Oberkante, die gottgegeben sei, ist schlichtweg falsch. Wenn Sie es politisch wollen, steht mehr Geld für Kindertagesbetreuung zur Verfügung. Wenn man es nicht will, dann haben Sie in der Tat die Oberkante dessen erreicht, was machbar ist.
Ich habe vor 14 Tagen hier gestanden und eine Art vorläufige Bewertung aus meiner Sicht gegeben. Ich will das nicht alles wiederholen, so furchtbar viel Neues ist nicht gekommen. Aber in mindestens drei Punkten muss ich meine Position ergänzen beziehungsweise ändern.
Erster Punkt: Standardverschlechterung. Was die Behörde jetzt will, liegt auf dem Tisch und was auch auf dem Tisch liegt, ist die Berechnung von SOAL und von der Diakonie. Ich habe mich zusätzlich bei der Caritas und der AWO erkundigt. Alle Träger bestätigen mir, dass sie zu ähnlichen Ergebnissen kommen: Die Standardverschlechterungen, die die Behörde vorrechnet, sind geschönt bis zum Gehtnichtmehr; die Wahrheit ist wesentlich dramatischer. Wenn zukünftig im Hort statt 20 Kinder 27 Kinder sein werden, wenn im Elementarbereich nicht mehr 20 Kinder sein werden, sondern 25, dann ist die Aussage einer Senatorin, die vorgibt, Fachsenatorin zu sein, es würde sich um die Rückführung unangemessen hoher Standards halten, reiner Zynismus.
Zweiter Punkt: Ich habe damals gesagt, von dem, was Sie unter Gesprächen, unter Verhandlungen verstehen, glaube ich Ihnen kein Wort. In Wirklichkeit sind Sie weder an Gesprächen noch an Verhandlungen interessiert, sondern wollen den Trägern Vorschriften machen. Sie haben auch heute wieder behauptet, sie wären an Verhandlungen und Gesprächen interessiert, darauf würden Sie setzen. Ich muss mich ausdrücklich bei Ihnen und Ihrer Behörde bedanken, dass sie ein konkretes Beispiel dafür liefert, wie das abläuft, wenn die Behörde auf gleicher Augenhöhe mit Trägern verhandelt.
Am 18. dieses Monats, das war der Tag, an dem die Presseerklärung herauskam, über die wir hier reden, hat der Senat den Träger SOAL zu Gesprächen eingeladen. Als Erstes wurde SOAL mitgeteilt, es gibt 321 Millionen Euro und keinen Pfennig mehr und zweitens schreiben wir euch folgende Standards fest; über alles andere kön
nen wir drittens selbstverständlich reden. Dies ist eine derartige Veräppelung von Trägern,
die wirklich unanständig ist. Und dann behaupten Sie, man hätte Interesse an Gesprächen – das haben Sie vor 14 Tagen und auch heute wieder gemacht – und die Behörde selbst handelt völlig anders. Frau Senatorin, ich hatte gedacht, Sie hätten ein großes Interesse an der Halbwertszeit Ihrer eigenen Argumente; 14 Tage sind selbst für diesen Senat eine verdammt knappe Halbwertszeit.
Der letzte Punkt ist eine Bewertung dessen, was passiert ist; ich hätte das vor 14 Tagen so krass nicht gesagt. Die Mikrophone der Pressekonferenz des Ersten Bürgermeisters mit Olaf Scholz waren noch nicht abgeschaltet, da waren die Spitzenbeamten in dieser Behörde schon dabei zu überlegen, wie Sie diesen Kompromiss aushebeln.
Das hat meine Kollegin durch gezieltes Nachfragen, wann Sie eigentlich Aufträge vergeben haben, zum Beispiel die juristischen Prüfungen und Ähnliches, fein herausgearbeitet und Ihre Praxis zeigt auch, dass es eindeutig darum ging. Wenn mich heute einer fragt – und das tun einige –, wie man sich eigentlich fühlt, mit diesem Senat einen Kompromiss geschlossen zu haben, ob man sich veräppelt oder ausgetrickst fühlt, dann kann ich nur sagen, ich fühle mich ausgetrickst. Man hat irgendwie das Gefühl, weder ernst genommen noch respektiert zu werden. Aber, Frau Senatorin, es ist völlig unwichtig und nebensächlich, wie ich mich dabei fühle. Was Sie aber bei 55 000 Kindern und ihren Eltern in dieser Stadt anrichten, das ist unverzeihlich.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Um ein Missverständnis von Herrn Weinberg auszuräumen – Frau Blömeke hat schon darauf hingewiesen –: Wir waren nie Kritiker dieses Wechsels, im Gegenteil. Der Wechsel vom Angebot- auf ein Nachfragesystem war doch auch Kernpunkt unserer Vorstellung gewesen. Sie können sich doch daran erinnern, dass wir die geradezu chaotische Umsetzung unter dem auch Ihnen bekannten Senator Lange kritisiert haben.
Ich erinnere mich ganz genau, dass wir nicht die Einzigen waren, die unter dieser chaotischen Umsetzung gelitten haben. Das zu dem Punkt.
Wenn ich das vorläufige Ende der Diskussion zusammenfasse, komme ich zu sechs Punkten.
Erstens: Dieses so genannte Einführungsgesetz zum Kinderbetreuungsgesetz ist überhaupt kein Einführungsgesetz. Es hat selbstverständlich eine Funktion: Es soll einen Teil der kostenträchtigen Vereinbarungen, die der Erste Bürgermeister mit der Initiative für eine bessere Kita-Betreuung geschlossen hat, wieder zurückschrauben. Sie wollen das, was der Erste Bürgermeister vereinbart hat, auf diese Art und Weise wieder aushebeln. Das genau ist die Funktion dieses Gesetzes.
Ich glaube, in Fachkreisen nennt man so etwas Camouflage, wenn man ein Gesetz so beschließt.
Zweitens: Dieses Gesetz ist – und das ist die freundlichste Formulierung, die mir einfällt – juristisch zweifelhaft. Dazu ist auch schon eine Menge gesagt worden.
Dritter Punkt und der ist nun überhaupt nicht zweifelhaft. Das hat bei der Anhörung jeder, der sich zu Wort gemeldet hat, bestätigt. Dieses Gesetz hat mit vertrauensvoller Zusammenarbeit nichts, aber auch gar nichts zu tun.
Jeder Träger, der mit der Behörde am Tisch sitzt, betrachtet dieses Gesetz als Drohung, als Drohgebärde, als Druckmittel.
Das sagen die auch alle ganz laut und deutlich und Sie haben alle Ohren und können es hören. Das war unbestreitbar und so ist es ja auch gemeint. Natürlich ist das der Wink mit dem Zaunpfahl oder der Wink mit der Latte nach dem Motto: Du kannst bei den Verhandlungen zustimmen und wenn du es nicht tust, können wir auch ganz anders. Das ist die Funktion, die dieses Gesetz haben soll und dann reden Sie doch nicht darum herum. Nur, wenn das Ihr Verständnis von vertrauensvoller Zusammenarbeit ist, dann frage ich mich, was passiert, wenn jemand diese Senatorin als Gegner hat.
Viertens: Auswirkungen auf die Träger. Bei der öffentlichen Anhörung ist deutlich geworden, dass ein ganz zentraler Schatz, den wir hier in Hamburg haben, in Gefahr ist: Das ist die Vielfalt der Trägerszene. Den CDUAbgeordneten müssen die Ohren klingen, wenn sie an die Beiträge der Kirchen denken, die bei dieser Anhörung
gefallen sind, über den Druck, dem die Kirchen sich ausgesetzt sehen, eine ganze Reihe ihrer Einrichtungen zu schließen. Die kleineren Träger haben deutlich gemacht, was das für sie bedeutet. Wir werden, wenn dieses Gesetz Wirklichkeit wird und seine Wirkung entfaltet, eine ganze Reihe von Trägern verlieren. Trägervielfalt ist für Eltern, die wirklich Nachfragemacht haben wollen, die auswählen wollen, aber unverzichtbar. Sie vernichten hier einen Schatz, den diese Stadt hat.
Fünftens: Auswirkungen auf die Mitarbeiter. 20 Prozent, vielleicht 25 Prozent der Arbeitsplätze stehen in diesem Bereich zur Disposition. Die Bezahlung wird für sehr viele schlechter werden. Die Arbeit wird verdichtet werden. Bei Neueinstellungen – wenn es die denn gibt – wird es Zeitverträge und Teilzeitverträge geben. Das werden die konkreten Auswirkungen bei tausenden von Frauenarbeitsplätzen sein.
Das ist bei der Anhörung von jedem Träger so geschildert und von keinem bestritten worden.
Sechstens: Auswirkungen auf die, um die es hierbei wirklich geht: Kinder und Eltern. Die werden mit massiven Qualitätsverschlechterungen, Gruppenvergrößerungen, Betreuungsveränderungen fertig werden müssen. Die reale Lebenswelt der Kinder in dieser Stadt erfordert das genaue Gegenteil und Sie wissen, dass eigentlich das genaue Gegenteil erforderlich ist.
Und, Frau Senatorin, dieser Satz, den Sie da gesagt haben, es ginge hier um Kinder und nicht um Mitarbeiter, das ist der billige Versuch, zwei Interessen gegeneinander auszuspielen. Die Eltern wissen, dass mit schlechter bezahlten, schlechter ausgebildeten Mitarbeitern und weniger Betreuung eine gute Arbeit für ihre Kinder nicht möglich ist und dieses Ausspielen wird nicht funktionieren.
Wenn mir einer vor eineinhalb Jahren gesagt hätte, das Chaos, das Senator Lange angerichtet hat, der Frust, der Ärger, der Zorn, die Angst wären noch zu toppen, hätte ich gesagt, das sei unmöglich. Frau Senatorin, Sie sind dabei auf dem besten Weg, dieses noch zu toppen, und zwar völlig anders als Senator Lange.
Der war zwar guten Willens, es war aber ein Chaot. Sie sind völlig anders. Sie sind kühl, Sie sind kalkulierend, Sie haben unleugbar eine gewisse Effizienz beim Umsetzen der Vorgaben, die Ihnen der Finanzsenator macht.
Frau Senatorin, eine wirkliche Anwältin von Kindern aber würde völlig anders handeln.
Letzter Punkt. Kollege Weinberg und alle anderen in der CDU-Fraktion! Ich sehe das ja, ich bekomme Ihre inhaltlichen Positionen mit, ich erlebe Sie bei Auftritten, ich sehe das Dilemma, in dem Sie sind und sehe, wie der Spagat wehtut, auf der einen Seite die Politik des Senates zu stützen – Sie sind ja schließlich die den Senat tragende Partei –, und auf der anderen Seite möchten Sie sich,
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wenn Sie in den Spiegel gucken, fachlich auch noch wiedererkennen. Ihr Dilemma sehe ich. Gerade wenn man Regierungspartei ist, Kollege Weinberg, gibt es aber Situationen, da braucht man als Abgeordneter nicht nur eine Wirbelsäule, da braucht man Rückgrat.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Eine erste Vorbemerkung: Vieles von dem, was die Senatorin über die Qualität der Hamburger Versorgung im Kita-Bereich sagt, ist richtig. Darauf sind wir Sozialdemokraten auch stolz,
denn es ist in erster Linie das Ergebnis von 44 Jahren sozialdemokratischer Arbeit in dieser Stadt.
Ich kann mich sehr gut an die Diskussionen in den letzten zehn Jahren erinnern, als zum Beispiel von den Abgeordneten der CDU diese Qualität lauthals bestritten wurde.
Die Senatorin eben, der Staatsrat – egal, ob er gefragt wird oder nicht –, aber auch die Kollegen von der CDU lassen keine Gelegenheit aus, darauf hinzuweisen, dass sie eigentlich an dem vorgelegten Gesetz überhaupt kein Interesse haben,
dass sie eigentlich nur an einer freiwilligen Vereinbarung mit den Trägern interessiert sind und dass sie dieses Gesetz eigentlich nur für den unwahrscheinlichen Fall brauchen, dass sie am 1. Januar einen gesetzlosen Zustand haben. Das wäre ja fast Anarchie in Hamburg. Also nur für diesen ganz unwahrscheinlichen Fall brauchen Sie dieses Gesetz. Wer das glaubt, der wird selig und der glaubt im Übrigen auch, dass die Erde eine Scheibe ist.
Die Reaktion der Betroffenen, Ihrer Verhandlungspartner, ist eindeutig. Lesen Sie die Presseerklärung Ihrer Verhandlungspartner, dann wissen Sie, die haben genau verstanden, was mit diesem Gesetz gemeint ist, dass Druck ausgeübt werden soll. Die nennen das "Nötigung", was Sie vorhaben. Das ist auch beabsichtigt und dann sollten Sie nicht drumherum reden. Das hat mit partner